13 · 30. März 2023 DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 79. Jg. · € 4,– „Es braucht Signale der Bindung“ Körpersprache-Experte Stefan Verra über seine Arbeit mit Menschen aus dem Autismus-Spektrum. Seite 23 Causa Credit Suisse: Die Blackbox knacken! Der Tod Jesu war ein Justizmord Die Elfi macht dicht Ökonom Stefan Brunnhuber fordert ein Umdenken innerhalb der Finanzwelt und ein Preisstabilitäts- Mandat für Zentralbanken. · Seite 5 Pontius Pilatus verurteilte Jesus wider besseres Wissen. Die gängigen Bibelübersetzungen verschleiern dies bis heute. · Seite 12 Zum 52. Mal finden dieser Tage die Rauriser Literaturtage statt. Den heurigen Literaturpreis erhält Marcus Fischer. · Seite 17 Das Thema der Woche Seiten 2–4 Vor 75 Jahren beschlossen die USA den Marshallplan für das zerstörte Europa. Auch heute haben Krieg und Katastrophen nicht das letzte Wort – von Notre-Dame bis zur Ukraine. Doch eine Frage bleibt: Wer zahlt? Wieder Aufbau Bild: Rainer Messerklinger (unter Verwendung eines Bildes von iStock/gehringj) Putins perfide Praktiken Auf Geheiß des Kremls dürften gezielt rund 15.560 ukrainische Kinder nach Russland verschleppt worden sein. Das Ziel: politische Indoktrination. Indes dreht der Kriegsherr selbst weiter an der Eskalationsspirale und kündigte an, taktische Atomwaffen in Belarus zu stationieren. Seiten 6–8 Der Sozialdemokratie sind ihre Ideale abhandengekommen, die ÖVP verkauft ihre Werte zugunsten der Macht – beide ignorieren die Jungen: über die Abdankung zweier Volksparteien. Die Selbstvergessenen Von Doris Helmberger könnte in Versuchung kommen, die Vorgänge in der SPÖ als eine Tragikomödie zu „Man sehen“: Diesen Satz formulierte Anton Pelinka anno 1966 in einem FURCHE-Kommentar über den Zustand der Roten (vgl. Seite 14). Tatsächlich war es ein erbärmliches Bild, das die einst so stolze Partei damals, nach dem Wahlverlust im März desselben Jahres, abgab. Die ÖVP hatte unter Josef Klaus die absolute Mandatsmehrheit errungen und stellte eine Alleinregierung, man fand sich auf der Oppositionsbank wieder und rang um einen Kurs. Innerparteiliche Kritik an fehlender Strategie angesichts bloßen Taktierens sowie an der Führung Bruno Pittermanns versuchte man mit dem Hinweis auf „Wirrköpfe“ zu ersticken – freilich vergebens. „Man könnte ruhig zusehen, wie eine noch immer große und noch immer mächtige demokratische Partei in eine Sackgasse läuft“, schrieb Pelinka daraufhin. „Aber man kann eben nicht ruhig zusehen, denn von der Zukunft des österreichischen Sozialismus hängt zuviel ab.“ Auch die Sozialdemokratie von heute befindet sich in einer Sackgasse und Tragikomödie – und deren Ausweglosigkeit bzw. „ Ausgerechnet den Brunnenmarkt als ‚No- Go-Area‘ zu bezeichnen, zeugt von Dummheit und Niedertracht zugleich. “ Absurdität scheint noch deutlich größer zu sein als ehedem. Nach Jahren des kraft- und ideenlosen Verwaltens in der Löwelstraße sowie des lustvollen Querschießens in Eisenstadt hat sich der Frust in einer kafkaesken Mitgliederbefragungs-Posse samt kandidierender Trolle und Giraffen entladen, in der am Ende niemand gewinnen kann. Pamela Rendi-Wagner (samt Geschäftsführer Christian Deutsch) ist nachhaltig beschädigt, nicht minder der ausgetrickste Kontrahent Hans Peter Doskozil. Weder der einen noch dem anderen kann mittlerweile zugetraut werden, die zerrissene Partei zu einen und geschlossen in die nächste Nationalratswahl zu führen. Jenseits der (Twitter-)Blase? Lachender Dritter könnte der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler sein, der die Gunst der konfusen Stunde nutzt und sich als künftiger Parteichef in Stellung bringt. Tatsächlich verkörpert er als bislang Einziger eine (rote) Vision – und die Hoffnung, mit glaubwürdiger Politik und einem geerdeten Habitus auch über die linke Twitter-Blase hinauszuragen. Ob ihm das gelingt – und ob es möglich ist, ohne Ressentiment die wachsende Anzahl jener Menschen zu gewinnen, die sich angesichts multipler Krisen und der digitalen Transformation überfordert fühlen und in einfachen Botschaften, alternativen Wahrheiten sowie Freund-Feind-Schemata Selbstvergewisserung suchen, wird sich zeigen. Wie sehr die FPÖ mit dieser demokratiefeindlichen Politik gerade reüssiert, ist offenkundig. Wie sehr sich die ÖVP dieser Politik unterwirft und sie zugleich internalisiert, ebenso. Nicht nur der türkis-blaue Pakt in Niederösterreich zeugt davon, wie sehr die Volkspartei mittlerweile ihre eigenen Werte sowie jene der Aufklärung zu verraten bereit ist, sondern auch die jüngsten Ausritte des Wiener VP-Chefs Karl Mahrer. In einem Video ausgerechnet den prosperierenden Brunnenmarkt als „No- Go-Area“ zu bezeichnen und zugleich in bester Kickl-Manier gegen „linke Meinungseliten“ zu hetzen, zeugt von Dummheit und Niedertracht zugleich. Dies ist umso erschreckender, als ein Niedergang der konservativen Mitte die Demokratie ebenso gefährdet wie ein Kollaps der Sozialdemokratie. Verschärft wird die Lage durch die völlige Ignoranz gegenüber den Nöten der Jungen, von der jüngsten Verbrennermotoreskapade der ÖVP bis zur Betonpolitik der Wiener SPÖ. Danken freilich beide Volksparteien ab, kommt der blaue, putinfreundliche „Volkskanzler“ (vgl. Seite 15) mit Sicherheit. Höchste Zeit, die eigentlichen „Wirrköpfe“ zu verabschieden, in der Sackgasse die Richtung zu ändern – und diese Tragikomödie zu beenden. doris.helmberger@furche.at @DorisHelmberger INTRO Der Wiederaufbau von Vertrauen ist eine der größten Herausforderungen der Gegenwart. Der Wiederaufbau von Infrastruktur nach Verheerungen durchzieht freilich die gesamte Geschichte. Wie das einst durch den Marshallplan gelang, bei der Kathedrale Notre-Dame in Paris gerade gelingt und in der Ukraine gelingen könnte, beschreibt Wolfgang Machreich im Fokus „Wieder Aufbau“. Derzeit herrscht freilich noch die Destruktion: Das zeigt sich nicht nur in einem erschütternden Text über russische Kindesentführungen in der Ukraine, sondern auch im Interview mit dem Sicherheitsexperten Frank Sauer über Atomwaffen. Ökonom Stefan Brunnhuber analysiert zudem den Kollaps der Credit Suisse. Mit einem Beitrag über „Mental Load“ eröffnet der Kompass, ebenso finden Sie hier eine luzide Analyse von Hans Förster zum „Prozess Jesu“ und einen Gastkommentar von Ulrich H.J. Körtner zum Schwenk in der Coronapolitik. Das Feuilleton entführt Sie zu den Rauriser Literaturtagen, wo heuer Marcus Fischer für seinen Anti- Heimatroman „Die Rotte“ auszeichnet wird. Ebenso lesen Sie hier über Ferdinand von Schirachs Gerichtsdrama „Gott“, den geplanten „ORF-Beitrag“ und Maßnahmen gegen Neuromanipulation. Wiederaufbau von Realitätssinn – auch das ist mittlerweile notwendig. (dh) furche.at Österreichische Post AG, WZ 02Z034113W, Retouren an Postfach 555, 1008 Wien DIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 Wien Telefon: (01) 512 52 61-0
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