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DIE FURCHE 30.04.2024

DIE

DIE FURCHE · 18 10 Philosophie/Religion 2. Mai 2024 FORTSETZUNG VON SEITE 9 DIE FURCHE: Ist Hoffnung vernünftig? Liessmann: Nein. Es gibt keine Vernunftgründe für sie, sonst würden wir von berechtigten Erwartungen sprechen, nicht von Hoffnung. Aber Hoffnung ist menschlich. Und das macht sie auch für die Philosophie interessant: Dass wir manche Dinge nur hoffen können, zeigt, dass die Zukunft nie ausrechenbar ist. Und das verknüpft die Hoffnung mit Kants großem Thema: Der Freiheit. Wären wir nicht freie, sondern determinierte Wesen, dann dürften wir auch nichts hoffen, denn wir wüssten, was passieren wird. Die Hoffnung ist ein illegitimes Kind der Freiheit. Ich kann hoffen, dass gewisse Gefahren rechtzeitig erkannt werden, dass der Mensch seinen Hang zum Bösen überwindet. Aber es gibt keinen Werkzeugkasten, mit dem ich diese Dinge mechanisch herstellen kann. Das ist die Utopie vieler Pädagogen: Wenn ich nur den richtigen Zugriff auf die Kinder habe und sie in die richtige Umgebung setze und das richtige Schulsystem habe, dann kann es mir gelingen, sie zu guten Menschen zu machen. Nein, diesen Mechanismus gibt es nicht, ich kann nur darauf hoffen. DIE FURCHE: Der tschechische Dichter und Politiker Václav Havel sagte, Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht. Was sagen Sie dazu? Liessmann: Wenn wir Hoffnung nur darauf beziehen, dass etwas gut ausgeht, dann müssten wir alle Hoffnung fahren lassen, wenn Dinge schief gehen. Es geht im Leben aber auch darum, unseren Tätigkeiten und Zielen einen Sinn zu verleihen, unabhängig davon, ob wir alle Pläne realisieren können. Hoffnung ist nach Havel ein Ausdruck dafür, dass wir Dinge tun können, die wir als sinnvoll erachten, ohne sagen zu können, ob das Ganze irgendeinen übergeordneten Zweck erfüllt. Das ist durchaus kantisch. Denn laut Kant muss man sich auch dann moralisch verhalten, wenn rundherum die Welt untergeht. Mein Handeln kann auch einen Sinn, eine Bedeutung, eine Würde haben, wenn ich gewisse Zwecke Kein Abo? Jetzt DIE FURCHE 4 Wochen gratis lesen • frisch gedruckt vor die Haustür • online inkl. E-Paper für unterwegs • alle Artikel seit 1945 im FURCHE-Navigator Jetzt bestellen: Hier anmelden furche.at/abo/gratis +43 1 512 52 61 -52 aboservice@furche.at Pssst! Erzählen Sie es gerne weiter ;) Philosoph Konrad Paul Liessmann im Podcaststudio. Das ganze Gespräch hören Sie im FURCHE-Podcast – verfügbar auf allen Plattformen und hinter dem QR-Code rechts. Das Dossier über Immanuel Kant und moderne Antworten auf seine Fragen finden Sie unter „Kant: Aufklärung riskieren“ auf furche.at. nicht erreichen kann. Das ist auch ein Ausdruck von Hoffnung und erinnert an Viktor Frankl, der die Sinnstiftung auch unter den scheinbar sinnlosesten Bedingungen verteidigt hat. Das ist ein starker Gedanke, den auch Havel hatte, der ja selbst jahrelang als politischer Häftling eingesperrt war. reich, wenn der definierte Zweck erreicht wird. Da können wir höchstens über das Verhältnis von Zweck und Mittel diskutieren. Wenn der Zweck nicht erreicht wird, war das Ganze sinnlos. Sinn, verstanden etwa als Bedeutung, kann eine Handlung auch haben, wenn die gesetzten Zwecke nicht erreicht werden können oder es solche Zwecke gar nicht gibt. Ein Beispiel wäre etwa die sinnhafte Erfahrung des Schönen. Der Sinn von Kunst ist bei Kant die Betrachtung des Schönen um seiner selbst willen. Zweck hat sie keinen. Es gab immer hyperrationale Bilderstürmer, die sich mit diesem Argument gegen Kunst wandten. Und es gibt sie auch heute: Wenn eine Universität oder Schule sparen muss, spart sie zuerst bei den musischen Fächern, denn die haben angeblich ja keinen Zweck, sie tragen nichts bei zur Produktivität, zum Arbeitsmarkt oder zum technischen Fortschritt. Das ist ein großer Irrtum. Denn gerade an diesen ästhetischen Erfahrungen könnte man lernen, wie schön es ist, Dinge mit Bedeutung und Sinn zu erfüllen. Gerade in der Zwecklosigkeit steckt ein ungeheures humanes Potenzial. Die Zweckorientierung kappt mitunter humane Sinnerfahrungen. DIE FURCHE: Angesichts der Klimakrise könnte man den Eindruck bekommen, wir leben in einer hoffnungslosen Welt. Sollen wir alle Hoffnung fahren lassen, wie es über dem Eingang zu Dantes Inferno heißt? Liessmann: Das müssten wir, wenn wir tatsächlich vor dem Eingang der Hölle stünden. Das halte ich zwar für ein poetisch attraktives Bild, auch zur Beschreibung politischer Realitäten, aber es ist natürlich ein falsches, ein über- DIE FURCHE: Wie unterscheiden sich denn Sinn und Zweck? Liessmann: Wenn ich sage, eine Handlung erfüllt einen Zweck, dann ist die Handlung erfolgzogenes Bild. Wir beschwören das, wenn wir von der Erderhitzung sprechen, als würden bald die Flammen ausschlagen, wie wir es uns in der Hölle vorstellen. Es ist interessant, dass es in der Theologie mittlerweile vollkommen verpönt ist, sich bildliche Vorstellungen von Hölle und Fegefeuer zu machen, die es ja angeblich nicht gibt – und diese Bilder und Metaphern etwa in der politischen Diskussion um den Klimawandel fröhliche Urständ feiern. Dinge, die die Theologie geglaubt hat, entsorgen zu müssen, kom- „ In Summe ist es der Menschheit noch nie so gut gegangen wie jetzt. Armut, Kindersterblichkeit und Zahl der Hungertoten sinken. Lebenserwartung und Bildungsgrad steigen. “ men in modernen Varianten wieder. Das gilt übrigens auch für die Unsterblichkeit: Kaum haben wir diese Phantasien in der Theologie auf ein Minimum reduziert, schon träumt man im Silicon Valley von der Digitalisierung des Geistes und einer technischen Unsterblichkeit. DIE FURCHE: Gibt es also noch Hoffnung beim Klimawandel? Liessmann: Unsere Handlungsweisen lassen kaum darauf schließen, dass wir uns vor dem Eingang zur Hölle wähnen. Die Klimaaktivisten versuchen uns klarzumachen, dass wir eigentlich vor dem Untergang stehen – und wir tun so, als wäre das kein Problem. Die Aktivisten erfüllen die Rolle des Führers in Dantes Inferno, der darauf hinweist: Dort beginnt die Hölle, also jetzt lass alle Hoffnung fahren. Unsere Lebensweise widerspricht dem. Etwa, dass wir uns weiterhin als Gattung vermehren, zeugt davon, dass wir noch nicht alle Hoffnung verloren haben. Es gibt natürlich auch Menschen, die bewusst auf Kinder verzichten, weil sie sie nicht in eine Welt entlassen wollen, die so grauenhaften Zuständen entgegensieht. Wahrscheinlich hätten Menschen in vormodernen Zeiten noch viel mehr Grund gehabt, keine Kinder auf die Welt zu bringen, denn die Zustände waren damals um einiges grauenhafter als heute. DIE FURCHE: Wie können Hoffnungslose zu Hoffnung finden? Liessmann: Ich weiß gar nicht, ob man Hoffnung zu einem pädagogischen Programm machen muss, ich würde das niemandem aufzwingen. Das gehört auch zur kantischen Freiheit, Menschen ihre Einstellung zum Leben selbst zu überlassen. Die Frage ist, ob aus der Hoffnungslosigkeit Konsequenzen erwachsen, die für andere Menschen unangenehm sind. Hören Sie das ganze Gespräch mit Konrad Paul Liessmann auch als Podcast: furche.at/ podcast Wer aus Hoffnungslosigkeit zum Amokläufer wird, dem muss man keine Hoffnung geben, sondern das Gewehr wegnehmen. DIE FURCHE: Wird alles gut? Liessmann: Als ich dem vergangenen „Philosophicum Lech“ den Titel „Alles wird gut“ gegeben habe, war das natürlich auf der einen Seite ironisch. Angesichts der apokalyptischen Konzeptionen im Bereich Klima ist der Satz eine Provokation. In bestimmten intellektuellen Kreisen geht man im Wesentlichen davon aus, dass alles immer schlechter wird. Das stimmt aber nicht, in Summe ist es der Menschheit noch nie so gut gegangen wie jetzt. Die Kindersterblichkeit sinkt, die Armut geht zurück, der Wohlstand wächst, die Zahl der Hungertoten sinkt, der Bildungsgrad und die Lebenserwartung steigen. Trotzdem braucht es selbstverständlich einen kritischen Blick auf negative Entwicklungen. „Alles wird gut“ ist auf der anderen Seite aber keine Tatsachenbehauptung, keine Prognose im vorher besprochenen Sinn. Es ist eine Art Hintergrundstimmung, die unsere Handlungen begleitet. Wenn wir nicht zutiefst überzeugt wären, dass irgendwie alles gut wird, warum tun wir dann das eine und nicht das andere oder überhaupt irgendetwas? Alles wird gut – das ist die grundsätzliche Einstellung, dass es sinnvoll ist, als Mensch danach zu trachten, ein menschliches Leben zu führen. Foto: Paul Maier DIE FURCHE: Was hoffen Sie persönlich? Liessmann: Ich muss gestehen, ich war Zeit meines Lebens kein besonders großer Hoffer. Ich habe die Kritik von Günther Anders und Sören Kierkegaard durchaus nachvollziehen können. Ich habe mich immer davon gescheut, konkrete Dinge zu hoffen. Natürlich erhofft man sich in meiner Situation noch ein paar aktive und gesunde Lebensjahre. Aber man muss auch trennen, was man sich individuell und was man sich für die Gesellschaft erhofft. Da halte ich es mit Kant, der ja Stichwortgeber für unser Gespräch ist: Für den Menschen gibt es wenig zu hoffen, er ist aus krummem Holz geschnitzt, aus dem nichts Gerades werden kann, wie er formulierte. Das führt mich zu einem anderen Hoffnungskritiker: Friedrich Nietzsche. Er sagte, von allen Übeln, die der Büchse der Pandora entsprungen sind, ist die Hoffnung das Allerübelste. Denn: Sie erhält uns am Leben, obwohl dieses kurze, leidvolle, von Konflikten zerrissene Leben nicht wert ist, gelebt zu werden. Aber wir haben die Hoffnung! Und die erlaubt uns, auch unter diesen Umständen zu leben. Ich gebe auf der einen Seite Nietzsche Recht, und auf der anderen Seite muss man sagen: Ja, genau so ist es, gerade die Hoffnung gibt uns die Kraft, Sinnhaftigkeit im Leben zu erfahren, wo jede Art von rationaler Überlegung eigentlich sagen würde, es ist absurd. Wie Albert Camus formuliert hat: Die Absurdität des Daseins auszuhalten und trotzdem als sinnhaft zu erfahren. Das ist Sisyphos, der nicht mehr hofft, den Stein einmal auf der Spitze des Berges platzieren zu können, sondern weiß, dass er wieder runter rollt – und trotzdem als glücklicher Mensch imaginiert werden muss. Aber im Großen und Ganzen zu hoffen, dass die Menschheit gravierende Sprünge nach vorne machen wird? Im technologischen Bereich vielleicht, aber im zwischenmenschlichen, politischen, emotionalen Bereich sind wir nicht viel weitergekommen, als wo wir immer schon waren. Da bin ich auch eher Nietzscheaner. Alles wird gut Zur Dialektik der Hoffnung (Philosophicum Lech 26) Herausgegeben von Konrad Paul Liessmann. Zsolnay 2024, 256 S.,kart., € 26,80 ZUR PERSON Konrad Paul Liessmann zählt zu Österreichs bekanntesten Philosophen. Er ist Universitätsprofessor in Ruhestand an der Universität Wien, wo er „Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik“ lehrte. Liessmann veröffentlichte zahlreiche Bücher und ist Co-Intendant des „Philosophicum Lech“ (siehe Buchtipp).

DIE FURCHE · 18 2. Mai 2024 Religion 11 Papst Franziskus hat den historischen Titel „Patriarch des Abendlandes“, den sein Vorgänger Benedikt XVI. 2006 abgelegt hatte, wieder eingeführt. Dies ist eine vertrauensbildende Maßnahme, die aus orthodoxer Sicht nur bejaht werden kann. Ein Gastkommentar. Neuer alter Patriarch Zwei Patriarchen Papst Franziskus und der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie. Von Grigorios Larentzakis Die Ökumene braucht konkrete Schritte und Taten, nicht nur schöne Worte und Absichtserklärungen. Ein solcher konkreter Schritt ist die Wiedereinführung des historischen Titels „Patriarch des Westens“ für den Bischof von Rom durch Papst Franziskus. Damit wurde eine unnötige Änderung durch Papst Benedikt XVI. rückgängig gemacht und die historische und von den gemeinsamen Ökumenischen Konzilien des ersten Jahrtausends synodal beschlossene kirchliche Struktur wiederhergestellt. Es war überraschend und fragwürdig, wie Papst Benedikt XVI. den Titel „Patriarch“ aus dem ersten Jahrtausend entfernt hat, obwohl er in seinem vielbeachtlichen Vortrag in Graz im Jänner 1976 betont hatte, dass „Rom vom Osten nicht mehr an Primatslehre fordern muss, als auch im ersten Jahrtausend formuliert und gelebt wurde“. Professor Joseph Ratzinger, beziehungsweise Papst Benedikt XVI. wusste dies, hat aber nicht danach gehandelt. Sein Nachfolger, Papst Franziskus weiß es auch ganz genau und er handelt. Er führt wieder den Titel „Patriarch“ ein. Auch die Bezeichnung „Vorsitzender in der Liebe“ kennt er nicht nur, er hat sie für sich sogar verwendet. Damit stellte er sich in der altkirchlichen Struktur der selbstständigen Patriarchate und noch konkreter ganz bewusst in der Rangordnung des „Vorsitzenden in der Liebe“, was nichts anderes ist als in der Position des primus inter pares in der Pentarchie, in der Ordnung der fünf Patriarchate, wie es beim vierten Ökumenischen Konzil in Chalzedon (451) beschlossen wurde: Rom, Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien und Jerusalem. Dietmar Winkler meinte in der FURCHE dazu : „Mit der Wiederaufnahme des Titels ‚Patriarch des Abendlandes‘ greift Franziskus auf das Konzept eines primus inter pares zurück und steht damit konsequent in Kontinuität mit seinen ersten Papstworten vom ‚Vorsitz in der Liebe‘ und seinem derzeitigen Wirken für eine synodale Kirche.“ Aufgaben für den Bischof von Rom „ Es ist bekannt, dass Papst Franziskus sowohl die Kurie als auch das Papsttum selbst reformieren will. Dazu setzt er Taten. “ Dies entspricht der Auffassung nicht nur der Frühkirche, sondern auch der Orthodoxen Kirche bis heute. Diese Auffassung wurde auch in einem Patriarchal- und Synodalschreiben des Ökumenischen Patriarchates formuliert, welches dem Papst Paul VI. im Dezember 1975 überreicht wurde: „Unsere Heilige Kirche Christi in Konstantinopel umarmt den Bischof von Rom und die Heilige Kirche Roms. Sie tut es (im Sinne) der Pentarchie der Einen, Heiligen, Katholischen und Apostolischen Kirche. In dieser wurde der Bischof von Rom bestimmt, in der Liebe und der Ehre den Vorsitz zu führen. Sie (unsere Kirche) umarmt ihn und erweist ihm dadurch alle Ehre, die ihm durch diese Bestimmung gebührt.“ Dem Ersten Patriarchen unter Gleichen, dem Bischof von Rom, kann natürlich nicht nur eine Ehre erwiesen werden. Er könnte, gebunden innerhalb der Synodalität der Gesamtkirche einvernehmlich, auch gesamtkirchliche Dienste, Aufgaben und auch Rechte wahrnehmen. Diese Auffassung bejahte Kardinal Kurt Koch, der Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen und er ging noch einen konkreten Schritt weiter mit einem Vorschlag: „Dankbar stelle ich fest, dass auch Professor Larentzakis in diese Richtung denkt, indem er im Bischof von Rom den ‚Ersten der Gesamtkirche‘ wahrnimmt und ihm dabei ‚auch konkrete Pflichten und Aufgaben, ja Rechte im Dienste der Gesamtkirche‘ zuschreibt.“ Bemerkenswert und wichtig ist der Vorschlag von Kardinal Koch: „Worin diese Kompetenzen des Bischofs von Rom in einer GLAUBENSFRAGE 15 Jahre Islamkolumne Als mich vor etwa 15 Jahren Otto Friedrich (vgl. Seite 15) gefragt hat, ob ich mir vorstellen könne, für DIE FURCHE eine monatliche Islamkolumne zu schreiben, ahnte ich nicht, welche gesellschaftspolitische Relevanz dieser geistige Raum haben würde. Empirische Studien zeigen, dass Menschen gerade dort, wo kaum Muslime leben, die stärksten Vorbehalte gegen den Islam haben. Das heißt, dort, wo die Begegnung fehlt, entstehen gegenseitige Vorurteile und Ressentiments. Man darf auch die Wirkung der geistigen Räume der Begegnung, wie Kolumnen, Bücher und Artikel, nicht unterschätzen. Über die Jahre haben mich zahlreiche Rückmeldungen erreicht, von Lehrerinnen und Lehrern, von Menschen, die im interreligiösen Dialog beschäftigt sind, aber auch von vielen Interessierten. Viele Religionslehrer setzen die Kolumnen in ihrem Unterricht ein, andere nehmen sie als Grundlage für sachliche Diskussionen. Im Laufe der Zeit habe ich gelernt, dass es nicht darum geht, aus einer Verteidigungshaltung zeigen zu wollen, wie toll die eigene Religion ist. Foto: APA / AFP / VATICAN MEDIA Lesen Sie zum Thema auch „Franziskus als ‚Primus inter pares‘“ von Dietmar W. Winkler vom 17.4.2024, nachzulesen auf furche.at. künftigen Kircheneinheit genau bestehen werden, dies kann die Gemischte Internationale Kommission nur gemeinsam zu Händen der Kirchenleitungen beraten, denen die abschließende Entscheidung zusteht.“ Also keine bedingungslosen Ansprüche eines absoluten Jurisdiktionsprimates für die Gesamtkirche auf Weltebene im Sinne des Ersten Vatikanums, sondern eine neue Basis zur Diskussion innerhalb der Gemischten Internationalen Kommission des offiziellen Dialogs zwischen unseren Schwesterkirchen, in der Patriarchats-Ordnung und als „Vorsitzender in der Liebe“. Diese Diskussion war ja schon der Wunsch von Papst Johannes Paul II., der in seiner Ökumene-Enzyklika Ut unum sint 1995 über die Formen des Papst-Dienstes feststellte: „… Der Heilige Geist schenke uns sein Licht und erleuchte alle Bischöfe und Theologen unserer Kirchen, damit wir ganz offensichtlich miteinander die Formen finden können, in denen dieser Dienst einen von den einen und anderen anerkannten Dienst der Liebe zu verwirklichen vermag. (95)“ Und weiter wird er deutlicher: „96. Eine ungeheure Aufgabe, die wir nicht zurückweisen können und die ich allein nicht zu Ende bringen kann. Könnte die zwischen uns allen bereits real bestehende, wenn auch unvollkommene Gemeinschaft nicht die kirchlichen Verantwortlichen und ihre Theologen dazu veranlassen, über dieses Thema mit mir einen brüderlichen, geduldigen Dialog aufzunehmen, bei dem wir jenseits fruchtloser Polemiken einander anhören könnten, wobei wir einzig und allein den Willen Christi für seine Kirche im Sinne haben und uns von seinem Gebetsruf durchdringen lassen: ‚...sollen auch sie eins sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast‘ (Joh 17, 21)?“ Petrusamt im ökumenischen Dialog Der katholische Theologe Hermann Joseph Pottmeyer (1934–2023) stellt zu diesem Wunsch des Papstes fest: „In der Tat kann ein von allen Christen anerkanntes ökumenisches Petrusamt nur im ökumenischen Dialog Gestalt annehmen“. Tatsächlich hat Papst Johannes Paul II. diesen Wunsch – außer in Ut unum sint – immer wieder öffentlich ausgesprochen, etwa vor dem Ökumenischen Patriarchen Dimitrios in Rom 1987, bei seinem Besuch in Österreich in der Evangelischen Christuskirche in Salzburg 1988 wie auch beim Besuch in Sinai im Februar 2000. Diesen Wunsch wiederholte auch Papst Benedikt XVI. in Konstantinopel, als er seinen Bruder, den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios im Jahr 2006 besuchte. Es ist aber auch reichlich bekannt, dass Papst Franziskus grundsätzlich sowohl die Kurie als auch das Papsttum selbst reformieren will. Dazu setzt er Taten. Die Haltung also und die neueste Handlung des Bischofs von Rom, des Papstes Franziskus, des „Patriarchen des Westens“ und des „Vorsitzenden in der Liebe“, kann von orthodoxer Seite als ein deutlicher ökumenisch hilfreicher Schritt und als eine vertrauensbildende Maßnahme nur bejaht und begrüßt werden, verbunden mit der Hoffnung, dass die damit verpflichtende Synodalität für die Gesamtkirche Christi, in der Communio Ecclesiarum wieder lebendige Wirklichkeit wird; damit die Welt glaubt. Der Autor ist Prof. i. R. für Orthodoxe Theologie an der Universität Graz. Von Mouhanad Khorchide Es geht vielmehr darum, eine Art Reibungsfläche zu bieten, ja sogar mit Positionen zu irritieren, die Muslime wie Nichtmuslime zum kritischen, aber auch differenzierten Nachdenken bewegen. Das Risiko dabei liegt auf der Hand, man macht sich dadurch nicht nur Freunde. Aber kritisches Anfragen ist notwendig. Ein Dialog, in dem es lediglich darum geht, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zur Kenntnis zu nehmen, ist zwar wichtig, bietet aber nicht genügend Raum dafür, dem anderen auch kritische Fragen zu stellen. Dabei kann gerade dies ein wichtiger Anstoß zum kritischen Reflektieren der eigenen Positionen sein. Ich danke von ganzem Herzen Otto Friedrich, der nun in Pension geht, für die äußerst konstruktive Zusammenarbeit und freue mich auf den weiteren geistigen Austausch mit der Leserschaft. Der Autor leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Münster.

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