DIE FURCHE · 26 12 Diskurs 29. Juni 2023 ZEITBILD Foto: Kathpress Synodaler Weg nach Rom Das vatikanische Arbeitspapier Instrumentum laboris hat große Hoffnungen geweckt, dass auf der römischen Bischofssynode im Oktober weit reichende Entscheidungen in Richtung mehr Teilhabe in der katholi schen Kirche beschlossen werden könnten: Nicht wenige bewerten es als „Sensation“, dass Papst Franziskus nun auch Dis- Das gesamte Interview mit Kardinal Christoph Schönborn können Sie auf furche.at bzw. unter diesem QR- Code nachlesen. kussionen über ,,heiße Eisen“ wie den Diakonat der Frau, Ämter für ungeweihte Katholikinnen und Katholiken, die Priesterweihe für verheiratete Männer sowie einen neuen Umgang mit erneut wiederverheirateten Geschiedenen oder queeren Kirchenmitgliedern zulassen will. Im Rahmen einer von Kath press organisierten Rom-Reise mit Vertreter(inne)n österreichischer Medien – darunter DIE FURCHE – betonte Kardinal Christoph Schönborn freilich vor allem die „Unabgeschlossenheit“ des synodalen Prozesses – und die neue Qualität des Hinhörens dieser „spirituellen Konversation“. Schönborn plädiert dafür, sich auf diese Offenheit einzulassen: ,,Wenn Sie nur ein Resultat erwarten, dann kann es Enttäuschungen geben“, erklärte er in Rom, wo neben verschiedenen Abteilungen (Dikasterien) der römischen Kurie auch die Sixtinische Kapelle besucht wurde (siehe Bild). Ebenso warnt er vor „Nabelschau“: Die Ämterfrage, auf die sich der deutsche Synodale Weg konzentriere, sei aus weltkirchlicher Perspektive nur eine Frage von vielen. Kirchenrechtlich habe man etwa bezüglich der Teilhabe von Frauen die Möglichkeiten „bei weitem nicht ausgeschöpft“, so Schönborn. Scharfe Kritik übte er daran, dass die Europäische Bischofskonferenz (CCEE) es bislang nicht geschafft habe, eine gemeinsame Position in der Migrationsfrage zustande zu bringen. „Das ist für mich eine schwere Enttäuschung“, so Schönborn in Rom. (Mehr dazu nächste Woche in der FURCHE). (Doris Helmberger) „Bee Lucky“ mit 100.000 Euro Glücklich sein mit der „glücklichen Biene“: 100.000 Euro als Hauptpreis und 10.200 Euro für die Natur. Das neue Rubbellos „Bee Lucky“ bietet gleich sieben Spiele. Findet man pro Spiel dreimal das Bienen-Symbolen, hat man den jeweils ausgewiesenen Betrag, und das sind immerhin bis zu 100.000 Euro, gewonnen. Pro Los kann man bis zu dreimal gewinnen. „Bee Lucky“ bietet aber noch eine Besonderheit, denn mit dieser Losserie übernehmen die Österreichischen Lotterien drei Bienenpatenschaften im Wert von insgesamt 10.200 Euro. Nähere Infos dazu gibt es unter www.lotterien.at. IHRE MEINUNG Schreiben Sie uns unter leserbriefe@furche.at „Normal und einfach da“ Von Katja Heine Nr. 25, Seiten 12–13 Vorweg einmal recht herzliche Gratulation zu diesem Artikel. Es ist fürwahr eine Schande für unser Bildungssys-tem, unter welchen Bedingungen engagierte Pädagoginnen und Pädagogen den gesellschaftspolitischen Auftrag zur schulischen Inklusion beeinträchtigter Kinder erfüllen sollen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass viele oft nach kurzer Zeit das Handtuch werfen. Warum diese Zustände so sind, wie sie vielerorts feststellbar sind, hat viele Gründe. Einerseits hat man die Ausbildung zur Sonderpädagogin/zum Sonderpädagogen abgeschafft, es aber versäumt, die Curricula so zu verfassen, dass die für die Inklusion notwendigen Kompe- tenzen dennoch vermittelt werden können. Ein Fehler mit fatalen Folgen. Aber wahrscheinlich haben übereifrige Inklusionsbefürworter in den ministeriellen Gremien geglaubt, dass Inklusion dann als verwirklicht angesehen werden kann, wenn es dafür keine ausgebildeten Lehrer/innen mehr gibt. Einer von vielen Fehlern von Schmid, Hammerschmied, Heinisch-Hosek und Co. Sie alle sind von der irrigen Annahme ausgegangen, dass „Inklusion“ als organisatorisches Prinzip für alle Fälle zu sehen sei. Sie haben sich aber nicht gefragt, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit Inklusion auch gut umgesetzt werden kann. Man hat auch keine Weiterbildungslehrgänge mehr genehmigt, die sich Spezialthemen – wie der Betreuung von sprachauffälligen Kindern – gewidmet hätten. Die Reihe der Fehlentscheidungen ließe sich noch lange fortsetzen.Notwendig wäre jetzt die sofortige Wiedereinführung der Ausbildung Sonderpädagog(inn)en für alle Bereiche, die Anpassung der Personalausstattung an die regionalen Gegebenheiten, die Erweiterung der Fort- und Weiterbildungsangebote und vor allem der Verzicht auf die ständige Bevormundung der Pädagoginnen und Pädagogen im Schulbereich – aber auch an den Pädagogischen Hochschulen – durch ministerielle Gremien. HS-Prof. i.R. Reg.Rat. Dr. Alfred Brader Department 2 – Diversität PH Niederösterreich, 2500 Baden Gefährlich normal Von Doris Helmberger Nr. 25, Seite 1 Danke für Ihre großartige Aussage, die alles sagt und enorm wichtig ist: „Andreas Babler ist ein dankbarer Reibebaum. Aber er ist nicht – wie Herbert Kickl – eine Gefahr für die Demokratie.“ That‘s it! Meiner Meinung nach ist Andreas Babler sogar eine große Chance für unsere Demokratie, weil er basisdemokratisch denkt und auch hoffentlich weiterhin so handelt! Jede*r Politiker*in kann – so wie jede andere Person – an dem gemessen werden, was sie/er jemals getan bzw. gesagt hat, egal ob positiv oder negativ. Doch alle Menschen könn(t) en immer lernen, Positionen anderer annehmen, Kompromisse finden, etc. Und es findet sich sicher keine Frau/ kein Mann, die nicht schon einmal „Falsches“ getan/gesagt haben! Darum ist es für mich so frustrierend, dass fast hauptsächlich nach Schmutzwäsche bei den anderen gesucht wird – vor allem, wenn es doch in der eigenen Partei genug zum Waschen gäbe... Raphaela Keller, 1160 Wien wie oben Dass sich DIE FURCHE an der ÖVP abarbeitet, ist man ja schon gewohnt. Die peinliche Kapitulation der Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner vor der FPÖ war wahrlich kein Ruhmesblatt, aber was ist an den Aussagen „Rücksicht aufeinander nehmen“, „gerne Schwächeren helfen“ so bemerkenswert „toxisch“, dass man es unter Anführungszeichen setzen muss? Was ist daran verdächtig? Und ein Seitenhieb auf Sebastian Kurz darf natürlich auch nicht fehlen. Johann Sohm, via Mail Der Hauptgewinn ist in dieser Serie mit 1 Million Losen einmal enthalten. Daneben gibt es zahlreiche weitere Gewinne von 3 Euro bis 1.000 Euro. Die Chance auf einen Gewinn beträgt 1:2,90, die Ausschüttungsquote liegt bei 58 Prozent. Der Lospreis beträgt 5 Euro. Mit dem neuen Los bis zu 100.000 Euro gewinnen Foto: © Österreichische Lotterien Jetzt als Podcast! Den Briefwechsel zwischen Hubert Gaisbauer und Johanna Hirzberger gibt es nun auch zum Anhören. In sieben Folgen erzählen die beiden von ihrer eigenen Welt – und lernen jene ihres Gegenübers kennen. ERKLÄR MIR DEINE WELT Die Folgen finden Sie auf furche.at/podcast bzw. über diesen QR-Code:
DIE FURCHE · 26 29. Juni 2023 Philosophie 13 In der verwalteten Welt der Industriegesellschaft und der damit verbundenen Herrschaft des Kapitals sah er das „Ganz Falsche“: Zum 50. Todestag des Philosophen und Soziologen Max Horkheimer. Für eine solidarische Gesellschaft Max Horkheimer Der Philosoph (1895‒1973) war ein führender Kopf der Frankfurter Schule. Gemeinsam mit Theodor W. Adorno publizierte er das Buch „Dialektik der Aufklärung“, das zum Kultbuch avancierte. Von Nikolaus Halmer will nach meinem Wahrheitsdrang leben und erforschen, was ich wissen möchte, den Gequälten helfen und meinen Hass des Unrechts „Ich befriedigen.“ Max Horkheimer, der mit Theodor W. Adorno die Kritische Theorie der Frankfurter Schule gegründet hatte, verstand sich selbst als Vorkämpfer für die Benachteiligten der kapitalistischen Gesellschaft. Die verwaltete Welt der Industriegesellschaft ‒ so lautete sein Vorwurf ‒ war das „Grundübel des Jahrhunderts“, das „Ganz Falsche“, weil sie nämlich die Interessen und Wünsche der Individuen der Herrschaft des Kapitals opfere. Der Einzelne gerate unter das Joch des Produktivitätswahns, der zur Selbstentfremdung des Menschen beitrage und ihn schließlich zum willenlosen Sklaven degradiere. Seine Orientierung am Marxismus, der mit dem dogmatischen oder stalinistischen Marxismus wenig zu tun hatte, verknüpfte Horkheimer mit empirischen Forschungen. Er lehnte sowohl den Positivismus als bloße Feststellung von Tatsachen als auch den Idealismus ab. Der kritische Theoretiker warf dessen Vertretern – von Platon bis Johann Gottlieb Fichte – vor, in ihren metaphysischen Konzeptionen sowohl die konkrete Sinnlichkeit des Menschen als auch seine Abhängigkeit von den gesellschaftlichen Produktionsbedingungen zu vernachlässigen. Horkheimer verstand seine Überlegungen als Reflexionen über „beschädigte Leben“ und gleichzeitig als leidenschaftliche Anklage gegen ein Gesellschaftssystem, das bereit ist, menschliches Glücksstreben auf dem Altar der Profitmaximierung zu opfern. Max Horkheimer wurde am 14. Februar 1895 als Sohn einer wohlhabenden jüdischen Familie in Stuttgart geboren. Nach dem Abschluss einer Handelslehre arbeitete er in der Textilfabrik seines Vaters. Von 1919 bis 1922 studierte Horkheimer Psychologie und Philosophie in München und Frankfurt am Main. Er promovierte mit einer Arbeit über Kant; 1925 erfolgte die Habilitation über dessen Werk „Kritik der Urteilskraft“. Bereits 1922 lernte Horkheimer den um acht Jahre jüngeren Philosophen Theodor W. Adorno in einem Seminar der Universität Frankfurt kennen. Ein kritischer Theoretiker Es war dies der Beginn einer lebenslangen Freundschaft und Zusammenarbeit, die ihren Höhepunkt in dem gemeinsam verfassten Buch „Dialektik der Aufklärung“ fand. Durch Horkheimer kam Adorno in Berührung mit dem Institut für Sozialforschung, das 1923 von dem Millionärssohn Felix Weil gegründet wurde. Mitarbeiter waren der Psychoanalytiker Erich Fromm, Leo Löwenthal, Herbert Marcuse und Walter Benjamin. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde das Institut geschlossen. Horkheimer emigrierte 1933 in die USA, wo es ihm dank seines Organisationstalentes gelang, finanzielle Mittel für die Weiterarbeit des Instituts an der Columbia University in New York zu erhalten. Danach übersiedelte er nach Los Angeles, wo er gemeinsam mit Adorno an dem Buch „Dialektik der Aufklärung“ arbeitete, das bald zum Kultbuch avancierte. Horkheimer kehrte 1950 nach Deutschland zurück und wurde zum Ordinarius für Sozial philosophie an der Universität Frankfurt am Main ernannt. Ein Jahr später nahm er die Tätigkeit am wieder eröffneten Institut für Sozialforschung auf, wo er neben seinen philosophischen und soziologischen Schriften für den organisatorischen Bereich verantwortlich war. Ambivalenz der Rationalität In der 1947 erschienenen Studie „Dialektik der Aufklärung“ beschrieben die Autoren Horkheimer und Adorno den ambivalenten Charakter der Rationalität: Einerseits als emanzipatorisches Element, das zur Befreiung des Menschen aus der selbst geschaffenen Unmündigkeit beigetragen hat, andererseits als Mittel der Unterdrückung. Unterdrückt werden die Sinnlichkeit des Menschen, seine Emotionen und sein Triebpotenzial. Horkheimer konkretisierte in seiner Schrift „Über die instrumentelle Vernunft“ den Repressionscharakter der Rationalität: Sie sei der Versuch, optimale, rationale Lösungen für alle anstehenden Probleme zu finden und somit den Fortschritt voranzutreiben. Gleichzeitig hatten die Vertreter der instrumentellen Vernunft das Ziel, durch eine genaue Analyse der Naturvorgänge die Menschen in die Lage zu versetzen, die Natur zu beherrschen und für ihre Zwecke zu nützen. Horkheimer kritisierte die von René Descartes vertretene These, dass die Natur „ein bloßes Werkzeug des Menschen“ sei und als Objekt totaler Ausbeutung diene. Das fanatische Streben der Aufklärung nach Fortschritt um jeden Preis entpuppe sich als Wahnsystem, dessen ökologische Folgen erst allmählich in das Bewusstsein der Menschen dringen würden. Glitzernde Scheinwelt In einem zentralen Abschnitt der „Dialektik der Aufklärung“ nahmen Adorno und Horkheimer eine Kritik an der Kulturindustrie vor, die sie als Massenbetrug bezeichneten. Sie ist „nichts anderes als das Geschäft, das den Schund legitimieren soll“ und hat den Auftrag, dem Einzelnen eine heile Welt vorzugaukeln, die das Leiden der Menschheit ignoriert. In diesem künstlichen Paradies wird eine glitzernde Scheinwelt inszeniert, um den tiefsten Sinn der menschlichen Existenz zu verdeutlichen: Das Ziel ist nicht mehr, Bedürfnisse zu befriedigen, sondern neue Bedürfnisse zu wecken. Den Konsumenten wird suggeriert, dass das Amüsement das oberste Prinzip sei. Das goldene Kalb der Kulturindustrie ist der Amüsierbetrieb, „ Die Weltgeschichte zeigte für Horkheimer keine Tendenz zum Fortschritt oder zur Humanität. “ der es versteht, die Menschen vom Grau des Alltags abzulenken und sie mittels raffinierter Strategien zu verzaubern. Dieses Simulakrum erweist sich als Betrug. „Immerwährend betrügt die Kulturindustrie ihre Konsumenten um das, was sie immerwährend verspricht. Der Wechsel auf die Lust, den Handlung und Aufmachung ausstellen, wird endlos prolongiert“, heißt es in der „Dialektik der Aufklärung“. Die Konsumenten geraten in einen „ Max Horkheimer verstand sich selbst als Vorkämpfer für die Benachteiligten der kapitalistischen Gesellschaft. “ Foto: Apa/ akg-images / picturedesk.com Circulus vitiosus. Ähnlich wie in Platons Höhle, in der die Bewohner fasziniert die Schattenbilder betrachten und dabei außer Acht lassen, dass eine Sphäre des Lichts existiert, leben die Adepten der Massenkultur in einer „eindimensionalen Welt“, in der der „universelle Verblendungszusammenhang“ vorherrscht, die Lebenswelt nivelliert oder sogar deformiert. Ernüchtert, aber hoffnungsvoll In Horkheimers Spätphilosophie trat dieses pessimistische Grundmotiv in den Vordergrund und nahm resignative Züge an. Bis zu seinem Tod am 7. Juli 1973 orientierte sich Horkheimer an der illusionslosen Philosophie von Arthur Schopenhauer, dessen Analyse des katastrophalen Zustands der Welt ihn zutiefst beeindruckte. Die Weltgeschichte zeigte für Horkheimer keine Tendenz zum Fortschritt oder zur Humanität. Er teilte auch nicht mehr die marxistische Doktrin, dass die proletarische Weltrevolution zu einer Verbesserung der menschlichen Lebensqualität beitrage, „Was es heute zu verteidigen gilt“, schrieb Horkheimer, „scheint mir ganz und gar nicht die Aufhebung der Philosophie in Revolution, sondern der Rest der bürgerlichen Zivilisation zu sein, in der der Gedanke individueller Freiheit und der richtigen Gesellschaft noch eine Stätte hat“. Ergänzt wurde diese These durch eine „Theologie der Hoffnung“, die von „einer Sehnsucht nach dem ganz Anderen“ getragen wurde, von einer Sehnsucht, „dass es bei dem Unrecht, durch das die Welt gekennzeichnet ist, nicht bleiben soll, dass das Unrecht nicht das letzte Wort sein möge. Diese Sehnsucht gehört zum wirklich denkenden Menschen.“ Max Horkheimer Gesammelte Schriften in 19 Bänden S. Fischer Verlag
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