DIE FURCHE · 26 10 Diskurs 29. Juni 2023 ERKLÄR MIR DEINE WELT Fühlen Sie auch den Weltschmerz intensiver? Den gesamten Briefwechsel zwischen Johanna Hirzberger und Hubert Gaisbauer können Sie auf furche.at bzw. unter diesem QR-Code nachlesen. Johanna Hirzberger ist Redakteurin von „Radio Radieschen“ und freie Mitarbeiterin von Ö1. „ Ich denke an Antonia Rados, der ich am Abend zuvor begegnet bin, an eine Freundin, die eines Morgens in Kiew aufwachte und plötzlich Kriegsjournalistin war. “ Eigentlich habe ich mich gerade gut, ja lebendig gefühlt. Hinter mir liegen zwei Tage, prall gefüllt mit spannenden Gesprächen über neue Möglichkeiten im Journalismus und beeindruckenden Geschichten von Kolleg(inn)en, umgeben von Bäumen und duftenden Blumen. Selten habe ich in so kurzer Zeit mit so vielen Personen „connectet“. Nun sitze ich am Flughafen in Basel. In meinem Nacken sitzt ein Pärchen, dass per Lautsprecher eine Familien Video-Konferenz auf Portugiesisch (?) führt, während ich Ihren Brief lese. Bei den 100 Ertrunkenen verlässt mich die wiedergewonnene Heiterkeit. Meine Glieder werden schwer. Um mich schmiegt sich diese Gefühlsdecke, sie muss aus Blei sein. Natürlich habe ich diese und andere schreckliche Nachrichten in den vergangenen Tagen verfolgt. Immer wieder sehe ich dieses Bild von zwei Brüdern vor meinem inneren Auge. Auf Instagram ist es mir begegnet. Ein blauer Zaun trennte die Geschwister. Der ältere von beiden war schon länger in Europa. Er fand seinen 18-jährigen Bruder nach dem Schiffsunglück, in dem mehr als 500 Geflüchtete ertrunken sein dürften, wieder und küsst den Kopf seines Bruders. Ich weiß nicht genau, wie Sie das mit den Dimensionen verrutschen meinen. Ein bisschen erinnert es mich an die Argumentationslinie: „Was sind das schon für Probleme, in Afrika verhungern Kinder!?“ Aber ich lasse mich gerne auf den Schauplatzwechsel ein und frage mich, fühlen Sie auch mit den Jahren den Weltschmerz intensiver? Wie immer bin ich ehrlich mit Ihnen, mich lassen diese Bilder nicht los, und sie hinterlassen in mir ein Gefühl der Hilflosigkeit, der Sinnlosigkeit. Gleichzeitig schreit mein innerer Anspruch mich an: „Jetzt stell dich nicht so an, Johanna!“ Ihnen hilft wirklich Literatur? Diese Texte und ihr Wissen darum gibt es schon so lange, gleich lange wie das kriegerische Leiden. Warum helfen sie dann nicht im Großen? Ich weiß nicht, vielleicht habe ich noch nicht das richtige Schloss für diesen Schlüssel gefunden. Jedes Mal, wenn ich diese Gefühle nicht mehr aushalte, stürze ich mich in die Arbeit und lenke mich ab. So auch dieses Wochenende. Bei einem Kaffee in einer Seitenstraße der Freiburger Altstadt fragte mich eine jüngere Kollegin, ob ich mit dem Journalismus die Gesellschaft verändern möchte. Ich halte inne Diese Frage wurde mir schon öfter gestellt, meist antworte ich ehrlich darauf, dass ich jenen eine Stimme geben möchte, die selten gehört werden. Aber dieses Mal halte ich inne. Ich denke an Antonia Rados, der ich am Abend zuvor begegnet bin, an eine Freundin, die eines Morgens in Kiew aufwachte und plötzlich Kriegsjournalistin war. Und darüber, welcher Gefahr sie sich aussetzen, um diesen Dienst für die Gesellschaft zu leisten. „Ich weiß es nicht“, poltert es aus mir heraus. Und so lässt mich auch ihr Brief ratlos am hohen Holztisch am Basler Flughafen sitzen. Vielleicht hilft mir die baldige Vogelperspektive, neuen Mut zu schöpfen. In Rust scheinen das ja die Störche zu tun. Erstmals seit 1960 sind heuer wieder 23 Storchenpaare ansässig. Angeblich ein Indikator für die Gesundheit der Natur. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Von Sandra Nigischer Im Idealfall bieten Feriencamps Schülerinnen und In FURCHE Nr. 22 Schülern gleichsam persönliche Entwicklung und 3800 28.Mai 2009 Erholung. Über Qualität und Sinn der Sommercamps. Die Schulferien stehen vor der Tür. Doch was Kinder freut, kann Eltern stressen. Über die Chancen und Hürden der schulfreien Zeit hat sich die Autorin Sandra Nigischer bereits 2009 ihre Gedanken gemacht. Damals waren Feriencamps ein noch eher neueres Phänomen. Heute sind solche Jugendlager aus der Kinderbetreuungsmatrix, vor allem in Großstädten, kaum noch wegzudenken. Spielerisches Lernen steht am Plan. Aber bieten die Camps wirklich das, was sie versprechen? Ferien bedeuten für Kinder und Jugendliche in erster Linie Durchatmen und Spaß unter Freunden. Genau das wollen Lerncamps bieten mit dem Zusatz, die Sprösslinge für das nächste Schuljahr fit zu machen. Dass Feriencamps Kinder in ihrer Entwicklung – sei es jetzt in sozialer, in sportlicher oder in schulischer Hinsicht – wesentlich unterstützen können, ist sich Mutter Sabine Decker aus ihrer Erfahrung sicher. Sie schickt ihre Kinder jährlich auf „mindestens ein Ferienlager“, wie die AHS-Lehrerin für Deutsch und Chemie erzählt. „Meine Kinder sollen solche Lager erfahren, weil mir in erster Linie der soziale Aspekt, das Gruppengefühl, wichtig ist.“ Deckers Töchter Helena (16) Büffeln im Ferienlager und Nausikaa (13) fahren hauptsächlich auf Sportcamps. „Das ist dann Sport intensiv mit zwei bis drei Trainings am Tag, beginnend mit einem Dauerlauf um sieben Uhr morgens.“ Nichts also für Kinder, die sich den Kurs nur einmal anschauen wollen. „Es geht darum, in der nächsten Saison gut vorbereitet zu sein.“ Die Mädchen spielen während des Jahres Volleyball im Verein. Der Camp-Erfolg ist für die Mutter klar erkennbar: „Eine Woche Volleyballlager entspricht in etwa drei Monaten herkömmlichem Training. Sie sind dann einfach viel besser.“ Nausikaa und Helena haben nicht nur mit sportlichen Kletter-, Segel- oder Volleyballcamps Erfahrung. Auch eine Lernwoche in Kärnten haben sie hinter sich, bei der sie mit „native speakers“ ihr Englisch aufbesserten. Vom Ablauf her folgte dort nach einem gemeinsamen Frühstück die erste, 90-minütige Englisch-Einheit, in der sich die Lerngruppe spielerisch in der mündlichen Konversation übte. Die Abwechslung zum Englischunterricht stellte der Reitunterricht am Nachmittag dar oder das Baden im See. Frage des Anspruchs Ob die Töchter auf die Intention ihrer Mutter nicht trotzig reagieren, wenn sie in den Ferien lernen müssen? „Da gibt es keinen Ärger, den Mädels macht das Spaß. Bei mir müssen sie immer in den letzten drei Ferienwochen Englisch oder Mathe wiederholen“, betont die Lehrerin und schmunzelt: „Ich bin da keine sehr nette Mama.“ Der Erfolg von Lerncamps hänge stark davon ab, ob die Kinder freiwillig am Lager sind oder von den Eltern zum Lernen verdonnert wurden. „Sicher wollen Schüler in den Ferien nicht lernen, andererseits sehen sie doch ein, dass sie einen Fünfer im Zeugnis gehabt haben und jetzt lernen müssen“, sagt die Chemiestudentin Ines N., die Schülerinnen und Schüler in Camps betreut. Erfolge konnte sie bei den Kindern durchgehend beobachten. AUSGABEN DIGITALISIERT VON 1945 BIS HEUTE ÜBER 175.000 ARTIKEL SEMANTISCH VERLINKT Foto: iStock/ fshobot DEN VOLLSTÄNDIGEN TEXT LESEN SIE AUF furche.at Medieninhaber, Herausgeber und Verlag: Die Furche – Zeitschriften- Betriebsgesellschaft m. b. H. & Co KG Hainburger Straße 33, 1030 Wien www.furche.at Geschäftsführerin: Nicole Schwarzenbrunner, Prokuristin: Mag. 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DIE FURCHE · 26 29. Juni 2023 Diskurs 11 Findet in der österreichischen Politik ein Schwenk nach links statt? Oder nur eine Wiederaufwertung humanitärer Politik, die rechts-konservativen Parteien abhanden gekommen ist? Ein Gastkommentar. „Linksdrall“, Humanität und die Kirche Seit Wochen wird heftig über den „Linksruck“ in der SPÖ unter dem neuen Parteichef Andreas Babler debattiert, ebenso über die erstaunlichen Erfolge der KPÖ in Graz und Salzburg. Auffällig ist, dass es sich bei diesen „Links“-Zuordnungen sehr oft um humanitäre politische Anliegen handelt – wie etwa den Einsatz für Flüchtende, den Ausgleich der größer werdenden Arm-Reich-Schere, die Kinderrechte, leistbares Wohnen speziell für sozial schwächere Gruppen u. a. m. Während die ÖVP – vornehmlich in der Sozial- und Migrationspolitik – immer mehr nach rechts driftet und sich an ihre finanzkräftigen Lobbys gebunden fühlt, scheinen grundlegende humanitäre Anliegen und der Einsatz für Schwächere zum (alleinigen?) Markenzeichen der Linken zu werden. Die KPÖ-Erfolge in Graz und Salzburg unterstreichen diesen Eindruck und zeigen, dass eine durch persönliches Engagement glaubwürdig gestaltete Politik im Interesse der sozial Schwächeren Erfolg haben kann. Auf die Frage, wie sie den Vergleich ihrer Maßnahmen mit der Caritas finde, hat die Grazer KPÖ-Bürgermeisterin Elke Kahr übrigens diese Antwort gegeben: „Das ehrt mich.“ Und den SPÖ-Slogan „Soziale Politik für Österreich“ ordneten bei einer jüngeren Market-Umfrage die meisten Befragten ebenso der Caritas zu. Hat christlich-caritatives Denken und Handeln heute also einen Bezug zu den neuen „linken“ Strömungen? Ja zu „sanften Pushbacks“? Foto: Privat sprechen christlichen Grundhaltungen. Das aktuelle Drama des Schiffsunglücks vor Griechenland mit hunderten Toten verdeutlicht die Problematik. Im Gegensatz dazu hat der neue SPÖ-Chef Babler in seiner von Flüchtlingen überlaufenen Stadt Traiskirchen bewiesen, dass die zum Thema Nr. 1 stilisierte Migrationspolitik keiner antihumanitären Verrenkungen wie die führender ÖVP-Politiker(innen) bedarf, um Erfolg zu haben. Dann nämlich, wenn humanitärere Politik nicht nur auf Flüchtende, sondern auch auf die in anderer Weise Notleidenden im eigenen Land achtet. DIESSEITS VON GUT UND BÖSE Von Josef Christian Aigner „ Man muss sich fragen, ob die C-Parteien das Einmaleins der Botschaft Jesu Christi begriffen haben. “ Erst recht gibt es einen massiven Kontrast zwischen den Positionen der ÖVP und den biblischen Quellen, ihrer mehr als deutlichen Option für die Armen sowie die Ermahnung der Reichen. Wo gibt es etwa eine wirkliche Umverteilungspolitik bei der ÖVP? Die angeblich „an den linken Rand“ gerückte Programmatik des neuen SPÖ-Vorsitzenden (auch manche KP-Position) hingegen beinhaltet exakt solche Vorhaben der Linderung sozialer Ungleichheit, wie sie auch der christlichen Soziallehre inhärent sind: etwa eine „Millionärssteuer“, die eh nur die reichsten vier Prozent beträfe; eine Leer- Das führt auch zur Frage der Positionierung der Kirchen im Rahmen des Parteienspektrums: Im Bereich der Flüchtlingsfürsorge etwa liegen die Kirchen konträr zur Regierungsmehrheit und stehen den Grünen und der SPÖ näher als der sich immer noch als „christlich“ bezeichnenden ÖVP. Was etwa die Caritas-Präsidenten Franz Küberl und Michael Landau oder Bischof Hermann Glettler zur Flüchtlingspolitik sagen, ist implizit eine massive Kritik an den ÖVP-Positionen. Innenminister Gerhard Karners Befürwortung „sanfter Pushbacks“ (Zurückweisung ohne Asylantragsprüfung), die Rede von Lagern an den EU-Außengrenzen oder von einer „Festung Europa“ durch seine Vorgängerin, Johanna Mikl-Leitner, widerstands-Abgabe gegen Immobilienspekulation trotz großer Wohnungsnot; Transparenz und Kontrolle des Verhältnisses zwischen Reichen und Politik (z. B. Kika-Leiner); die Beseitigung einer „Zwei-Klassen-Medizin“ u. a. m. Und auch wenn Babler in Jugend-Jahren für die Abnahme von Kruzifixen in Schulen war, steht diese Programmatik christlich-sozialen Werten näher als die Praxis einer Partei, die diese mehrfach in ihrem Grundsatzprogramm führt. Was keiner christlichen Ethik standhält Und während infolge des Kurz’schen „Koste es, was es wolle!“ Unternehmen in der Pandemie Gewinne in Milliardenhöhe lukrierten, wurden Sozialleistungen gekürzt und Ärmere zu Almosen-Empfänger(inne)n degradiert, die sich teils Lebensmittel, Wohnung und Heizung kaum mehr leisten können. Alles Zustände, die keiner christlichen Ethik standhalten. Auch bei ökologischen Forderungen steht die Kirche – man denke an Franziskus‘ radikale Umwelt-Enzyklika Laudato Si‘– im Widerspruch zu den konservativen Parteien. Ganz zu schweigen vom Unrechtsverhältnis betreffend die Hauptverursachung umweltschädlicher Emissionen durch die Reichsten der Welt. Es scheint also eine ideell-programmatische Nähe zwischen grundlegenden christlichen Auffassungen und den neu erstarkten „linken“ Strömungen zu geben. Wobei man sich ja fragen muss, ob die C-Parteien das Einmaleins der Botschaft Jesu Christi substanziell begriffen haben oder sich recht oberflächlich an einzelne für „christlich“ gehaltene Narrative (Familie, Ehe, Lebensschutz usw.) halten. Auch wenn die österreichischen Bischöfe in gesellschaftspolitischen Fragen (auch wegen der Hand, die sie füttert?) meist sehr zurückhaltend sind und die Regierung nicht explizit kritisieren, erschließt sich der klaffende Widerspruch zur schwarz-türkis dominierten Politik doch an vielen Stellen für jeden, der es sehen will. Christentum und „Linksdrall“? Oder einfach nur eine Wiederaufwertung humanitärer Politik, die rechts-konservativen Parteien mittlerweile schlicht abhandengekommen ist? Der Autor ist Bildungswissenschafter und Psychoanalytiker in Innsbruck. QUINT- ESSENZ Von Brigitte Quint Ein Schub täte gut Irgendwo bin ich falsch abgebogen. Zwei Jahre sind wir nun in der Schule. Ja, „wir“. Ich bin eins geworden mit dem Schulalltag meines Kindes. Er bestimmt, diktiert, tyrannisiert mich. Der tägliche Wahnsinn startet gen 6.45 Uhr: Das Kind wach kriegen, Frühstück, Jause vorbereiten – um dann festzustellen, dass wahlweise Brot, Bananen, Äpfel ausgegangen sind. Die Uhr tickt grausam. Wir hetzen zum Zähneputzen, zum Kleiderkasten, zum Schuhregal. In meinem Kopf wirbeln Fragen herum. Ist die Hausübung kontrolliert? Steht ein Ausflug an? Müssen wir Fahrscheine, Regenjacke, Zusatzjause mitgeben? Ist heute der Rückgabetermin in der Bücherei? Wenn ja, unter welchem der Spielzeugstapel liegen die verdammten Bücher? Ich schwitze, mein Puls rast. Was, wenn mein Kind unpünktlich ist; ohne Jausenbox dasteht; Schwarzfahren muss; oder (und diesen Punkt halte ich mit Abstand für den wahrscheinlichsten) ein Trauma ob seiner gestressten Mutter davonträgt? Ich frage mich, ob es diesen Augenblick gibt, an dem das Leben eine Wendung nimmt. Mütter, Eltern – sie haben die Wahl. Solche gibt es durchaus, die aus der Jause kein Tamtam machen, deren Kind ständig unvollständige Hausübungen abgibt, erst in der zweiten Stunde in den Unterricht platzt, Karies hat. Selbstgeißelung ist für die ein Fremdwort. Die sind fix entspannt. Ich habe eine Theorie: Ganz tief in mir drin bin ich eine von denen. Ich übertünche es nur. Daher der morgendliche Stress. Zu entsprechen, kostet Energie. Ich zwinge mich, das Spiel mitzuspielen, zu funktionieren. Obwohl es mir zutiefst widerstrebt. Der gemeine Küchenpsychologe würde möglicherweise eine Ich-Schwäche ins Treffen führen. Nach dem Motto: Bloß nicht unangenehm auffallen, das entlarvt die eigene Unfähigkeit. Ich gehe in diese Ferien mit dem Gefühl: Es war haarscharf, aber es ist gerade noch mal gut gegangen (bis auf das Trauma, das sich wohl erst im Teenageralter Bahn bricht). Der morgendliche Wahnsinn setzt nun neun Wochen aus. Ich habe eine neuerliche Chance auf einen sommerlichen Entwicklungsschub. Ja, „ich“. Wer hat Angst vor der dritten Klasse? „Ich“ nicht. Noch nicht. PORTRÄTIERT Philosophischer Quanten-Netzwerker Die Quantentheorie stellt vieles auf den Kopf. Der wissenschaftliche Beobachter erhält eine neue Rolle, denn seine Hinwendung zum Quantensystem beeinflusst fundamental das Messergebnis. Der Beobachter wirkt also in das beobachtete System hinein. Was aber, wenn es eine Künstliche Intelligenz ist, die Quantenexperimente durchführt? Mit solchen bahnbrechenden Fragen beschäftigt sich Hans Jürgen Briegel, der letzte Woche den Wittgenstein-Preis – den mit 1,5 Millionen Euro höchstdotierten Wissenschaftspreis in Österreich – erhalten hat. Der 60-jährige deutsche Forscher am Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck zähle zu den Pionieren der Quantentechnologie, hieß es in der Begründung der internationalen Fachjury: Seine Erkenntnisse spielen „eine Schlüsselrolle in zentralen Bereichen der Quanteninformatik“, etwa bei der Entwicklung eines Quanteninternet sowie im schnell wachsenden Gebiet einer quantengestützten Künstlichen Intelligenz. Eine der einflussreichsten Arbeiten in der Quantenphysik ist das Konzept des „Einweg-Quantencomputers“, das Briegel 2001, damals noch an der Uni München, mit dem deutschen Physiker Robert Raussendorf entwickelt hat. Der „Treibstoff“ dieses Rechners sind quantenmechanisch verschränkte Teilchen, die nach und nach gemessen werden – und deren Verschränkung dabei „zerstört“ wird. Zur Weitergabe der flüchtigen Quanteninformation wurde vom Innsbrucker Professor und seinen Kollegen ein „Quantenrepeater“ vorgeschlagen. Heute wird dieser Ansatz auch in Österreich in ersten quantenmechanischen Netzwerken umgesetzt. Beide Konzepte könnten in der künftigen Technologieentwicklung eine wichtige Rolle spielen. Briegel studierte Physik und Philosophie in München und Edinburgh, arbeitete als Postdoc an der Harvard University und war u. a. langjähriger Leiter einer Forschungsgruppe am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der ÖAW in Innsbruck. „Ich fand es schon als Jugendlicher faszinierend, dass man mit Hilfe von mathematischen Theorien und Modellen so viel verstehen und sagen kann über das Universum im Großen und die Welt im Kleinen“, erklärt der zweifache Familienvater und leidenschaftliche Bergsteiger. „Damit kommen immer auch philosophische Fragestellungen auf.“ Denn die Quantenphysik bleibt eine fruchtbare Herausforderung für unser Weltbild. (Martin Tauss) Foto: Expa / Apa / picturedesk.com „Austro-Nobelpreis“ für einen Pionier der Quanteninformatik: Mit dem Wittgenstein-Preis erhält Hans Jürgen Briegel den höchstdotierten Wissenschaftspreis in Österreich.
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