DIE FURCHE · 4820 Medien28. November 2024Von Stephan Russ-MohlWie viel MedienmachthabenamerikanischeMultimilliardäre?Es wirdhöchste Zeit, dies genauer unterdie Lupe zu nehmen. Vielleichtist es ja nach Trumps Wiederwahlsogar bereits zu spät,von den westlichen DemokratienSchaden abzuwenden und fataleFehlentwicklungen zu korrigieren– denn nicht nur Trumps neuer„Buddy“ Elon Musk, der Eigentümerder Plattform X (vormalsTwitter) sowie Gründer von Teslaund SpaceX, übt mehr Einflussauf die Medienberichterstattungaus, als uns allen guttun dürfte.Auch Amazon-Gründer Jeff Bezos,dem die Washington Post gehört,sowie Microsoft-GründerBill Gates und Meta-Chef MarkZuckerberg sind nicht nur steinreich,sondern auf unterschiedlicheWeisen als Medienunternehmeroder -finanziers unterwegs.Ihr Einfluss dürfte dem von „klassischen“Medienmogulen wie RupertMurdoch oder Silvio Berlusconiebenbürtig sein, ja diesensogar übersteigen.Versuch, Trump zu schmeichelnMit seiner Wahlkampfhilfe fürTrump – laut Economist 200 MillionenDollar – plus zahllose Postingsbei X, teilweise gespickt mitDesinformation, hat Musk ja inzwischensein Vermögen um 60Milliarden steigern können, dankTesla-Kursgewinnen. Das kompensiertlocker die Verluste nachdem Twitter-Kauf, selbst wenndem Kurznachrichtendienst Xnach Musks Techtelmechtel mitTrump weiterhin in Scharen dieNutzer davonlaufen.Was bleibt, sind die Algorithmen,die uns allen auf völlig undurchschaubareWeise auf Plattformenwie X, Facebook oder TikTok zuteilen,wer was zu sehen und zulesen bekommt. Nach konventionellerSichtweise sind die Algorithmenfür die Aufmerksamkeitsmaximierungund damit für dieVerweildauer der Nutzer auf der jeweiligenPlattform zuständig. Zumindestbei X kursiert aber auchder nicht ganz unbegründete Verdacht,dass Algorithmen programmiertwurden, um Wahlentscheidungenzu beeinflussen und Muskselbst zu überproportionaler Aufmerksamkeitzu verhelfen.DerNetzwerkerElon Musk besitztmit X (vormalsTwitter) eines derwichtigsten sozialenNetzwerke. Neuerdingsgehört erzum engsten KreisDonald Trumps.Lesen Sie hierzudas Interview„Social MediaAlgorithmen:Riskiert einTweet die Menschenwürde?“(20.11.2024)auf furche.at.Traditionelle und soziale US-Medien befinden sich im Besitz einer Handvollsteinreicher Leute. Besonders problematisch wird es, wenn sie – wie ElonMusk – selbst in die Politik einsteigen. Eine Analyse.Die Medienmachtder MilliardäreIm Vergleich zu Musk war Bezosim Umgang mit Trump kommerziellerst einmal wenigererfolgreich: Er büßte 250.000 Digital-Abosein, als er mit seinemMachtwort der Washington Posteine Wahlempfehlung für KamalaHarris untersagte. Angeblichsollten damit die Leser nicht längerbevormundet werden, aberder Verdacht lag nahe, dass Bezoszuvörderst bei Trump gutWetter machen wollte. DasselbeSpielchen hatte sich übrigenszuvor bereits beim größten Blatt„ Es ist mit vorauseilendemGehorsam zu rechnen: KeinChefredakteur und auch keinRessortleiter wird gezielt gegendie Interessen der Eigentümeranschreiben. “Foto: APA / AFP / im Watsonder Westküste zugetragen: PatrickSoon-Shiong, ein in Europaweniger bekannter Multimilliardärund Eigentümer der Los AngelesTimes, untersagte ebenfallsein Endorsement zugunsten vonHarris – auch dort mit tausendenAbo-Kündigungen als Folge.Am strategischsten und längstenaktiv sind in der Ausübungvon Medienmacht Bill Gates sowieGoogle: Der Microsoft-Gründerfördert mit seiner Stiftung schonlange und international Medienwie den Spiegel, den Guardian,CNN und die BBC. Google befriedetmit den milden Gaben seiner„News Initiative“ die Printmedien,deren Geschäftsmodell der Konzernzuvor ruiniert hatte: Bis heute,so die Selbstauskunft, hat Alphabetmit seiner Google NewsInitiative „über 7000 Nachrichtenpartnerin mehr als 120 Ländernund Gebieten mit Geldern in Höhevon über 550 Millionen Dollarunterstützt“. Die Geldgeber versichernebenso wie die Empfängerstets, dass derlei Finanzierungshilfenkeinen Einfluss auf die Berichterstattunghätten – aber dasmöge glauben, wer will. Non olet –es stinkt nicht, hieß es schon im altenRom über Gelder aus unsauberenQuellen.Heikle InteressenkonflikteDie Absicht, Einfluss auf Medienberichterstattungzu nehmen,ist mit Finanzierungszuschüssenebenso naheliegend wie beimErwerb ganzer Medienkonzerne.Und heikel ist das im Hinblickauf allfällige Interessenkonflikteallemal: Schon in der Vergangenheitwar es hochproblematisch,wenn Medienunternehmernicht nur Medienunternehmerwaren oder sind, sondern wie inFrankreich auch Luxus- oder Rüstungsgüterproduzieren oder wieBerlusconi in Italien als Immobilientycoonund Betreiber einerKaufhauskette unterwegs waren.Selbst dort, wo die Milliardäreals Medieneigner keinerlei direktenEinfluss auf redaktionelleEntscheidungen ausüben, istmit vorauseilendem Gehorsamzu rechnen: Kein Chefredakteurund auch kein Ressortleiter wirdgezielt gegen die Interessen derEigentümer anschreiben. Undauch Politiker, selbst solche wieTrump, die den herrschenden Medienden Kampf angesagt haben,wissen ganz genau, dass sie ganzohne mediale Unterstützung keineWahlen gewinnen können.Alte und neue ReicheWie ist letztlich der Einfluss von„Alteigentümern“ in der US-Medienbrancheim Vergleich zu den Newcomer-Tech-Milliardärenzu werten?An erster Stelle zu nennen istda weiterhin Rupert Murdoch, derin den USA mit Fox News und demWall Street Journal die breiten Massenebenso wie die Wirtschaftselitenmit rechts-konservativenBotschaften versorgt. Ein Gegengewichtzu ihm bildet die FamilieSulzberger, die seit Generationendie linksliberale New York Timeskontrolliert – das Blatt, das erfolgreicherals fast alle anderen dieTransformation im Internetzeitalterbewältigt hat. Vielleicht gibt jasogar der Börsenwert der jeweiligenUnternehmen ein Stück weitAuskunft: Bei Murdochs News Inc.sind das derzeit rund 27 MilliardenUS-Dollar, bei der New York Timessind es rund neun Mrd. Dollar. ZumVergleich: Tesla – Musk ist mit rund20 Prozent beteiligt – bringt 1,3 BillionenDollar auf die Waage, Amazonüber zwei Billionen, von denenBezos rund zehn Prozent gehören.Rein rechnerisch könnte also alleinBezos mit seinem Anteil an Amazon22-mal die New York Times kaufen.Es war in Demokratien ja schonimmer ein Problem, wenn Medienmagnatenauch in anderen Geschäftsfeldernaktiv waren odergar – wie jetzt Musk und zuvorBerlusconi – politische Ambitionenhatten. Aber wie sehr sich dieMedienmacht einiger Multimilliardärein den USA inzwischen potenziert,ist doch angsterregendund alarmierend.Der Autor ist em. Prof. für Journalistikund Medienmanagement ander Uni Lugano in der Schweiz.MEDIENWELTENOrange the WorldDie Autorin istProfessorin fürMedienethik ander Hochschulefür PhilosophieMünchen.Von Claudia PaganiniDas Rathaus leuchtet orange. Sonst erscheintes in dezentem Weiß, inmittender vielen Lichter kaum beachtet.Doch heute ist es anders. Sie bleiben stehen,den Blick nach oben gerichtet. Warum orange?Ein besonderer Tag? Kunst? Jetzt erst bemerkenSie es. Da sind auch Banner: „Orangethe World“. Sie lesen und begreifen, wasSie zuvor nicht gesehen haben oder nicht sehenwollte. Es geht um Gewalt. Gegen Frauen.Jede zweite Woche stirbt in Österreicheine Frau durch die Hand eines Mannes. „Femizid“heißt das. Orange steht für Aufmerksamkeit,Protest, Veränderung. Plötzlich erscheintIhnen das Licht nicht mehr warm,sondern schrill, eindringlich – eine Mahnung,ein Ruf: hinschauen, aufstehen, handeln.Aber wo fängt es an, und wer trägt Verantwortung?Die Ursachen für Gewalt an Frauen sindvielfältig. Machtverhältnisse, patriarchaleTraditionen, soziale Ungleichheit. Doch einAspekt sticht hervor, weil er allgegenwärtig istund dennoch kaum Beachtung findet: die Darstellungvon Frauen in den Medien. Von Computer-Gamesund TV-Shows über Werbungbis hin zu Social Media: Der sogenannte malegaze der Kamera – das „männliche Starren“– richtet sich erbarmungslosauf den Körper der„ Die Ursachen fürGewalt an Frauen sindvielfältig. Doch einAspekt sticht hervor:die Darstellung vonFrauen, der ‚male gaze‘ –das ‚männliche Starren‘ –in den Medien. “Frau, degradiert ihn zueinem Objekt der Begierde,aufgeteilt in Bruchstückevon Haut, Kurvenund Farben, festigt dieVorstellung, dass Frauenwesentlich dazu dasind, betrachtet und besessenzu werden. WährendMänner in den Mediengerne als Macher, Denker, jedenfallsals Subjekte, dargestellt werden, zeigt manFrauen noch immer vor allem, wie sie lächeln,dem Werben der Männer nachgeben. Werden Stereo typen nicht entspricht, wird alsbesonders inszeniert. Normal ist und bleibtdie Frau als Objekt. Und gegen Objekte darfman gegebenenfalls Gewalt anwenden. Wennmir ein Objekt genommen wird, ist meineWut berechtigt.Jetzt gehen Sie weiter,sehen andere Gebäude,nicht in Orange. Aufeinmal erscheinen sie Ihnenfahl, nichtssagend.Stumm in einer Welt, diewohl noch mehr Orangebraucht, damit die Gewaltan Frauen sichtbarund ihre, unsere Lebensicherer werden.
DIE FURCHE · 4828. November 2024Film21Jacques Audiard bringt mit „Emilia Pérez“ das Thriller-Melodrama als Musical mit mehr als einemSchuss mexikanischer Telenovela auf die Leinwand. Großartiges Kino.Drogenboss und HelferinVon Otto FriedrichDie großen Spielfilme im Weltkinounterliegen auch ihrenModen. Wer hätte gedacht,dass das gute alte Musical wiezuletzt im „Joker“-Sequel „Folieà Deux“ mit Lady Gaga neu erstehenwürde? Und nach zahlreichen schwulenwie lesbischen Dramen wendet sich dasqueere Kino transgeschlechtlichen Heldenzu (etwa 2023 in „Bis ans Ende derNacht“). Mischt man beide Trends noch mitmehr als einem Schuss mexikanischer Telenovela,dann landet man bei „Emilia Pérez“,dem neuesten (und ersten spanischsprachigen)Meisterwerk des FranzosenJacques Au diard („Ein Prophet“, 2009).In Cannes wurde das Melodram mit demJury preis ausgezeichnet, außerdem erhieltendie vier Hauptdarstellerinnen – ZoëSaldaña, Karla Sofía Gascón, Selena Gomezund Adriana Paz – gemeinsam den Preisfür die beste Schauspielerin.Die mexikanische Anwältin Rita (Saldaña)ist clever und kämpft Drogendealer,Mörder und Mafiabosse vor Gericht frei. DieLorbeeren heimst aber ihr eitler Chef ein.Da wird sie von Manitas del Monte (Gascón),dem Boss eines Drogenkartells, engagiert,der aus der kriminellen Welt aussteigenund endlich werden will, wonach er sich immerschon sehnt: eine Frau. Manitas inszeniertmit Ritas Hilfe die eigene Ermordungund lässt Ehefrau Jessi (Gomez) mit den beidenKindern in die Schweiz bringen. Derweilwird aus Manitas per Hormonbehandlungund Chirurgie Emilia Pérez.Transfrau in der Rolle ihres LebensAber Emilia, die aufgrund des Geldes,das sie als Manitas gescheffelt hat, keinerleifinanzielle Probleme hat, kann die Vergangenheitnicht loslassen.Insbesonderedie Sehnsucht nach ihrenKindern treibt sieum. Sie lässt Jessi unddie Kids zu sich nachMexiko bringen, wosie eine neue Existenzaufgebaut hat – undgibt sich als Cousinedes vermeintlich ermordetenManitas aus.Sie kümmert sich umdie Kinder fast wie eineMutter und beginnt,ihr früheres Leben zureflektieren. Emilia sieht, was die Drogenkartelle(und auch sie als einer von derenBossen) angerichtet haben, und gründeteine NGO, die die Leichen von Verschlepptenaufspürt und identifiziert. So versuchtsie, ihr früheres Leben zu sühnen und denFrauen der Verschwundenen zumindest einenRest Würde zurückzugeben. Mit einerdieser Frauen, Epifanía (Adriana Paz), beginntsie eine Beziehung. Emilias „Witwe“Jessi frischt derweil eine alte Affäre auf,was der Anfang einer Reihe von Enthüllungender Vergangenheit mit sich und Emiliain tödliche Gefahr bringt. Als Konsequenzall dieser Verwirrungen muss AnwältinRita eine ganz besondere Rolle einnehmen.Wie in „Emilia Pérez“ der Lokalkoloritdes gewalttätigen Mexiko präsent wird, isteine grandiose Leistung.Audiard nimmt„ Jacques Audiardnimmt erkennbarAnleihen an denin Lateinamerikapopulären Telenovelas,die auch vonMord und Totschlag,Liebe und Eifersuchtnur so wimmeln. “Karla SofíaGascónDie Transfrau ausSpanien ist in„Emilia Pérez“ ineiner „Doppelrolle“zu sehen undbegeistert mitder Performanceihres Lebens.erkennbar Anleihenan den in Lateinamerikapopulären Telenovelas,die auch vonMord und Totschlag,Liebe und Eifersuchtnur so wimmeln. Dassdies mit der scheinbarbiederen Form einesMusicals aufgeht, isterstaunlich, liegt abernicht zuletzt auch amschauspielerischenKönnen von Zoë Saldañaund vor allem an der Performance vonKarla Sofía Gascón: Die spanische Transfrauspielt in der „Doppelbesetzung“ alsManitas del Monte und Emilia Pérez dieRolle ihres Lebens.Emilia PérezF 2024. Regie: Jacques Audiard. Mit Zoë Saldaña,Karla Sofía Gascón. Filmladen. 130 Min.ANIMATIONSFILMFortsetzungmit Oma-KalkülDas Phänomen ist nicht neu: Die Disney-Studioshatten sich lange dagegengewehrt, ihre berühmten Zeichentrickfilmefortzusetzen, sie warenvielmehr stolz, jedes Mal eine neue, originelleGeschichte aus dem Hut zaubern zukönnen – vom „Schneewittchen“ bis zum„Dschungelbuch“. Sequels galten lange alstabu. Bis 2012 „Die Eiskönigin“ herauskamund ein solcher Erfolg wurde, dass dieProduktion eines Sequels wohl allzu verlockendund einträglich schien. Das kamdann als „Die Eiskönigin 2“ heraus undprolongierte den unglaublichen Erfolg desOriginals. Selbiges hat man zu Weihnachten2024 mit „Vaiana 2“ vor; „Vaiana“ projizierte2016 offenbar so viel Sehnsucht indie kleinen Kinderherzen, dass nun einNachfolger startet. Die Geschichte um die16-jährige Vaiana, Tochter des Motunui-Häuplings Tui, erzählte voller sprühenderFunken vom Südseeleben im Einklang mitdem blitzblauen Meer – und geriet sowohlerzählerisch als auch tricktechnisch zumMeisterwerk. Teil zwei kann das durchaustoppen, denn dank Vaianas ganz speziellerBindung zum Meer ereilt sie ein Ruf ihrerVorfahren, der sie hinaus auf offene See inein gefährliches Abenteuer stürzt.Mehr zu spoilern, würden einem dieFans wohl übelnehmen. Über den Filmlässt sich sagen, dass Disney abermals miteiner unfassbaren Liebe zum Detail arbeitet– sowohl in der Story als auch in der grafischenUmsetzung. Einmal ansehen dürftenicht reichen … Das ist genau das Kalkülbei Disney: Filme wie „Vaiana 2“ sollen ambesten von der ganzen Familie besucht werden(das verkauft mehr Tickets), optimalerweisemehrfach. Eine Oma als Begleitpersonfindet sich immer. Und: Es lohnt sich.Auch für die Oma. (Matthias Greuling)Vaiana 2USA 2024. Regie: David Derrick Jr, Jason Hand,Dana Miller. Animationsfilm. Disney. 100 Min.Vaiana sticht diesmal in See, um ein wagemutiges,nie dagewesenes Abenteuer zu erleben.KREUZ UND QUERFurche24_KW48.indd 1 21.11.24 11:35
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