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DIE FURCHE 29.12.2024

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DIE FURCHE · 916

DIE FURCHE · 916 Diskurs29. Februar 2024AUSGEZEICHNETÖ1-Hörspielpreis fürManuela TomicFoto: Christopher MavričIHREMEINUNGSchreiben Sie uns unterleserbriefe@furche.atAtomwaffen für Europa?Von Brigitte Quint, Nr. 8. Seite 1Dieser Artikel hat mich schockiert.„Für die eigene Verteidigungsfähigkeitmuss danach Europa (mehr) eigeneAtomwaffen anschaffen …. möglichstso viele Staaten wie möglich.“ So imArtikel. Effektive Verteidigung scheintdanach nur mit Atomwaffen möglich.Statt atomarer Abrüstung, für diesich Österreich bisher sehr engagierthat, also atomare Aufrüstung! Einganz gefährliches Gedankenspiel!Denn: Atomwaffen bringen keineSicherheit. Es ist im Kalten Kriegmehrfach fast zu einem „Atomkriegaus Versehen“ gekommen. Atomwaffenverhindern keine Kriege zwischenAtomwaffenstaaten (UdSSR-China1969 am Ussuri, Indien-Pakistan1999 und 2019 in Kaschmir, Indien-China2020 im Himalaya). DieErderwärmung bedroht alle Staatender Welt. Aufrüstung verschärft nurdie Probleme! Europa, Österreichund DIE FURCHE bitte ich, sich fürmassive atomare Abrüstung und fürnichtmilitärische Konfliktaustragungeinzusetzen!Mag. Gerhard Lehrner, PregartenBitte das „Pickerl“ machen!Von Martin Tauss, Nr. 8, Seite 2Vielen Dank für den ansprechendenBericht über Männervereine undGesundheitsvorsorge (Urologie etc).Einer meiner Kollegen hat vor Jahrendie Idee umgesetzt, gemeinsam eineUntersuchung beim Urologen durchzuführen.Gesagt getan! Inzwischensind wir rund zwölf Männer mittlerenAlters und treten jeweils gemeinsameinen Tag den Untersuchungsterminan. Von unseren Damen werden wirals „Mitglied des Uri-Clubs“ angesprochen.Privat sind wir unterschiedlichsteProfessionisten und jeweilsMiglieder diverser Körperschaftenund Vereine (Jäger, Schützenkompanien,Kameradschaftsbund, Feuerwehr).Nach der Untersuchung gibtes dann natürlich Schweinsbratenund das passende Getränk dazu.Günter Rottmayer, TaxenbachLieferkettenregeln: Aus auf denletzten Metern? Von Stefan BroczaNr. 8, Seite 15Europa: Textilindustrie in RumänienEs ist das Jahr 1998. Die siebenjährige Mira steigt mittenin der Nacht mit ihrer Familie in Völkermarkt ins Autound fährt nach Bosnien, zum Begräbnis des Großvaters.Seitdem liegt Dedo Ivo tot in einem Land, das Mira gleichermaßennah und fern geblieben ist – bis heute. Mittlerweiledreißigjährig, nimmt sie die Hörerinnen und Hörer mit aufdiese Reise zwischen Grenzkontrollen und Sekundenschlaf.Sie lässt sie auch teilhaben an ihren imaginierten Gesprächenmit dem Großvater. Und sie erzählt von den Folgen desKriegs für eine Familie, die in ein sicheres Land entkommenkonnte. Ob sie je im neuen Land oder wieder in der alten Heimatankommen wird? „Blasse Stunden/Blijedi sati“ lautet derTitel dieses zweisprachigen Hörspiels von FURCHE-RedakteurinManuela Tomic (Regie: Andreas Jungwirth), das Freitagletzter Woche im Rahmen der Ö1-Hörspielgala im Radiokulturhausvon einer Jury mit dem Preis für das beste, weil„künstlerisch ansprechendste und anspruchsvollste“ Originalhörspiel2023 ausgezeichnet wurde. Bereits 2021 hatte Tomicmit „Lieber zerfranst es mich“ den zweiten Platz beim Kurzhörspielwettbewerb„Track 5’“ erreicht. Inspiriert ist „BlasseStunden/Blijedi sati“ von Tomics FURCHE-Kolumne mozaik(vgl. Seite 23 sowie furche.at/mozaik). Am 24. Februar wurdedas Hörspiel um 14 Uhr auf Ö1 erneut ausgestrahlt, in der Radiothekist es nachzuhören. Wir gratulieren! (dh)oder Bulgarien, Fabriken mit stickiger,Luft, Arbeiterinnen, die immer wiederohnmächtig werden, sogar Lungenkrebsbekommen.Asien: Baufällige Fabriksgebäudeohne Notausgänge, deren Insassensich nicht retten können, wenn Brändeausbrechen.EU: Nach zwei Verhandlungsjahrenwurde – endlich – ein Lieferkettengesetzzur Abstimmung fertig. DochChristian Lindner sieht seine Felledavonschwimmen. Und in Österreichdieselbe Selbstsucht und Empathielosigkeit.Hätten wir ein fertigesLieferkettengesetz, wäre manchesvielleicht um einige wenige Centteurer, unser Gewissen aber ruhigerund die Welt ein wenig besser.Karl Wagner, 2362 BiedermannsdorfDrohender KipppunktVon Lukas Bayer, Nr. 8, Seite 23Die Klimakrise macht sich überall aufder Erde bemerkbar. In einem Berichtder New York Times, in dem die Situationin 193 Ländern dokumentiertwird, heißt es: „Der Planet funkt SOS.“Der Klimawandel verursacht so vielTod und Leid, dass ihn die Weltgesundheitsorganisationals „die größteBedrohung für die Gesundheit derMenschheit“ bezeichnet.Ing. Harald Schober, 8160 Weiz„Wo der Gaumen ein Mundhimmelist“. Von Manuela Tomic, Nr. 8, S. 9Alle Artikel von Manuela Tomic sindso besonders herzlich und berührend,dafür möchte ich mich bedanken! Inder Kindheit (ich bin im 80. Lebensjahr)waren uns die Gaumenfreudenschon bewusst, nicht nur im realenVerspeisen, sondern auch im Erkennender Geisteshaltung. Als Sängerinund Stimmbildnerin weiß ich um dieheilige, heilende, wunderbare, wieWasser fließende Kraft des Atems,die den Gaumen hebt, damit dasNervensystem durch die vertiefteAtmung beruhigt – und den Menschenin eine staunende Empfindungzu führen vermag. Im Holländischenheißt das Gaumensegel auch das„Gechemmelte“ – also Himmlische.Wer singt, erspürt es am eigenenLeib. Bringen Sie uns bitte weiterhinzum freudigen Erstaunen!Susanne Amberg SchneeweisStudio zur Stimmbildung, 1080 WienZum Hörspiel-Preis (siehe oben)Ich habe heute das Hörspiel vonManuela Tomic gehört, das mich sehrbewegt hat, und möchte ihr dazu –auch als Abonnentin der FURCHE –aus ganzem Herzen gratulieren.Lore Mayer, 1190 WienEuroDreams Specialexklusiv für Österreich10.000 Euromonatlichfür ein JahrDie Österreichischen Lotterienführen jetzt bei EuroDreams eineganz spezielle Aktion exklusiv fürÖsterreich durch: Unter allen EuroDreamsTipps, die in Österreichfür die Ziehungen am Montag,den 26. Februar und Donnerstag,den 29. Februar 2024 abgegebenwerden, wird zusätzlich einGewinn von Euro 10.000 Euro proMonat für die Dauer eines Jahresausgelost. Tipps für EuroDreamskönnen zum Preis von 2,50 Euroin allen Annahmestellen derÖsterreichischen Lotterien sowieüber win2day und auch über dieLotterien App abgegeben werden.EuroDreams wird seit Oktoberdes Vorjahres in Österreich sowiein den sieben weiteren LändernFrankreich, Spanien, Portugal,Irland, Belgien, Luxemburg undder Schweiz angeboten. Dabeihat man zweimal wöchentlich– jeweils am Montag und amDonnerstag – die Chance, biszu 20.000 Euro netto pro Monatfür die Dauer von 30 Jahren zugewinnen.Die Spielformel lautet „6 aus 40“plus „1 aus 5“, das heißt, mankreuzt sechs Zahlen in einemZahlenfeld von 1 bis 40 an,und eine „Traumzahl“ in einemZahlenfeld von 1 bis 5, wobei die„Traumzahl“ nur im ersten vonsechs Gewinnrängen zum Tragenkommt.Eine monatliche Ratenzahlung alsGewinn gibt es auch im zweitenGewinnrang („6 plus 0 Richtige“),und zwar in Höhe von 2.000 Eurofür fünf Jahre.Alle Infos zu EuroDreams gibt esunter www.lotterien.at.Bei EuroDreams sind jetzt exklusiv inÖsterreich 10.000 Euro pro Monat fürein Jahr zusätzlich zu gewinnen.Foto: Österreichische LotterienIN KÜRZERELIGION■ Altkatholischer Protest gegen Schönborn-InterviewIn einem offenen Brief reagierte Österreichsaltkatholische Kirchenleitung „verwundert“auf Interviewaussagen von Wiens KardinalChristoph Schönborn, in dem er die deutscheKirche mit Verweis auf die Altkatholiken vor einemSchisma gewarnt hatte (vgl. Seite 15 dieserFURCHE): „Bezugnehmend auf Ihr Communio-Interview bringt die Kirchenleitung der AltkatholischenKirche Österreichs über einen Interview-Abschnitthiermit ihre Verwunderungzum Ausdruck“, heißt es in dem von der altkatholischenBischöfin Maria Kubin und SynodalratsvorsitzendenHerbert Psenner unterzeichnetenSchreiben. Schönborn hatte wörtlich gemeint,er wünsche der katholischen Kirche inDeutschland „nicht das Schicksal der altkatholischenKirche“. Kubin und Psenner fragen:„Welches Schicksal ist hier konkret von Ihnenintendiert?“, und erbitten „dringend Klärung“.Mittlerweile entschuldigte sich Schönborn ineinem Schreiben an Kubin und Psenner fürseine „unbedachte Wortwahl“. Der Kardinalführte weiter aus, der intendierte Sinn seinerAussage war, er wünsche der katholischenKirche in Deutschland , „dass ihr die Wundeeiner Spaltung – wie jener, aus der die altkatholischeKirche hervorgegangen ist, erspartbleiben möge“. Eine Abwertung der altkatholischenKirche wollte er, so Schönborn, damitaber nicht verbinden.GESELLSCHAFT■ „Care“: Unbezahlte ArbeitHaus-, Sorge-, Pflege- und Freiwilligenarbeitwürden 44 Prozent des Bruttoinlandsproduktsvon Österreich ausmachen. Dasentspricht etwa 195 Milliarden Euro. Frauenleisten über 60 Prozent dieser Care-Arbeit.Werden unbezahlte und Erwerbsarbeit addiert,dann arbeiten Frauen im Schnitt mehrals Männer. Diese Berechnungen der politischenÖkonomin Christine Rudolf basierenauf Daten der Statistik Austria. Die Initiativenhinter dem Projekt #CloseEconDataGapfordern unter anderem, dass Daten zu unbezahlterArbeit regelmäßiger erhoben undin der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungmiteinbezogen werden.WISSEN■ Florian Krammer nach WienDer Mikrobiologe Florian Krammer übernimmtmit 1. März die Professur für Infektionsmedizinan der Med-Uni Wien. Der renommierteExperte für die Entwicklungvon Impfstoffen wechselt dann zwischender „Icahn School of Medicine at Mount Sinai“in New York und Wien, wo er eine neueForschungsgruppe, ein Labor und ein LudwigBoltzmann-Institut zur „Wissenschaftsvermittlungund Pandemievorsorge“ aufbauenwird. Der gebürtige Steirer forscht anImpfstoffen gegen Grippe-, Corona-, Lassa-,Hanta- und Ebola-Viren. Während der Corona-Pandemiewurde Krammer auch einembreiteren Publikum bekannt.

DIE FURCHE · 929. Februar 2024Literatur17Von Adrian LobeVor einiger Zeit erhieltdie japanische AutorinRie Kudan für ihrenRoman „Tokyo-toDojo-to“ den renommiertenAkutagawa-Preis. Die Jurydes Literaturpreises, der alsbedeutendste Auszeichnung fürjapanische Autoren gilt, lobte das„beinahe makellose“ und „universellgenießbare Werk“. Es sei „soperfekt, dass es schwerfällt, Fehlerdarin zu finden“.In dem Science-Fiction-Romangeht es um ein Hochhausgefängnisin einem futuristischen Tokio,die Intoleranz des Architektenmit Kriminellen und KünstlicheIntelligenz. KI ist aber nichtnur ein Sujet des Buchs, sonderngleichsam sein Werkzeug: Wie die33-jährige Autorin in ihrer Dankesredeeinräumte, schrieb siedas Werk mithilfe von ChatGPT.Rund fünf Prozent des Inhalts seiencomputergenerierte Sätze. DerChatbot hätte ihr kreatives Potenzialentfesselt, sagte Kudan in ihrerDankesrede und fügte, ganzdem Harmoniestreben der japanischenKultur folgend, hinzu, siewolle weiterhin eine „gute Beziehung“zu KI haben.Das konnte man auch als leiseKritik an den Kollegen und Kolleginnenim Westen deuten, derenVerhältnis zu Maschinen alles andereals harmonisch ist. In Hollywoodtraten im vergangenen JahrDrehbuchautoren in den Streik,weil sie Angst haben, dass ihre Arbeitvon Computern ersetzt wird,prominente Autoren, darunter JonathanFranzen und John Grisham,verklagten den ChatGPT-EntwicklerOpen AI wegen Verletzungihrer Urheberrechte.Vorläufer der ComputerpoesieEine Autorin, die mit Computertechnikdie höheren Weihen derLiteratur erhält? In Europa oderden USA wäre das ein Literaturskandalerster Güte. In Japan allerdings,wo die Kunstszene traditionellexperimentierfreudigermit neuen Technologien umgehtund Roboter als beseelt gelten,war die Meldung ein Kuriosum.Während die einen Kudans Talentin Frage stellten, lobten die anderendie kunstfertige Nutzung desTextgenerators.Die Debatte, ob Computer alsWerkzeug für Literaten dienenkönnen, hat schon lange vor demSiegeszug der KI-Sprachmodelleeingesetzt. Bereits 1959 entwickelteder Mathematiker TheoLutz eine Rechenmaschine, dieKurzgedichte generierte. Das Computerprogramm,das Wörter ausFranz Kafkas Roman „Das Schloss“als Ausgangsmaterial nutzte undnach einem mathematischenModell verschraubte, lief auf einerZuse Z22-Rechenanlage derTechnischen Hochschule Stuttgart.Bei den „stochastischen Texten“handelt es sich vermutlich umdie ersten computergeneriertenTexte in deutscher Sprache. Auchin den USA experimentiertenKünstler und Künstlerinnen wieAlison Knowles mit aleatorischenDie japanische Autorin Rie Kudan erhielt den renommiertenAkutagawa-Literaturpreis. Sie hatte ihren Roman mithilfe vonChatGPT geschrieben. Wie verändert KI das Schreiben?Literaturaus demAutomatenTechniken, bei denen Buchstabennach einer vorgegebenen Syntaxmithilfe eines Software-Zufallsgeneratorszusammengesetzt wurden– eine frühe Form der Rekombinatorik,wie man es heute vonhochleistungsfähigen Sprachmodellenkennt. Die Computerpoesiewurde zu einem eigenen Genre.Ein Akt der KoproduktionTrotzdem wurden diese „Autopoeme“von den meisten Lyrikernund Literaten nur müde belächelt.Alles ganz nett, aber nicht mehrals ein Scrabble-Automat! Allein,Maschinen sind mehr als bloßeWerkzeuge. „Unser Schreibzeugarbeitet mit an unseren Gedanken“,schrieb schon FriedrichNietzsche 1882 seinem SekretärHeinrich Köselitz alias PeterGast auf seiner Malling-HansenSchreibkugel, die eigens in seinDomizil nach Genua transportiertworden war. Heute schreibt jeder inTextverarbeitungsprogrammenwie Word am Computer, verfasstE-Mails am Handy oder lässtsein Bewerbungsschreiben vonChatGPT verfassen.Und auch dieses digitale„Schreibzeug“, um mit Nietzschezu sprechen, arbeitet an unserenGedanken: Algorithmen, die dieSchreib- und Lesegewohnheitendes Nutzers entschlüsseln, schlagenTextbausteine vor und ergänzenganze Sätze. Schreiben ist zurKoproduktion von Mensch undMaschine geworden: Ständig feuernElektronengehirne, derenSatzfetzen und Informationssplitterdas menschliche Gehirn vervollständigen.Der Nutzer einesE-Mail- oder Textverarbeitungsprogrammsschreibt im Grundenicht, sondern bedient eine Software,indem er auf die Tasten derTastatur drückt, die Einsen undNullen verarbeitet. Und wenner auf einen Textbaustein klickt,„ Textualität ist in der digitalenNetzgesellschaft etwas völlig anderesals zu Zeiten, als man noch aufKladden herumkritzelte.“führt er einen Befehl aus, den einSoftwareingenieur in einer Programmiersprachegeschriebenhat. Textualität ist also in der digitalenNetzgesellschaft etwas völliganderes als zu Zeiten, als mannoch auf Kladden herumkritzelte.Der US-SprachwissenschaftlerDaniel Punday argumentiert inseinem Buch „Computing as Writing“(2015), dass auch Programmierenals eine Form des Schreibensbegriffen werden müsste.Mittlerweile gibt es KI-gestützteSchreibassistenten wie Sudow-WAS DIE KI LIESTIllustration: iStock/ Moor StudioWie beeinflusstKI ein Foto?Lesen Sie dazu„KünstlicheIntelligenz:Konterfeis ausder Konserve“von Adrian Lobevom 15.3.2023auf furche.at.rite, mit denen sich der Schreibprozessautomatisieren lässt. DasPrinzip: Der Nutzer gibt eineKonzeptskizze oder grobe Idee inein Formularfeld („Braindump“),wählt Genre und Stil aus, dannspuckt die Story Engine aufKnopfdruck einen Plot aus. Charaktereoder Stilelemente lassensich im Laufe der Genese feinjustieren.Zum Beispiel kann man dieMaschine anweisen, Klischees zuvermeiden oder Metaphern zu begrenzen.Autoren wie der kanadischeSchriftsteller Stephen Marchehaben bereits mit dem Toolexperimentiert und Bücher veröffentlicht.Trotzdem ist die Literaturszenenoch immer skeptischgegenüber solchen Story-Maschinen.Zu einfallslos, zu generischseien die Entwürfe, heißt es. ImLiteraturbetrieb herrscht nochimmer das Verständnis vor, dassSchreiben Manufakturarbeit ist,dass Texte von Menschenhand geschriebenwerden müssten. Daseinzig Mechanische an der Textproduktionwar lange Zeit dieSchreibmaschine.Taschenrechner des SchreibensDabei können auch Textgeneratorenein Schreibwerkzeug sein,schließlich hängt die Qualität derOutputs auch davon ab, wie kreativdie Eingaben, die sogenanntenPrompts sind. Promptwriting giltlängst als neue Kulturtechnik;Prompt-Writer, die mit sprachlichemGeschick elaborierte Sätzeaus dem Automaten herauskitzeln,werden händeringendgesucht. Kaum ein Naturwissenschaftlerwürde heute eine Arbeitzu einem Forschungswettbewerbeinreichen, die ohne die Hilfe einesTaschenrechners oder Computersentstanden ist. Warumsollten Autoren auf diese Technikverzichten? Weil es sie kränkt,dass Maschinen schreiben können?Weil der Mensch das Monopolauf geistige Schöpfungenbeansprucht?Vielleicht entstehen im Zusammenspielzwischen Mensch undMaschine ja weitere geistreicheWerke – so wie der preisgekrönteRoman von Rie Kudan. Nur die Wikipedia-Autorenwürden auch irgendwannmal eine Auszeichnungverdienen. Denn die haben dasGros der Texte geschrieben, mitdenen ChatGPT trainiert wurde.Die geheime Bücherliste von ChatGPTChatGPT wurde mit insgesamt 300 Milliarden Wörtern trainiert, dieeiner Textsammlung von frei verfügbaren Internetquellen (darunter dieenglischsprachige Wikipedia) sowie einem Bücherkanon entnommenwurden. Während des Trainings wühlten sich insgesamt 25.000 Computerdurch den Textkorpus. Die geheime Bücherliste von ChatGPT, dieein Berkeley-Forscher mithilfe von Algorithmen entschlüsselt hat, liestsich wie die Empfehlung eines Nerds: Klassiker wie „Stolz und Vorurteil“,die auf dem Bildungsplan vieler Schulen stehen, aber auch jedeMenge Science-Fiction-Literatur: „Harry Potter und der Stein derWeisen“, „1984“, „Fahrenheit 451“. Kritiker monieren, dass die Quellenvon ChatGPT zu einseitig seien und zu stark auf dem Kanon westlicherLiteratur basierten.(Adrian Lobe)

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