DIE FURCHE · 13 2 Das Thema der Woche Wieder Aufbau 30. März 2023 Am 3. April 1948 genehmigten die US-Parlamentskammern den Marshallplan, der Europas und damit auch Österreichs wirtschaftliche Auferstehung nach dem Zweiten Weltkrieg ermöglichte. Wie steht es heute um den Wiederaufbau, der in der Geschichte stets jedem Krieg und jeder (Natur-)Katastrophe folgte? Ein Fokus über kraftvolle Rekonstruktion – und deren Finanzierung. Redaktion: Wolfgang Machreich Von Günter Bischof Der Marshallplan gilt als das Modell für groß angelegten Wiederaufbau schlechthin. Viele Experten sagen aber, dass der Plan, der von 1948 bis 1952 einen guten Teil des wirtschaftlichen Wiederaufbaus Europas finanziert hat, nicht wiederholbar sei. So meinte der damalige Zeitzeuge und frühere deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt: „Die Marshall-Hilfe war erfolgreich, weil Europa ein gestandenes unternehmerisches Erbe besaß, ein grundlegendes Verständnis für Business, einen hohen Ausbildungsgrad sowie eine hohe Kapazität im Ingenieurswesen.“ Daraus zog er den Schluss: „Sollten diese Voraussetzungen nicht erfüllt sein, kann kein Marshallplan Erfolg haben.“ Dieser Einschätzung schließen sich heute viele an: Für den langjährigen Washington-Korrespondenten Robert Donovan war der Marshallplan (offiziell „European Recovery Program“, ERP) das „Produkt einer seltenen Kombination von Umständen gewesen, nämlich des großen Reichtums Amerikas, der produktiven Fertigkeiten und Naturschätze Europas und der genialen Führungen auf beiden Seiten des Atlantiks“. Diese Meinung teilt auch Eric Frey, wirtschaftspolitischer Kommentator des Standard: Die Europäer, so seine Einschätzung, hätten damals die notwendigen Fähigkeiten mitgebracht, die eine „rasche wirtschaftliche Erholung“ ermöglichten. Foto: picturedesk.com / brandstaetter images / Votava Marshall bis heute Österreich erhielt 1961 die Erträge aus den US-Hilfen, benannt nach US-Außenminister George Marshall. Dieser ERP-Fonds (European Recovery Program) erwirtschaftet immer noch jährlich rund 500 Millionen Euro Gewinn, der in die Ukraine gelenkt werden könnte. Am 7.12.1989 analysierte Günter Bischof im Artikel „Marshalls Comeback“ die Erfolgsaussichten eines Marshallplans für Osteuropa. Die vor 75 Jahren in Kraft getretene Wiederaufbauhilfe war eine Erfolgsgeschichte, weil amerikanische Unterstützung und europäisches Know-how zusammenpassten. Funktioniert das Modell auch heute in der Ukraine? Marshallplan – einmalig oder wiederholbar? „ Die Amerikaner haben Österreich nach dem Krieg ungefähr soviel an Wirtschaftshilfe gegeben, wie die Sowjets an Reparationen aus dem Land herausholten! “ Wiederaufbau Richtung EU Trotz solcher Bedenken wird ein Marshallplan für eine wirtschaftliche Rekonstruktion der Ukraine nach dem Ende des Krieges gefordert – wohl auch, weil die Ukraine die genannten Voraussetzungen mitzubringen scheint. So besteht Heather Conley, Präsidentin des Think Tanks „German Marshall Fund of the United States“ (GMF), darauf, die Planungen für eine Rekonstruktion der Ukraine jetzt in Angriff zu nehmen – auch um dem ukrainischen Volk Hoffnung zu geben. Ins gleiche Horn stieß vor einem Jahr der US-Ökonom Barry Eichengreen, der im britischen Guardian einen Marshallplan für die Ukraine verlangte. Für Megan Greene, Wirtschaftswissenschafterin an der Harvard Kennedy School und Kommentatorin der Financial Times, beruht Europas langfristige Sicherheit auf dem Wiederaufbau der Ukraine. Neben dem GMF legten auch namhafte Ökonomen der Londoner Denkfabrik „Centre for Economic Policy Research“ (CEPR) einen Plan für den wirtschaftlichen Wiederaufbau der Ukraine vor. Mit der Ankündigung, der Wiederaufbau der Ukraine sei „eine Generationenaufgabe, mit der man jetzt beginnen müsse“, unterstützen auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz einen „Marshallplan für die Ukraine“. Von privaten und staatlichen Investoren sollte die Anschubfinanzierung großer Wiederaufbauprojekte unter höchsten Transparenz-Standards erfolgen. Zur Verbreitung ihres Vorhabens veröffentlichen die beiden einen Kommentar in europäischen Zeitungen. Darin heißt es: Neben akuter Hilfe „müssen wir aber bereits heute an den Wiederaufbau des Landes denken, auch wenn Frieden noch weit weg scheint. Den Aufbau zerstörter Wohngebäude, Schulen, Straßen, Brücken, der Infrastruktur und der Energieversorgung, all das müssen wir jetzt angehen, damit das Land rasch wieder auf die Beine kommt.“ Um keinen Zweifel am Ziel aufkommen zu lassen, stellen Scholz und von der Leyen klar: „Der Weg des Wiederaufbaus ist daher auch der Pfad der Ukraine in die Europäische Union.“ Wie viel wird ein solcher Marshallplan für die Ukraine kosten? Scholz und von der Leyen rechnen mit einer „gigantischen Aufgabe“ und liegen damit richtig. Die prognostizierten Summen für den Wiederaufbau sind enorm: Nach neuen Schätzungen der Weltbank kostet dieser voraussichtlich 411 Milliarden Dollar. Der „National Recovery Plan“ der Ukraine rechnet gar mit 750 Milliarden Dollar, um die zerstörte Infrastruktur wiederaufzubauen. Andere Prognosen veranschlagen zwischen 500 Milliarden und einer Trillion Dollar. Vergleichen wir diese Summen mit dem Marshallplan nach dem Zweiten Weltkrieg: Von 1948 bis 1952 haben die Amerikaner rund 13 Milliarden Dollar (heutiger Wert 130 Milliarden Dollar) in den wirtschaftlichen Wiederaufbau Westeuropas gesteckt. Knapp eine Milliarde davon ist nach Österreich geflossen. Österreichs Wohlstand heute ist ohne die wirtschaftliche Hilfe der USA nach dem Krieg undenkbar, vor allem hätte er nicht bereits in den 1950er Jahren eingesetzt. Die aktuell zentrale Frage ist, wer einen Marshallplan für die Ukraine bezahlen soll. Der Londoner Economist schrieb jüngst, die US-Politik hoffe, die Europäer würden den wirtschaftlichen Wiederaufbau stemmen, da Washington den Großteil der Waffenhilfe an die Ukrainer leistet. Die Summen sind jedoch so gewaltig, dass wohl nur Beiträge der gesamten internationalen Gemeinschaft den langfristigen Wiederaufbau des zerstörten Landes leisten können. Heißt: Auch die Amerikaner werden als ein G-7 Partner gefragt sein, ob sie wollen oder nicht – so wie der Internationale Währungsfonds (IWF), die Weltbank, die Vereinten Nationen und private Investoren. Die EU wird in jedem Fall besonders gefordert sein. Dabei ist folgender Vergleich zu bedenken: Die Volkswirtschaften von Polen und der Ukraine waren nach dem Ende des Kalten Krieges 1990 ungefähr gleich groß. Aufgrund des EU-Beitritts Polens und der vorangegangenen Beitrittshilfen ist die Wirtschaft Polens aber seither drei Mal so stark gewachsen wie jene der Ukraine. Falls die EU-Annäherung weitergeht und es zum EU-Beitritt der Ukraine kommt, was zu erwarten ist, wird der Transfer von EU-Förderungen an die Ukraine den Großteil der Wiederaufbaukosten stemmen. Damit würden die Europäer die wichtigsten Geldgeber beim Wiederaufbau der Ukraine. Sollten die Russen zur Kassa gebeten werden? Die russische Zentralbank hat 300 Milliarden Dollar an Einlagen im Ausland. Dazu kommen weitere 30 Milliarden Dollar an eingefrorenen Privatvermögen. Dieses Auslandsvermögen zum Wiederaufbau der Ukraine umzuleiten, ist mit vielen juristischen Herausforderungen verbunden. Daneben gibt es auch den Vorschlag, Exporte der russischen Öl- und Gasindustrie für diesen Zweck zu versteuern. Der „German Marshall Fund“ argumentiert: „Die Russen sollten moralisch auf jeden Fall zur Kassa gebeten werden, legal ist der Fall komplizierter.“ (siehe Seite 3) Maximum an Reparationen Dabei haben die Sowjets nach dem Zweiten Weltkrieg ohne jegliche juristische Bedenken das Maximum an Reparationen aus dem besiegten Deutschland und aus dem sogenannten „Deutschen Auslandsvermögen“ in Österreich sowie aus der Mandschurei herausgepresst. Zum Vergleich: Die Amerikaner haben Österreich nach dem Krieg ungefähr soviel an Wirtschaftshilfe gegeben, wie die Sowjets an Reparationen aus dem Land herausholten! Der Nachkriegswohlstand Österreichs geht indessen auf die großzügigen US- Hilfsmittel zurück. Diese wurden auf den heimischen Märkten verkauft, und die Erträge daraus bauten die ERP-Gegenwertkonten auf, die damals zu den wichtigsten Investitionsinstrumenten zählten. 1961 übergaben die Amerikaner die gesamten Gegenwertmittel an die österreichische Regierung, die 1962 den ERP-Fonds einrichtete. Der pumpt heute noch jährlich rund 500 Millionen Euro an Investitionen in die Wirtschaft. Gerade dieser ERP-Fonds könnte auch als Wiederaufbauhilfe für die Ukraine verwendet werden. Der Autor, gebürtiger Vorarlberger und seit den 1980er-Jahren FURCHE-Autor, ist Marshall Plan Chair und Direktor des „Center Austria: The Austrian Marshall Plan Center for European Studies“ an der Universität von New Orleans. Hinweis: Die Österr. Marshall Plan Stiftung veranstaltet mit der Vertretung der Europ. Kommission in Österreich am 7. Juni ein Symposium zum Thema „Marshallplan für die Ukraine?“.
DIE FURCHE · 13 30. März 2023 Das Thema der Woche Wieder Aufbau 3 Jeden Tag verwüstet Russlands Krieg die Ukraine mehr. Dabei sind die Kosten für den Wiederaufbau schon jetzt riesig. Die EU arbeite mit Hochdruck daran, dafür auch russisches Geld zu konfiszieren, erklärt der zuständige EU-Abgeordnete, Vlad Gheorghe, im Interview. „Der Angreifer muss bezahlen“ Das Gespräch führte Wolfgang Machreich Der rumänische Abgeordnete Vlad Gheorge ist Mitglied der liberalen Fraktion im Europaparlament. Dort ist er als Leiter einer Machbarkeitsstudie und Berichterstatter federführend an der Schaffung einer Gesetzgebung zur Verwendung russischer Vermögen im Ausland für die Finanzierung des Wiederaufbaus der Ukraine beteiligt. DIE FURCHE: Kurz nach Beginn von Putins Angriffskrieg waren Sie auf EU-Ebene der erste, der Russland für die Kriegsschäden auch finanziell haftbar machen wollte. Was hat Sie veranlasst, diese damals noch undenkbare Forderung aufzustellen? Vlad Gheorghe: Stimmt, vor einem Jahr klang meine Idee noch nach Science-Fiction. Doch für mich ist der Gedanke selbstverständlich, dass der Angreifer und nicht jemand anderer für das bezahlt, was er angerichtet hat. Die EU-Kommission und das Europäische Parlament haben sich sehr schnell meiner Idee angeschlossen, seither arbeiten wir mit Hochdruck an der Umsetzung. DIE FURCHE: Mit welchen konkreten juristischen Ergebnissen? Gheorghe: Eine wirkliche Errungenschaft ist, dass wir auf europäischer Ebene einen Gesetzestext für die Kriminalisierung der Umgehung von Sanktionen auf den Weg bringen konnten. Das ist ein sehr konkreter Fortschritt. Die EU-Staatsanwaltschaft bereitet sich bereits auf die Verfolgung dieser Fälle vor, um unverzüglich mit der Arbeit beginnen zu können, sobald das Europäische Parlament und der Europäische Rat diese Richtlinie über die Einziehung von Vermögenswerten und die Vermögensbeschlagnahme beschließen. Foto: imago / zuma Wire DIE FURCHE: Diese Richtlinie basiert auf den EU-Gesetzen gegen Organisierte Kriminalität. Warum wählen Sie diesen Weg für Maßnahmen gegen Russland? Gheorghe: Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie wir mit eingefrorenen russischen Vermögenswerten im Ausland verfahren, aber über diesen Weg kommen wir fürs Erste am schnellsten voran. Denn wir haben bereits diesen gesetzlichen Rahmen. Ursprünglich wurde er für den Kampf gegen die Organisierte Kriminalität entwickelt, wir weiten seine Anwendung jetzt nur noch aus. Das hat den Vorteil, dass wir kein juristisches Neuland betreten müssen, wir wissen, wie es funktioniert – und wir haben mit der Europäischen Staatsanwaltschaft auch schon die dafür zuständige Behörde. Der nächste Schritt wird die Beschlagnahmung von russischen Vermögenswerten auf Grundlage von Aggressions-Verbrechen sein. Dafür brauchen wir aber mehr Zeit, denn dazu müssen wir erst ein neues legislatives System aufbauen. Aber wichtig ist: Immer mehr Länder, denken Sie an die jüngste Erklärung der G7 oder des Europäischen Rates, schließen sich der Koalition an, die russische Vermögen beschlagnahmen und für den Wiederaufbau der Ukraine verwenden will. DIE FURCHE: Die schwedische Ratspräsidentschaft hat erstmals eine ständige Arbeitsgruppe dazu eingerichtet. Welche anderen EU- Staaten treiben diese Initiative voran? Gheorghe: Die baltischen Staaten bilden die Speerspitze, Länder wie Ungarn, aber auch Österreich – es tut mir leid, das sagen zu müssen – sind die Bremser. Ich weiß, dass es viele Verbindungen zwischen Österreichs Politik und Wirtschaft zu Russland gibt, aber eine derart böse Überraschung habe ich nicht erwartet. Ich habe da auch nicht so große Erwartungen an die Wirtschaft – die ist vom Profit getrieben – als an die Politik. Und die österreichischen Politiker haben dieses Vlad Gheorghe sucht rechtsstaatliche Verfahren zur Beschlagnahmung russischer Vermögen. Foto: Wolfgang Machreich Mal Europa im Stich gelassen. Bereits hinter der Einreiseerlaubnis für sanktionierte russische Politiker zum OSZE-Treffen in Wien stand – nicht nur für mich – die deutliche Botschaft, wo Österreich steht. DIE FURCHE: Österreichs Außenministerium argumentierte, es sei als Amtssitz der OSZE per Abkommen dazu verpflichtet, Vertretern von Mitgliedsstaaten die Einreise zu gewähren. Gheorghe: Ich weiß. Mir scheint aber vielmehr, das offizielle Österreich versucht, mit Russland, so schnell wie möglich wieder zur Tagesordnung überzugehen. Es sieht die Realität nicht. Wer in der zivilisierten Welt bleiben will, für den kann es kein Business as usual mit Russland geben. Für Iran, China, Weißrussland ist Business wie gehabt mit Russland möglich, für Österreich, glaube ich, ist es das nicht. Es ist eine verlorene Schlacht, die Österreich da führt. Aber sie kostet uns Zeit. Letztlich werden wir es schaffen, wir werden das russische Geld konfiszieren. Sie machen es uns nur schwerer, und ich verstehe wirklich nicht, warum. Die einzigen, die von diesem Verhalten profitieren, sind die Russen. DIE FURCHE: Es ist Teil der Rechtsstaatlichkeit, bei Enteignungen vorsichtig vorzugehen. Es geht um Eigentumsrechte, Sie rütteln da an einem Grundprinzip. Gheorghe: Ich bin ein Liberaler, das Privateigentum liegt in meiner DNA. Aber hier geht es primär nicht um Eigentum, hier geht es um Verantwortung für Taten, in diesem Fall für russische Taten. Wir wollen einen offenen Prozess mit einer den rechtsstaatlichen Prinzipien folgenden Gesetzgebung. Wir wollen niemandem Eigentum gewaltsam entziehen, aber wenn es für diese Vermögenswerte ausreichende Verbindungen zum Krieg und zum russischen Staat gibt, dann müssen wir handeln. Seite mit EU Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit der ukrainischen Führung beim symbolträchtigen EU-Gipfel in Kiew im Februar. Seite an „Russlands Delegation soll kommen“ widerspricht Karl Schwarzenberg der Kritik an Österreichs Politik; nachzulesen unter furche.at. „ Ich weiß, dass es viele Verbindungen zwischen Österreichs Politik und Wirtschaft zu Russland gibt, aber eine derart böse Überraschung habe ich nicht erwartet. “ DIE FURCHE: Letztlich soll dieses russische Geld einen Teil des Wiederaufbaus finanzieren. Wie stellen Sie sich diesen vor: Läuft es auf eine Neuauflage des Marshallplans hinaus? UKRAINE, TÜRKEI, SYRIEN Korruptionsrisiko eindämmen Gheorghe: Ich denke, es muss mehr sein als der Marshallplan. Wir haben jetzt die 2020er Jahre. So wichtig die Verteilung von Geld, Baustoffen, Traktoren und anderem auch ist, unsere Unterstützung soll und wird darüber hinausgehen. Der EU-Wiederaufbauplan wird ein gegenseitiger Austausch zwischen der EU und der Ukraine sein. Wir werden für unsere Investitionen etwas zurückbekommen, und ich denke da nicht nur an Geld. Die Zusammenarbeit wird Europa politisch und wirtschaftlich zugute kommen. Europäische Unternehmen werden mehr als vorher in die Ukraine gehen, dort gute Geschäfte machen, vielleicht Fabriken von China in die Ukraine verlegen. Die ist nicht so weit weg, liegt quasi nur auf der anderen Straßenseite von uns. Alles, was wir in den Aufbau der Infrastruktur dort investieren, investieren wir auch in das, sagen wir, „alte Europa“. DIE FURCHE: Das Blau der ukrainischen Fahne wird mit dem europäischen Blau ineinander gehen? Gheorghe: Ja, es wird öffentliche und private Gebäude mit der EU-Flagge geben. Ich denke, die blauen Plaketten mit den EU-Sternen, die einmal auf den neu gebauten Häusern, Wohnungen, Fabriken, Eisenbahnen, Schulen, Theatern usw. hängen, werden uns noch mehr zusammenbringen und das eigentliche Tor Europas in die Ukraine – und umgekehrt – sein. „Wo viel Licht ist, ist viel Schatten“: Diese Goethe-Erfahrung lässt sich auch auf das mit internationalen Wiederaufbauhilfen steigende Korruptionsrisiko anwenden. Um den in der Hinsicht schlechten Ruf der Ukraine nicht weiter zu diskreditieren und die internationale Solidarität zu gefährden, hat Präsident Wolodymyr Selenskyj kürzlich einige der Korruption beschuldigte Politiker und Beamte entlassen. Der Gouverneur von Saporischschja hatte zum Beispiel einer Fitnesstrainerin Straßenbauaufträge in Millionenhöhe zugeschanzt. Das Thema ist freilich nicht auf die Ukraine beschränkt. Auch bei der internationalen Geberkonferenz für die Türkei und Syrien vorige Woche, bei der sieben Milliarden Euro für die Opfer der Erdbebenkatastrophe zugesagt wurden, ist die Korruptionsgefahr am Schirm. So forderte der Vorsitzende der Türkei-Delegation des Europaparlaments, Sergey Lagodinsky, im Anschluss an die Milliardenzusagen, „dass die Hilfe transparent, effektiv und verantwortungsbewusst eingesetzt wird“. Zudem soll die Vergabe an Kriterien wie Erdbebensicherheit und Nachhaltigkeit geknüpft werden. (WM)
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