DIE FURCHE · 35 16 Diskurs 31. August 2023 ZEITBILD Die Rote Karte gezeigt Foto: IMAGO / Sipa USA IHRE MEINUNG Schreiben Sie uns unter leserbriefe@furche.at „Woke“ Träumer Von Tobias Kurakin Nr. 34, Seite 2 Diese Ausführungen lieferten für mich einige Überraschungen. Da wäre etwa der Hinweis auf den wichtigsten Wert von jungen Menschen – die Gesundheit. Die Wahrnehmungen in St. Pölten am Rand des Frequency-Festivals lassen mich aber daran zweifeln. Ja, es darf auch einmal die Sau rausgelassen werden. Aber die vielen adipösen Jugendlichen und die Intensität des Alkohol- und Drogenkonsums lassen nicht auf ein ausgeprägtes Gesundheitsbewusstsein schließen. Auch die idealistischen Ansprüche bei der Bekämpfung der Klimakrise der Generation Z waren nicht sichtbar. Am Tag danach zeigten sich der Traisenpark und der Fluss selbst als Müllhalde. Ich möchte nicht verallgemeinern und ebenso wenig urteilen: So wie wir Boomer ist auch die Gen Z ein Kind ihrer Zeit. Beide greifen nach dem, was sich bietet. Damals gab es eben noch nicht Bier und Energydrinks in Aludosen, keine sozialen Medien etc. Wörter wie Nachhaltigkeit waren bestenfalls im Wortschatz von Gelehrten, nachhaltiger Lebensstil war jedoch durch knappe Ressourcen selbstverständlich. Wir hatten es dadurch leichter – und ich blicke mit meinen (Enkel-)Kindern mit einiger Ratlosigkeit in die Zukunft. Ich nehme der Politik nicht ab, dass eine gute Zukunft ohne Verzicht und durch Technologie gesichert sei. Wichtig wäre deshalb ein ehrlicher Dialog zwischen den Generationen. Ermuntern möchte ich die Generation Z auch, sich politisch zu engagieren, aber sich nicht vereinnahmen zu lassen, sondern Neues zu versuchen. Franz Simmer Weistracht Warum Wohlstand nicht vom Himmel fällt. Von Gunther Schnabl Nr. 33, Seite 6 Mit großem Interesse habe ich diesen Gastkommentar gelesen. Relativ detailliert wird beschrieben, wie die Entwicklung der Marktwirtschaft in Europa zum Wohlstand beigetragen hat und wie der Wohlstand nun gefährdet wird. Aber hat Herr Schnabl auch eine ökonomische Antwort auf die ökologische Krise? Nur „der Markt regelt alles“ finde ich für einen Mit dem Hashtag #SeAcabó („Es ist Schluss“) sind in den letzten Tagen spanienweit tausende Frauen auf die Straße gegangen, um gegen Sexismus, Machismus und das Patriarchat zu demonstrieren. Auslöser war der Kuss, den der spanische Fußballpräsident Luis Rubiales der Spielerin Jennifer Hermoso bei der Siegesfeier der WM der Frauen am 20. August in Sydney auf den Mund gedrückt hatte. Hermoso veröffentlichte im Nachgang eine Stellungnahme, dass dies ohne ihre Zustimmung geschehen war. Seither sind weltweit die Schlagzeilen voll mit dem Skandal: Rubiales sieht eine Hetzjagd gegen seine Person, seine Mutter trat in den Hungerstreik. Unterdessen hat die FIFA den Präsidenten für mindestens 90 Tage suspendiert. Der spanische Sportgerichtshof entscheidet nun, ob Rubiales gänzlich gesperrt werden soll. Dahinter steht auch massiver Druck der Regierung. In einem Land, in dem der „Menstruationsurlaub“ gesetzlich verankert ist und Unternehmen eine 40-prozentige Frauenquote in Führungsetagen vorweisen müssen, trifft die Debatte einen politischen Nerv. In kaum einem anderen Staat spielt Gleichberechtigung eine derart große Rolle in der Tagespolitik. Beobachter führen das auf die historische Tatsache zurück, dass es unter Diktator Franco so gut wie keine Frauenrechte gab. Egal wie die Causa um Rubiales sportlich weitergeht: Gesellschaftlich wird sie Spanien noch lange beschäftigen. (vs) Wirtschaftsprofessor etwas wenig. Zudem finde ich sehr wohl, dass „Klimaschutz“, also eine für Menschen günstige Umwelt, ein wichtiger Wohlstandsfaktor ist. Wohlstand allein materiell zu definieren, erscheint doch etwas altmodisch. Interessant fände ich auch die Frage, wie z. B. die Gesundheitsversorgung oder das soziale Netz – als wichtige Wohlstandsindikatoren – vom allgemeinen materiellen Wachstum entkoppelt werden könnten. Vielleicht gibt es dazu einmal einen Gastkommentar? Dominik Schranz via Mail Täglich fließt der Berg nach Wien Von Wolfgang Machreich Nr. 32, Seite 2 Zu diesem ansonsten informativen Artikel möchte ich doch ein paar kritische Anmerkungen machen: 1. Der Initiator der I. Wiener Hochquellleitung wird mit keinem Wort erwähnt. Es handelt sich um den Geologen Eduard Suess, Universitätsprofessor für Paläontologie und Geologie, Präsident der Akademie der Wissenschaften und Abgeordneter (der Liberalen, Anm.). Als ein Begründer der modernen Geologie gehen Begriffe wie Biosphäre, Atmosphäre, aber auch Tethys, Gondwana auf ihn zurück. Ihm verdanken wir auch den ersten wirklichen Hochwasserschutz durch die Donauregulierung, für die er die nach der Fertigstellung des Suezkanals vor sich hinrostenden Bagger per Schiff von Ägypten bis Wien transportieren ließ. Im Sommer 2022 feierten wir ihn mit Gedenktafelenthüllungen für ihn und für seinen Sohn Franz Eduard, ebenfalls Geologieprofessor. 2. Der Kaiser kannte das Wiener Hochquellwasser bereits, nicht nur von der Jagd, da es ihm in Fässern in die Hofburg geliefert wurde, von einer eigenen Mannschaft, den Wasser reitern, „Wasserer“ genannt. Karl Lueger bezeichnete den Juden Eduard Suess abfällig als „Wasserer“. 3. Die in nur vier Jahren errichtete I. Hochquellleitung ersetzte die früheren Leitungen, die völlig unzureichend waren. Zehn Jahre nach Inbetriebnahme mussten Revisionsarbeiten durchgeführt werden, wodurch die alten Leitungen und Brunnen zu einem markanten Anstieg der Todesfälle nach Erkrankungen an Typhus und Cholera führten, womit auch letzte Zweifler von der Sinnhaftigkeit dieses Baus überzeugt werden konnten. Dr. Roman Lahodynsky Geologe und Univ.-Ass. i. R. (Institut für Sicherheits- und Risikowissenschaften, BOKU) Lebenshilfe NÖ und Lebenshilfe Vorarlberg zu Gast beim Grafenegg Festival Österreichische Lotterien kulturell und sozial aktiv Die Österreichischen Lotterien engagieren sich seit vielen Jahren sowohl kulturell als auch im sozialen Bereich. Die Partnerschaft mit dem Grafengg Festival ermöglicht es seit vielen Jahren, beides miteinander zu verbinden. So haben die Österreichischen Lotterien auch dieses Jahr 15 Klient:innen und acht Betreuer:innen der Lebenshilfe Niederösterreich und der Lebenshilfe Vorarlberg zu einem Empfang und Musikabend in Grafenegg eingeladen. Erwin van Lambaart, Generaldirektor der Österreichischen Lotterien: „Österreich ist ein Land mit einer besonders reichen Musiktradition. Das Grafenegg Festival gehört schon lange zu den führenden Institutionen des Landes, wenn es darum geht, diese Tradition zu pflegen und lebendig zu erhalten. Es ist wunderschön, dass auf diesem Weg so unterschiedliche Menschen zusammenkommen und gemeinsam eine gute Zeit haben.“ Rudolf Buchbinder, Künstlerischer Leiter des Grafenegg Festival: „Die Österreichischen Lotterien bringen uns seit der Gründung des Grafenegg Festival Glück und ermöglichen als Hauptsponsor ein facettenreiches Programm, das weit über die Landesgrenzen hinausstrahlt. Was mich jedes Jahr aufs Neue berührt, ist das soziale Engagement, mit dem vielen Menschen ein wunderbarer Konzertabend ermöglicht wird, die sonst nicht die Chance hätten. Auf viele weitere gemeinsame Jahre!“ Erwin van Lambaart, Generaldirektor der Österreichischen Lottieren mit der Präsidentin der Lebenshilfe NÖ Friederike Pospischil. Foto: Achim Bieniek IN KÜRZE INTERNATIONAL RELIGION GESELLSCHAFT WISSEN ■ Prigoschins Beisetzung ■ Konvertit wird Weihbischof ■ Armutsgefährdete Kinder ■ Das Wildschweinparadox Wagner-Anführer Jewgeni Prigoschin, der bei einem Flugzeugabsturz starb, ist in seiner Heimatstadt St. Petersburg beerdigt worden, das vermeldet sein Pressedienst. Die Bestattung habe im engsten Kreise, fernab jeder Öffentlichkeit stattgefunden. Russlands Machthaber Wladimir Putin nahm nicht an der Beerdigung teil. Prigoschin war spätestens seit seiner Revolte im Juni in Ungnade gefallen. Seit Prigoschins Tod wird in westlichen Staaten wild darüber spekuliert, ob Putin für den Flugzeugabsturz verantwortlich ist. Der Kreml dementiert eine Beteiligung, eine internationale Untersuchung wird aber abgelehnt. Der in Deutschland geborene Antuan Ilgit ist von Papst Franziskus zum Weihbischof in Anatolien ernannt worden. Der 52-Jährige wurde als Kind türkischer Eltern in Bayern geboren und studierte in Ankara Wirtschaftswissenschaften. Nach seiner Konversion zum Christentum trat er 2005 in den Jesuitenorden ein. Als Weihbischof wird er den Apostolischen Vikar von Anatolien, Paolo Bizzeti, unterstützen. Das Apostolische Vikariat Anatolien mit Sitz in der Mittelmeerstadt İskenderun umfasst die östliche Hälfte der Türkei. Offiziell zählt das Kirchengebiet im Osten und Süden des Landes weniger als 2000 Katholiken. Kurz vor dem Schulanfang im Osten vermeldet die Caritas, dass 335.000 Kinder in Österreich armutsgefährdet sind. Sie beruft sich dabei auch auf eine aktuelle Studie der Arbeiterkammer, der zufolge die Kosten für Schulsachen im Vergleich zum Vorjahr um rund zehn Prozent höher liegen. Die Gesamtkosten pro Schuljahr für Kinder in der Volksschule und Unterstufe beliefen sich aktuell auf fast 1500 Euro. Auch Nachhilfe bleibe ein großes Problem: 720 Euro zahlen Eltern im Schnitt pro Schulkind. Kostenlose Lerncafés haben lange Wartelisten. Bundesweit werden derzeit rund 1900 Schüler in 68 Caritas-Lerncafés betreut. Nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl waren Pilze und Wild in Österreich stark radioaktiv belastet; vom Verzehr wurde abgeraten. Die Strahlenbelastung von Rotwild ging mit der Zeit zurück, doch Wildschweinfleisch überschreitet heute noch Grenzwerte: Die Belastung sank deutlich langsamer, als man durch den natürlichen radioaktiven Zerfall von Cäsium erwarten würde. Forscher der TU Wien und der Uni Hannover haben dieses „Wildschweinparadoxon“ nun beleuchtet: Die Radioaktivität sei bereits auf Atomwaffentests aus den 1960er Jahren zurückzuführen, berichten sie im Fachblatt Environmental Science & Technology.
DIE FURCHE · 35 31. August 2023 Architektur 17 Die heurige Architekturbiennale in Venedig versteht sich als Labor für die Zukunft und richtet ihren Blick vor allem auf Afrika. Das bedeutet wenige Projekte, viel Lebendigkeit und Aufarbeitung von Kolonialgeschichte. Von Isabella Marboe Der österreichische Pavillon auf der Architekturbiennale in Venedig ist heuer eine Baustelle. Das zentrale Portal mit halbverputztem Gipskarton ist verschlossen, innen stören Zwischenwände die Symmetrie des hohen Raums. Die 17 Mitglieder des Architekturkollektivs AKT und der zur grauen Eminenz gereifte, frühere FUR CHE-Autor Hermann Czech kuratierten den Beitrag „Partecipazione/Beteiligung“ im Pavillon von Josef Hoffmann. Er steht an der Grenze zwischen Giardini und Stadt. Das Gerüst im Hof hätte eine Brücke über die Gartenmauer der Giardini hinweg zum benachbarten Stadtteil Sant’Elena werden sollen, um dessen Bewohnerschaft freien Zutritt zum Pavillon zu ermöglichen. Diese Einladung zur Teilhabe scheiterte am Denkmalamt und der Biennale, die keinen Präzedenzfall setzen wollte. Der Pavillon blieb Bauplatz. Wie sich Machtverhältnisse in Architektur manifestieren, die An-, Zu- und Enteignung von Ressourcen und Raum sind wesentliche Themen dieser Biennale. „Partecipazione/Beteiligung“ beleuchtet die Schattenseiten der Biennale. Deren begleitende Veranstaltungen verdrängen lokale Geschäftsleute, treiben Preise in horrende Höhen und beeinflussen das sozioökologische Gleichgewicht der Stadt massiv. Sant’Elena ist als Nachbarschaft davon besonders stark betroffen, gerade dort gibt es sehr rührige Bürgerinitiativen, denen der Beitrag ein prominentes Podium gibt. „Der Pavillon ist das Exponat“, sagt Hermann Czech. Die Baustelleninstallation ist nicht beliebig, sie spielt mit der Geometrie der Torbögen. Außerdem: „Der Beitrag wird nicht nur symbolisch, sondern ganz konkret von Menschen getragen.“ Afrika im Fokus Venedig hat schon viele Architekturbiennalen gesehen, jede setzte ihren eigenen Schwerpunkt, jede verhandelte die Berechtigung der nationalen Pavillons. Trotzdem ist diese fundamental anders und polarisiert stark. Bestsellerautorin und Architekturwissenschafterin Lesley Lokko ist die erste Kuratorin mit afrikanischen Wurzeln. Sie wuchs in Accra (Ghana) auf, lehrte in London, den USA, Südafrika und Sydney, gründete 2015 die Graduate School of Archi tec ture in Johannesburg und 2020 das African Futures Institute in Accra. „Erstmals in der Geschichte der Architekturbiennale fällt das Scheinwerferlicht auf Afrika und Fundamental anders die afrikanische Diaspora. Diese fluide und verflochtene Kultur der Menschen afrikanischer Abstammung, die den ganzen Globus umspannt.“ Lokko erklärt die Biennale zum „Laboratory of the Future“ und deren Teilnehmende zu „Praktikanten“. Nicht nur Architekten, auch viele Künstler, Performer, Theater- und Filmemacher sind dabei. Es geht um Veränderung. Diese Biennale bietet keine Lösungen, sondern Denkanstöße. Sie hat weniger mit Gebautem als vielmehr mit Erfahrenem, Erlebtem und Gedachtem zu tun. Die Mehrheit aller Teilnehmenden stammt aus Afrika, das Geschlechterverhältnis liegt bei 50:50, das Durchschnittsalter bei 43 Jahren, der jüngste ist 24. Man kennt gerade einmal Pritzker-Preis-Träger Diébédo Francis Kéré aus Burkina Faso und den ghanaisch-britischen Architekten David Adjaye. Letzterer stellte eine Art 13 Meter hohe, spitzwinkelige, begehbare Skulptur namens Kwaeε (Wald) mit lichtdurchlässigen, flirrenden Wänden aus schwarz gebeizten Holzstücken vor die Lagerhallen des Arsenale. Faszinierend. Im zentralen Pavillon in den Giardini baute Francis Kéré eine Mauer aus rotem Lehm auf, durch deren Gucklöcher ikonische Adobe-Lehmbauten aus der westlichen Sahara zu sehen sind. Die Freitagsmoschee im Niger, die Große Moschee in Burkina Faso. Kéré zeigt in kleinen Skizzen die intelligenten Details der traditionellen afrikanischen Architektur: das zentrale Oberlicht, das den Raum erhellt und bei Regen mit einem Krug abgedeckt ist. Daneben: eine heutige Behausung, ärmlich, kulturell dispers, „Africa meets Globalization“. Recyclingarchitektur Die Hauptausstellung im Arsenale beginnt in einem dunklen Raum mit einem Film voller Rhythmus, Dynamik und Reggae des charismatischen Rhael „LionHeart“ Cape. Dieser „poetische Aufruf zur Aktion“ scheint die Seele Afrikas zu suchen. Gefühle sind hier eine architektonische Kategorie, die vielen Formen der Verschleierung eine individuelle Behausungsform. Klassische Projekte gibt es weniger zu sehen – wenn, dann sind sie leise, langsam, sozial, nach- und zurückhaltend. Das spanische Büro Flores & Prats dokumentiert mit Zeichnungen auf Transparentpapier, Skizzen, Modellen und sehr genauer Recherche seine Arbeitsweise. Die sensible Renovierung der Sala Beckett, eines Theaters in Barcelona, machte bereits 2018 auf der Biennale Furore. Zehn Jahre stecken in dem Projekt. „Alte Bauten sind das visuelle Gedächtnis einer Gesellschaft, sie speichern Emotionen. Es ist wichtig, zu überlegen, wie man diese bewahren kann“, sagt Ricardo Flores. Foto: Isabella Marboe Brückenschlag Ein Angebot zur Teilhabe stellte das geplante, aber nicht genehmigte Gerüst vom Österreich-Pavillon zum Stadtteil Sant’Elena dar. „ Die 64 nationalen Pavillons untersuchen Landstriche und Kulturen in unterschiedlichsten Formen. “ Die 64 nationalen Pavillons untersuchen Landstriche und Kulturen in unterschiedlichsten Formen. Großbritannien dokumentiert Rituale der afrikanischen Diaspora wie das Musizieren auf Kochtöpfen und gemeinsame Essen im öffentlichen Raum. Der belgische Pavillon erforscht Pilze als künftiges Baumaterial, Rumänien gräbt in nationalen Archiven visionäre Erfindungen der Vergangenheit aus und regt an, daraus für die Zukunft zu schöpfen. Polen tritt den Beweis an, dass digitalen Datensätzen nicht zu trauen ist, Israel erforscht den faktischen Raumbedarf digitaler Rechenzentren. Unter dem Motto „Open for maintenance – wegen Umbau geöffnet“ verwandelt das Kuratorenteam ARCH+/Summacumfemmer/Büro Juliane Greb den deutschen Pavillon zu einem Paradebeispiel ressourcenschonender, sozial nachhaltiger Architektur. Eine rund geschwungene, weite Rampe macht in einer großzügigen Geste den Pavillon barrierefrei, das Innere wird zu einem Do-it-yourself-Workshop. Die materiellen Relikte der letzten Kunstbiennale sind sorgfältig sortiert und geschlichtet gleichermaßen dessen Recyclingbaumarkt. Laufend kommen Studierende und Praktikantinnen nach Venedig, um zu zeigen, was sie daraus machen können. Vergangenheit als Ressource „Wenn wir alle dasselbe Blut haben, warum sind es wir, die immer bluten?“, fragen Aborigines im australischen Pavillon. Der Pavillon der nordischen Länder – Finnland, Norwegen, Schweden – untersucht Kultur und Bauweise der Sami und ist voller Baumstämme, Zelte, Teppiche, Mulch und Bücher zu zeitgenössischer indigener Architektur. „Hört auf, unser Handwerk abzuwerten“, fordert ein Same. Dänemark und Griechenland dokumentieren ihre Küsten linien als vom Klimawandel besonders betroffene Landstriche. Das Wachstum von Kopenhagen, einer der lebenswertesten Städte der Welt, folgt dem sogenannten Fünf-Finger- Plan – also einer sternförmigen Ausbreitung in die Feuchtgebiete. Doch die Stadt liegt sehr tief, der Anstieg des Meeresspiegels rüttelt an ihren Fundamenten. Bei einigen Architekten und Architektinnen hinterließ diese Bien nale Ratlosigkeit. Die Herausforderungen der Zukunft bräuchten Fortschritt, nicht Rückschau. Die Biennale fordert dazu auf, Vergangenheit, Erinnerung, Emotion, das Fluide, Ephemere und Gemeinsame unbedingt mit einzubeziehen. Kein schlechter Ansatz. 18. Architekturbiennale Venedig Bis 26. 11. 2023. www.labiennale.org Diskussion „Venezia La Biennale“: 15. 9. 2023, 19 Uhr. Live-Stream: labiennale2023.at/de/program/ Partecipazione Ausstellungskatalog Hg. von Architekturkollektiv AKT, Hermann Czech Luftschacht 2023 396 S., kart., € 18,–
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