DIE FURCHE · 56 International30. Jänner 2025Von Hannes B. MoslerYoon Suk-yeol hatte am3. Dezember 2024 rund5000 Soldaten mobilisiert.Einen Teil der Truppenbeorderte er zur Wahlaufsichtsbehörde.Yoon war überzeugt,die jüngsten Parlamentswahlen wärenzugunsten der sozialliberalenOpposition manipuliert worden. Umdas zu beweisen, sollte das Militärdie Server der Wahlkommission beschlagnahmen,den Mitarbeitern entsprechendeGeständnisse entlocken.Fast zeitgleich stürmten weitere Einheitendas Parlament. Für sie galt eseine Reihe von Abgeordneten zu verhaften,um zu verhindern, dass dieNationalversammlung für die Aufhebungdes von Yoon verhängtenKriegsrechts stimmte. Yoon legitimierteseine Vorgehensweise, indemer behauptete, die sozialliberaleOppositionspartei DP missbraucheihre Mehrheit im Parlament, sabotieredurch Amtsenthebungsverfahrendie Regierungsarbeit. In seinernächtlichen Fernsehansprache erklärteer schließlich, das Parlamentsei eine „Räuberhöhle“,die von „pronordkoreanischenstaatsfeindlichenKräften“ durchsetzt sei. Diese wolleer „ausrotten“, um die Ordnung wiederherzustellen.KLARTEXTMacht, Geld und DeportationYoon Suk-yeolDer Regierungsstil des 64-Jährigen sollvon Beratungsresistenz und Wutausbrüchengekennzeichnet gewesen sein.Derzeit sitzt er in U-Haft.Ist Südkoreas Opposition von nordkoreanischen Agenten durchsetzt? Dasbehauptet zumindest der abgesetzte Präsident Yoon Suk-yeol, der einenStaatsstreich angezettelt hatte. Nun droht ihm die Todesstrafe.Gefolgsmann derSchamanenRegierung spielt zwielichtige RolleDie Behauptung, bei der Oppositionhandle sich um nordkoreanischeAgenten, entbehrt jeder Grundlage.Auch ist das südkoreanische Kriegsrechtkeinesfalls dazu gedacht, Konfliktezwischen Regierung und Oppositionzu lösen. Zudem waren wederdie verfassungsrechtlichen Voraussetzungenfür die Verhängung desKriegsrechts gegeben, noch hatteYoon die erforderlichen Verfahrensschritteeingehalten. Noch gravierenderist, dass die Beeinträchtigung desParlaments und die Verhaftung vonAbgeordneten selbst unter Kriegsrechtverfassungswidrig ist. Damitkommt zu Amtsmissbrauch undVerfassungsbruch noch der Strafbestanddes Aufruhrs hinzu. Das bedeutet,dass der mittlerweile entmachteteYoon, dessen Prozess binnen dernächsten sechs Monate beginnen soll,zum Tode verurteilt werden könnte(die letzte Hinrichtung im Landfand vor etwa 25 Jahren statt). Unddies scheint nicht unwahrscheinlich,da die zentralen Handlanger der Verschwörungaus Militär und Polizeibereits kurz nach dem Putsch verhaftetwurden und Yoon mit ihren Aussagenschwer belasten.Rädelsführer Yoon konnte sich zunächstnoch dem Zugriff der Ermittlungsbehördenentziehen. Er hattesich mit seinem Sicherheitsdienstin seiner Residenz verschanzt, bisschließlich die Polizei mit einemGroßaufgebot das Anwesen stürmteund ihn verhaftete. Yoon sieht sichjedoch im Recht und ließ seine Anhängerwissen, dass er „mit ihnengemeinsam bis zum Ende kämpfen“werde. Als ein Seouler Gericht späterdie Verlängerung seiner Untersuchungshaftbestätigte, stürmte einrechtsextremer Mob das Gebäude,um die zuständige Richterin zu lynchen.Es kam zu einem exzessivenGewaltausbruch, der sich an der Inneneinrichtungund den heraneilendenPolizisten entlud. Nach demAnschlag auf die Legislative wurdenun die Judikative angegriffen. Wiees zu all dem kommen konnte, wirdnun aufgearbeitet.Der Blick richtet sich natürlichzunächst auf den Rädelsführer. AlsYoon 2022 überraschend Präsidentwurde, hatte er rund dreißig JahreVon Julia Mourão PermoserUS-Präsident Donald Trump hat unmittelbarnach Amtsantritt begonnen, sein Wahlversprechenumzusetzen: Irregulär aufhältigeMigranten werden massenhaft abgeschoben. ErsteFlüge nach Guatemala, Brasilien und Kolumbienführten zu Empörung bei lateinamerikanischen Regierungen,die die demütigende Behandlung ihrerStaatsangehörigen kritisierten. Viele Rückkehrerwurden wie Schwerverbrecher gefesselt und in Militärflugzeugentransportiert.Kolumbiens Präsident Gustavo Petro blockiertezunächst die Landung eines Abschiebefluges undschrieb Trump einen Brief, in dem er ihm Imperialismusvorwarf und seine Blockade als Gebot desAnstands für ein selbstbestimmtes Land verteidigte.Wenige Stunden später lenkte er ein, nachdemTrump hohe Zölle auf kolumbianische Waren undden sofortigen Visaentzug für kolumbianische Regierungsvertreterangekündigt hatte. Man werde abjetzt alle Abschiebeflüge bedingungslos annehmen.Diese Ereignisse zeigen die enorme wirtschaftlicheÜbermacht der USA und die Schwierigkeit kleinererLänder, sich zu wehren. Sowidersinnig es zu sein scheint,denn schließlich müsste es in dereneigenem Interesse sein, zukooperieren, um die heimischeWirtschaft und die eigenen Bürgerinnen und Bürgerzu schützen.Schwieriger ist zu verstehen, inwiefern hohe Zölle,Massenabschiebungen und großangelegte Razzienim Sinne der US-Bevölkerung sein sollen. DieseMaßnahmen beschützen zwar die heimische Industrieund bekämpfen die irreguläre Migration, aber sietreiben auch die Lebenshaltungskosten in die Höhe.Diese Kosten mögen vielen gerade nicht bewusst sein,aber wie Bill Clinton schon einmal sagte, bestimmtletztlich die Wirtschaft den politischen Erfolg („It’sthe economy, stupid“). Ob die langfristigen Folgendieser protektionistischen Politiken Trump zugutekommenwerden, bleibt daher fraglich.Die Autorin ist Professorin für Migration undIntegration an der Donau Universität Krems.als hartgesottener Staatsanwalt hintersich. Das heißt, er war auf binäresDenken, grundsätzliches Misstrauenund konfrontatives Agierentrainiert. Auch hatte er keine Erfahrungmit demokratischen Aushandlungs-und Entscheidungsprozessenund verfügte über keine gewachsenenNetzwerke in Politik und Gesellschaft,die ihn gegebenenfallsim Zaum hätten halten können. Dasmachte ihn empfänglich für Stichwortgeberwie Schamanen, Wahrsageroder seine umtriebige Ehefrau,der Aktienmanipulation und andereKorruption vorgeworfen werden.Vor allem aber scheinen ihn die VerschwörungstheorienrechtsextremerYoutube-Kanäle geprägt zu haben,über die er sich hauptsächlich informiert.Es ist auch kein Geheimnis,dass er stark narzisstische Züge hat,beratungsresistent ist, oft Wutanfällebekommt und gerne trinkt. Keineguten Voraussetzungen für einen„ Der enorme neoliberaleDruck im Land hat zu einerextrem fragmentierten undhochkompetitiven Ellenbogengesellschaftgeführt. “Staatspräsidenten, einen kühlen Kopfzu bewahren und ausgewogene Entscheidungenzu treffen. Den Steigbügelzur Machtübernahme hatteihm jedoch die rechtskonservativePPP gehalten, als sie Yoon 2021 zu ihremPräsidentschaftskandidaten kürte.Für die Rechtskonservativen wardie Amtsenthebung ihrer ehemaligenPräsidentin Park Geun-hye vier Jahrezuvor ein Trauma, das sie mit einemWahlsieg überwinden wollten. Deshalbbemühte sich die PPP um eine besondersstarke Galionsfigur, die dienotwendigen Stimmen liefern konnte.Foto: APA / AFP / POOL / Kim Hong-JiYoon war mit seinem Image als Verfechtervon Law and Order, der sich sogarmit der damaligen DP-Regierungangelegt hatte, der passende Kandidatdafür. Für einen hauchdünnen Siegwar sicher nicht unwichtig, dass er mitseiner reaktionären Rhetorik am rechtenRand nach Stimmen fischte.Denn auch in Südkorea hat der neoliberaleDruck auf die Menschen zugenommenund zu einer extrem fragmentiertenund hochkompetitivenEllenbogengesellschaft geführt, inder immer mehr Menschen verunsichertund damit auch empfänglichfür einfache Welterklärungen undwohlklingende Versprechungen sind.Präsident Yoon konnte diese Versprechenjedoch nicht einlösen und brachtedurch seinen zunehmend autoritärenRegierungsstil die Mehrheitgegen sich auf. Er bestrafte kritischeMedienberichterstattung, erklärteGewerkschaften zu kriminellen Organisationenund umging die Oppositionsmehrheitim Parlament immerhäufiger durch Präsidialdekrete.Umfragewerte belegen, dass er sichzum bisher unbeliebtesten PräsidentenSüdkoreas entwickelte.Als Yoon dann bei den Parlamentswahlenim April schließlich für seinedesaströse Regierungsführung abgestraftwurde und die oppositionelleDP einen überwältigenden Wahlsiegerrang, waren für ihn wohl auchdie letzten Zweifel an dem lange erwogenenStaatsstreich ausgeräumt.Dass ihm die Oppositionsmehrheit inder Folge die Daumenschrauben immerfester anzog, dürfte ihn in dieserHaltung noch bestärkt haben. Darausaber eine Mitverantwortung derDP für den Putsch abzuleiten, wäreeine gefährlich irreführende Relativierungder tatsächlich Schuldigen.Denn neben Yoon selbst war es vorallem die untätige RegierungsparteiPPP, die die Eskalation im Vorfeldhätte stoppen können und müssen.Sie scheint sich sogar dem Himmelfahrtskommandoangeschlossen zuhaben. In der Putschnacht versuchtesie, die Aufhebung des Kriegsrechtszu verhindern. Später nutzte sie ihreSperrminorität, um das Amtsenthebungsverfahrengegen Yoon zu sabotieren,und nun versucht sie, dielaufenden Gerichtsverfahren gegenYoon zu hintertreiben.Wie stabil ist die Demokratie?Südkoreas Entwicklung galt seit seinemwirtschaftlichen Aufstieg und derDemokratisierung Ende der 1980erJahre als Erfolgsgeschichte. Selbst derjüngsten globalen Autokratisierungswelleschien Südkorea zu trotzenund diente der politikwissenschaftlichenLiteratur als Paradebeispielfür Demokratie-Resilienz. Tatsächlichwaren es auch dieses Mal wiederdie wachsamen Bürgerinnen undBürger, die in der Putschnacht geistesgegenwärtigsofort zur Nationalversammlunggeeilt sind und sich denherannahenden Panzerfahrzeugenmutig entgegengestellt haben. Auchdie Medien waren gleich vor Ort undübertrugen live im Fernsehen, wiedie schwerbewaffneten Soldaten alsBürger in Uniform ihre Befehle nurmit halber Kraft ausführten und sowahrscheinlich Schlimmeres verhinderthaben. Und schließlich funktionierenauch die rechtstaatlichen Verfahrenbisher zuverlässig. Das gibtZuversicht, dass das Land auch dieseHerausforderung meistern wird.Aber der bereits angerichtete Schadenist groß. Die Staatskrise ist eineZerreißprobe für die südkoreanischeDemokratie.Der Autor ist Politologe und Ostasienwissenschaftleran der UniversitätDuisburg-Essen und regelmäßig fürForschungsprojekte in Seoul.
DIE FURCHE · 530. Jänner 2025International7CDU-Chef Friedrich Merz provoziert verbal jene Bilder, die alle fürchten und die scheinbar unausweichlich sind: Schutzsuchende, die in einerArt Niemandsland stranden. Auch lässt er die Brandmauer gegen die AfD bröckeln. Dennoch: Mit seiner Problemdiagnose hat er recht.Die deutsche GretchenfrageVon Brigitte QuintNach dem tödlichen Angriff einesAfghanen auf ein Kleinkindund einen Helfer inAschaffenburg ist DeutschlandsWahlkampfthemaNummer eins zementiert: Der Kampf gegenillegale Migration. Der Oppositionsführer,CDU-Chef und vermutlich nächsteKanzler Friedrich Merz lässt mit seinenAnträgen zur Verschärfung der Asyl- undMigrationspolitik die Wogen hochgehen.Nicht nur aufgrund der thematischenBrisanz, sondern auch, weil er seineForderungen mit Hilfe der AfD durchdas Parlament bringen will. Ein Präzedenzfall?Ein Tabubruch? Bislanghatte die Union jegliche Zusammenarbeitmit der AfD ausgeschlossen. Nunbröckelt die so genannte Brandmauer. Letzteresist symbolisch die bedeutendere Wendein der deutschen Innenpolitik. Dennnoch entscheidet die aktuelle Regierungüber die tatsächlichen Maßnahmen. Nachder Wahl könnte sich das freilich ändern:Merz kündigte an, im Falle seiner Kanzlerschaftein Einreiseverbot für alle Personenzu verhängen, die keine gültigenEinreisedokumente besitzen. Merz beruftsich in seiner Argumentation aufdie Dublin-Verordnung, wonach Schutzsuchendein jenem Land einen Asylantragzu stellen haben, das die Einreise indie EU zugelassen hat. Legitimiert das einkollektives Einreiseverbot für alle Schutzsuchenden?Nein. Laut EU-Gesetz dürfenAsylbewerber zunächst sehr wohl einreisen,damit dann in einem Verfahren geprüftwerden kann, ob eine Aufenthaltserlaubnismöglich sei oder die Personenwieder ausgewiesen werden müssen. Wennfestgestellt wird, dass ein anderer EU-Staatzuständig ist, bleiben sechs Monate, diebetroffenen Personen dorthin zurückzuschicken.Gesetzt den Fall, diese würdenzurückgenommen. Wenn die Rückführungscheitert, wird ein zweites Asylverfahreneingeleitet. Dieses müsste dannvon Deutschland durchgeführt werden.Notfallklausel als AuswegLetzteres ist beim Nachbarn gängigePraxis. Die Gründe sind mannigfaltig: Behörden-versagen,Unauffindbarkeit derBetroffenen, unkooperative europäischePartnerländer. Die Überstellungsquotevon Deutschland nach Italien liegt bei beinahenull Prozent. Ein kollektives Einreiseverbotfür alle Schutzsuchenden ist abernur in einem Fall möglich: Wenn die Ausnahmeklauselin Kraft tritt. Darauf spekuliertMerz. Diese besagt, dass sich ein EU-Staat an die europäischen Gesetze nichthalten muss, wenn im Land der Notstandeingetreten ist. Laut CDU/CSU ist das inDeutschland der Fall; man sei mit der Betreuungvon Geflüchteten an seine Grenzengestoßen, Volk und Staat wären ernsthaftin Gefahr. In der Tat kann man dieseZustandsbeschreibung als schlüssigeRechtsauffassung interpretieren. Dennochmuss man abwarten, zu welchem Schlussdie Richter vom Europäischen Gerichtshofin Luxemburg kommen. Auch andereLänder hatten bereits versucht, die Notfallklauselzu aktivieren, scheiterten aber.Würde sich eine Regierung unter einemKanzler Merz mit so einer Niederlage abfinden?Vermutlich nicht. Was also würdepassieren, wenn Friedrich Merz, wie angekündigt,ab Tag eins seiner Amtszeit dieBundespolizei anweist, Schutzsuchendean der Grenze zurückzuweisen? Die Asywerbermüssten nach Österreich, Polen,Tschechien, die Niederlande usw. zurückkehren.Doch was, wenn sich etwa Öster-Lesen Sie auchdas Porträt:„Friedrich Merz:Der Fettnäpfchenjäger“(24.1.2025),von B. Quint,auf furche.at.„ Ein Land nach dem anderen könnteDublin kippen – und das führte zueiner Potenzierung der Pushbacks anden europäischen Außengrenzen. Die,Festung Europa‘ wäre damit Realität. “reich weigert, die Zurückgewiesenen aufzunehmen?Die Menschen würden in einerArt Niemandsland stranden. Jene Bilder gingenum die Welt, die alle fürchten, die niemandsehen will und die scheinbar unausweichlichsind. Warum? Weil bislangniemand bereit war, eine europäische Notbremsezu ziehen. Jeder wusste um die Dysfunktionalitätder Dublin-Verordnung –dennoch mangelte es an Bereitschaft, dieeuropäische Asylgesetzgebung komplettneu zu denken. Merz geht mit seiner Ankündigungdas Risiko eines Domino-Effektesein. Ein Land nach dem anderen könnteDublin kippen und das führte zu einer Potenzierungder Pushbacks an Europas Außengrenzen.Der Baumeister der „FestungEuropa“ hieße am Ende Friedrich Merz. Werihm hier im eigenen Land den Rücken stärkenwürde, ist klar: Die AfD. Wie gilt es mitihr umzugehen? Vermutlich darf man sie beisachpolitischen Fragen (in Koalitionen sehrwohl!) nicht länger außen vor lassen. Verbotenist sie schließlich (noch?) nicht.Denn bei aller Kritik hat Merz mit seinerProblemdiagnose einen Punkt getroffen:Europas Asylpolitik ist gescheitert, jemandmuss die Notbremse ziehen. Seindrastisches Vorpreschen ist selbstredenddem Wahlkampf geschuldet. Danach sollteer sich in den Kreis der konstruktiven, undgerne auch proaktiven, Kräfte einreihen.Die Industriellenvereinigung und die Katholische PrivatuniversitätLinz ehrten Wissenschaftler:innen für Arbeiten an derSchnittstelle zwischen Wirtschaft, Ethik und Religion.Verletzlichkeit undVerantwortung ineiner digitalen WeltDie feierliche Verleihung desPater Johannes SchaschingSJ-Preises 2024 fand am 16.Januar 2025 in Wien im Haus der Industriestatt. Der Preis wurde zum15. Mal augeschrieben. Mit der Auszeichnungwird der Dialog zwischenWirtschaft, Ethik und Religion gefördert– ein Anliegen, das tief inder christlichen Soziallehre verwurzeltist. Benannt nach Pater JohannesSchasching SJ (1917–2013), einem Pionierder Sozialethik, ehrt der Preiswissenschaftliche Arbeiten, die zeigen,wie ethische Prinzipien in gesellschaftlicheund wirtschaftlicheProzesse integriert werden können.Ein Erbe der VerantwortungUniv.-Prof. Dr. Alexander Filipovićs’Vortrag regte zum Nachdenken an.Schaschings Vision einer menschengerechtenWirtschaft, geprägtvon den Prinzipien Sachgerechtigkeit,Menschengerechtigkeitund Gesellschaftsgerechtigkeit, istaktueller denn je. In einer Welt, dievon technologischen Umwälzungenund sozialen Spannungen geprägtist, erinnert sein Erbe daran, dassethisches Handeln keine Option,sondern eine Verpflichtung ist.Im Zentrum des Abends stand derVortrag von Univ.-Prof. Dr. AlexanderFilipović, Universitätsprofessorfür Sozialethik an der UniversitätWien. Mit dem Titel „Verantwortungfür die künftige KI-Gesellschaft.Sozialethische Perspektiven“ gelanges ihm, einen thematischen Bogenzu schlagen, der das Publikum gleichermaßenforderte und inspirierte.Er begann bei historischen Wendepunktenwie der kopernikanischenRevolution und führte über die Turing-Revolution,die unsere Denkweiseüber Mensch und Maschinegrundlegend verändert hat.Filipović stellte die Frage: Wasmacht den Menschen in einer zunehmendautomatisierten und datengetriebenenWelt einzigartig? SeineAntwort war klar: Es ist die Verletzlichkeitdes Menschen, seine Fähigkeit,Leid zu empfinden und Verantwortungzu übernehmen. „UnsereWürde“, so Filipović, „liegt nicht inunseren Leistungen oder in unserertechnischen Überlegenheit, sondernin unserer Verwundbarkeit.“Aus dieser Perspektive entwickelteFilipović eine kritische Reflexionüber die Rolle der KünstlichenIntelligenz in der Gesellschaft undmahnte, dass KI-Systeme nicht einfachnur als technische Werkzeugebetrachtet werden dürfen, sonderntiefgreifende ethische Fragen aufwerfen:Wie gestalten wir Demokratiein einer Welt, in der MaschinenEntscheidungen beeinflussen? Wiesichern wir Bildung, die Menschennicht zu Objekten technologischerEffizienz degradiert, sondern zuselbstbestimmten Subjekten formt?Die Verantwortung in einer KIgestütztenGesellschaft liegt in derWahrung der menschlichen Würde.Demokratie, soziale Teilhabeund Bildung müssten die Grundlageneines ethischen Umgangs mitKI bilden. Dabei bezog er sich aufdie Grundprinzipien von Pater JohannesSchasching: Wirtschaft,Technik und Gesellschaft solltensich stets daran messen lassen, obsie sachgerecht, menschengerechtund gesellschaftsgerecht handeln.Ein Abend des Dialogsund der InspirationDie Preisverleihung war mehrals eine feierliche Würdigung wissenschaftlicherLeistungen. Sie botRaum für Austausch und Inspiration.Die Gäste waren sich einig: DerPater Johannes Schasching SJ-Preisist ein wichtiger Impulsgeber für dieDie Preisträger:innen und ihre Arbeiten illustrierten eindrucksvoll,wie wissenschaftliche Exzellenz und gesellschaftlicheRelevanz Hand in Hand gehen können:Kategorie I:Dissertationen undHabilitationen• Ass.-Prof. PD Dr. LukasKaelin wurde für seine Habilitationsschrift„Filtermacht:Zur digitalen Transformationder politischen Öffentlichkeit“ausgezeichnet. Seine Arbeitanalysiert die Mechanismender Meinungsbildung in einerdigitalen Gesellschaft.• Dr. Matthäus Uitz beleuchtetein seiner Dissertation die gesetzlichenRahmenbedingungendes Erwachsenenschutzes undzeigte, wie diese die Entscheidungsfreiheitvon Individuensichern können.Förderung ethischen Handelns ineiner zunehmend komplexen Welt.Die nächste Verleihung des Preisesist für 2026 geplant. Bis dahinbleibt die Aufgabe, die Vision PaterSchaschings lebendig zu halten,Entgeltliche EinschaltungAss.-Prof. PD Dr. Lukas Kaelin, Mag. Hannah Christine Shannon Rußegger, LL.B. oec,Mag. Sarah Pieslinger und Dr. Matthäus UitzKategorie II:Masterarbeiten undähnliche Arbeiten• Mag. Hannah ChristineShannon Rußegger, LL.B. oec.:präsentierte in ihrer Masterarbeiteine ethische Analyseder Klimaverantwortung vonUnternehmen und entwickelteeine menschenrechtsbasierteKlimaethik.Kategorie III:Zeitschriftenbeiträgeund Essays• Mag. Sarah Pieslinger:untersuchte in ihrem Essay, wiereligiöse Werte wirtschaftlichesHandeln beeinflussen können.durch Forschung, Dialog und gelebteVerantwortung. Wie PaterSchasching einst sagte: „Es wirdnicht leichter, die Welt menschengerechtzu gestalten. Aber es wirdimmer wichtiger.“
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