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DIE FURCHE 29.06.2023

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DIE FURCHE · 26 18 Wissen 29. Juni 2023 Die Verarbeitung natürlicher Sprache ist einer der komplexesten Forschungsbereiche der Künstlichen Intelligenz. Mit dem Erfolg von ChatGPT sind die einst gehypten Sprachassistenten Siri, Alexa & Co nun ins Hintertreffen geraten. Ausgebrabbelt Von Adrian Lobe Foto: iStock/ Supatman Künstliche Stimmen Die Entwicklung sprachgesteuerter Geräte ist eine enorme technische Herausforderung – und Schauplatz eines hitzigen Wettbewerbs. Im Januar 2011 kritzelte Amazon-Chef Jeff Bezos in einem Konferenzraum mit rotem Filzstift die Skizze eines Netzwerklautsprechers auf ein Whiteboard. Auf der Zeichnung, die Bezos‘ Technik-Berater Greg Hart mit seinem Smartphone abfotografiert hat, sieht man schemenhaft ein Mikrofon und eine Stummschalttaste, dazu in Blau Begriffe wie „Wifi“ und „Kill“. Inspiriert von „Star Trek“, wollte der Science-Fiction-Fan Bezos eine Sprachsteuerung entwickeln, die den Online-Handel mit der „Cloud“ verbindet. Der Amazon-Chef räumte dem Projekt höchste Priorität ein. Doch die Konkurrenz war bereits einen Schritt voraus. Im Oktober 2011 präsentierte Apple unter dem Motto „Let’s talk iPhone“ ein neues Feature: Siri. Softwarechef Scott Forstal fragte den virtuellen Assistenten nach dem Wetter, der Börse und griechischen Restaurants. Und jedes Mal, wenn Siri nach dem eingängigen Doppelton antwortete, brandete im Publikum Applaus auf. „Ich bin nun schon lange im KI-Bereich tätig“, sagte Forstal. „Aber das hier haut mich noch immer um.“ Weg von Schulnoten: In Zukunft nur noch Likes. Glaub nicht alles, was du irgendwo liest. Natürlich gibt es in Zukunft weiterhin Schulnoten. Aber bei vielen anderen Meldungen lässt sich nicht so einfach zwischen Wahrheit und „Fake News“ unterscheiden. Deshalb braucht gerade unsere Jugend im Umgang mit Medien einen geschulten Blick und ein kritisches Auge. Um das zu fördern, unterstützen die österreichischen Zeitungen und Magazine die Initiative MISCHA – Medien in Schule und Ausbildung. Mehr auf www.mischa.co.at Medien in Schule und Ausbildung

DIE FURCHE · 26 29. Juni 2023 Wissen 19 Siri war das Baby von Apple-Gründer Steve Jobs, auch wenn er den Namen so nicht recht gemocht haben soll. Einen Tag später erlag Jobs einem Krebsleiden. Fast 12 Jahre ist das nun her, und wenn man sich die Präsentation heute auf Youtube anschaut, wirkt das Video seltsam aus der Zeit gefallen. Ein virtueller Assistent, der die Uhrzeit ansagt, wirkt geradezu lächerlich im Vergleich zur Leistung Generativer KI, die autonom Texte schreibt oder Bilder malt. Wo Alexa nur ein paar vorprogrammierte Sprachbefehle versteht, vermag ChatGPT hochkomplexe Fragen zu Philosophie oder Maschinenbau zu beantworten. Microsoft-Chef Satya Nadella sagte, Sprachassistenten wie Siri und Alexa seien „strohdumm“. Ein vernichtendes Urteil, das man allerdings insofern relativieren muss, als Nadella für sein eigenes Unternehmen spricht. Und das hat gerade zehn Milliarden Dollar in die Entwicklerorganisation Open AI investiert und ChatGPT in seine Suchmaschine Bing integriert. Klar, dass man die Konkurrenz für weniger intelligent hält. Doch auch Microsoft sprang auf den Zug auf und brachte mit „Cortana“ eine eigene Sprachsteuerung an den Start. Smarte Gegenstände Die Tech-Konzerne wollten ihre Sprachassistenten zur Schaltzentrale in einer vernetzten Welt machen. Voice galt als die nächste große Sache im Silicon Valley. Amazon-Manager Dave Limp („Mr. Alexa“) träumte von einer Welt, in der man alles per Sprache steuert, einer künstlichen Umgebungsintelligenz, in der Minicomputer hinter Gegenständen verschwinden. 1997 war mit „Dragon NaturallySpeaking“ erstmals eine Sprachsoftware auf den Markt gekommen, die gesprochene Worte in Bildschirmtext übersetzen konnte. „Endlich ein Computer, der dich versteht“, jubelte das Technik-Magazin Wired damals. Allein, die Entwicklung einer Sprachsteuerung ist nicht trivial. Um einen Sprachbefehl zu verstehen, muss das System Schallwellen lokalisieren und auf ein digitales, maschinenlesbares Format bringen. Nur so kann der Computer die Bedeutung erkennen und aus einer Datenbank von Millionen Wörtern die korrekte Antwort zuordnen. Es braucht neben informatischer also auch physikalischer und linguistischer Kenntnisse, zumal viele Nutzer undeutlich und mit Dialekt sprechen. Die Verarbeitung natürlicher Sprache, „Natural Language Processing“ (NLP) genannt, ist eine der komplexesten Forschungsbereiche Künstlicher Intelligenz. Amazon heuerte für sein ambitioniertes Projekt tausende Software-Ingenieure an und suchte sogar nach einem Computerlinguisten für Isländisch, um der polyglotten Alexa eine nordische Sprache beizubringen. Bezos‘ Prestige-Projekt verschlang Milliarden. Zeitweise arbeiteten bei Amazon 5000 Mitarbeiter an Alexa. Hinzu kamen tausende Clickworker in Indien, Costa Rica und Rumänien, die von Hand Audio-Dateien der Nutzer transkribierten und teils auch private Gespräche und Sex mitbekamen. Auch Apple und Google ließen Konversationen ihrer Sprachassistenten von externen Firmen aufzeichnen. Die Kritik von Datenschützern prallte an den Konzernen ab. Die Maschinen brauchten Datenfutter. Zwar konnte Amazon einige Erfolge vermelden. So sind mittlerweile über 100 Millionen Alexa-fähige Geräte verkauft worden. Doch die Technik entwickelt sich nur langsam weiter. Viel mehr Fähigkeiten als Nachrichten anzusagen oder Einkaufslisten zu erstellen, besitzt Alexa nicht. Die KI hat nach wie vor Probleme, Dialekte zu verstehen. Zudem kommt es immer wieder zu Verwechslungen von Familienmitgliedern, die auf denselben Namen wie die virtuelle Assistentin hören. In amerikanischen Haushalten wurden Namensträger mit „Alexa Human“ adressiert, damit sich der alerte Lautsprecher nicht aktiviert. „ Das Wissen der KI-Chatbots endet mit dem Datum ihrer jüngsten Trainingsdaten. Das letzte Wort in Sachen virtueller Assistenz scheint noch nicht gesprochen. “ Seit dem Produktstart von „Amazon Echo“ 2014 ist die Vergabe des Vornamens Alexa an Neugeborene in den USA massiv gesunken. In Schulen werden Mädchen mit dem Vornamen Alexa und Siri gemobbt, weil sie wie ein Roboter heißen. In Großbritannien starteten Eltern daher eine Petition, um Amazon zu einer Umbenennung aufzufordern. Und in Deutschland erwirkten empörte Eltern sogar gerichtlich eine Namensänderung ihrer Tochter. „Alexa, wirst du jemals Geld verdienen?“ Zur gesellschaftlichen Akzeptanz von Netzwerklautsprechern trägt das nicht bei. Amazon musste zuletzt die Preise für seine Echo-Geräte senken, um den Verkauf anzukurbeln. Das drückt auf die Margen und Gewinne. Alexa ist ein milliardenschweres Verlustgeschäft: Allein im letzten Jahr beliefen sich die operativen Verluste auf zehn Milliarden Dollar. Von einem „kolossalen Scheitern“ war die Rede. Der Online-Händler musste, wie andere Tech-Konzerne auch, tausende Stellen streichen. „Alexa, wirst du jemals Geld verdienen?“, fragte die Washington Post. Amazon hat im wichtigen Mobile-Markt einen Wettbewerbsnachteil: Im Gegensatz zu Siri und Google Assistant ist Alexa auf neuen Handys nicht vorinstalliert, sondern muss extra heruntergeladen und installiert werden. Amazon setzt daher alle Hebel in Bewegung, seine virtuelle Assistentin in Autos oder Fernseher zu bringen. Doch jetzt, wo alles über ChatGPT redet, sind die Fürsprecher von Alexa und Co. verstummt. Amazon warnte Angestellte sogar davor, ChatGPT zu nutzen, um keine Betriebsgeheimnisse preiszugeben. Die New York Times befand: Siri, Alexa und Google Assistant haben das KI-Rennen verloren. Wenn Sprachmodelle Arztbriefe oder Anwaltsschreiben verfassen, braucht es weder Diktiergeräte noch Sprachassistenten. Computer mit Persönlichkeit Microsoft, das jetzt mit ChatGPT Google frontal attackieren will, hat sich frühzeitig aus dem Audio-Geschäft verabschiedet und seine Sprachassistentin „Cortana“ 2020 für die mobilen Betriebssysteme iOS und Android abgeschaltet. Trotz Milliardenverlusten will Amazon das Projekt aber nicht aufgeben. Mastermind Dave Limp argumentierte, dass ChatGPT im Gegensatz zu Alexa keine Persönlichkeit und zudem Wissenslücken habe. „Wenn Sie Alexa fragen, wer bei der letzten Fußball-Weltmeisterschaft welches Tor geschossen hat, würde es Alexa wissen. ChatGPT im Moment aber noch nicht.“ Zudem könne sich Alexa an die Musik vorlieben erinnern, so Limp. Der Amazon-Manager hat damit einen Punkt. Das Wissen des KI-Chatbots endete mit den Trainingsdaten aus dem Jahr 2021. Das letzte Wort in Sachen virtueller Assistenten scheint noch nicht gesprochen. Entgeltliche Einschaltung Grafenegg: Wo alles zusammenspielt Der idyllische Schlosspark von Grafenegg ist auch in diesem Sommer wieder Schauplatz atemberaubender musikalischer Erlebnisse. Vom 22. Juni bis zum 3. September sind die besten Musikerinnen und Musiker der Welt in zauberhaftem Ambiente zu erleben. Starbesetzt mit Asmik Grigorian, Gautier Capuçon und Eric Cutler läutete am 22. und 23. Juni die Sommernachtsgala am Wolkenturm die Open-Air-Saison ein. Gleichzeitig eröffnete sie auch die Sommerklänge, die in den folgenden Wochen immer samstags ein vielseitiges Programm bieten. Fotos: Lisa Edi Grafenegg Festival Zauberhaft geht es bei der Festival- Eröffnung zu, wenn das Ton-künstler-Orchester unter Yutaka Sado dem Wolkenturm Leben einhaucht: Die Solistinnen Nikola Hillebrand und Patricia Nolz sowie Cornelius Obonya als Sprecher sind eine ideale Besetzung für Mendelssohn Bartholdys „Ein Somernachtstraum“. Am nächsten Abend sind das Kyiv Symphony Orchestra mit Rudolf Buchbinder am Klavier mit Werken von Ludwig van Beethoven und dem ukrainischen Nationalkomponisten Levko Revutsky zu hören. Weiter geht es mit großen Klangkörpern wie dem Philharmonia Orchestra London, den Wiener Philharmonikern und dem Concertgebouworkest sowie Solistinnen und Solisten wie Pierre- Laurent Aimard, Denis Kozhukhin, Anna Prohaska, Christian Tetzlaff und Daniil Trifonov. Composer in Residence & Zeitgenössisches Auch das zeitgenössische Musikschaffen kommt mit dem diesjährigen Composer in Residence und Leiter des Composer-Conductor-Workshops Ink Still Wet, Philippe Manoury, nicht zu kurz. Neben der Uraufführung seiner Fanfare im Jubiläumkonzerts des Tonkünstler-Orchesters wird auch seine Komposition „Anticipations“ österreichische Erstaufführung feiern. Weitere umjubelte Werke der Gegenwart, wie das Klavierkonzert von Thomas Adès und George Benjamins Concerto for Orchestra folgen. Events Programm & Information Sommerklänge: 1. Juli bis 5. August 2023 Grafenegg Festival: 11. August bis 3. September 2023 Tickets: Konzertkarten von € 10 bis € 164 Kartenbüro: Di. bis Fr. 9 – 17.30 Uhr Telefonnummer: + 43 (0)2735 / 55 00 E-Mail-Adresse: tickets@grafenegg.com Mehr Informationen: www.grafenegg.com

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