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DIE FURCHE 30.01.2025

DIE FURCHE · 516

DIE FURCHE · 516 Diskurs30. Jänner 2025ZEITBILDRückkehr insUngewisseFoto: APA / AFP / Bashar TalebIHREMEINUNGSchreiben Sie uns unterleserbriefe@furche.atFokus „Nie wieder“Nr. 4, Seiten 2–5Vielen Dank für dieses Thema derWoche! In Zeiten wie diesen sindsolche Beiträge enorm wichtig.Franz Scheiterer6261 Strass im Zillertalwie obenDie Erinnerung an die Gräueltatenvon Auschwitz ruft – bei den darüberinformierten Menschen – nach wievor Entsetzten hervor. Ein indischesSprichwort lautet: „Wer ein schlechtesGedächtnis hat, wird nichtdarum herumkommen, seine Fehlerzu wiederholen.“ Bald werden dieallerletzten Überlebenden von KZsnicht mehr unter uns sein. Wird dasErinnern mit ihnen verschwinden? Beider Konferenz „Sound of Europe“ vormehr als zehn Jahren in Salzburg sagteDavid Cesarani von der Universityof London, dass die Wunde Auschwitznicht verheilt ist und der Anschlagder Nazis auf die europäischen Wertediese für immer beschmutzt habe.Ing. Harald Schober81650 WeizSich selbst einbringenLeserbrief von Petra LexNr. 4, Seite 16Diesem Leserbrief möchte ich vollzustimmen! Wir können nicht warten,dass „die da oben“ – sowohl in derKirche wie auch in der Politik – endlichetwas tun. Einerseits sind dieThemen zu komplex, andererseitserfordern sie ein Umdenken allerMenschen. Wir Getaufte sind Priesterinnen,Königinnen und Prophetinnen.Das genügt. Wenn jeder in seinemBereich nach seinen Möglichkeitenzu einem guten Miteinander in Kircheund Gesellschaft beiträgt, wird dasFrüchte tragen. Und Gott wird dasseine dazutun. Darauf vertraue ich.Johannes Missoni-Paul1190 WienEine kilometerlange Schlange von Menschen schiebtsich die Küstenstraße entlang. Tausende Palästinenserhaben sich auf den Weg zurück in ihre Heimatorteim Norden des Gazastreifens gemacht. Bereits am Wegfinden einige von ihnen Familienmitglieder wieder, die sieseit 15 Monaten nicht mehr gesehen haben. Sie liegen sichin den Armen, weinen und lachen zur selben Zeit. Die letztegemeinsame Erinnerung vieler ist ein ähnlicher Marsch,der in die umgekehrte Richtung verlief: Israel hatte die BewohnerNordgazas zu Beginn des Krieges im Oktober 2023aufgefordert, die Gegend zu verlassen. Eine Million Palästinensermusste damals in den Süden fliehen und ihr Zuhausezurücklassen.Den Vereinten Nationen zufolge haben sich seit Mittwochbereits „Hunderttausende“ auf den Weg durch den Netzarim-Korridor gemacht, der den Norden Gazas vom Süden trennt.Die Terrororganisation Hamas rechnet damit, dass die Zahlin den kommenden Tagen auf 600.000 steigen wird. Wer mitdem Auto passieren will, wird auf Waffen kontrolliert. Daswar eine der Bedingungen von Israels Regierungschef BenjaminNetanjahu für die Waffenruhe mit der Hamas. DieRückkehrer erwartet eine ungewisse Zukunft: kaum Infrastruktur,kaum Trinkwasser, kaum ein Haus, das noch steht.Und was nach der auf sechs Wochen angelegten Waffenruhegeschieht, weiß sowieso niemand. (Astrid Wenz)„Alle Parteien haben Kickl den Weggeebnet“. Interview mit IrmgardGriss. Nr. 2, Seiten 2–3In dem Interview betont Frau Dr.Griss den Unsinn der derzeitigenFinanzierung des Gesundheitssystemsdurch mehrere Finanzierungsgeber– und schlägt mit den NEOSeine Finanzierung durch die Ländervor. Dies würde ja durchaus Sinnmachen, wenn die Länder nicht nurdie gesamte Finanzierung, sondernauch die komplette Organisation desGesundheitssystems übernehmenwürden. Dies könnte aber genausoder Bund über die Steuern machen(die Universitäten werden ja vomBund betrieben, die dazu gehörigenKrankenhäuser vom Land!).Man könnte sich dann alle gesetzlichenKrankenkassen ersparen, dieZahl der kleinen Krankenhäuser mitgeringeren Versorgungsmöglichkeitenverringern und die dort freiwerdenden Beschäftigten woanderseinsetzen und das gesamte Systemdeutlich vereinfachen.Ich habe dies bereits vor über 40Jahren in Australien erlebt, wo allePersonen, die dort einen polizeilichgemeldeten Wohnsitz haben, alleindadurch auch eine Krankenversicherungbesitzen, man Medikamente, dievon Krankenhaus-Ambulanzen nichtnur in Tagesrandzeiten verschriebenwerden, aus dem Krankenhaus mitnehmenkann. Honorare, die manÄrzten außerhalb der Krankenhäuserbezahlt, bekommt man an einer vomStaat betriebenen Auszahlungsstellesofort wieder voll zurück. Wir habenrund 20 Jahre versucht, eine einheitlicheFinanzierung für alle Bundesländerzu erreichen und einen Topfvorgeschlagen, in den die verschiedenenFinanzgeber entsprechend derZahl der von ihnen verantwortetenPersonen jährlich einen Betrag einzuzahlenhätten. Damit wäre dasethisch bedenkliche Betteln-Gehender Patienten ad acta gelegt worden.Leider haben sich damals 3 Krankenkassen(von mehr als ca. 20 Beteiligten,wie Ländervertretern etc.) in derAbstimmung dagegen ausgesprochen.Univ.-Prof. Dr. Johann DeutschFA für Kinder- und Jugendheilkunde,GrazEuroDreams Specialexklusiv für Österreich10.000 Euromonatlich fürein JahrDie Österreichischen Lotterien führenbei EuroDreams wieder eineganz spezielle Aktion exklusiv fürÖsterreich durch: Unter allen Euro-Dreams Tipps, die in Österreich fürdie Ziehungen am Montag, den 03.Februar und Donnerstag, den 06.Februar 2025 abgegeben werden,wird zusätzlich ein Gewinn vonEuro 10.000 Euro pro Monat fürdie Dauer eines Jahres ausgelost.Tipps für EuroDreams können zumPreis von 2,50 Euro in allen Annahmestellender ÖsterreichischenLotterien sowie über win2day undauch über die Lotterien App abgegebenwerden.EuroDreams wird seit Oktober2023 in Österreich sowie in densieben weiteren Ländern Frankreich,Spanien, Portugal, Irland,Belgien, Luxemburg und derSchweiz angeboten. Dabei hat manzweimal wöchentlich – jeweils amMontag und am Donnerstag – dieChance, bis zu 20.000 Euro nettopro Monat für die Dauer von 30Jahren zu gewinnen.Die Spielformel lautet „6 aus 40“plus „1 aus 5“, das heißt, mankreuzt sechs Zahlen in einem Zahlenfeldvon 1 bis 40 an, und eine„Traumzahl“ in einem Zahlenfeldvon 1 bis 5, wobei die „Traumzahl“nur im ersten von sechs Gewinnrängenzum Tragen kommt.Eine monatliche Ratenzahlung alsGewinn gibt es auch im zweitenGewinnrang („6 plus 0 Richtige“),und zwar in Höhe von 2.000 Eurofür fünf Jahre.Alle Infos zu EuroDreams gibt esunter www.lotterien.at.Bei EuroDreams sind jetzt exklusiv inÖsterreich 10.000 Euro pro Monat fürein Jahr zusätzlich zu gewinnen.Foto: © Österreichische LotterienWochenausblickDIE FURCHE nimmt in den kommenden Ausgaben diese Themen in den Fokus:JedenMittwochund Freitag!Nichts mehrverpassen –NewsletterabonnierenGroße LiebenNr. 7 • 13. FebruarUnsere Liebsten machen uns zu den Menschen,die wir sind. Sie inspirieren Musik und Weltliteratur,geben Kraft in entscheidenden Stunden und haltenuns den Rücken frei. Ein Fokus über die, die sonstim Schatten stehen.Die WissenschaftNr. 10 • 6. MärzImmer mehr Wissenschaftlerinnen forschen anden heimischen Universitäten, ihr Arbeitsumfeldist aber seit Jahrhunderten auf Männer ausgelegt.Wie geht es ihnen damit? Und was lässt sichdagegen unternehmen?Jetzt anmeldenfurche.at/newsletterGeschäft KriegNr. 8 • 20. FebruarJe schlechter es um die weltweite Sicherheit bestelltist, desto mehr Gewinne schreiben die Rüstungsschmieden.Zum dritten Jahrestag von RusslandsEinmarsch in die Ukraine ein FURCHE-Schwerpunktzur Geschäftemacherei mit dem Krieg.Verkehrter VerkehrNr. 11 • 13. MärzPolitischer Gegenwind, Flaute beim Absatz undStrafzölle für Importe aus China bremsen E-Autos,kaum gestartet, wieder ein. Gleichzeitig fordernverstopfte Straßen und fehlender Parkraum,Mobilität generell neu zu denken – aber wie?Skandal am AltarNr. 9 • 27. FebruarFastentücher, Schweineherzen, oder geköpfteMarienstatuen: Immer häufiger erhitzen provokanteKunstwerke in der Kirche die Gemüter. Warum dasso ist und die vermeintlichen „Skandale“ am Altarauch Spiegel der heutigen Gesellschaft sind.Viktor Frankl für heuteNr. 12 • 20. MärzDer Wiener Psychiater und Philosoph hat dieSinn-orientierte Form der Psychotherapie begründet.Zu seinem 120. Geburtstag erscheint sein Erbeaktueller denn je. Welche Ressourcen wir in FranklsLebenswerk finden können.Änderungen aus Aktualitätsgründen vorbehalten.

DIE FURCHE · 530. Jänner 2025Literatur17Gejagt und verfolgtEinigen der aus dem Block 20 des KZ Mauthausengeflüchteten Häftlinge gelang es, sich in die umliegendenWälder zu flüchten. Nur wenige konntenmithilfe engagierter Zivilisten überleben.Am 2. Februar 1945begann mit derzynisch so genannten„Mühlviertler Hasenjagd“eine grausameMenschenhatz.Die SchriftstellerinElisabeth Reichartthematisierte 1984in ihrem fulminantenDebüt „Februarschatten“die entsetzlichenGräueltaten.Von Christa GürtlerMit ihrem Debüt„Februarschatten“,erschienen 1984in der „EditionJunges Österreich“im Verlag der ÖsterreichischenStaatsdruckerei, erobertesich Elisabeth Reichart gleich einenwichtigen Platz in der österreichischenLiteratur. Literarischambitioniert zeigte sie anhandeiner individuellen Familiengeschichte,welche Folgen dasVerdrängen einer traumatischenErfahrung in der Vergangenheitfür das Leben und das der nächstenGeneration hat.Vor 80 Jahren, in der Nacht zum2. Februar 1945, brachen rund500 Angehörige der Roten Armeeaus dem Todesblock des KZ Mauthausenaus. In der Nacht rief dieSS-Lagerleitung zur Verfolgungauf, an der sich SS, SA, Gendarmerie,Feuerwehr, Volkssturm,Hitlerjugend und die Zivilbevölkerungbeteiligten. Ziel der „Hetzjagd“war es, keine Gefangenenzu machen, sondern alle Geflüchtetenzu töten. Nur von siebenbis siebzehn Männern – die Zahlenschwanken in den Darstellungen– ist belegt, dass sie die zynisch„Mühlviertler Hasenjagd“genannte Aktion überlebten. Siekonnten in den Wäldern untertauchenoder wurden von Bauernversteckt.Schreiben über VerschwiegenesDie Historikerin ElisabethReichart promovierte 1983 mit einerDissertation über den kommunistischenWiderstand im Salzkammergut.Eineinhalb Jahrebegleitete sie Schulklassen durchdas KZ Mauthausen, in dessenNähe sie die ersten fünf Jahre ihresLebens verbracht hatte. DieEntdeckung der „MühlviertlerHasenjagd“ im Museum von Mauthausenversetzte ihr einen Schockund sie fragte sich, ob Menschen,denen sie begegnet war, oder dieeigene Familie etwas damit zutun hatten.Schon während der Arbeit ander Dissertation entschied sie sichFoto: Wikipedia (Gemeinfrei)Schatten der Schuldfür die Literatur. Sie debütierte miteinem Roman, der sich gegen dievorherrschende österreichischeDiktion als erstes Opfer des Nationalsozialismusauflehnte. „Wienah ist Mauthausen? Wie fern istMauthausen?“ Das sind nicht nurzwei Titel von Erzählungen ihresBandes „La Valse“ (1993), Mauthausenist und bleibt historischerund biographischer Bezugspunktfür Elisabeth Reicharts Schreibenüber das Verschwiegene.Seit ihrem Prosadebüt durchziehendie Fragen von Schweigenund Sprechen und deren künstlerischeGestaltung ihr Werk. Mitseltener Konsequenz sucht ElisabethReichart in ihren Texten darüberzu schreiben, worüber wirzu schweigen gelernt haben. „Ichhabe doch von klein auf gelernt:die einzige Möglichkeit zu überleben,ist zu vergessen“, sagt dieMutter Hilde in „Februarschatten“.Erst 1986 begann mit der Debatteum die Kriegsjahre von KurtWaldheim langsam die Aufarbeitungdes Nationalsozialismusund der Mitschuld an Kriegsverbrechen.Ohne die Wirkung des Buches„Februarschatten“ zu überschätzen,kann man behaupten, dass esdazu beigetragen hat, die Gräueltatensichtbar zu machen. 1986erschien der Roman mit einemNachwort von Christa Wolf imAufbau Verlag Berlin, 1989 alsTaschenbuch im S. Fischer Verlag,seit 1995 ist er im Salzburger OttoMüller Verlag lieferbar. 1999 fanddie erfolgreiche Uraufführungeiner Theaterfassung am LandestheaterLinz statt.Weitaus größere Beachtung fandallerdings zehn Jahre später 1994der Film „Hasenjagd – Vor lauterFeigheit gibt es kein Erbarmen“von Andreas Gruber, der 1995 mitdem österreichischen Filmpreisausgezeichnet wurde und der erfolgreichsteösterreichische Filmdieses Jahres war. Der Film orientiertsich unter anderem an derauthentischen Geschichte zweierukrainischer KZ-Häftlinge, dievon der Familie Langthaler in ihremHof in Schwertberg verstecktwurden und nach Kriegsendein ihre Heimat zurückkehrenkonnten.Gestus des FragensRobert Schindel betonte in seinerLaudatio zum ÖsterreichischenFörderungspreis für Literatur, denElisabeth Reichart 1993 erhielt, diebesondere Bedeutung ihres Buchesüber die „Mühlviertler Hasenjagd“:„Doch was sie wirklich warund daß sie nicht zu Ende ist, hatuns erst Elisabeth Reichart gezeigt.In ‚Februarschatten‘ kommtdiese Menschenjagd durch Einheimischekaum vor, und doch istsie immer da, sie bestimmt dasDAVOR und durchherrscht dasDANACH. Das Verhältnis zu denEltern, zu den Tätern und Mitläufern,den Wegschauern und Nichtgewußt-habenden,das ist dieMühlviertler Hasenjagd, der Februarschatten;da ist überhauptder Schatten, der auf diesen undjenen lastet.“Das Buch erzählt vom schwierigenProzess des Schreibenseiner Tochter über die eigeneMutter, die sie nicht zum Objektmachen möchte und die gegenEnde des Buches auch denText der Tochter Erika kritischkommentiert. Erzählt wird nichtlinear, sondern fragmentarisch,in kurzen Sätzen, es gibt Vor-„ Ich hatte das Gefühl,an einer Ausgrabungmitzuarbeiten, vor derenErgebnis mir graute.“Christa WolfLesen Siedazu auch denArtikel „ZweiRussen auf demHeuboden“ vonAndrea Blöchl(20.10.1994)auf furche.at.und Rückblenden, es bleibenLeerstellen, Brüche. Ganz entscheidenddabei ist der Gestus desFragens, der eine zentrale poetologischeKonstante in ElisabethReicharts Büchern ist. Damit verbundenist das Fehlen einer eindeutigenErzählperspektive unddamit einer Vermittlung vonWahrheiten.In ihrem Nachwort zu „Februarschatten“schreibt Christa Wolf:„Die Struktur des Textes, die einerEnthüllung zutreibt, entsprichtdem Gang der Erkundung, dendie Autorin unternommen hat,und sie entspricht auch dem Vorgangdes Sich-Erinnerns. Ich hattedas Gefühl, an einer Ausgrabungmitzuarbeiten, vor derenErgebnis mir graute. Wir nehmenteil an den Zuckungen einer Frau,die etwas Entsetzliches herauswürgensoll. Ein Wissen, ein Geheimnis,das sie selbst beinahenicht mehr kennt, so fest hat sie esin sich eingeschlossen.“Die Mutter Hilde fühlt sichschuldig am Tod ihres BrudersHannes, der als einer der wenigenden Flüchtenden half. Derversteckte Flüchtling wurde imElternhaus entdeckt und getötet,der Bruder wird von der SS abgeholt,am nächsten Tag wird er amBirnbaum erhängt aufgefunden.Ob Hilde den Bruder verraten hatoder nur eine Mitwisserin war, obsie ihrem Bruder die Mithilfe verweigerthat, er sich selbst getötethat oder getötet wurde – all dieseFragen bleiben offen, ermöglichenbei der Lektüre mehrereLesarten und regen zu eigenen Reflexionenan. Elisabeth ReichartsBuch „Februarschatten“ zeigt,wie schmerzvoll der Erinnerungsprozesssein kann, der Voraussetzungfür Selbstbewusstsein undWiderstand ist.Für Gerhard Rühm ist „Februarschatten“„ein Buch, das geschriebenwerden musste – und zwar so!“Und deswegen muss es auch unbedingtheute (wieder) gelesenwerden.FebruarschattenVon Elisabeth ReichartMit einem Nachwort von Christa WolfOtto Müller Verlag 1995 (3. Aufl. 2014)120 S., geb., € 23,–

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