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DIE FURCHE 30.03.2023

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12 · 23. März 2023

12 · 23. März 2023 DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 79. Jg. · € 4,– ze gehalten und die Corona-Maßnahmen solidarisch mitgetragen haben, wird von diesbezüglich Gesetzlosen der Vogel gezeigt (vgl. S. 11 & 15). Auf diese Weise wird das Fundament des Gemeinwesens untergraben. Man erinnert sich auch, dass Landbauer gegen die ohnehin nicht üppige Katastro- Von Otto Friedrich phenhilfe für die Erdbebenopfer in der Türkei und in Syrien gehetzt hat. Stimmt schon, Schlechtigkeit ist kein Grund für m 23. März des Jahres 1933 beschloss der Deutsche Reichs- sich ihrer nach getaner Arbeit entledigen“. und gibt andere Optionen, als derartiger anderen Kräften den Boden bereiten, die den Ausschluss aus der Politik. Aber es gab tag das sogenannte Ermächtigungsgesetz, mit dem in Konservative mit den rechtsextremen Anti- Bittere Erkenntnis aus den niederöster- Die Geschichte lehrt: Der Glaube, dass Haltung zu politischer Macht zu verhelfen. Deutschland die Demokratie demokraten eine tragfähige Allianz eingehen können, ist ein Irrglaube. Die bürgerli- kein Widerstand gegen diesen Niedergang reichischen Vorgängen ist, dass in der ÖVP abgeschafft und den Nationalsozialisten der Freibrief ausgestellt wurde, mit dem chen Parteien, die am Ermächtigungsgesetz auch der eigenen Bewegung sichtbar wird. sie weit mehr als ihr Land ins Unglück 1933 mitgewirkt hatten, wurden von den EU-Parlamentarier Othmar Karas scheint stürzten und den Völkermord an den Juden Nazis im Nu entsorgt – prominente Bürgerliche fanden sich auch in den KZs wieder. halten, der gegen die Windmühlen des aktu- da nur mehr als eine Art Don Quijote herzu- beginnen konnten. Dem Ermächtigungsgesetz stimmten auch die Vorgängerparteien der heutigen CDU und der CSU zu. Othmar Karas als Don Quijote der ÖVP wie Ex-EU-Kommissar Franz Fischler sind ellen Parteigeistes anreitet. Und Altvordere 90 Jahre später ist zwar keine Rede davon, dass ähnliche Verhältnisse wie 1933 bürgerliche Partei mit der Rechts-außen- noch eine Stimme wie jene der Aschbacher Wenn sich nun in Niederösterreich die längst im Ausgedinge dieser Partei. Bleibt herrschen; aber der Staatsterror, der sich Fraktion ins Bett legt, bedeutet das natürlich nicht, dass das Dritte Reich vor der Tür ner-Sturm, die ihren Parteiaustritt damit Ex-VP-Vizebürgermeisterin Cornelia Wag- damals – vom Parlament abgesegnet – den Weg bahnte, hat eine Vorgeschichte, die steht. Aber 1933 war der Endpunkt jener erklärte, dass das Koalitionsabkommen auch aktuell alle Alarmglocken läuten lässt. fundamentalen Fehleinschätzung der Konservativen, die glaubten, man könne mit Wertehaltung und wissenschaftlichen Er- „jeder Zukunftsperspektive, christlicher Der Historiker Christian Jostmann wies bereits im Präsidentschaftswahlkampf Anti demokraten Staat machen. kenntnissen“ entbehre. Aber solch hellsichtige Stimme ist in der ÖVP nicht relevant. 2016, als ein gewisser Norbert Hofer im bürgerlichen Lager auf Stimmenfang ging, in die demokratische Mitte des Landes nicht Es stimmt, dass die FPÖ von einem Vier- Die lokale FP unter Udo Landbauer ist für der FURCHE darauf hin, dass die Anhänger satisfaktionsfähig. Das sollte nach den Tönen, derer sich die rechten Protagonisten muss das aushalten. Aber wie kann man als tel gewählt wurde. Eine offene Gesellschaft einer „Konservativen Revolution“ seinerzeit den rasanten Aufstieg der Nationalsozialisten mitermöglicht haben. Jostmann zeigte sein. Dementgegen wird nun gar deren Coser FPÖ ins Koalitionsbett zu steigen? im Wahlkampf befleißigten, eigentlich klar Demokrat(in) auf die Idee kommen, mit die- das „zwiespältige Paradox“ auf, wie eben rona-Obskurantismus salonfähig gemacht. jene Konservativen zum Steigbügelhalter Auch das ist extrem besorgniserregend: Denjenigen Bürger(inne)n, die sich an die Gesetotto.friedrich@furche.at der Diktatur wurden, dass sie also „ganz @ofri_ofriedrich Die hiesige Politik macht es Optimistinnen und Visionären nicht leicht. Dennoch gibt es zur Hoffnung auf eine Renaissance politischer Vernunft keine Alternative. Nicht nur Klima und Corona, auch die Arbeit von morgen harrt neuer Lösungen. Welche Lehren aus Arbeitskräftemangel und Erschöpfung zu ziehen wären, beschreibt Manuela Tomic im Fokus „Heute geschlossen!“. Wie es in der SPÖ sowie auf EU-Ebene weitergehen soll, erklärt indes Andreas Schieder im Interview. Jan Opielka berichtet über den polnischen Kulturkampf um Johannes Paul II., und Victoria Schwendenwein hat sich den Folgen Künstlicher Intelligenz auf die Matura gewidmet. Im Feuilleton erwartet Sie ein Porträt der pakistanischen Architektin Yasmeen Lari, deren Bauten nicht nur schön sind, sondern auch katastrophenresistent – sowie eine Geschichte über Rekonstruktion durch „digitale Zwillinge“. Ein Original ist und bleibt unser ehemaliger Herausgeber Wilfried Stadler, der ab sofort alle vier Wochen „Klartext“ schreibt – und mit den Verwerfungen um die Credit Suisse beginnt. Bereits letzte Woche hatte die Politologin Julia Mourão Permoser mit einem kräftigen Impuls zum Thema Care- Arbeit Premiere. Sie folgt Barbara Inmann vom „Impact Hub Vienna“, für deren visionäre Beiträge zum neuen Arbeiten wir uns herzlich bedanken. (dh) Österreichische Post AG, WZ 02Z034113W, Retouren an Postfach 555, 1008 Wien DIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 Wien Telefon: (01) 512 52 61-0 DIE FURCHE · 13 16 Forum 30. März 2023 DIE FURCHE EMPFIEHLT Literarische Soirée LITERATUR FURCHE-Feuilletonchefin Brigitte Schwens-Harrant, Sebastian Fasthuber (Falter) und Ronald Pohl (Der Standard) diskutieren unter der Moderation von Günter Kaindlstorfer über drei Neuerscheinungen: Birgit Birnbachers Roman „Wovon wir leben“, A. L. Kennedys Roman „Als lebten wir in einem barmherzigen Land“ und Karin Peschkas Roman „Dschomba“. Literarische Soirée 19.4.2023, 19:00 Uhr KlangTheater im Radiokulturhaus, Wien, radiokulturhaus.orf.at Ein Kosmopolit im Exil AUSSTELLUNG Fritz Kreisler war Wunderkind, Geigenvirtuose und Publikumsliebling. In unterschiedlichen Stationen wird Kreislers Biografie nachgegangen – von der Kindheit in Wien bis zur endgültigen Emigration in die USA 1939. Ausgestellt sind zahlreiche Fotografien. Auch Kreislers Judentum wird thematisiert: 1938 verboten die Nazis seine Aufnahmen und Auftritte. Ein Kosmopolit im Exil Exilarte, Lothringerstraße 18, Wien bis 28. Mai 2023 www.exilarte.org Jüdisches Filmfestival Wien FESTIVAL „We are Family“: so lautet das heurige Motto des Jüdischen Filmfestivals Wien. Dem unerschöpflichen Thema „Familie“ nähern sich Filmemacher und Filmemacherinnen gerne auch mit Selbstironie und Witz. Aber es werden auch Filme mit Ukraine-Bezug gezeigt. Ein Programmschwerpunkt widmet sich etwa dem Thema „Kinder auf der Flucht“. Jüdisches Filmfestival Wien Wien von 19. April bis 3. Mai 2023 www.jfw.at IHRE MEINUNG Schreiben Sie uns unter leserbriefe@furche.at Präzise adressiert Frage der Demokratie Von Otto Friedrich Nr. 12, Seite 1 Ich bin ja „naturgemäß“ ein Vielleser, aber kaum jemand hat das, was da mindestens in Niederösterreich abgeht, so präzise adressiert wie Otto Friedrich in seinem FURCHE-Leitartikel. Danke dafür. Dr. Horst Pirker via Mail Qualität und Haltung wie oben Als Niederösterreicherin, die von dieser neuen Landesregierung entsetzt ist, danke ich Ihnen für Ihre klaren Worte. Als langjähriger Abonnentin der FURCHE hat sich mir die Qualität und aufrechte Haltung dieses Mediums wieder erwiesen. Was allerdings ist jetzt zu tun? Mag. Hildegard Schandl via Mail ÖVP brauchte Alternative wie oben Der Leitartikel beantwortet leider zwei Fragen nicht: 1. Warum wird die FPÖ gewählt? 2. Warum sind die Koalitionsgespräche in Niederösterreich zwischen der ÖVP und der SPÖ gescheitert? Da wir beide nicht an diesen Gesprächen teilgenommen haben, bleiben uns nur Medienberichte. Es verwundert mich nicht, dass sich sowohl ÖVP als auch SPÖ wechselseitig für das Scheitern beschuldigen, dass sich die ÖVP dann aber nach einer Alternative zur SPÖ umsieht, um nicht zu sagen umsehen muss, allerdings auch nicht. Karl Srnec via Mail Schweigende Kirche wie oben Danke für die Zusammenfassung des Elends, das die ÖVP Niederösterreich derzeit abgibt: Machterhalt um jeden Preis. Mich wundert zudem, dass ich bisher noch von keinem leitenden „Kirchen-Menschen“ der Diözese St. Pölten auch nur einen Satz zu dieser neuen Regierungskonstellation gehört habe. Die Bewahrung der Menschenwürde und der Mitwelt ist mit den handelnden Personen dieser Koalition ÖVP/FPÖ in Niederösterreich nämlich nicht gesichert. Veronika Pernsteiner 4101 Feldkirchen Tief berührt wie oben Als mich Ihr Leitartikel über Umwege erreichte (bevor ich ihn selber in Print las), war ich zunächst tief berührt. Mit meinem Namen im großen historischen und gesellschaftspolitischen Bogen Ihrer Schlussfolgerungen Raum und Wertschätzung zu erhalten, ist mir eine große Ehre. Viel Resonanz erreichte mich dazu, vor allem aus meiner Zeit des Engagements in der Jungschararbeit auf Dekanats- und Diözesanebene. Es tut gut, in dieser Dschungelmetropole aus der Retorte ChatGPT in der Schule: Salz in alten Wunden Häuser, die Leben retten Bevölkerungsexplosion und Umweltverschmutzung Chatbots zeigen die Lücken im Schulsystem auf. Das Architekturzentrum Wien präsentiert die Werke führen dazu, dass in Indonesien der Regierungssitz Wie das Lernen für eine digital geprägte Welt der ersten Architektin Pakistans: Yasmeen Lari. verlegt wird. Nun wird gerodet. · Seite 7 dennoch gelingen kann. · Seite 9 Sie plant für die Zukunft. · Seite 13 Illustration: Rainer Messerklinger Das Thema der Woche Seiten 2–4 Die Geschichte sollte lehren, was mit bürgerlichen Parteien geschehen kann, wenn sie sich mit Rechts-außen-Kräften ins Bett legen. Anmerkungen zur ÖVP-FPÖ-Koalition in Niederösterreich. Frage der Demokratie A Die Babyboomer gehen in Pension, viele Junge fühlen sich erschöpft. Kann das gutgehen? Über Utopien einer neuen, gerechteren Arbeitswelt. „ Der Glaube, mit rechtsextremen Antidemokraten eine tragfähige Alli anz eingehen zu können, ist ein Irrglaube. “ „Über die See“: Meerfahrt mit Kapitänin Marietta Navarros faszinierender Debütroman erzählt von Mut und Bewährung, Verantwortung und Versagensangst. · Seite 15 Vorwürfe gegen Papst Wojtyła In Polen ist eine Debatte darüber entbrannt, wie Papst Johannes Paul II. in seiner Zeit als Erzbischof von Krakau mit pädophilen Priestern umging. Neue Recherchen rücken ihn in ein schlechtes Licht – aber kein schwarz­weißes, wie es Gegner und Verteidiger zeichnen. Seite 8 Zeit der Machtversessenheit bei Menschen mit gemeinsamer Werteorientierung Halt und Zuspruch zu finden. Denn – wie Sie ja treffend formulieren – es bleibt in den parteiinternen Reihen verdächtig ruhig, allzu ruhig. Allerdings setzten etliche Zeichen in Form von Briefen, Austrittsmails, Teilnahme an Demos ... Von einem Beißreflex – eine sehr herabwürdigende Benennung von gewaltfreiem Widerstand wegen Sorge um die Demokratie in meinem Heimatbundesland – kann da keine Rede sein. Cornelia Wagner-Sturm via Mail Alles so einfach? INTRO furche.at „Können die Mitarbeiter miteinander lachen?“ Interview mit Andreas Salcher Nr. 12, Seite 3 Andreas Salcher stellt seine Lebensweisheit vor. Er hat eine Frau interviewt, die mit zwei Jobs und drei Kindern alleinerziehend „ihr Leben meistert“. Toll, genau die hat er gefunden! Ich vermute, andere kommen auch zurecht, auch ohne die doch so hilfreichen täglichen Nein-Sager zu ihrem Chef, ihren Kindern und den Abholzeiten vom Kindergarten. Und „Kraftquellen“ brauchen sie sicher alle. Frauen sollen auch nicht Teilzeit, sondern Vollzeit arbeiten. Nur – genau das tun sie ohnehin. Es sind die unbezahlten Stunden im Haushalt, mit Kindern und in der Pflege von Angehörigen, die da nicht als Arbeit zählen. 17,5 Stunden pro Woche mehr als Männer waren es während der Coronapandemie, so eine Studie der WU. Da brauchen wir doch wirklich den Alle-sind-selbst-an-ihrer-Erschöpfung-schuld-Ratschlag. Wo doch „fünf bis zehn Minuten“ Rückzug pro Tag den Haushalt, die Kinder und den Job erschöpfungsfrei halten. Da hilft dann auch der wirklich sensationelle Ratschlag, nicht am letzten Samstag vor Weihnachten Geschenke einzukaufen. Alles ist doch so einfach! Mag. Friedrich Öhl 7423 Pinggau Zölibat als Zwang Kein Forcieren der „heißen Eisen“ Kompass in Kürze Nr. 12, Seite 12 Triebdynamische Wirkkräfte des Miteinanderlebens ermöglichen sowohl in der Ehe wie auch bekanntermaßen im Zölibat Gewaltanwendungen. Der Zölibat ist, entgegen diesbezüglichen Einwänden, jedoch nicht der Grund für das erschreckende Ausmaß sexueller Gewalt in der Institution Kirche. Dieses leitet sich ab aus den einseitigen, patriarchalen Machtstrukturen der Kirche, welche eine Entfremdung zu frühchristlichen, paulinischen Gemeinden, in denen Frauen Leitungspositionen innehatten, darstellen. Der Zölibat als Zwangseinrichtung ohne Freiwilligkeit ist aber eines der wichtigsten äußeren Kennzeichen des inhumanen, kirchlichen Sexualrechts. Gibt es einen erkennbaren Schaden für die Kirche und die Gesellschaft, wenn ein Priester in ehelicher Treue sein Leben christlich gestaltet? Es geht um Beziehungseros entgegen Verdrängung und somit Ausagieren von unkontrollierten Triebimpulsen. Eine differenzierte Auseinandersetzung, wie von Papst Franziskus gefordert, ist angesagt. Die Hingabe an Gott und Jesus kann in jedem Beziehungsmodell stattfinden, in hetero- und homoerotischen Lebensund Ehegemeinschaften. Sie ist kein Alleinstellungsmerkmal ehelosen, priesterlichen Lebens. Dr. Lisa Bock Klinische Psychologin und Psychotherapeutin, 5020 Salzburg Jeder Tipp, jedes Los ein Gewinn: Diesmal öffnen sich am 31. März die Türen zum neu eröffneten kärnten.museum in Klagenfurt. Lotterien Tag im kärnten. museum Auch wenn die Gewinne bei Lotto, Brieflos & Co nicht ganz so hoch wie erhofft gewesen oder gar ausgeblieben sind, die Quittungen und Lose der Österreichischen Lotterien öffnen am Freitag, dem 31. März 2023 wieder gratis Tür und Tor zum nächsten Lotterien Tag. Dieser führt ins neu eröffnete kärnten. museum in der Klagenfurter Museumgasse. Das neue Universalmuseum, das den Wandel zum Inhalt hat, kann dabei auf vielfältige Art und Weise entdeckt werden: Angeboten werden Führungen in deutscher und slowenischer Sprache, sowie in Gebärdensprache. Als besonderes Highlight können Museumsgäste in die Welt der Stille eintauchen und eine spannende Reise abgeschirmt von der klanglichen Außenwelt unternehmen, Gebärden-Karaoke inklusive. Das Museum ist am Lotterien Tag von 9.00 bis 18.00 Uhr geöffnet. Die Teilnehmerzahlen an den Führungen sind begrenzt, eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Detaillierte Informationen zu den zahlreichen Führungsterminen findet man unter lotterientag.at. Lotterien Produkte öffnen die Tür zum kärnten.museum Foto: Karlheinz Fessl IN KÜRZE RELIGION ■ Ramadan und Christen RELIGION ■ Rücktritt von Bischof Bode WISSEN ■ Gegen Antibiotika-Engpässe WISSEN ■ Corona-Bilanz in den USA Der Vatikan hat Christen und Muslime zum gemeinsamen Engagement für Gerechtigkeit und Frieden aufgerufen. In einer Grußbotschaft zum Ramadan wurde die Relevanz des muslimischen Fastenmonats auch für andere Religionen betont, besonders für das Christentum. „Bestehende Freundschaften werden gestärkt und neue aufgebaut, die den Weg für ein friedlicheres, harmonischeres und fröhlicheres Zusammenleben ebnen“, heißt es in dem vom Dikasterium für interreligiösen Dialog veröffentlichten Schreiben. Der muslimische Fastenmonat Ramadan hat am 23. März begonnen und endet mit dem dreitägigen Fest Eid al-Fitr ab 21. April. Papst Franziskus hat den Rücktritt des Osnabrücker Bischofs Franz-Josef Bode, 73, angenommen. Bode zog damit die Konsequenzen aus dem Missbrauchsgutachten über seine Diözese, das ihm auch persönliches Fehlverhalten bei der Aufarbeitung und Ahndung von sexuellem Missbrauch durch Priester vorgeworfen hatte. Bode, der auch einer der prominentesten bischöflichen Befürworter des Synodalen Weges in Deutschland ist, zog damit als erster deutscher Bischof persönliche Konsequenzen aus dem Missbrauchsskandal. Während der Sedisvakanz wird Weihbischof Johannes Wübbe das Bistum als Diözesanadministrator leiten. Der „Complexity Science Hub“ (CSH) Vienna und das Lieferketten-Forschungsinstitut ASCII haben Empfehlungen zur Vermeidung von Antibiotika-Engpässen zusammengestellt. Österreich spiele dabei eine zentrale Rolle, da sich in Kundl/Tirol eine der wenigen europäischen Produktionsstätten für Antibiotika befindet, betonte der Komplexitätsforscher Peter Klimek vom CSH, Leiter des ASCII und „Wissenschafter des Jahres 2021“. Klimek empfiehlt Investitionen in die Daten-, Planungs- und Prognose-Infrastruktur, um „den Bedarf an Antibiotika zu messen, zu kennen und vorhersagen zu können“. Gesundheit ist zu einem erheblichen Maß von sozialen Einflüssen abhängig. Das belegt eine aktuelle Studie vom „Council of Foreign Relations“ in Washington DC, veröffentlicht im Fachjournal Lancet. Es handelt sich um die statistisch bisher umfangreichste Aufarbeitung der Covid-19-Pandemie in den USA. Covid-19 tötete dort vor allem die Armen und Benachteiligten sowie auch die Trump-Wähler des Jahres 2020. Trump hatte einerseits wirksame Maßnahmen verweigert, andererseits zeitweise skurrile Therapien propagiert. Die ärmsten und sozial schwächsten Bundesstaaten wiesen Covid-19-Todesraten wie Peru oder Russland auf.

DIE FURCHE · 13 30. März 2023 Literatur 17 Von 29. März bis 2. April finden zum 52. Mal die Rauriser Literaturtage statt. Den heurigen Literaturpreis erhält Marcus Fischer für seinen Anti-Heimatroman „Die Rotte“. Von Veronika Schuchter Elfi Reisinger, oder wie es in der Sprache des (Anti-)Heimatromans richtig zu heißen hat, die Reisinger Elfi, hat sich in ihrem Hof eingeschlossen, dem Reisingerhof, verbarrikadiert hat sie sich, alles dichtgemacht und dunkel, die Außenwelt hat sie ausgeschlossen, wahnsinnig ist sie vielleicht geworden, denn hier heißt das noch so. Das ist der Ausgangspunkt von Marcus Fischers mit dem Rauriser Literaturpreis ausgezeichneten Debütroman „Die Rotte“: „Weil man bei einer Frau immer fragt, warum. So hat man sich auch bei der Elfi gefragt. Wenn ein Mann so ist, glaubt man von Haus aus, man weiß eh. Aber bei einer Frau muss es schon was geben, was sie dorthin gebracht hat. Als wenn es beim Mann sowieso da ist, das Ungute. Oder wenn er eigen ist. Warum es bei der Elfi jetzt so gekommen ist, da hat jeder seine Geschichte im Kopf gehabt, oben in der Rotte Ferchkogel in den Voralpen.“ Die Elfi macht dicht Voralpines Kleinst-Milieu Viel gibt es nicht, in dieser Rotte Ferchkogel am See, fünf Höfe, benannt nach der jeweiligen Bauersfamilie, eine Kapelle und besagten See. Eine Rotte bleibt eben eine Rotte, jeder Hof für sich und doch eine Schicksalsgemeinschaft. Hier wird gemeinsam gefeiert und getrauert, man nimmt sich im Auto mit in die Kirche, aber es entgeht einem auch nichts. Der Reisingerhof ist der ärmste Hof, auf den man ein bisschen hinunterschaut, der Misthaufen mitten im Hof, das Plumpsklo direkt daneben. Elfis Vater Hannes wird zunächst tot im Bach gefunden, bis die Gendarmerie eintrifft, ist die Leiche aber verschwunden, vermutlich in den See gespült, wo sie nun liegt, als Metapher für die Geheimnisse und Abgründe der Menschen in der Rotte. Jeder weiß, dass sie da ist, auch wenn man sie nicht sieht, aber irgendwann kommt sie an die Oberfläche. Selbstmord heißt es, doch Elfi glaubt nicht daran und verdächtigt die Nachbarn, die dem Vater das Grundstück am See abluchsen wollten. Es sind die 1970er, noch hat der Touristenansturm nicht eingesetzt, aber man spekuliert schon darauf, und dann wäre Grund am See Gold wert. Der Grund am See bringt den Vater auf den Seegrund, das glaubt Elfi, während sie anfängt, Zeichen zu sehen, die das bestätigen. Elfi bleibt mit der verbitterten, boshaften Mutter zurück, irgendwann heiratet sie (den) Franz, der den Frauen am Hof hilft und bald das Zepter an sich reißt. Fischer versteht es, die Zeitebenen so ineinander zu schieben, dass man zwar ahnt, was kommt, aber dennoch bis zuletzt gespannt bleibt, was sich genau zugetragen hat, und was Elfi, wie es am Anfang heißt, dorthin gebracht hat: an diesen Ort und in diesen Zustand. Alpen-Gothic grüßt Man kippt schnell in diese bäuerliche, in den 1970er Jahren angesiedelte voralpine Welt, sprachlich ist Fischers Roman wie ein süffiger Wein, von dem man sich beiläufig gern das eine oder andere Glas nachschenkt. Stark ist der leise Horror, der sich durch viele Szenen zieht, der Vater, den Elfi im Stall zu sehen glaubt, das Vieh, das gequält schreit, der See, mit seinen Leichen darin. Nur leider hat „Die Rotte“ dem Anti-Heimatroman, wie man ihn zur Genüge kennt, wenig hinzuzufügen, und das ist einigermaßen trist. Die Figuren sind gierig, verstockt, naiv oder depressiv, jedenfalls leider nicht komplex oder stärker psychologisiert als dass die Umstände in der Rotte sie so gemacht haben. Auch sprachlich bedient sich Fischer am für den österreichischen Anti-Heimatroman typischen Tonfall, wie eingangs angedeutet: „Fast runtergefallen wär ihr die Freude schon. […] Ein Glück ist ihr über den Rücken gelaufen.“ Problematisch ist an solchen Formulierungen nicht, dass die Grenze zum Kitsch zwar nicht überschritten, aber doch recht nahe ist, sondern dass die Gefühle der Figuren trivialisiert werden und man beim Lesen zwar berührt ist, aber auf paternalistische Art und Weise. Auf Augenhöhe mit seinen Figuren ist der Erzähler leider nicht immer. So entsteht eine zumindest Elfi gegenüber zwar wohlwollende, aber trotzdem ungute Schieflage. Die Rotte mag zwar am Berg sein, aber man schaut ein bisschen auf Foto: David Sailer Mit Flair 2021 feierten die Festivalleiter Ines Schütz und Manfred Mitter mayer – mit der ehemaligen Intendantin Brita Steinwendtner in ihrer Mitte – 50 Jahre Rauriser Literaturtage (siehe Bild). „ Sprachlich ist Fischers Roman wie ein süffiger Wein, von dem man sich beiläufig gern das eine oder andere Glas nachschenkt. “ sie herab. Dass ist schade, denn gerade diese Figur der Elfi hätte viel Potenzial gehabt. „Die Rotte“ hätte ein grandioser Horrorroman sein können, Alpen-Gothic sozusagen, stellenweise geht es in diese Richtung, nur leider schwenkt Fischer dann wieder zurück zum Naturalistischen. Den Roman in den 1970er Jahren anzusiedeln, ist etwas mutlos, die Verwerfungen des patriarchalen, bäuerlichen Milieus und das Leiden daran, kennt man schon. Das wieder aufzugreifen, ist völlig legitim, doch dann muss dem Scheiterhaufen der abgeschotteten Provinzialität ein originelleres Scheit hinzugefügt werden. Wie man das neu erzählen kann, hat Helena Adler (die auch in Rauris lesen wird) in „Die Infantin trägt den Scheitel links“ und „Fretten“ mit ihrem boshaften Witz vorgemacht, Laura Freudenthaler mit ihrem melancholisch-reduzierten Roman „Die Königin schweigt“ oder Robert Seethaler mit „Ein ganzes Leben“. Typisch österreichisch Die wechselnden Jurys des Rauriser Literaturpreises haben schon oft ein ausgesprochen gutes Gespür für ästhetisch und thematisch relevante Texte, für Zukunftshoffnungen und kommende Talente bewiesen. Namen wie Ruth Klüger, Juli Zeh und Raphaela Edelbauer finden sich auf der Liste, die spätere Nobelpreisträgerin Herta Müller, die Büchnerpreisträgerin Felicitas Hoppe, die Bachmannpreisträgerin Maja Haderlap. Der Förderpreis ging an spannende Autorinnen wie Birgit Birnbacher und Elke Laznia. Auch dieses Jahr kann man an der Entscheidung der Jury, bestehend aus Gerhard Fuchs, Nicole Henneberg und Katja Schönherr, von der Textebene aus betrachtet wenig beanstanden. „Die Rotte“ ist ein spannender, atmosphärischer Text, den man gerne liest. Nur innovativ ist er eben nicht. Man kennt diese Figuren, man kennt die Themen, man kennt auch die Sprache. Kaum ein Genre ist österreichischer als der Anti-Heimatroman, auch in Rauris hat es durchaus Tradition; so wurde 1975 Franz Innerhofer für seinen Roman „Schöne Tage“ ausgezeichnet, 1989 Norbert Gstrein für „Einer“, beides mittlerweile Klassiker des Genres. Es erübrigt sich fast zu sagen, wie gut „Die Rotte“ topografisch ins beschauliche Salzburger Rauris passt, zum Blick vom Mesnerhaus, dem Hauptveranstaltungsort hinauf in die umliegende, liebliche Berglandschaft, oder hinunter von der Heimalm ins Tal. Dieses besondere Flair macht Rauris einzigartig unter den deutschsprachigen Literaturfestivals. Wer einmal da war, der vergisst es nie wieder. Nähere Infos zu den Literaturtagen: www.rauriser-literaturtage.at Die Rotte Roman von Marcus Fischer Leykam 2022 304 S., geb., € 23,50

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