DIE FURCHE · 918 Literatur29. Februar 2024Im Namen der roten FahneLarissa Reissner (1895‒1926) war Schriftstellerin,Sozialrevolutio närin und beherrschtedas Geschäft der Hinterzimmerdiplomatie.Reisen führten sie durch dieSowjetunion, das westliche Ausland bisnach Afghanistan.Von Rainer MoritzFroh muss man sein, dass es denSchriftsteller Steffen Kopetzkygibt. Während sich viele seinerKolleginnen und Kollegen inzwischenin einem Kokon kleinteiligerautobiografischer Erinnerungen verbarrikadieren,geht er aufs Ganze. AmSchreibtisch in seiner oberbayerischenHeimat verfasst er ausladende historischeRomane, die tief in die Geschichte des 20.Jahrhunderts eintauchen. „Risiko“ und„Propaganda“ hießen zwei seiner erfolgreichstenBücher, die überzeugend zeigten,dass im Genre des Historiendramas nichtnur triviale Schmonzetten zuhause sind,deren Verfasser so tun, als hätten sie mitMartin Luther oder Madame Pompadourständig zu Tisch gesessen. Dass die Preisjurysbislang Kopetzkys Romane weitgehendignorieren, spricht übrigens nicht gegenihren Autor.Kopetzky lässt sich, nach sorgfältiger, intensiverRecherche, auf Seitenstränge derGeschichte ein, schildert unvertraute Konstellationenund blendet jene Scheidepunkteauf, an denen die Ereignisse den einenund nicht den anderen Lauf nahmen. ImMittelpunkt seines neuen Romans „Damenopfer“steht eine Frauenfigur, deren kurzes,gerade mal dreißig Jahre umfassendesLeben Stoff für ungezählte Romane undFilme hergäbe.Eine Frau der vielen Kontakte und TalenteLarissa Reissner heißt diese 1895 in Lubingeborene und 1926 in Moskau an Typhusverstorbene Ausnahmeerscheinung,die als Schriftstellerin, Aktivistin, Kommandantinder russischen Flotte und Revolutionärinauf allen Bühnen präsent warund vielfältigste Freund- oder Bekanntschaftenpflegte. Gorki, Trotzki, Lenin, AnnaAchmatowa, Ho Chi Minh oder Boris Pasternak,der ihre Grabrede hielt, gehörten zuihrem Umfeld, und genau das macht sichKopetzky zunutze, um seinen Roman zustrukturieren. Anders als in seinen vorangegangenenBüchern wechselt er von Kapitelzu Kapitel die Perspektive und lässt jeneMänner und Frauen sprechen, die mitReissner in Kontakt kamen.So vertraut Kopetzky einer Schnitttechnik,die von den Leserinnen und Lesernverlangt, sich selbst ein Bild von der Geschildertenzusammenzusetzen. Zwangsläufigbringt es dieses Verfahren mit sich,In seinem neuen Roman „Damenopfer” setzt Steffen Kopetzkyder Revolutionärin Larissa Reissner als unbeugsameVisionärin der frühen 1920er Jahre ein literarisches Denkmal.Die Frau, dieGott und dieWelt kanntedass Larissa Reissner auch nach über 400Seiten fast als eine Fremde, als eine psychologischnicht recht fassbare Figur erscheint,und manchmal – wenn Drehbuchpassagenund Protokolle eingeblendet werden oderReissners Totengräber zu Wort kommen –tut Kopetzky des Guten zu viel.handelt. “„ Larissa Reissner tritt, egal wohinsie gerät, als unerschrockene, mutigeFrau auf, die nicht über Emanzipationnachdenkt, sondern selbstbewusstVorzüglich gelingt es ihm jedoch, historischePanoramen zu entwerfen und die Zeitder frühen 1920er Jahre nachzuzeichnen.Kopetzky macht dies mit großer, ab und zudie Grenze zur Kolportage überschreitenderErzähllust. Larissa Reissner tritt, egal wohinsie gerät, als unerschrockene, mutigeFrau auf, die nicht über Emanzipationnachdenkt, sondern selbstbewusst handelt.Auch in Liebesdingen gibt sie sich nicht mitdem Gegebenen zufrieden. Als ihre Ehe mitdem Flottenkommandeur Fjodor Raskolnikowvor sich hin dümpelt, wendet sie sichdem Journalisten Karl Radek zu, mit dem siebis zu ihrem Tod verbunden bleibt.Foto: IMAGO / Kharbine TapaborReissner agiert überall für ihre Sache,macht sich vor Ort selbst ein Bild des Geschehens– etwa als sie 1923 nach Hamburgreist und den hoffnungslos zumScheitern verurteilten kommunistischenAufstand verfolgt. Kurz darauf wird sieihre Erfahrungen in ihrem bekanntestenBuch – „Hamburg auf den Barrikaden“ –niederschreiben.Neugier und Abenteuerlust führenReissner nach Afghanistan, wo sie Überlegungenüber Allianzen anstellt, die dieimperialistische Macht Großbritannienszerstören sollen. Bei diesen Gedankenspielenstößt sie auf die Schriften Oskarvon Niedermayers, des letzten bayerischenRitters, den Kopetzky-Leser aus„Risiko“ kennen.Traum vom deutsch-russischen BündnisNach langem Mühen schafft sie es, Niedermayerpersönlich kennenzulernen, ineiner Zusammenkunft am Berliner Wannsee,an der auch der sowjetische Marschall,der „rote Napoleon“ Michail NikolajewitschTuchatschewski und der auf Eurasien setzendePublizist und Historiker Arthur Moellervan den Bruck, Autor von „Das dritteReich“ (1923), teilnehmen. Mit der nuanciertenKomposition dieses langen Abendsam Wannsee ist Kopetzky fraglos ein Prosameisterstückgeglückt.Larissa Reissners Traum vom deutschrussischenBündnis bleibt ein kurzerTraum. Ihr „Damenopfer“ führt anders alsim Schach nicht zu einem überraschendenSieg; ihr plötzlicher Tod führt unwillkürlichzu der Frage, was diese außergewöhnlicheFrau getan hätte, wenn ihr ein längeresLeben vergönnt gewesen wäre. „Dubist für Russland zu früh gestorben. So einewie Dich haben wir nie gehabt. So einewie Dich möchten wir so gerne haben“,das schrieb Kurt Tucholsky ein Jahr nachihrem Tod in der „Weltbühne“. Steffen Kopetzkyhat dieser Larissa Reissner ein literarischesDenkmal gesetzt.DamenopferRomanVon Steffen KopetzkyRowohlt 2023448 S., geb., € 26,80NACHRUFTheatermachen als soziale PraxisEr wurde einmal als der führende Protagonist unter den „deutschentheatralischen Hochleistungssportlern“ bezeichnet. Tatsächlichweist die schiere Anzahl von über 200 Inszenierungen, für die er seit1998 stets auch als Autor zeichnete, René Pollesch als wohl produktivstenTheaterkünstler der Gegenwart aus. Und nicht nur das: Der mit zahlreichenPreisen ausgezeichnete Pollesch wurde zu einem Label. Mit seinem popästhetischenVerfahren des – auch mal nur assoziativen – Sampelns von philosophischenTexten, Filmzitaten und Popongs, ist er zum Schöpfer einer neuenpostdramatischen Theaterform geworden: des Diskurstheaters.Er wollte dabei nie den Eindruck eines genialischen, individuellen Textproduzentenabgeben. Seine Theaterabende sind im Kollektiv entstanden,denn für ihn war Theatermachen Teamarbeit, soziale Praxis. Zudem bedurftenseine akademisch anmutenden Texte nicht der Fortsetzung durchSprache, sondern der Mittel des Theaters. Aus der Spannung, dass theoretischeTexte nicht verkörpert werden können, und dem Widerstand, dendas Sprechen theoretischer Texte bei den Schauspielern (Martin Wuttke,Sophie Rois, Kathrin Angerer, Milan Peschel u.v.a.) auslöste, bezogen diePollesch-Abende ihre Komik. Meist war es sinnlos, die ausufernden theoretischenElaborate über Repräsentation, das Nachvollziehen einer Handlungoder die Konstitution von Figuren erleben zu wollen. Echte Dialogegab es kaum, psychologisch motivierte Charaktere suchte man vergebens.Daher war sein Theater immer gleichzeitig überfordernd und unterhaltendfür das Publikum wie auch für die Schauspieler. Auf beiden Seitenwurde viel gelacht.Das zeugt davon, dass Pollesch stets um Augenhöhe mit dem Publikum bemühtwar: Gelungene Kommunikation war für ihn, wenn die auf der Bühnebehandelten Themen den Zuschauenden vertraut vorkamen, die Ansprücheund Erwartungen wenigstens scheinbar erfüllt wurden. Das war leicht. Denneigentlich hat Pollesch nur ein einziges langes Stück geschrieben; wie er einmalsagte, schreibe er ohne Originalitätszwang und mache mit einem neuenText einfach da weiter, wo er beim vorigen aufgehört habe. Dieses langeTheaterstück kreiste beharrlich um das Thema der Durchökonomisierungvon neoliberalen Arbeits- und Lebensverhältnissen, deren Zwang sich indie Gefühle, die Geschlechterrollen und -verhältnisse einschreibt. Sein Zielwar es, das scheinbar Geläufige und Alltägliche auffällig zu machen, das Gewohnteund Unhinterfragte zu destabilisieren. So wollte er mit seinem Theaterdas Leben berühren. Sein letztes Stück, ein Soloabend, den er gemeinsammit Fabian Hinrichs erarbeitete, trug den Titel „ja nichts ist ok“. Dem könnenwir fassungslos und traurig beipflichten. René Pollesch ist am 26. Februarüberraschend verstorben. Er wurde 61 Jahre alt. (Patric Blaser)Foto: APA / dpa-Zentralbild / Britta PedersenGeboren 1962 in Hessen, prägte der Dramatikerund Regisseur das zeitgenössische Theater,zuletzt als Intendant der Berliner Volksbühne.
DIE FURCHE · 929. Februar 2024Theater & Musik19OPERAtmosphärisch dichtMit dem für Regisseur UlrichRasche typischen Mittel einerDrehbühne bleibt das Ensemblestets in Bewegung, darunter JuliaWindischbauer als Iphigenie.Von Patric BlaserDer Regisseur undBühnenbildner UlrichRasche ist bislangweder alsphilologischer Feingeistnoch als Meister der Menschendarstellungeines psychologischenEinfühlungstheatersmit genauer Figurenzeichnungund -führung aufgefallen. Vielmehrist er vor allem für einkörperbetontes, monumentalesMaschinen- und Überwältigungstheaterbekannt. So dürftezunächst überraschend gewesensein, wie vergleichsweisezart die Verse aus dem berühmtenEingangsmonologklingen, die Julia Windischbauerin der Titelrolle der Iphigeniemit genau ziselierter Diktion indas stille Dunkel des Raumesmeisselt. Das wird sich in denpausenlosen, langen und forderndenzweieinhalb Stundennoch ändern, wenn der „schönenSeele“ die virile Männerweltaus Tauris gegenübertritt.Reduktion auf DeklamationSonst ist eigentlich vieles so,wie man es von Rasche kennt:Alles ist schwarz in diesemwenig beleuchteten Bühnenraum,über dem gelegentlich einbeweglicher in Rot, Violet, Orangeund Blau leuchtender Balken,wie von Geisterhand mal schräg,mal bald zur Säule oder Stele aufgerichtet,atmosphärische wieräumliche Akzente setzt. DerRaum erinnert noch mehr andie Szenerie eines Raves, wennNebel- oder Dunstschwaden zusätzlichdie Sicht behindern,was der Konzentration auf Goethesjambische Verse aber nurzugute kommt. Das ist auch nötig,denn es gibt kaum Interaktionzwischen den Darstellernund Darstellerinnen, kaum einSpielen, sondern das Szenischereduziert sich auf Deklamation,das heißt auf schiere körperlicheund hier vor allem stimmlichePräsenz. Auch das Mechanische,das Markenzeichen von RaschesTheaterästhetik, kommt nicht zukurz. Wo Rasche draufsteht, iststets Rasche drin, selbst dann,wenn es nicht nachvollziehbarSinn macht. Diesmal hatte erdie Idee, sein Ensemble auf einerleicht erhöhten, unablässigkreisenden Drehbühne spielenzu lassen. Auf der rotierendenScheibe schreiten die Darsteller,– die Männer in schwarzemNetzhemd und schwarzem Rock,Iphigenie im weißen, ärmellosenKleid – beharrlich voran, ohnevorwärts zu kommen, was eineninteressanten Effekt hat. Denndie Bewegtheit der Figuren erzeugteine anhaltende energetischePräsenz und verleiht denstatuarischen „Bildern“ eineArt Belebtheit, wie sie aus demFilm, durch die fast unmerklichenSchwankungen der sogenannten„atmenden Kamera“ bekanntist.Begleitet vom Sound aus Keyboards(Benjamin Omerzell) undSchlagwerk (Katelyn King) rezi-SchönesUmsonsttiert das stets einherwandelndeEnsemble die Goethe’schen auf das Drama der Geschlech-gut zu sein, und schon gar nichtVerse, mit häufig eigenwilligen terrollen, das Iphigenie im Eingangsmonologanspricht, wo esstimmlichen Modulationen: vonrauchig und erdig (Daniel Jesch heißt: „Der Frauen Zustand istals Thoas) über gepresst, überschlagend,wacklig (Ole Lager-dem Kriege herrscht der Mann, /beklagenswert. / Zu Haus und inpusch als Orest) bis hin zu knarrendund gequetscht (Enno zu helfen. / Ihn freuet der Besitz;Und in der Fremde weiß er sichTrebs als Arkas), wobei die Jambendurch eine sperrig gesetzlerTod ist ihm bereitet. / Wie eng-ihn krönt der Sieg. / Ein ehrenvolteZäsur gleichsam zergliedert gebunden ist des Weibes Glück!werden. Oft wird auch im Chor / Schon einem rauhen Gatten zudeklamiert, was ein durchdringendesKlangbild erzeugt. Trotz der schönen Verse han-gehorchen / Ist Pflicht und Trost“.Was bei all der Intensität auf delt es sich bei Goethes Iphi-der Strecke bleibt, ist die diskursiveVerständlichkeit des Textes.Die Regie hat sich offenbar nichtfür die im Stück vielschichtig motiviertenKonflikte interessiert.Weder für die inneren KonflikteFEDERSPIELder reinen Seele im Widerstreit„ Der Raum erinnert andie Szenerie eines Raves,wenn Nebel- oder Dunstschwadenzusätzlich dieSicht behindern, wasder Konzentration aufGoethes jambische Verseaber nur zugute kommt. “Foto: Marcella Ruiz Cruzvon Geboten, noch für das Postulateiner Autonomie aufgeklärterMündigkeit, Subjektivität undHumanität, die gegen vormoderne,scheinbar unverrückbare Bestimmungeneiner mythischenVorzeit in Stellung gebracht werden.Es wird nicht darauf eingegangen,was es heißt, in einerschlechten, gewalttätigen WeltIm Wiener Akademietheater zeigt UlrichRasche seine Auseinandersetzung mitGoethes Iphigenie auf Tauris.Deix, schau obagenie aber, wie der GermanistArthur Henkel in seinen Goethe-Erfahrungen schreibt, um einepoésie engagée. Das hat Raschewenig gekümmert. Er hat einmalmehr die Flucht in seine Methodegewählt, und die Augenvor den Abgründen des Daseinsverschlossen. Man kann ihn fürdiesen – noch einmal Henkel paraphrasierend– das „Furchtsameaufschönenden“ Ästhetizismusauch schelten.IphigenieAkademietheater, 29.2. u. 10., 23.3.Der Senat des Oberlandesgerichts Wien hat Satire, kreativeKritik, von übler Nachrede nicht getrennt. EineSchulung in ironischer Distanz, als Stilmittel gewisserTextsorten, kann für Differenzierung sorgen. FlorianScheuba hat das Ibiza-Video als eine Meisterleistung deftigösterreichischer Aufdeckungskunst dargestellt, die durcheine gründliche Vorfeld-Recherche politischer Unkorrektheitenverhindert hätte werden können. Meine Häme überdie sich selber verarschenden Typen in der Realsatire Ibizablieb mir damals im Halse stecken. Imponiergehabe mitpolitischem Missbrauch kommt vor wie das Amen im Gebetgewisser Netzwerke. Scheuba hat in seiner inkriminiertenKolumne ein satirisches Sittenbild skizziert. Wie hättees Deix gezeichnet? Einen Schreibtisch-Untätigen, einenSpitzenpolizisten, der statt zu arbeiten gedankenverlorenan seinem Zumpferl spielt, obwohl ein Anwalt von den korruptenMachenschaften des künftigen Koalitionspartnersberichtet? Der Beamte schaut nur auf ein Bild an der Wand,kann sich das Ibiza-Video mit dem Vizekanzler im Ripp-Auf nachHollywood,ein IrrwegVon Walter DobnerDas Geschehen ist in die Gegenwart verlegt.Nichts Neues in der aktuellen Regieszene.Aber deswegen muss man nicht so übertreibenund Charles Gounods sehr freie Shakespeare-Oper„Roméo et Juliette“ gleich in das Hollywoodder 1990er Jahre transferieren. Und wenn,dann bitte nicht so verkrampft und geschmäcklerisch,mit Videos, die vielfach von der ohnediesnur schemenhaft angedeuteten Handlung ablenken,und zu Autorennen umgedeuteten Duellen.Dazu ein Finale, wie es unsensibler kaum vorstellbarist. Denn Juliette stirbt an Auspuffgasen.Aber geht es tatsächlich um diesen Gounod? Bildetseine Musik hier nicht eher eine Hintergrundkulissefür eine ganz andere Erzählung, wie es dieRegisseurin Marie-Eve Signeyrole auch im Programmheft– das man wieder einmal lesen muss,um die Regie zu verstehen – erklärt? Sie will mitdieser ihrer Arbeit vorrangig dem Coppola-Clanein Denkmal setzen, nimmt so nebenbei auch dieMeToo-Debatte mit, geißelt das Verhältnis von VaterCoppola zu seiner Tochter, die sich erst langsamaus den Klauen des Clans lösen und zu einereigenen Persönlichkeit emanzipieren konnte.Eine Filmstory, und das durchaus spannend erzählt.Aber als solche hat man es nicht avisiert,sondern ausdrücklich als Inszenierung der Gounod-Oper.Und deren Anliegen, man muss esnicht detaillierter ausführen, ist ein sehr anderes.Sie behandelt nicht einen von Medien hysterischverfolgten Clan-Konflikt, sondern eine tragischendende Liebesgeschichte. Man brauchtdazu nur die Partitur befragen. Ob sie bei dieserProduktion des MusikTheaters an der Wienwirklich eine Rolle gespielt hat? War man nichtohnedies nur an einer ausgeflippten Szenerieinteressiert? Dafür spräche, dass man GounodsMusik mit einigen Pop-Beiträgen ergänzt. Wozu?Das bleibt wie vieles offen.Und musikalisch? Das ORF Radio-SymphonieorchesterWien hätte sich einen versierteren Dirigentenverdient als den mit Gounods Farbenhörbar wenig vertrauten Kirill Karabits. Entsprechendwenig klingt aus dem Orchestergraben derohnedies problematischen Akustik dieses in dieserSzenerie noch atmosphäreloseren Ambientes.Mélissa Petit und Julien Behr bemühen sichin den Titelpartien um ihr Bestes. Das Beste ist indieser fehlgeleiteten Produktion aber wieder einmalder Arnold Schoenberg Chor. Damit ist auchschon alles gesagt.Roméo et JulietteMusikTheater an der Wien, MQ, 1.,3.,5.3.Leiberl und seinem Peng-Peng-Partei-Freund nicht richtig ausmalen. SeinIbiza-Bild hängt nämlich schief, fastschon am Fußnagel einer falschenOligarchin, könnte man sagen. Deix, alter Meister, laufendie Leinen der Hunde mit Arschgesichtern nicht immer ineiner Hand zusammen? Das Hochamt der Satire legt Wahrheitskernesolcher Natur frei. Schau oba, Deix! Auch Scheubassatirische Kunst passt nicht in ein harmloses Eck, woalles lacht. Das nicht rechtskräftige Urteil gegen die satirischeKolumne des nicht rechtskräftig Verurteilten rütteltdie Frage nach einem gar nicht so schleichenden Einzug derZensur wach. Ein die Ironie nicht erkennender Senat läuftGefahr, die Satire auszumerzen und ihre Macht der Distanzzur Zensur zu canceln: eine Gefahr für die Demokratie. Wiewürde Deix darauf reagieren? Mit Satire. Wie soll man sichauch sonst erleichtern?Die Autorin ist Schriftstellerin.Von Lydia Mischkulnig
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