DIE FURCHE · 18 6 Politik/International 2. Mai 2024 FORTSETZUNG VON SEITE 5 inklusive Putin, zu jener Zeit auch anderswo in Europa herzlich empfangen oder sei nach Moskau gereist. Dass Hofer zurückrudert, ist der Dynamik der letzten Wochen geschuldet. Der Spionage- Skandal, um Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott hat verdeutlicht, in welchem Umfang ein faschistisches Regime, wie das russische, inzwischen mit seinen Versuchen der Destabilisierung Europas Erfolg hat – und inwieweit es bei diesem Vorgehen Unterstützung bekommt. Der Verweis auf die Tradition Österreichs als Spionage-Standort ist dabei als Erklärung verkürzt bis folkloristisch. Zahlungen aus China Dies zeigt sich etwa im Nachbarland Deutschland: Maximilian Krah, Spitzenkandidat der AfD bei der Europawahl, wird sich im Wahlkampf zunächst bedeckt halten, da einer seiner Mitarbeiter unter Verdacht steht, für den chinesischen Geheimdienst spioniert zu haben. Inzwischen wurde der Mann verhaftet. Zudem hat die Dresdner Staatsanwaltschaft Ende April Vorermittlungen gegen Krah eingeleitet, wegen vermeintlicher Zahlungen aus Russland und China. Aus Tschechien kommen unterdessen Berichte, wonach Petr Bystron, Bundestags-Abgeordneter der AfD, auf Audio-Mitschnitten des Geheimdiensts BIS zu hören sein soll – gemeinsam mit Voice of Europe-Protagonist Artem Martschewskyj. Die Aufnahmen, angeblich in dessen vom BIS verwanztem Auto in Prag gemacht, sollen belegen, dass Bystron 20.000 Euro erhalten habe. Genau wie Krah streitet Bystron sämtliche Beschuldigungen ab. Im deutschsprachigen Raum weniger beachtet ist die Tatsache, dass auch ein politischer Verbündeter der AfD derzeit ganz Unter den über 50 Referentinnen und Referenten des 12. Pfingstdialogs: Andreas TREICHL Präsident Europäisches Forum Alpbach Barbara EIBINGER-MIEDL Wissenschaftslandesrätin Igor PAPIČ Wissenschaftsminister Republik Slowenien © Luiza-Puiu © Teresa Rothwangl © Government/Slovenia Herfried MÜNKLER Politikwissenschafter Karoline EDTSTADLER Europaministerin Metropolit ARSENIOS Griechisch-orientalischer Metropolit von Austria Irene GINER-REICHL Global Forum on Sustainable Energy © Reiner Zensen © BKA/Andy Wenzel © LGP-2021 Flagge zeigen Es ist die Vorstellung von einer geschlossenen, ethnisch homogenen „europäischen Kultur“, die vor allem von einer „Islamisierung“ bedroht sei, was Identitäre aller Couleur eint. Benita FERRERO-WALDNER EU-Kommissarin a.D. Christopher DREXLER Landeshauptmann Velina TCHAKAROVA FACE, Expertin für Geopolitik Martin POLASCHEK Minister f. Bildung, Wissenschaft & Forschung Foto: Getty Images / Michael Gruber, Freier Fotograf „ Das Pendel schwingt nach rechts in fast jedem europäischen Land, was Europa und seinen Bürgern nur nützen kann. “ Harald Vilimsky, FPÖ Gefördert durch © European Union © Marija Kanizaj © Ralph Manfreda © BKA/Andy Wenzel Gabor STEINGART Journalist, Autor & Medienunternehmer Monika KÖPPL-TURYNA Direktorin EcoAustria Wilhelm KRAUTWASCHL Diözesanbischof PROGRAMM & TICKETS © sxi/Denis Ignatov © Fotostudio Weinwurm © bigshot.at/Jungwirth ähnlich in der Bredouille sitzt: Vlaams Belang-Ikone Filip Dewinter. Voice of Europe interviewt das Urgestein der flämisch-sezessionistischen und europäischen rechtsextremen Szene im September 2023: „Wenn wir nicht im Stande sind die Masseneinwanderung zu stoppen, wird es das Ende der europäischen Zivilisation“, so der Titel. Von Spionen und Spesen Belgische Medien berichten schon seit Wochen über Dewinters Tätigkeit als politischer Berater für die chinesische Kom- Pfingstdialog Steiermark 2024 Europas Regionen Zukunft gestalten Regions of Europe Shaping the future 15. – 16. Mai 2024 Schloss Seggau in der Südsteiermark munistische Partei, die er sich reichlich bezahlen ließ. Dabei kooperierte er offenbar auch mit einem inzwischen abgeschobenen chinesischen Spion. Belgische Medien zeigten Spesenabrechnungen von Abendessen, bei denen Dewinter andere Rechtsextremisten aus Griechenland, Frankreich oder Deutschland traf. Die Investigativ-Plattform apache.be berichtet auch von seiner zentralen Rolle bei einem Kongress der Alliance of European National Movements (AENM) in Ungarn. Der Kreis schließt sich – AKTUELLE INFORMATIONEN: www.pfingstdialog-steiermark.at geographisch, inhaltlich und vielfach auch personell – als am vergangenen Wochenende in Budapest die Conservative Political Action Conference (CPAC) tagt. Zu Programmpunkten wie „Wokebusters“ oder „Gender Zero“ empfängt Gastgeber Viktor Orbán den Vlaams Belang ebenso wie die italienische Lega und Rassemblement National aus Frankreich. Die FPÖ entsendet Harald Vilimsky, der damals Teil der Delegation war, die den Freundschaftsvertrag in Moskau unterzeichnete, zu einer Vorausschau auf das „Superwahljahr 2024“ mit dem Titel „We Win, They Lose“. Tief blicken lassen aus dieser Perspektive einige Aussagen des eingangs erwähnten Voice of Europe-Interviews Roman Haiders: Seine Hoffnung auf einen Regierungswechsel in Österreich und anderen EU-Mitgliedsländern begründet er mit den Vorbildern aus „Italien, Schweden, Ungarn und sogar Finnland“. Seine Prognose: „Das Pendel schwingt nach rechts in fast jedem europäischen Land, was Europa und seinen Bürgern nur nutzen kann.“ Beim Budapester Kongress heizt Gastgeber Orbán die Stimmung ein: „Lasst uns aufsatteln, unsere Rüstungen anlegen. Auf zum Schlachtfeld der Wahlen. Freunde, es liegen denkwürdige Wochen vor uns. Auf zum Sieg!“ Die EU-Wahlen, soviel steht bereits fest, werden nicht zuletzt aufgrund der Entwicklungen dieses Frühlings in einem besonders angespannten Klima stattfinden. Davon zeugt eine Resolution des Europäischen Parlaments Ende April, die sich gegen russische Einflussnahme wendet und neben der VoE-Affäre ausdrücklich auf den FPÖ-Vertrag und die Causa Ott eingeht. Die FPÖ-Delegation gehörte zu den wenigen Stimmen gegen den Entwurf. Leiter Vilimsky nannte das Schriftstück „puren Schwachsinn, genauso wie vieles, das in diesem EU-Irrenhaus zur Beschlussfassung kommt“.
DIE FURCHE · 18 2. Mai 2024 International 7 Albanien: Einst Geheimtipp, nun Europas Trendurlaubsziel Nummer eins. Allen voran die vergleichsweise günstigen Preise lassen Reisende in Massen auf die Balkanhalbinsel strömen. Das hat Folgen für Natur, Bevölkerung und nicht zuletzt für die Rechtsstaatlichkeit. Sonne, Strand, Korruption Von Dennis Miskić Einsame Strände und Buchten; glasklares, türkisblaues Wasser, eine unberührte Natur – und das alles zu einem Spottpreis. So oder ähnlich wird aktuell Urlaub in Albanien - auch das „Bali Europas“ genannt – beworben. Dass sich die Touristen von diesen Aussichten nur zu gerne locken lassen, lässt sich an den Zahlen ablesen: Mit 10,1 Millionen Besucherinnen und Besuchern aus dem Ausland hatte Albanien 2023 das bisher erfolgreichste Tourismusjahr und stand damit laut dem UN-Tourismusbarometer bei internationalen Tourismusströmungen an erster Stelle in Europa. So kommen die Urlaubsgäste vor allem aus den benachbarten Balkanländer und Italien – wobei die italienischen Touristen um 56 Prozent zugenommen haben und binnen kurzer Zeit die zweitgrößte Besuchergruppe in Albanien gebildet haben. Mittlerweile kommen die Leute aber auch verstärkt aus Spanien, Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien. 2023 verzeichnete man im Tourismusministerium auch rund 12.000 Touristen aus China und mehr als 10.000 aus Indien. Und der Sommer 2024 dürfte den Rekord aus dem vergangenen Jahr erneut toppen: So werden etwa 60 Prozent mehr ausländische Touristen als im gleichen Zeitraum des Vorjahres erwartet. Wer zahlt, darf (überall) bauen Für ein Land, das bis 1990 noch unter einem der brutalsten Regime der Welt gelitten hatte (vgl. Seite 8), ist das eine beachtliche Entwicklung. Das politische Albanien sorgt auch dafür, dass sich dieser Trend fortsetzt: 2016 wurde ein Gesetz verabschiedet, das erlaubt strategische Investitionen zu fördern, um so ausländische Direktinvestitionen anzukurbeln. Tourismusministerin Mirela Kumbaro betont, sie wolle künftig auf „Elitentourismus“ setzen. Dabei soll sogenannter ressourcenschonender Tourismus bei den Planungen eine Schlüsselrolle spielen: „Wir wollen ein nachhaltiges Erbe für die nachkommende Generation gewährleisten“. Die Begeisterung der albanischen Bevölkerung hält sich angesichts dieser staatlichen Pläne in Grenzen. Man hält die Versprechen von Kumbaro für unglaubwürdig. Denn das Geschäft mit dem boomenden Massentourismus ist eng mit Korruption verknüpft. Eine beachtliche Zahl an Entscheidungsträgern gilt als Nutznießer des Tourismusbooms, bei dem Umweltschutz noch nicht einmal eine Nebelrolle spielen Im „Bali“ Europas wie Albanien auch genannt wird, werden Dutzende Billig-Bettenhochburgen hochgezogen, um die Massen zu locken. dürfte. Das Prinzip funktioniert folgendermaßen: Wer genug zahlt oder die richtigen Kontakte in die Politik hat, kann bauen – was und wo er will. „Dieser Massentourismus ist weder nachhaltig noch authentisch. Im Endeffekt drängt es nur die Bevölkerung aus ihren eigenen Gebieten, weil es zu teuer für sie wird“, sagt Besar Likmeta, Chefredakteur des Balkan Investigative Reporting Network (BIRN) in Albanien. Auch er betont die enorme Korruption im Tourismussektor und Rücksichtslosigkeit bei den Investoren. „Allerdings: Wenn nicht in ein nachhaltiges Wachstum und den Schutz der Umwelt investiert wird, werden sich auch die Touristen irgendwann abwenden“, ist Journalist Likmeta überzeugt. So wurde vor kurzem im Land das Gesetz über Schutzgebiete geändert, was den Bau von Hotels, „ Die sozialistische Regierung unter Edi Rama prahlt vielmehr mit dem Bau eines vierten Flughafens – in der UNESCO- Welterbe-Stadt Gjirokastër. “ Foto: Getty Images / Thomas Faull Ressorts, Ferienclubs und Low-Budget-Bettenburgen in geschütztem Gebiet ermöglicht. Der Flughafen in der Stadt Vlora (die Hafenstadt liegt am Ufer der Adria, ist nur 90 Kilometer vom italenischen Festland entfernt) ist beispielsweise ein solches Projekt. Nur fünf Kilometer von der Adriaküste entfernt sollen Reisende aus dem Flugzeug steigen können und binnen Minuten den nächsten Badeort erreichen. Bereits März 2025 will man ihn in Betrieb nehmen. Vor Unmut sorgt dieses Unterfangen selbsterklärend seit Baubeginn. Ein Ausschuss der Berner Konvention, der sich für den Schutz der europäischen Tierund Pflanzenwelt und der natürlichen Lebensräume einsetzt, hat sich gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Initiativen früh dagegengestellt und für einen Baustopp ausgesprochen. Gebracht hat das freilich nicht viel. Die Regierung unter Ministerpräsident Edi Rama (Sozialistische Partei Albanien; PS) prahlt vielmehr mit den Vorbereitungen für einen vierten Flughafen in Gjirokastër (die südalbanische Stadt ist das kulturelle Zentrum Südalbaniens, seit 2005 UNESCO-Welterbe sowie Geburtsort des ehemaligen Diktators Enver Hoxha und des Schriftstellers Ismail Kadare). Das Ziel beim Bau dieses Airports ist erneut, den Zugang zu beliebten Stränden einfacher zu machen. BIP: Einer von fünf Jobs im Tourismus „Das hohe Maß an Korruption und staatlicher Vereinnahmung führt dazu, dass Beamte mehr und mehr auf den Tourismus setzen, weil sie davon finanziell am meisten profitieren“, sagt Investigativ- Journalist Likmeta. „Die Albanerinnen undAlbaner wünschen sich aber eine gute Regierungsführung und mehr Rechtsstaatlichkeit. Ob mehr Touristen helfen dieses Ziel zu erreichen, bezweifeln viele.“ Vor allem die Jungen. Eine Einschätzung, die nur bedingt stimmt. So schätzt das „World Tourism and Travel Council“, dass einer von fünf Arbeitsplätzen in Albanien mit Tourismus und Reisen zusammenhängt. Hier gäbe es also durchaus Perspektiven. Allerdings: Es ist fraglich, wie langfristig es ist, mit dem Massentourismus die Wirtschaft anzukurbeln und Jobs zu schaffen. Ein Grund, warum immer mehr junge Leute Albanien den Rücken kehren: „Wie sollen die Menschen eine Zukunft sehen, wenn man Teile seines Landes auf intransparente Weise verschenkt und sich nicht um die Umwelt kümmert?“, so Likmeta. Dass qualifiziertes Personal auswandert, sei in der gesamten Westbalkan-Region ein Thema. Albanien allerdings sei definitiv am stärksten betroffen. Selbst die Mittelschicht und die obere Mittelschicht sähe keine Zukunft mehr für die eigenen Kinder und wanderte daher vermehrt aus. Am stärksten betroffen ist der Gesundheitssektor. Eine Branche, in der Korruption allgegenwärtig ist und die seit Jahren chronisch unterfinanziert ist. Eine ähnliche Situation lässt sich im Bildungssystem beobachten. Könnte hier ein Wirtschaftsschwung und boomender Tourismus nicht die Lösung sein? Das verneint Experte Likmeta. „Schlechte Regierungsführung kann nicht mit euphemistischen Instagram-Posts und Massentourismus behoben werden.“ FORTSETZUNG ZUM THEMA AUF DER NÄCHSTEN SEITE Ein Leben für Europa 75 Jahre EU-Geschichte und eine Vision für Europas Zukunft neuerscheinung Christoph Leitl, Unternehmer und Politiker, gibt in seiner Autobiografie ein Plädoyer für europäische Werte und wirft einen Blick in die Zukunft eines vereinten Europas, das auf Frieden, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit baut. Nähere Infos finden Sie hier Jetzt im Handel erhältlich! 2403_Benevento_Fuche_Europa-und-Ich_275x78mm [P]_10026503.indd 107 19.03.24 10:44
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