DIE FURCHE · 914 Diskurs29. Februar 2024Den gesamten Briefwechselzwischen Johanna Hirzbergerund Hubert Gaisbauer könnenSie auf furche.at bzw. unterdiesem QR-Code nachlesen.ERKLÄRMIR DEINEWELT„Geh, wasstellst du dichdenn so an!“Johanna Hirzbergerist Redakteurin von „RadioRadieschen“ und freieMitarbeiterin von Ö1.Den Briefwechsel gibt esjetzt auch zum Hören unterfurche.at/podcastIch hatte gehofft, Ihnen dieses Mal voller Leichtigkeitschreiben zu können. Aber nein: An einem einzigen Tagwurden in Wien fünf Frauen ermordet. Ich las die erstenNachrichten dazu in der Pause eines Seminars. Kurzzuvor bewegte ich mich gemeinsam mit 37 – mir bis zudiesem Zeitpunkt noch unbekannten – Personen durch einenRaum. Es war eine Gruppenaufgabe, in der wir mit geschlossenenAugen den Raum und die anderen Menschenspüren sollten. Dieses „spüren“ ließ für mich zu viel Interpretationsspielraum.War damit tasten, berühren, Körperkontaktgemeint? Bevor ich für micherfassen konnte, warum ich mich mit„ Dank ‚Social Media‘weiß ich heute, dassauch andere FrauenSätze wie diese hören,wenn sie für sichund ihre Grenzeneinstehen. “der Aufgabenstellung unwohl fühlte,ging es los. In meinem Kopf rastenGedanken: „Wenn ich meine Handflächennach vorne richte, könnte ichdann jemanden unabsichtlich an derBrust oder am Po berühren? Warumstresst mich das so?“ Schlussendlichumklammerte ich mich selbst, um sowenig wie möglich wahrzunehmenund wahrgenommen zu werden. Inder Reflexionsrunde nach der Übunghabe ich mir vorgenommen, mein Unwohlsein anzusprechen– auch wenn ich damit Gefahr laufen würde, nichternst genommen zu werden. Wissen Sie, Herr Gaisbauer,im Laufe des Lebens habe ich schon oft gehört: „Geh,was stellst du dich denn so an! Das bildest du dir nur ein!“Social Media sei Dank weiß ich heute, dass auch andereFrauen Sätze wie diese hören, wenn sie für sich und ihreGrenzen einstehen. Als ich meine Gedanken mit derGruppe teilte, blickte mich der Leiter mit großen Augenan. In all den Jahrzehnten sei noch nie jemand auf dieIdee gekommen, sich selbst zu berühren. Um die Situationfür mich angenehmer zu machen, ruderte ich zurück:Es hätte mir geholfen, wenn er in der Instruktion gesagthätte, dass man die Übung auch auslassen könne, wennman sich unwohl fühle. Ein Fehler, wie sich herausstellensollte, denn mir wurde erklärt, dass wir hier doch alleErwachsene seien, die für sich selbst einstehen könnten.PUH! In diesem Moment ist es also wieder passiert. Mirwurden meine Gefühle, Grenzen und Bedürfnisse abgesprochen.Ruhig erklärte ich meinem Kollegen (ja, es warein Mann), dass ich seine Reaktion nicht in Ordnung fände,dann sie impliziere, ich selbst sei schuld, wenn ichmich unwohl fühle, immerhin seiich ja erwachsen. Gott sei Dank übernahmensowohl der Seminarleiter alsauch der Kollege Verantwortung fürihre Rückmeldungen und entschuldigtensich. Ganz ehrlich: Das habeich nicht erwartet, ich war positivüberrascht. Einige Tage später erinnerteich mich an diese Situation, alsich auf Instagram einen Post von derInfluencerin Dariadaria las. Darinkritisierte sie Aussagen eines bekanntenösterreichischen Chefredakteurszum Femizid-Diskurs. Dieser beklagte sich überdie Verallgemeinerung, dass Männer das Problem seien– und er als Mann ja nichts dafür könne, dass andereMänner morden. Dariadaria argumentierte, dass Aussagenwie diese seine männliche Befindlichkeit in den Mittelpunktrückten, anstatt an geschlechtsgebundenen Gesellschaftsstrukturenzu arbeiten. In den Worten einerUserin: „Wir alle kennen von häuslicher Gewalt betroffeneFrauen in unserem Umfeld. Kein Mann kennt einen Täter.“Anders als in meinem Seminar übernahm der Chefredakteurauch beim zweiten Anlauf keine Verantwortungfür seine Äußerungen. Wie sehen Sie das Herr Gaisbauer?Am 5. März 1992 wurde im bosnischherzegowinischenParlament nacheinem abgehaltenen Referendumdie Unabhängigkeitserklärung verkündet.Nur wenige Wochen später erkanntendie Europäische Gemeinschaft unddie USA Bosnien als eigenständige Republikan. Was folgte war der blutige Konfliktverschiedener Entitäten und Interessensgruppenim zerfallenden Jugoslawien. Zurselben Zeit wurde Österreich als EU-Beitrittskandidatgehandelt und trat 1995 demStaatenbündnis bei. Wie schnell oder langsamsich die EU erweitern soll, stand seitdemimmer zur Debatte.Nun werden die Staats- und Regierungschefsder EU bei ihrem nächsten Gipfel imMärz die Aufnahme von Beitrittsverhandlungenmit der Ukraine und auch Bosnien-Herzegowina diskutieren. Die EU-Kommissionwird Mitte März vor dem Gipfel ihreFortschrittsberichte zu den Kandidatenländernvorlegen. Auf der Liste der EU-Beitrittskandidatenstehen auch Albanien,Serbien, Nordmazedonien, Moldau undweitere. Doch lange Zeit hatte man den Eindruck,die EU hat gar kein Interesse daran,diese Länder ins Bündnis aufzunehmen.Schließlich profitierten Unternehmer inder EU von billigen Arbeitskräften und Firmenstandorten,die nicht den strengen EU-Voraussetzungen unterliegen. Doch mitdem russischen Angriffskrieg ist die EU-Erweiterung, so scheint es, auf der Prioritätenlisteganz oben. Klar ist: Die Sicherheitsstrukturhat sich geändert. Nur einLASS UNSSTREITEN!EU-Erweiterungschneller vorantreiben?Die EU-Erweiterung schneller vorantreiben,wollen selbst jene nicht,die vorgeben, die EU-Erweiterungschneller vorantreiben zu wollen. Beim bevorstehendenEU-Erweiterungsgipfel handeltes sich bestenfalls um eine Art Elfenbeinturm-Politik,bei der die Realität füreinen Nachmittag ausgeblendet wird – imschlechtesten Fall um eine Unehrlichkeit.Das Motiv des Gastgebers ist offensichtlich:Die EU will bei den Staaten desWestbalkan, die sich seit Jahren in einerWarteschleife zum EU-Beitritt befinden beziehungsweiselediglich als Bewerberlandanerkannt sind, die Wogen glätten. Denndie Blitzernennung der Ukraine zur Beitrittskandidatinhat am Westbalkan somanchen (zurecht)verstört. Auch will manbei dem Treffen seitens der EU dafür sorstarkesund vielfältiges Europa kann sichRussland entgegenstellen. Und Länder wieSerbien mit ihrem russlandfreundlichenMachthaber Aleksandar Vučić könntensich wieder Richtung Westen ausrichten.Natürlich braucht die EU keine weiterenOrbáns. Doch die Länder des Westbalkansdeshalb dem freien Spiel der Mächtezu überlassen, ist eben auch keine Lösung.Die EU muss sich rasch für diese Länderals Schutzschirm und Partner auf Augenhöhepositionieren. Längst nimmt die Euphorie,EU-Mitglied zu werden, unter derBevölkerung in diesen Ländern ab. Dochdas Staatenbündnis darf nicht zulassen,dass internationale Mächte bei unserendirekten Nachbarn Einfluss üben. Schondeshalb sollte die Erweiterung höchstePriorität haben. (Manuela Tomic)gen, dass die betroffenen Regionen ihreTür nicht noch weiter für andere große Weltmächte(u.a. Russland aber auch China) öffnenwerden. Gleichzeitig sagt man in Brüsselhinter vorgehaltener Hand, dass weitereErweiterungsrunden eine Schnapsideesind, unverantwortbar wären. Die EuropäischeUnion ist für diesen Schritt schlichtwegzu fragil und hat aktuell genug systeminterneProbleme. Gemeint sind etwa derilliberale Kurs in Ungarn (wie es sich mitPolen verhält, gilt es zu beobachten) sowiedie Korruption in Bulgarien, Kroatien, Rumänienund der Slowakei.Neue Mitglieder machen daher nur Sinn,wenn sie die Union nach vorne bringen. DieStaaten des Westbalkan würden dagegennur neue Probleme mit sich bringen: So tragenin Montenegro zwei Mafia-Clans offenihre Konflikte aus, ähnlich in Albanien,das sich außerdem schwertut, die Oppositionin die Gesetzgebung einzubinden. SerbiensRegierung wiederum kontrolliert einenGroßteil der Medien und in Nordmazedonienwurden unlautere Mittel eingesetzt, umden Namen des Landes zu ändern. In Bosnien-Herzegowinasind indes nötige Reformenins Stocken geraten, im Kosovo gilt esersteinmal eine funktionsfähige Marktwirtschaftaufzubauen.Der Kandidatenstatus für die Ukrainewar letztlich auch nur ein Trostpflaster, dasdarüber hinwegtäuschen soll, was die EUin diesem Zermürbungskrieg nicht leistenkann (und will). Zwischen den Zeilen istdas mehr als eindeutig. (Brigitte Quint)Medieninhaber, Herausgeberund Verlag:Die Furche – Zeitschriften-Betriebsgesellschaft m. b. H. & Co KGHainburger Straße 33, 1030 Wienwww.furche.atGeschäftsführerin: Nicole Schwarzenbrunner,Prokuristin: Mag. Doris Helmberger-FlecklChefredakteurin: Mag. Doris Helmberger-FlecklRedaktion: Philipp Axmann, Dr. Otto Friedrich(Stv. Chefredakteur), MMaga. Astrid Göttche,Dipl.-Soz. (Univ.), Brigitte Quint (Chefin vomDienst), Magdalena Schwarz MA MSc, Dr. BrigitteSchwens-Harrant, Dr. Martin Tauss, Mag. (FH)Manuela TomicArtdirector/Layout: Rainer MesserklingerAboservice: +43 1 512 52 61-52aboservice@furche.atJahresabo (inkl. Digital): € 298,–Digitalabo: € 180,–; Uniabo (inkl. 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DIE FURCHE · 929. Februar 2024Diskurs15Ein Brief aus Rom – samt bekräftigendem Interview von Kardinal Schönborn – warnt die deutschenKatholikinnen und Katholiken vor einem Sonderweg. Wovor aber hat man Angst? Ein Gastkommentar.Deutscher Synodaler Wegauf Kollisionskurs?War die Rede von „Synodalität“in der römisch-katholischenKirche bis vor Kurzem nurwenigen theologischen Insidernein Begriff, so hat sieunter Papst Franziskus an Aufmerksamkeitmassiv gewonnen. Familiensynode, Jugendsynode– und dann vor allem die Amazoniensynodewurden nun nicht mehr nur als interneBischofssynode abgehalten, sondern unter verstärkterEinbeziehung der kirchlichen Basis.Wohl auch mit diesem Rückenwind wurde inDeutschland 2019 der „Synodale Weg“ in Kooperationvon Deutscher Bischofskonferenz(DBK) und dem Zentralkomitee der deutschenKatholiken (ZdK) begonnen – als Gesprächsforumfür eine strukturierte Debatte. Es wardies aber vor allem eine Reaktion auf die Ergebnisseder Missbrauchsstudie deutscher Diözesen2018, um den Wurzeln des Missbrauchsauch strukturell zu Leibe zu rücken. Mittlerweilegab es fünf Synodalversammlungen(2020-2023), auf denen vier Hauptthemen behandeltwurden: Macht und Gewaltenteilungin der Kirche, Priesterliche Existenz heute,Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche, Lebenin gelingenden Beziehungen.Erwartbare und provozierte WiderständeDer „Synodale Weg“ rief freilich von Anfangan Widerstände hervor, vor allem von Personen,die eine zu starke Demokratisierung der Kircheund einen Verlust bischöflicher Handlungsmachtbefürchteten. Es folgten Interventionenvon Personen (Theologen, Bischöfen und Kardinälen)sowie Gruppen, die geheime oder auchoffene Briefe an die Glaubenskongregation undan den Papst schickten. Die Hauptkritikpunktedarin: eine Beschränkung bischöflicher Vollmachtaufgrund möglicher demokratischer Entscheidungen;und die Gefährdung der Einheitder Kirche, wenn in Bereichen der Ämterlehre(Stichwort Frauendiakonat), der Sexualmoraloder des priesterlichen Dienstes Entscheidungengetroffen würden, die nicht mit der gesamtkirchlichenLehre übereinstimmten.Der Papst warf dem „Synodalen Weg“ bereits2023 in einem Interview vor, „elitär“ zu seinund nicht die Basis der Gläubigen abzubilden(was im Übrigen ein eigenartiger Vorwurf einerFoto: Joseph Krpelan (derknopfdruecker.com)Institution ist, die auf der Letztentscheidungvon Papst und Bischöfen aufgebaut ist). Nunhat ein Brief aus Rom Mitte Februar, unmittelbarvor Beginn der Frühjahrssitzung der DBK,für Aufruhr gesorgt. Darin werden die Bischöfeaufgefordert, die geplante Einrichtung einesständigen Synodalen Rates (bzw. die Vorbereitungdesselben) zu unterlassen. Dieser Aufforderungist die DBK bei ihrer Vollversammlungletzte Woche auch (vorläufig) gefolgt.Der Brief wurde medial vom neuen Communio-Online-Portaldes Herder-Verlags zum Anlassgenommen, mit täglichen prominentenBeiträgen kirchenpolitisch zum SynodalenDIESSEITSVON GUTUND BÖSEVonJohann Pock„ Auch für die Kirchegilt: Das Leben hatnicht dem Recht zufolgen, sondern dasRecht den Menschenzu dienen.“Weg zu intervenieren. Ein Interview von Jan-Heiner Tück (Chefredakteur von Communio)mit Kardinal Schönborn, ein Artikel von KardinalKasper, ein 10-Punkte-Plan von BenjaminLeven (dem Redaktionsleiter Online vonCommunio) – sie alle kritisieren einige Hauptpunktedes (im Übrigen von der überwiegendenMehrheit der deutschen Bischöfe befürworteten)„Synodalen Wegs“. Kardinal Schönbornbetont, dass es nicht um eine Machtfrage gehe,sondern um die Sorge um die Einheit der Kirche.Die dabei gewählten Worte sind deutlich:Es ist die Rede von Gehorsamsverweigerung,Schisma – und dass man der katholischen Kir-che Deutschlands „nicht das Schicksal der altkatholischenKirche“ wünsche. Eine Aussage,die Schönborn inzwischen bedauert (vgl. S. 16).Kardinal Kasper meldete sich mehrfach –sowohl kritisch wie auch mit konstruktivenVorschlägen (z.B. mit Blick auf die orthodoxePraxis oder mit Beispielen von Mitsprache-Modellenwie jenem in der Diözese Rottenburg-Stuttgart). Interessant ist dabei seine Aussage:„Im weltkirchlichen synodalen Prozess solltekeiner als Lehrmeister der anderen Ortskirchen,vielmehr jeder als von anderen Ortskirchenbereitwillig Lernender auftreten. Dasstünde uns Deutschen besonders an.“Gerade in den aktuellen Diskussionen zumDeutschen Synodalen Weg erleben die deutschenOrtskirchen und ihre Bischöfe aber dasGegenteil: Massive Belehrungen von außen.Vor allem der Vorsitzende der DBK, Bischof Bätzing(Limburg), steht dabei in der Kritik, zusehr gegen und nicht mit Rom zu agieren (so dieAussage von Benjamin Leven).Kirchenrechtliche Änderungen notwendigWovor hat man aber nun Angst? Das Argumentder möglichen Zerstörung weltkirchlicherEinheit verfängt nämlich meines Erachtensnicht. Denn ein Großteil der vom„Synodalen Weg“ in Deutschland behandeltenThemen wurde auch bei der Bischofssynode imOktober 2023 so benannt. Papst Franziskus hatvon Anfang an auf regionale Entscheidungenvor zentralen Entscheidungen gesetzt – undder Kirche im Amazonasgebiet Freiheiten fürLaienbeteiligung zugestanden, die jetzt gegenüberder deutschen Kirche Probleme bereiten.Und wenn man schon die bischöfliche Autoritätso betont, sollte man diese Autorität auch derMajorität der deutschen Bischöfe zugestehen.Deutlich wird jedoch, dass letztlich kirchenrechtlicheÄnderungen notwendig sein werden,um Reformen in der römisch-katholischenKirche nachhaltig zu platzieren. Und vielleichthält man sich dann dabei an den alten römischenRechtssatz: Ius sequitur vitam – das Lebenhat nicht dem Recht zu folgen, sondern dasRecht dem Leben der Menschen zu dienen.Der Autor ist Prof. für Pastoraltheologie an derKath.-Theol. Fakultät der Universität Wien.ZUGESPITZTHerr Kurz, HerrWolf, Herr MaierAusgerechnet der Herr Maier. Oderder Herr Meyer? Oder der Herr Meier?Oder der Herr Mayr, Meyr, Mair,Meyr? Wie sich der Herr Maier genauschreibt, das hat der Herr Kurznicht gesagt, beim Herrn Wolf. Jedenfallswäre der Herr Maier (alleSchreibarten werden mitgedacht)vom Richter weniger gequält worden,als der Herr Kurz, ist der HerrKurz überzeugt. Der Herr Maier seibeliebter als er, hat sich der HerrKurz beschwert. Das kränkt denHerrn Kurz. Dabei weiß der HerrKurz ja nichts Genaues. Man mussbefürchten, dass der Herr Kurz denHerrn Maier gar nicht kennt.Das Gemochtwerden, das geht demHerrn Kurz halt im Kopf um. „Die,die jemanden mögen, sind froh,wenn er nicht verurteilt wird“, hatder Herr Kurz dem Herrn Wolf erklärt.„Die, die jemanden nicht mögen,sind froh, wenn er verurteiltwird“, hat der Herr Kurz dem HerrnWolf dann weiter ausgeführt. Aberder Herr Maier war nicht eingeladenbeim Herrn Wolf. Sondern, derHerr Kurz, der dem Herrn Maierdas Gemochtwerden neidet. Dabeiweiß der Herr Kurz ja gar nichtsGenaues. Der Herr Maier war jagar nicht vor Gericht. Nur der HerrKurz war da. Und weil er dort war,war er dann beim Herrn Wolf eingeladen– und hat vom Herrn Maier erzählt.Dabei weiß der Herr Kurz janichts Genaueres.Brigitte QuintPORTRÄTIERTSein inneres visuelles Kraftwerk formt FilmspracheEr hat wie kein Zweiter das Aussehen des österreichischenFilms der letzten Jahre und Jahrzehnte bestimmt:Jetzt ist Kameramann Martin Gschlacht, 55,für seine herausragende Kameraarbeit mit einem SilbernenBären der Berlinale ausgezeichnet worden. Konkretfür seine Mitwirkung an „Des Teufels Bad“ von VeronikaFranz und Severin Fiala, der als heimischer Wettbewerbsbeitragdieses Jahr bei der Berlinale zu sehen war. DieJury befand Gschlachts Kameraarbeit in der Kategorie„Herausragende Einzelleistung“ für preiswürdig.Innerhalb der Filmbranche ist schon lange klar: FürGschlacht ist eine solche internationale Auszeichnunglange überfällig gewesen. Auch, wenn der bescheideneWiener seinen Bären am liebsten in Stücke gerissen undihn unter den anderen Mitwirkenden verteilt hätte – esist schon sein inneres visuelles Kraftwerk, das er an immermehr und immer hochkarätigere Produktionen heranführtund damit dann überhaupt erst die Filmsprachedieser Arbeiten formt. Aber es stimmt auch, dass Filmeine kollektive Arbeit ist, die nur im Team funktioniert.Gschlacht, der 1996 an der Wiener Filmakademie seinenAbschluss in den Studienrichtungen Kamera und Produktionmachte, gründete 1999 zusammen mit BarbaraAlbert, Jessica Hausner und Antonin Svoboda die Filmproduktionsfirma„coop99“, die seither nicht nur dieArbeiten der vier Kreativen hergestellt hat, sondern auchsonst sehr umtriebig ist.Gschlacht hat die meisten Filme von Hausner (von „LovelyRita“ bis „Club Zero“) oder Barbara Albert („Böse Zellen“)und Antonin Svoboda („Der Fall Wilhelm Reich“)ins Bild gesetzt, aber auch mit anderen heimischen Größengedreht, darunter Götz Spielmann, Michael Glawogger,Hans Weingartner, Robert Dornhelm, Hubert Sauperoder Ulrich Seidl. Er schenkte Karl Markovics’ „Atmen“die Bilder, arbeitete international mit Shirin Neshat oderMargarete von Trotta. Zwei Mal gewann er bei der Diagonale,drei Mal die goldene Romy, vier Mal den österreichischenFilmpreis. Der Berlinale-Bär ist die bislang höchsteAuszeichnung für Gschlacht.Aber was ist das Besondere an seiner Kameraführung?Vielleicht eine schlichte Nähe: Seine Handschriftbesticht durch einen zeitlos eleganten Stil, dersich stets den Bedürfnissen der zugrundeliegenden Geschichteunterordnet. So beherrscht Gschlacht die selteneGabe, unaufdringlich und zugleich unverwechselbarzu sein. (Matthias Greuling)Foto: APA / dpa / Soeren StacheMartin Gschlachtwurde auf der diesjährigenBerlinalemit dem SilbernenBären für die BesteKamera im Film„Des Teufels Bad“ausgezeichnet.
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