DIE FURCHE · 522 Wissen30. Jänner 2025Von Martin TaussHUMANSPIRITSEin neuerMarshall-PlanSein Markenzeichen waren die Handpuppen.Marshall Rosenberg (1934–2015) war bekannt dafür, sein Anliegenmit einem Wolf und einer Giraffe unterdie Leute zu bringen. Bei Vorträgen undWorkshops wurde der US- Psychologe zumPuppenspieler, der es verstand, sein Publikumzu unterhalten. Als Wolf sprach ergrob, schnell und ungeduldig, als Giraffewechselte er in einen sanfteren, umsichtigenModus. Diese Tiere stehen bei Rosenbergfür die zwei grundlegenden Artender menschlichen Kommunikation: Die einezielt auf Kampf und die Durchsetzungder eigenen Interessen, die andere auf Austauschund zwischenmenschliches Verständnis;die eine ist hart, die andere empathisch.In Ehen und Partnerschaften, oderauch in Koalitionsverhandlungen, ist manmeist mit beiden Mustern gut vertraut.Illustration: iStock/reptiles4allAga-KröteSogenannteKrötennuggets(„Croaky Crunchers“)sind derzeit noch einhypothetischesProdukt, denn diegrößte Herausforderungbeim Verzehrvon Aga-Kröten istdas Risiko giftigerAussonderungen.„ Marshall Rosenberg, dessenTodestag sich am 7. Februarzum zehnten Mal jährt, zeigte,dass Gewalt bereits im Denkenund in der Sprache beginnt. “Rosenberg, dessen Todestag sich am 7.Februar zum zehnten Mal jährt, war derAnwalt der Giraffe: Er setzte auf die Kunstdes Dialogs und das Bewusstmachender Gefühle – bei sich und anderen. SeinLebenswerk ist die Methode der „GewaltfreienKommunikation“ (GFK), die er seitden 1960er Jahren entwickelt hat. Hervorgegangenist sie aus seiner Arbeit als klinischer,dann zunehmend sozial orientierterPsychologe; inspiriert wurde sie auch vonpolitischen Persönlichkeiten wie MahatmaGandhi und Martin Luther King.Wolf versus GiraffeDie GFK bietet eine Anleitung, die Menschenbefähigen soll, konstruktiv für dieErfüllung ihrer Bedürfnisse einzutreten.In der therapeutischen Arbeit sowiespäter in der Vermittlung bei politischenUnruhen in Israel oder im ehemaligen Jugoslawienwuchs seine Überzeugung, dasses in den meisten Fällen nicht viel braucht,um einen Konflikt zu beenden. Sobald beideParteien in der Lage sind, ihre jeweiligenBedürfnisse zu erkennen und offen darüberzu sprechen, dauert es nicht mehrlange zur Lösung, betonte er immer wieder,wenn er die Handpuppen zur Seite gelegthatte. Die Botschaft: Auch ein Wolf ist empfänglichfür die Sprache der Giraffen. Daskann Ehen retten und Frieden stiften.Wer heute Bücher zu den Themen Konfliktund Mediation sucht, kommt umRosenbergs Werk nicht herum. Sein Einflussauf soziale Bewegungen ist enorm;manche hätten ihm sogar den Friedensnobelpreisvergönnt. Mittlerweile ist die GFKauch in den Personalabteilungen von Firmenangekommen. Zugleich hat der Aufschwungrechtspopulistischer Parteienzuletzt maßgeblich zur Verrohung des politischenDiskurses beigetragen. Um demetwas entgegenzusetzen, empfiehlt sichein „Marshall-Plan“ der anderen Art: derAufbau einer Konfliktkultur, die bewusstmacht, dass Gewalt bereits im Denken undin der Sprache, in den subtilsten Formen,beginnt. Und dass Gewaltfreiheit ein Ausdruckdes zivilisatorischen Niveaus ist.Von Barbara BarkhausenIm Jahr 1859 führte ein wohlhabenderbritischer Siedler europäischeKaninchen in die australische Wildnisfür die Jagd ein. 24 Kaninchenkamen letztendlich in Australien an,die er auf seinem Anwesen frei herumlaufenließ. Von diesem Moment an dauerte es gerademal 50 Jahre, bis sich die Tiere über dengesamten Kontinent verbreiteten. Schonbald sollte ihre Zahl so groß sein, dass sieErnten und Land zerstörten. Ähnliche Szenarienspielten sich mit Kamelen, Karpfen,Wildkatzen, Hirschen und Aga-Kröten ab.Letztere wurden einst in den 1930er Jahrenals „Waffe“ gegen den Zuckerrohrkäfervon Hawaii nach Australien eingeführt.Doch die gut gemeinte Schädlingsbekämpfunggeriet außer Kontrolle. Inzwischenhat die Kröte, die Drüsen mit einem starkenGift besitzt, vor allem die tropischenRegionen im Norden des Landes „überrannt“.Besonders hat der Kakadu Nationalparkgelitten, wo ein Drittel aller australischenVogelarten lebt – Papageien, Reiher,Störche, Gänse und Emus – aber auch unzähligeReptilien, Kängurusund Dingos.Leckere GerichteWas die Kröten zueinem so gefährlichenGegner macht, ist ihreFortpflanzungsfähigkeit:Weibliche Krötenkönnen zwischen8000 und 35.000 Eiernauf einmal legen,und das gleich zweimalpro Jahr. Die Kröten wachsen zudemrasant schnell und können in warmemKlima schon innerhalb eines Jahres ausgewachsensein. Besonders große Schädenrichten auch Wildkatzen an, die zusammenmit Füchsen jährlich für den Todvon 2,6 Milliarden einheimischen Wirbeltierenverantwortlich sind.Biologen, Landwirte, Regierungsvertreterund normale Bürgerinnen und Bürgerversuchen immer wieder, gegen invasiveSpezies – also Tiere, die nach Australieneingeschleppt wurden und nicht dort heimischsind – vorzugehen. Zur Bekämpfungder Kaninchenpopulationen testeteman beispielsweise Zäune, Gifte und Krankheitserreger.Gegen die Aga-Kröten kämpfensogar eigene Jäger, die sogenanntenToadbusters.Die Plagenverspeisen?Aktuell hat eine Fernsehsendung nunaber eine Diskussion im Land angestoßen,ob Kaninchen, Kamele, Karpfen, Wildkatzen,Hirsche und Aga-Kröten nicht vielleichteinfach aufgegessen werden sollten.Die ABC-Serie „Eat the Invaders“ ließsich dabei vom Kochbuch und der Ausstellungder KünstlerinKirsha Kaechele inspirieren.Im Verlaufder Serie spricht derModerator Tony Armstrongmit Köchen,Naturschützern, indigenenÄltesten, Forschern,Lebensmittelproduzentenund deranzukurbeln. “ Öffentlichkeit überdie Idee, diese Arten Erfahrungen mit Tiermärktenzu essen, um ihre Populationenauf diese Weise zu reduzieren.Dies möge „für manche extrem klingen“,schrieb Carla Archibald, eine Forscherinim Bereich Naturschutz an der Deakin Universityin Melbourne, es gewinne aber alsLösung zur Bekämpfung invasiver Artenzunehmend an Aufmerksamkeit.In jeder der insgesamt sechs Episodenstellt die Serie eine andere invasive Art vorund verwandelt sie in ein leckeres Gericht,das sich auf einer Speisekarte im Restaurantwiederfinden lassen könnte. In einer Folgewird zudem damit experimentiert, wiesich Aga-Krötenfleisch vermarkten ließe.Herauskam ein abgepacktes „Krötennugget“-Produktnamens „Croaky Crunchers“– derzeit noch ein hypothetischesProdukt, denn die größte Herausforderungbeim Verzehr von Aga-Kröten ist das„ Eindringlinge aufdem Teller gelten alsChance, die Schädlingspräventionzuunterstützen und dielokale WirtschaftInvasive Tierarten können großen Schaden anrichten.In Australien wirbt eine Fernsehsendung nun für denVerzehr von Aga-Kröten, Kamelen oder Wildkatzen.Experten sind jedoch skeptisch.Risiko des Bufotoxins, das die Kröte aussondert– eine Substanz, die auch für denMenschen giftig ist.Carla Archibald, die die Idee in ihrem akademischenAufsatz klar unterstützt, hältdie invasiven Arten auf dem Teller für eineMöglichkeit, das öffentliche Bewusstseinfür die Schädlinge zu schärfen. Die Ideewürde Früherkennungs- und Reaktionsbemühungenunterstützen und die lokaleWirtschaft ankurbeln, schreibt sie weiter.Gleichzeitig warnt die Expertin jedochauch davor, dass aus dem Verzehr invasiverArten ein Geschäftsmodell entstehen könnte,was wiederum dazu führen könnte, dieinvasiven Populationen zu erhalten oder siesich sogar weiter ausbreiten zu lassen.Vor letzterem warnt auch das InvasiveSpecies Council. „Karpfen gelten derzeitnicht als gutes Lebensmittel“, sagte die ExpertinCarol Booth. Indem die Show dies jedochvorschlage, könne sie Fischer dazumotivieren, sie in neue Bäche umzusiedeln –wie sie es mit anderen Fischen getan hätten,so Booth. Aus diesem Grund sei es ratsam,den Verzehr schädlicher Fische wie Karpfenzu verbieten und die gefangenen Fischezu vernichten. Als Beispiel gibt die Expertindie Schaffung eines Marktes für Wildziegen.Dies habe dazu geführt, dass nichtweniger, sondern mehr Ziegen Schadenim Outback Australiens verursacht hätten.Und: „Bei wilden Kamelen verzögerten jahrelangeDiskussionen über den Versand desFleisches ins Ausland die Pläne, sie zu töten.“Auch dies habe zu einer Zunahme derTiere geführt.
DIE FURCHE ·530. Jänner 2025Wissen/Politik23Die Koalitionsverhandler wollen den Sparstift bei Förderungen für Photovoltaik, Heizungstausch und E-Autosansetzen. Für die Energiewende ist das kontraproduktiv, denn es braucht ein verlässliches Umfeld. Eine Analyse.Bitte optimistisch bleiben!Von Johannes SchmidlAllem Pessimismuszum Trotz: Es geht indie richtige Richtung.Von China über – ja! –die USA bis Europabeginnt die „Flotte Energiesystem“umzuschwenken: Es geht weg vonden fossilen Energieträgern Kohle,Öl und Erdgas. In EU-Europa wurde2024 erstmals mehr elektrischeEnergie allein aus Solarenergieproduziert (304 TWh) als aus Kohle,dem „Urbrennstoff“ des Industriezeitalters(269 TWh). 47 Prozentdes Stromes stammten aus demMix der Erneuerbaren, der Anteilfossiler Energie ist auf 29 Prozentgefallen – noch 2019 lag der Fossilanteilbei 39 Prozent. Der Ausbauder Erneuerbaren seit der Verrechtlichungdes Green New Dealab 2020 hat der EuropäischenUnion allein im Strombereich 59Milliarden Euro an Importkostenfür fossile Energie erspart.Heimische ErfolgsgeschichtenAuch Österreich ist in diesemGroßprojekt erfolgreich, der Umbaudes Energiesystems im Stromundim Wärmebereich hat in denvergangenen Jahren deutlichFahrt aufgenommen. Allein dieWindenergie erzeugte 2024 ca. 16Prozent des heimischen Strombedarfsund die Windbranchemöchte in den nächsten drei Jahrendrei Milliarden Euro in neueProjekte investieren. Ähnlichesgilt für den Wärmebereich: Anno2022, als das Krisenbewusstseindurch den russischen Angriff aufdie Ukraine und den Anstieg derEnergiepreise plötzlich geschärftwar, schaffte die heimische Wärmebranche80.000 Systemwechselzu Wärmepumpen, Pellets &Co – das ist jene Schlagzahl, diewir benötigen, um bis 2040 allefossilen Heizsysteme in Österreichzu ersetzen.Die österreichischen Emissionenan Treibhausgasen spiegeln diesesErgebnis: Sie lagen 2023 mit 68,6Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalent um 13,6 Prozent unterdem Wert des Basisjahres 1990und auch um 6,5 Prozent unterdem Wert des Vorjahres. Und erst-Illustration: iStock/smartboy10Wärmepumpen & Co2022 stieg mit den Energiepreisen auch dasKrisenbewusstsein: Die heimische Wärmebrancheschaffte damals 80.000 Systemwechselzu Wärmepumpen, Pellets & Co.mals seit dem Jahr 2000 konnte inÖsterreich mehr an elektrischerEnergie erzeugt als verbraucht werden.Fast 90 Prozent davon stammtenaus den erneuerbaren PrimärenergieträgernWasser, Wind,Sonne und Biomasse.Es gibt unter den Akteuren undBetrieben, die in Österreich Technologienfür die Energiewende herstellen,wahre Diamanten. Parspro toto sei die Firma Hargassnergenannt, die im Innviertel Heizkesselfür Bioenergie und Pelletsproduziert und auch Wärmepumpenanbietet. Man könnte über sieeine österreichische Apple- oderMicrosoft-Erfolgsgeschichte erzählen,denn der Firmengründerhat vor 40 Jahren seinen Betriebmit einem Angestellten in einerGarage begonnen. Heute beschäftigtman weltweit 1250 Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter, 750 davonallein in Österreich, und erzielteine Exportquote von 75 Prozent.Durch den Green New Dealwird europaweit die Nachfragenach den für die Energiewendenotwendigen Technologien steigen.Österreichs Wirtschaft bietetnicht wenige davon an, und dashat wesentlich damit zu tun, dassman hierzulande die Rahmenbedingungenfür ihre Entwicklungvorteilhaft gestaltet hat.Auch die Situation in den USA seinicht nur negativ zu bewerten,gab der österreichisch-amerikanischeKlimaökonom Gernot Wagner,der an der Columbia BusinessSchool in New York forscht,jüngst zu bedenken. Zwar steigtdie neue Regierung unter PräsidentTrump aus dem Pariser Klimaabkommenaus, allerdings haltenviele Bundesstaaten und insbesonderedie Städte dagegen.Und wenn die USA jetzt vier Jahrelang ihre eigene Technologieentwicklungbremsen, ist das eineChance auf einen Technologievorsprungfür europäische undösterreichische Anbieter – wennwir in Österreich am ThemaEnergiewende dranbleiben.Ob das hierzulande so seinwird, ist derzeit aber nicht sicher.Es gilt zu sparen, das Budget zusanieren. Und während der Rotstiftder KoalitionsverhandlerFPÖ und ÖVP um klimaschädlicheSubventionen von jährlich biszu 5,7 Milliarden Euro einen Bogenmacht, scheint er seine Beutebei Unterstützungsprogrammenfür den Heizungstausch auf erneuerbareEnergie, für kleinePhotovoltaik-Anlagen in Haushaltenund für die Elektromobilitätzu finden – obwohl Österreich2023 für Energieimporte aus demAusland über 18 Milliarden Eurozahlte. Um die Technologien fürdie Energiewende hierzulandegedeihen zu lassen, benötigendie Akteure der Wirtschaft vor allemein langfristig verlässliches,planbares, förderliches heimischesUmfeld. Nur dieses erlaubtes, Kapazitäten aufzubauen undMitarbeiter einzustellen.Im Wärmebereich hat es diesesin den letzten Jahren gegeben,was zum erwähnten BoomSiehe auch: „E-Mobilität: KeinAllheilmittel,aber ein wichtigerBaustein derEnergiewende“(21.8.2024)von JohannesSchmidl, auffurche.at.„ Wenn die USA unter Trump jetzt für vier Jahredie eigene Technologieentwicklung bremsen, ist das eineChance auf einen Vorsprung für österreichische Anbieter –wenn wir an der Energiewende dranbleiben. “beim Heizungstausch von „Fossil“(Kohle, Öl und Erdgas) auf „Erneuerbar“(hauptsächlich Wärmepumpe,Pellets und Bioenergie)geführt hat. Allerdings sind dieFördertöpfe für Heizungstauschund die Gebäudesanierung imMoment leer, sodass die Gefahrbesteht, der Trend könnte abreißen.Für Investitionssicherheitbraucht die Wirtschaft auch einigegesetzliche Anpassungen:Die Nutzung von Geothermie beispielsweiseist in Österreich gesetzlichnoch immer schlechtergestellt als die Förderung vonfossilem Öl und Gas. Um dieseHürde zu beseitigen, ist eine Änderungim Bundes-Mineralrohstoffgesetznötig.Erdgas im Netz ersetzenIm Strombereich sind dasElektrizitätswirtschaftsgesetz(ElWG) und das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz(EABG) ausständig, weshalb Österreichauch bei der Umsetzung vonzwei EU-Richtlinien in Verzug istund mit Strafzahlungen rechnenmuss. Das ElWG muss die Netznutzungan heutige Ansprücheder Flexibilisierung, Direktvermarktungund Bürgerbeteiligunganpassen. Das Erneuerbare-Gase-Gesetz ist in der vorigen Legislaturperiodebeinahe beschlossenworden, nur zu wenigen Punktenkonnte keine Einigung erzielt werden.Es würde die Erzeugung erneuerbarerGase unterstützen unddamit Erdgas im Netz ersetzen.Pessimismus ist dennoch fehlam Platz: Die Energiewende ist inÖsterreich zu schaffen und unserLand kann vielfältig davon profitieren.Unterstützende Rahmenbedingungenund Förderungen sindwichtig für Energieversorgungssicherheitund Klimaschutz undsie sind ein Konjunkturmotor.Wenn sich angesichts des ständignotwendigen zähen Ringensfür die Energiewende doch Pessimismuseinzustellen droht, könnteman die Blickrichtung ändernund mit dem Philosophen HansJonas („Das Prinzip Verantwortung“)sinngemäß formulieren:Pessimisten sind nicht jene, diewarnen. Der größere Pessimismusist vielmehr auf Seiten derer,die das Gegebene für schlecht oderunwert genug halten, um es leichtfertigaufs Spiel zu setzen.Der Autor ist Physiker, Energieexperteund Buchautor. Erarbeitet seit über 30 Jahren ander Energiewende. Zuletzt erschienen:„Über die Würde derGletscher“ (siehe Artikel unten).WISSENSCHAFTSESSAYTrauer um die GletscherEs beginnt mit einer Nacht am Berg, und das miteindringlichen Bildern: „Um etwa ein Uhr nachtsauf 3200 Meter Höhe standen wir zuerst atemlos,dann immer ruhiger, im Mondlicht, das die meisten Sterneüberstrahlte und das riesige Gebirge um uns in seltsame,teilnahmslose Stille hüllte, die in Wahrheit dieganze dunkle Seite der Erde umfasste.“ In der Abenddämmerungeines Augusttages war Johannes Schmidl„in jugendlichem Ungestüm“ mit seinem Cousin zum Gipfeldes Petzeck, des höchsten Berges der Schobergruppe(zwischen Kärnten und Osttirol), aufgebrochen. „Ich weißnicht, wie lange wir auf diesen wenigen Hektar des ebenenGletschers standen, der nur für uns dalag, ohne etwasvon uns zu wollen (…). Es ist auch nicht wichtig, denndiese Stunde – oder war es weniger? – ist mir auch nachfast vierzig Jahren nicht vergangen.“ Das ist der Ausgangspunktfür einen längeren Essay „Über die Würdeder Gletscher“, der im Sonderzahl-Verlag erschienen ist.Der poetische wie persönliche Text des österreichischenEnergie-Experten ist heuer topaktuell, denn 2025 wurdevon der UN-Weltwetterorganisation zum „InternationalenJahr der Erhaltung der Gletscher“ ausgerufen.Anstieg des MeeresspiegelsDamit soll deren Bedeutung für das Weltklima deutlichgemacht werden. Denn die Klimakrise bedroht mit steigendenTemperaturen die imposante Gletscherwelt, unddas hat weltweit Folgen: Laut Studien trägt die Gletscherschmelzeca. einen Millimeter pro Jahr zum Anstieg desMeeresspiegels bei. Mehr als zwei Milliarden Menschensind darauf angewiesen, dass das Schmelzwasser ausden ca. 275.000 Gletschern Flüsse und Seen nährt – fürTrinkwasser, die Landwirtschaft oder die Industrie. Seit2019 erinnert etwa in Island eine Gedenktafel an das ersteVerschwinden eines Gletschers (Okjökull) auf der Insel,nachdem dieser auch von Regierungsvertretern mitGedichten und Ansprachen symbolisch beerdigt wordenwar. Autor Johannes Schmidl ist in Heiligenblut imMölltal unter dem damals längsten Gletscher der Ostalpenaufgewachsen. Das Naheverhältnis zur stillen Weltaus Eis und Firn war ihm also schon früh gegeben. In seinemaktuellen Buch reflektiert der Naturwissenschaftlervielschichtig über die menschliche Beziehung zur Natur –und zeigt sich optimistisch, dass sich drohende Katastrophennoch abwenden lassen.2018 stieg er erneut auf den Petzeck; der Gletscherist hier ebenfalls verschwunden. „Wir können den Verlustdes Gletschers ähnlich empfinden wie jenen einerPersönlichkeit, die verschwunden ist, und wir könnendie Trauer, wie jede Trauer, die wir fühlen, nichtrationalisieren. Sie bleibt.“ (Martin Tauss)Über die Würdeder GletscherVon JohannesSchmidlSonderzahl 2024150 S., kart.,€ 20,95
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