DIE FURCHE · 26 20 Ausstellung 29. Juni 2023 „ Ein bedeutender Teil der gesammelten Werke stammt von österreichischen Künstlerinnen und Künstlern. “ Im Leopold Museum wird unter dem Titel „Amazing“ ein Querschnitt der Sammlung Würth gezeigt. Hingabe für die Kunst Von Theresa Steininger Große Sammlerpersönlichkeiten haben im Leopold Museum naturgemäß Tradition. Nun hat man gleich zwei Stockwerke reserviert, um die Leidenschaft des deutschen Kunstmäzens Reinhold Würth zu präsentieren, der in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur das gleichnamige Schrauben-Unternehmen, sondern auch eine umfassende Kunstsammlung und mehrere Museen aufgebaut hat. Bei der Ausstellung im Leopold Museum treffen Rudolf Hausner, Alfred Hrdlicka und Tony Cragg ebenso aufeinander wie Pablo Picasso und Max Beckmann. Insgesamt zeigt Direktor und Kurator Hans-Peter Wipplinger rund 190 Werke von 73 Künstlerinnen und Künstlern, wodurch ein Überblick nicht nur über die Sammelschwerpunkte Würths, sondern auch über die vergangenen 120 Jahre Kunstgeschichte ermöglicht wird. „Meine Intention war es, die Leidenschaft und Hingabe eines Sammlers zu transportieren und ein Auge darauf zu richten, dass er Künstler oft über eine ganze Zeit begleitete, weshalb Werke aus verschiedenen Phasen eines Œuvres in der Sammlung sind“, so Wipplinger. Der Direktor des Leopold Museums, der mit der Kollektion des deutschen Fabrikanten und Milliardärs mehrfach für Leihgaben kooperiert hat, konnte aus den rund 19.000 Werken der Sammlung frei auswählen. So hat man in einem Stockwerk Zeitgenossen versammelt. Im anderen Foto: Volker Naumann, Schönaich / MAX BECKMANN, Quappi in Blau im Boot, 1926/1950 © Sammlung Würth Eines von vielen Die Würth Collection umfasst rund 19.000 Kunstwerke, darunter: Max Beckmann, Quappi in Blau im Boot, 1926/1950. beginnt der Weg durch die moderne Kunstgeschichte mit Max Liebermann als Wegbereiter ‒ und mit der Art, wie zu seiner Zeit eine Brücke zwischen Naturalismus und deutschem Impressionismus geschlagen wurde. Internationale Vertreter der letztgenannten Gattung sind mit Alfred Sisley und Camille Pissarro dabei. Weiter geht es mit expressionistischen Tendenzen, der Brücke und auch Paula Modersohn-Becker als Kristallisationsfigur des deutschen Expressionismus, deren Kunst voller besonderer Ausdruckskraft ist. Max Beckmann, der seine typischen Landschaften mit starker schwarzer Konturlinie einfasste und sogenannte „transzendente Sachlichkeit“ produzierte, wird bewusst in der Nachbarschaft zu Pablo Picasso gezeigt. „Die beiden haben sich gegenseitig beobachtet und Picasso sagte über Beckmann, er sei sehr stark“, erzählt Wipplinger. Die Arbeiten Picassos, darunter auch solche in Ton, Skulpturen und kubistische Werke, zeigen „die bleibende Energie des Künstlers im Alter“, so der Kurator. Angeschlossen hat er Hans Arp, der Picasso ebenfalls kannte ‒ und der zur Schlüsselfigur seiner Zeit und zum Geburtshelfer des Dadaismus wurde. In Traumwelten führt das Werk von Max Ernst, daneben hängt Magritte, der ebenso Schein und Wirklichkeit hinterfragt. Im oberen Stockwerk folgt dann ein „großer Sprung in eine andere Welt“, wie Wipplinger es ausdrückt. Den „Wrapped Chairs“ von Christo und Jeanne-Claude, die extra für das Würth Museum in Künzelsau entstanden sind, stehen Vorarbeiten für die Verhüllung des Reichstags und der Pont Neuf sowie den „Gates“ im Central Park gegenüber. „Hier haben wir ein paar Ikonen versammelt.“ Ein Beispiel dafür, wie sich durch Ausschnitte der Sammlung Würth auch Entwicklungen innerhalb eines Œuvres zeigen lassen, ist Fernando Botero. Während man von ihm die voluminösen Paraphrasen auf mittelalterliche Kunst und Alte Meister kennt, würde man von ihm postexpressionistische Malerei, wie sie hier zu sehen ist, weniger erwarten. Reinhold Würth sei ein treuer Sammler, sagt Sylvia Weber, Geschäftsbereichsleiterin Kunst und Kultur in der Würth-Gruppe. „Für ihn ist vor allem ausschlaggebend, dass ihm die Arbeiten gefallen.“ Ein bedeutender Anteil der gesammelten Werke stammt übri- gens von österreichischen Künstlerinnen und Künstlern, mehr als 1.300 Arbeiten aus der Kollektion sind heimische Kunst nach 1945. So hängen hier Maria Lassnig, Arnulf Rainer, Hermann Nitsch, Christian Ludwig Attersee und viele mehr. Mit Alfred Hrdlicka verband Würth gar eine Freundschaft, weshalb in der Schau auch ein Foto zu sehen ist, auf dem der Künstler gerade eine Büste Würths in Arbeit hat. „Wir hätten ein halbes Haus nur mit Arbeiten von Hrdlicka aus der Sammlung Würth füllen können“, so Wipplinger. Auch die abstrakte Informelle und Werke von Herbert Brandl, Erwin Wurm und Jürgen Messensee sind vertreten. Den Abschluss macht der Rundgang mit Markus Lüpertzʼ Reinterpretation der Zeit- und Kunstgeschichte, Arbeiten von Georg Baselitz, darunter auch solche aus der Remix-Phase, in der er sich mit eigenen Werken auseinandersetzte, sowie Anselm Kiefer. „Durch dessen Blick zurück schließt sich die Klammer zu Liebermann“, beschreibt Wipplinger, der mit der Schau die bisher umfassendste Ausstellung in Österreich zur Sammlung Würth kuratiert hat. Für ihn, so Wipplinger, mache den Reiz der Sammlung aus, „dass man die Freude des Sammlers spürt“. Amazing. The Würth Collection Leopold Museum Bis 10.9.2023 Täglich außer Dienstag, 10‒18 Uhr www.leopoldmuseum.org FEDERSPIEL Sperrgebiet und Double Bind In letzter Zeit fällt es mir auf: Die Absperrungen im öffentlichen Raum nehmen zu. Ich meine nicht provisorische Hindernisse anlässlich von Demonstrationen, ich meine dauerhafte, gleichwohl oft provisorisch anmutende Beschränkungen, auch in den historischen Prunkgärten am Ring. In meiner Kindheit saßen die mythenumwobenen „Gammler“ auf den Stufen des Theseustempels im Volksgarten und machten bestimmt irgendetwas Verbotenes, freilich ohne die öffentliche Ordnung zu stören. Das könnten sie jetzt nicht mehr, die Bundesgartenverwaltung hat den Tempel mit einer Absperrkette umgeben, ebenso das Denkmal der Kaiserin Elisabeth, dessen zum Sitzen einladende steinerne Bänke ein architektonisches Double Bind evozieren. Beim Grillparzer-Denkmal sind es gar Baustellen-Absperrgitter, die den Zutritt zur Sitzgelegenheit und den freien Blick auf die Dichterstatue verwehren. Ist es die Angst vor Vandalismus? Volksund Burggarten sind über Nacht ohnehin geschlossen. Mit hässlichen Gittern umstellt hat man auch die Teiche im Burggarten und im Stadtpark, und das Denkmal der Maria Theresia; ungeniert setzt man rot-weiße Absperrbänder ein. Der Hotspot des Absperrunfugs ist der Rathauspark, in dem ganze Parkteile wochenlang unzugänglich sind, weil ständig irgendetwas auf- oder abgebaut wird, den Votivpark hat man als Erholungsraum überhaupt aufgegeben. Die ästhetische Selbstdemontage ist das eine, das demokratiepolitische Signal das andere: Im Volksgarten stört das Volk. Die der Allgemeinheit gewidmeten Räume werden dieser Stück für Stück entzogen, das Sperrgebiet ist der Stachel im Fleisch der offenen Gesellschaft. Auf der symbolischen Ebene passt dazu die Verbarrikadierung des Parlaments: Fast täglich findet man die Rampen durch Gitter abgesperrt, direkt vor dem Hohen Haus signalisiert ein Polizeibus den permanenten Ausnahmezustand. Die Autorin ist Germanistin und Literaturkritikerin. Von Daniela Strigl LITERATUR ■ Theodor Kramer Preis Der diesjährige Theodor Kramer Preis für Schreiben im Widerstand und Exil geht an die Bachmann-Preisträgerin 2018, die in der Ukraine geborene und in Wien lebende Autorin Tanja Maljartschuk. Die mit 8000 Euro dotierte Auszeichnung wird am 1. September im niederösterreichischen Niederhollabrunn, dem Geburtsort des Lyrikers Theodor Kramer (1897–1958), überreicht. WISSEN IN KÜRZE MEDIEN ■ Neuer Dissertations-Plagiatsfall ■ Meta gegen Kanada Der US-Internetkonzern Meta will Usern in Kanada keine Nachrichten mehr auf Facebook und Instagram anzeigen. Die Verfügbarkeit der Nachrichten werde vor Inkrafttreten des „Online News Act“ in Kanada beendet, so Meta. Das Gesetz soll vor allem kleineren Medienunternehmen in Kanada helfen, Zahlungen dafür einzufordern, dass Facebook & Co ihre Nachrichteninhalte weiterverbreiten. Der derzeit wegen eines falschen Doktor-Titels beurlaubte Technik-Vorstand der Zillertaler Verkehrsbetriebe und der Achenseebahnen, Helmut Schreiner, muss wegen einer abgeschriebenen, an der Universität Riga in Lettland eingereichten Doktorarbeit endgültig gehen. Die Arbeit war offenbar ein Komplett-Übersetzungsplagiat einer im Jahr 2020 an der Technischen Hochschule in Aachen genehmigten Dissertation.
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