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DIE FURCHE, 28.05.2024

DIE

DIE FURCHE · 21 23. Mai 2024 Das Gespräch führte Philipp Axmann echnisch schreitet die Entwicklung Künstlicher Intelligenz (KI) täglich voran. Doch wie steht es um die ethischen Aspekte der Technologie? Darüber hat DIE FURCHE mit Sonja Schmer- Galunder, Professorin für KI und Ethik an der University of Florida, im Rahmen des Pfingst dialogs Geist & Gegenwart in Seggauberg gesprochen. DIE FURCHE: Ist „Künstliche Intelligenz“ wirklich intelligent? Sonja Schmer-Galunder: Das Wort „Intelligenz“ ist irreführend. Man muss unterscheiden zwischen Wissen und Intelligenz. Wir Menschen erwerben viel Wissen, auch verschiedene Arten des Wissens, aber intelligentes Verhalten bedeutet, dass man dieses Wissen auch anwenden kann. Wir können unser Wissen in die KI programmieren, und die KI kann das Wissen der ganzen Menschheit speichern, aber intelligent ist sie deswegen noch nicht. Es ist im Übrigen eine große ungeklärte Frage, was Intelligenz überhaupt beim Menschen ist – von KI noch gar nicht zu reden. Aber wenn wir Intelligenz recht simpel als zielgerichtetes Verhalten definieren, dann trifft diese Definition auch auf KI zu. DIE FURCHE: Nach dieser Definition – wer KI, die in allen möglichen Kontexten besser ist intelligenter: Mensch oder KI? agieren kann als wir Menschen und mehr Schmer-Galunder: Bei manchen Formen weiß als wir. Wenn es so weit ist, müssen von Intelligenz ist der Mensch noch weit wir diese Frage neu bewerten. voran, etwa bei der sogenannten emotionalen Intelligenz. Die KI funktioniert besonders gut – und durchaus intelligent – üblichen Computerprogrammen? DIE FURCHE: Was unterscheidet KI von in geschlossenen Systemen. Etwa im Schmer-Galunder: Das Wort wird nicht Schachspiel, wo es eindeutige Regeln, eine begrenzte Anzahl an Figuren und ein ren Sinn ist KI alles, was so agiert, dass ein immer ganz präzise verwendet. Im weite- klares Ziel gibt. Unsere Welt ist aber ein offenes System mit unendlich vielen Hand- sogar die Software in einem Lift. Das, was bestimmtes Ziel erreicht wird. Dazu zählt lungsmöglichkeiten und unklaren Zielen, hier ist die KI noch nicht so weit. KI re macht, würde man präziser als genera- jetzt gerade unter dem Stichwort KI Furo- ist sehr gut in simplen Bereichen mit klar tive KI bezeichnen. Der Unterschied: Hier definierten Zielen (man spricht hier von geht es um selbstlernende Maschinen. Man narrow AI), der Mensch ist besser in komplexen Systemen, die Weltwissen benötile Regeln und Bedingungen aufstellen, son- muss nicht mehr alles spezifizieren und algen – zumindest momentan noch. dern das System lernt die Muster und die Distribution von Daten. Zum Beispiel lernt DIE FURCHE: Kann KI Bewusstsein haben? die Sprach-KI von selbst Grammatik, obwohl das nicht programmiert wurde. Sie Schmer-Galunder: Das ist schwierig, auch hier ist ja nicht einmal beim Menschen so kann dann hervorragend Sätze formulieren, die sinnvoll klingen, aber die KI selbst klar, was das Bewusstsein ist. Manche KI- Forscher setzen den Anschein, Bewusstsein zu haben, damit gleich, tatsächlich hat deswegen noch keine Intelligenz. Bewusstsein zu haben. Das halte ich für DIE FURCHE: Was sind die entscheidenden falsch. Ich glaube, KI ist eine Imitation dessen, was wir Menschen sind, nicht dasselbe. Schmer-Galunder: Für mich ist die wich- Fragen der KI-Ethik? Ich gehe aber davon aus, dass wir irgendwann in dem Zeitalter der Generellen Arti- wir haben? Wir müssen akzeptieren, dass tigste Frage: Welche Gesellschaft wollen fiziellen Intelligenz ankommen, also einer KI Teil unserer Gesellschaft ist und sie wei- Um nicht weniger als die Zukunft des Kontinents ging es beim heurigen Pfingstdialog Geist & Gegenwart im Schloss Seggau in der Steiermark. Wo diese Zukunft gestaltet werden kann und muss? Die Antwort in Seggauberg war klar: in den Regionen Europas. Das betonte Landeshauptmann Christopher Drexler, der bei seiner Eröffnungsrede erklärte: „Der Föderalismus in Europa ist kein Hemmnis, sondern ein System des Wettbewerbs und der Dynamik im Wettstreit um die besten Ideen und Lösungen.“ Europas Regionen zeichnet aber nicht nur der Wettbewerb, sondern gerade auch die Kooperation aus, ist Wissenschaftsländesrätin und Geist-&-Gegenwart-Schirmherrin Barbara Eibinger-Miedl überzeugt. Die Steiermark könne dabei als Vorbild gelten: „In der Steiermark wird eine besondere Vernetzung mit allen Partnerinnen und Partnern gelebt – genau diese Zusammenarbeit brauchen wir auch auf europäischer Ebene.“ Standortpolitik müsse ein Kernanliegen der neuen EU-Kommission sein, so der Konsens auch in weiteren Diskussionsrunden. Weitere Informationen zur Veranstaltung: www.pfingstdialog-steiermark.at (ax) Schmer-Galunder: Es stimmt zwar, dass momentan die Marktführer in Kalifornien sitzen, dort die Ressourcen liegen und die Server stehen. Gewissermaßen trüben die Datensätze gerade das Wasser, denn ein Großteil des Internets besteht aus der Jugendkultur der letzten 20 Jahre. Das ist natürlich nicht repräsentativ für die vielfältigen Kulturen der Welt. Aber es wird technisch auch möglich sein, KI-Modelle zu entwickeln, die Werte anderer Kulturen, etwa der österreichischen, reflektieren. Das ist ein lösbares Problem. DIE FURCHE: Studien belegen, dass Menschen KI schon jetzt oft mehr vertrauen lebt in San Francisco und ist „Glenn and Deborah als anderen Menschen. Droht ein Verlust Renwick Leadership“- des Selbstdenkens durch KI? Professorin der Ethik der Schmer-Galunder: In manchen Bereichen ist das okay. Wir vertrauen den Flug- KI an der University of Florida. linien, die KI einsetzen, uns wieder sicher auf den Boden zu bringen. Im menschlichen Bereich besteht aber auch das Risiko einer intellektuellen Monokultur. Diversität im Denken ist aber extrem wichtig. Sie ist unser geistiges Immunsystem. Gleichzeitig ist klar: Wir können natürlich nicht Experten in allen Bereichen sein, wir müssen oft anderen vertrauen, inklusive der KI, wo es angebracht, ja sogar sicherer ist. Wenn wir kritisches Denken im KI- Zeitalter weiterhin schulen wollen, können wir uns etwa am Konzept des flipped classroom orientieren, das an amerikanischen Unis bereits eingesetzt wird. Man geht davon aus, dass die Studierenden sowieso ChatGPT verwenden, und hat deswegen die Wissensaneignung nach Hause verschoben. An der Uni oder in der Schule wird dann nicht mehr Wissen vermittelt, sondern angewandt, im Klassenzimmer geht es um das gemeinsame kritische Denken und Hinterfragen. terhin gravierend verändern wird. Ich finde es naiv, KI nur als Utopie darzustellen. werbsnachteil, wenn es KI reguliert? DIE FURCHE: Hat Europa einen Wettbe- Sie wird den globalen Arbeitsmarkt verändern, wie wir lernen, kommunizieren und lierung Innovation fördert, nicht hindert. Schmer-Galunder: Ich glaube, dass Regu- leben, und wir sollten uns vielleicht Gedanken darüber machen, wie diese Welt ment ist, zu sagen, wenn China und Russ- Ich finde nicht, dass es ein gutes Argu- aussehen soll. Wir müssen uns auch überlegen, in welchen Bereichen wir KI einset- dann sollen wir sie auch aufgeben. Ich bin land bei der Regulierung nicht mitmachen, zen wollen – und in welchen nicht! Wenn überzeugt, dass demokratische Werte Das Interview wir diese Zukunftsfragen nicht diskutieren, werden wir nur auf die Entscheidunredner des dies- Systeme. Es wird sich lohnen, wenn wir langfristig stabiler sind als autokratische mit dem Hauptgen anderer reagieren können. Wir müssen uns überlegen: Welche Werte sind uns dem Politologen das macht sie und unsere Gesellschaft sijährigen Dialogs, die KI bewusst und überlegt entwickeln, wichtig, welche Sozialstrukturen wollen Herfried Münkler, vom 8. Mai cherer und gerechter. wir haben? Welche ethischen Richtlinien 2024, finden Sie wollen wir in unserer Gesellschaft und in auf furche.at. unserer KI? Das soll nicht ein Technologiekonzern wie Google entscheiden, sondern die Bevölkerung, auf demokratische Europas Regionen. Weise. Zukunft gestalten Herausgegeben von DIE FURCHE: Globalisieren sich die Werte Herwig Hösele und des technisch überlegenen Kulturkreises? Lojze Wieser Wieser Verlag 2023 278 S., € 21,95 Diese Seite entstand in Kooperation mit dem Club Alpbach Steiermark. Die redaktionelle Verantwortung liegt bei der FURCHE. Der zwölfte Pfingstdialog im südsteirischen Schloss Seggau stand unter dem Motto „Europas Regionen: Zukunft gestalten“. Dort diskutierten auf Einladung von Geist-&-Gegenwart-Koordinator Herwig Hösele unter anderem Hauptredner Herfried Münkler, EU-Kommissarin a. D. Benita Ferrero-Waldner, Landeshauptmann Christopher Drexler und Schirmherrin Landesrätin Barbara Eibinger-Miedl. Einen Impuls lieferte auch der „Hausherr“ im Schloss, Bischof Wilhelm Krautwaschl. 18 · 2. Mai 2024 DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 80. Jg. · € 6,– übersehbar sind und gerade extrem rechte Parteien sich immer mehr als nützliche Idi o ten einer Aushöhlung demokratischer Gesellschaften entpuppen, ist evident. Der Kampf um Pressefreiheit, der eben gleichzeitig ein Kampf um Demokratie und Menschenrechte ist, muss anno 2024 daher Von Otto Friedrich auch die Medien im Blick haben. Medienfreiheit heißt – insbesondere mit dem Blick auf Social Media – keineswegs Any thing lle Jahre wieder wird am 3. Mai verstärken. Und zwar rasend schnell. Und goes. Es klingt nur paradox, dass auch Medien eine Gefahr für die Medienfreiheit der Tag der Pressefreiheit begangen. Und alle Jahre wieder Das Erschrecken über den islamistischen sind. Aber wenn Medien idealtypisch den gerade bei den Jungen, ja sogar Kindern. wird offenbar, dass freie Medien Furor, der hier zutage tritt, sollte aufrütteln. Diskursraum gewährleisten, in dem die Zukunft der Gesellschaften verhandelt wer- nur in einem Bruchteil der Welt Aber gleichzeitig sind die Strategien dieser Wirklichkeit sind. Und die Situation wird religiösen Eiferer keineswegs nur ein Problem unter den Muslimen der Welt. Qualilitik gegen die Unterwanderung durch die den, dann müssen sie im Verein mit der Po- nicht besser: Auch in Europa gerät die Medienfreiheit unter Druck (vgl. Seite 20 dieser FURCHE). Versteht man die Medien lage dem Sinn nach auch auf AfD-Demonstratio- der Menschenrechte vorgehen. fizierungen wie „Wertediktatur“ kann man Feinde der Demokratie und die Verächter als Indikator für den Zustand der Demokratie(n) überhaupt, dann wird schnell klar, hören. Und die Neue Rechte trommelt seit und Sisyphusarbeit. Aber: Wer denn, wenn nen oder vergleichbaren Manifestationen Das klingt nach Quadratur des Kreises wie sehr da Feuer am Dach ist: Freie Medien sind eine notwendige Voraussetzung für schenrechte, die sie als Ausdruck der Dekader und wieder aufs Tapet bringen? Wobei den 1990er Jahren analog gegen die Men- nicht (Qualitäts-)Medien müssen das wie- das Funktionieren von Demokratie und das denz des Westens verunglimpft. hierzulande natürlich auch äußert kritisch Durchsetzen der Menschenrechte. beäugt bleiben soll, dass feiste Verleger (vermeintlich) Mächtigen ihre Berichterstat- Wie gefährdet das alles auch in unseren Putins Trolle und chinesische Player Breiten ist, zeigen die Parolen der islamistischen Demonstration in Hamburg, wo letzschen Richtung haben sich längst etabliert die Pressefreiheit, die wir meinen. Die medialen Netzwerke dieser politi- tung verkaufen. Auch das ist gewiss nicht tes Wochenende der Redner unverblümt – oft und gerade außerhalb der klassischen Der Zustand der Medien wie der Zustand von einer europäischen „Wertediktatur“ gesprochen hatte, die es durch die Wieder- hier spielen Social Media eine unsägliche als rosig erscheinen. Dennoch bleibt es eine Medien (Seiten 5–6 dieser FURCHE). Auch der Demokratie(n) mag zurzeit alles andere errichtung des Kalifats zu bekämpfen gelte. Rolle. Es gibt mehr als Indizien dafür, dass unaufgebbare Rolle der Medien, Anwälte Auch derartige erschreckende Manifestation hat mit den Medien zu tun: Der Soziologe er spätestens seit der Brexit-Abstimmung schenrechte zu sein. DIE FURCHE weiß sich Putins Trolle, aber auch chinesische Play- der Freiheit, der Demokratie und der Men- und Gesellschaftsdiagnostiker Kenan Güngör wies bei Armin Wolf in der ZIB 2 darauf schaftswahlen 2017 munter an der Destapflichtet. Das – so wünsche ich mir – soll in in Großbritannien und den US-Präsident- dieser Verantwortung seit Jahr und Tag ver- hin, das Social Media wie TikTok mit ihren bilisierung der freien Welt arbeiten. Dass Zukunft weiter so sein. Algo rithmen gerade innerhalb muslimischer Communitys derartige Weltsichten na-Leugnern und Putin-Verstehern kaum auch hierzulande die Linien zwischen Coro- otto.friedrich@furche.at Die vergleichsweise günstigen Preise lassen Touristen in Massen gen Albanien strömen. Das hat Folgen. Ein Mini-Fokus über ein bemerkenswertes Land. Seiten 7–8 Umfragen zeigen, dass „Anpassungen“ an eine „Leitkultur“ wenig sinnvoll – die Integrations-Hausaufgaben aber umso größer sind, meint Arno Tausch. Seite 15 Eine Kunst, die aufruft, die Welt besser zu machen: Zenita Komads Werke im Kulturzentrum Kultum in Graz haben eine eindeutige Botschaft: „Nie wieder Krieg!“ Seite 19 Stéphane Brizés Film „Zwischen uns das Leben“ mit Guillaume Canet und Alba Rohrwacher taucht ein in eine melancholische Beziehungsgeschichte. Seite 20 Bienen sind auch als Individuen intelligent. Studien zeigen, dass sie Gefühle, Gedächtnis und Bewusstsein haben. Wie wäre es, in ihre Welt einzutauchen? Seiten 22–23 @diefurche @diefurche @diefurche Die Furche Österreichische Post AG, WZ 02Z034113W, Retouren an Postfach 555, 1008 Wien DIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 Wien Telefon: (01) 512 52 61-0 DIE FURCHE · 22 12 Diskurs 29. Mai 2024 IHRE MEINUNG Schreiben Sie uns unter leserbriefe@furche.at Warum nicht Waitz? Politik als Fiebertraum Von Doris Helmberger Nr. 21, Seite 1 Über Lena Schilling ist schon viel geschrieben worden( „Unendliche Affäre Schilling“). Aber warum deshalb Österreichs EU-Wahlkampf zur „Groteske“ geworden wäre, ist für mich nicht nachvollziehbar. Ich stimme zu, dass für das Desaster die grüne Spitze verantwortlich ist. Jugend und Talent sollte für eine Kandidatur an führender Stelle nicht ausreichend sein. Das Gegenteil ist der eher untergriffige Sager: „Hast du einen Opa, schick ihn nach Europa.“ Eine Mischung aus Erfahrung und begabter Jugend wäre mein Vorschlag gewesen. Warum ist Thomas Waitz nicht Grünen-Spitzenkandidat für das EU-Parlament geworden ? Dr. Wolfgang Himmler, 8010 Graz Vollgepackte FURCHE „KI als reine Utopie ist naiv“ Interview mit Sonja Schmer- Galunder sowie Urlaub in Betonien. Von Martin Tauss. Nr. 21, Seite 13 und 15 Ungern wiederhole ich mich, doch hier muss es sein. Vollgepackt mit Künstliche Intelligenz wird unsere Gesellschaft verändern. Doch wie soll Europa mit dieser Transformation umgehen? Ein Gespräch mit einer KI-Ethikerin beim steirischen Pfingstdialog Geist & Gegenwart. „KI als reine Utopie ist naiv“ T GEIST & GEGENWART 2024 Europas Regionen beim Pfingstdialog Ethik Sonja Schmer- Galunder „ Durch KI besteht das Risiko einer intellektuellen Monokultur. Diversität im Denken ist aber extrem wichtig. Sie ist unser geistiges Immunsystem. “ Fotos: Club Alpbach Steiermark / Fotos Fischer 13 spannenden Themen, wie immer, sind diesmal für mich herausragend die Ausführungen der KI-Ethikerin. Jeder Satz ein Treffer. Es wäre zu wünschen, dass die zur Regulierung der Anwendungen von KI verantwortlichen Stellen in der EU diesen Artikel sehr genau lesen und somit die daraus resultierenden notwendigen Beschlüsse fassen. Dank auch an Martin Tauss für das „Zugespitzt“. Leider lesen die zuständigen Politiker diese Artikel nicht, es würde an ihrer einbetonierten Einstellung wahrscheinlich auch wenig ändern. Für beide Themen gilt: Die Hoffnung stirbt – bekanntlich – immer zuletzt. Magdalena Tschurlovits, via Mail KI als Alltags-Hilfe? wie oben sowie allgemein Ich sitze im Café, lese DIE FURCHE und beobachte nebenbei, wie das Personal „schwimmt“ (es ist Sonntag Nachmittag). Und weil ich gerade auch das Gespräch über „KI als reine Utopie“ lese, frage ich mich, wie da hier und jetzt mit KI der Sonntagnachmittagstress gemindert werden könnte – samt der nötigen persönlichen Freundlichkeit und Zügigkeit beim Service. Und dann prüfe ich quer durch die Ausgabe, wo und wie hier KI mehr leisten könnte als digitaltechnische Unterstützung: Wenn es da um politische Entscheidungen und Führung geht – siehe „Thüringen und die AfD“ – oder „Die Schweiz im EU-Duell“ oder „Südafrika am Scheideweg“ oder „Grabenkämpf in der Slowakei“. Und dann wären da noch das Thema „Frauenquote“ und die Mozart-Oper und und und... „Kann“ da KI wesentliche, inhaltliche, wertemäßige, also ausschlaggebende Hilfe leisten für Entscheidungen in der Politik, in der Kunst, im Leben der Kultur? Pfarrer Peter Mathei 6861 Alberschwende Deutsches „mal“ Zu FURCHE Nr. 21 In der letzten FURCHE konnte man lesen: Sabine Scholl schwang auch „schon mal“ eine Standarte (Seite 18), die Gedichte von Tamara Štainer sind „mal“ tonlos, „mal“ eigensinnig, „mal“ lautstark – und es finde sich in diesen Gedichten sogar ein „beglückendes Klang-, Bild- und Farbenspektrum“ (Seite 23). Denn man könne den Fortschritt „nun mal“ nicht aufhalten (Seite 17) ... Es scheint ein Anliegen zu sein, fortgesetzt deutschen Jargon in Österreich einzuführen. Vielleicht nicht alle finden diesen Fortschritt beglückend, und vielleicht braucht man ihn nicht einmal aufzuhalten, nur nicht mitzumachen! Dr. Franz Forster, 1210 Wien Freude über Friedens-EU Europas Fundament bröckelt Fokus von Wolfgang Machreich Nr. 18, Seiten 2–4 Diese Ausgabe hat mich sehr erfreut. Die Bedeutung der EU und des Europarats hervorzuheben, ist momentan Machtzirkel der völkischen Weltanschauung Krankenpflegerin: Die schlimmste Nacht Erst das Wetter, dann die Politik Von der FPÖ über die Fidesz bis hin zu Le Pens Höchstleistungen trotz Personalmangels: Ein Der Österreicher Josef Räuscher (1889–1937) „RN“ – das Netzwerk zwischen Europas Rechten mit Interview und ein Buch geben Einblicke in einen machte in Deutschland Karriere. Ein Beitrag zu China und Russland ist eng. · Seiten 5–6 chronisch unterschätzten Beruf. · Seite 12 100 Jahre Radio. · Seiten 17–18 Das Thema der Woche Seiten 2–4 Wenn TikTok & Co. mit ihren Algorithmen den Diskurs dominieren: Auch Medien können eine Gefahr für die Medienfreiheit sein. Es sind dennoch die Medien, die dem entgegenhalten müssen. Freiheit, die wir meinen A „ Qualifizierungen wie ‚Wertediktatur‘ kann man dem Sinn nach auch auf AfD-Demonstrationen hören. “ Das gemeinsame Haus Europa steht auf den Werten von Europarat und Europäischer Menschenrechtskonvention. Doch zum 75-Jahr-Jubiläum gerät die Stabilität ins Wanken. Europas Fundament bröckelt Foto: Getty Images / Lazy_Bear Foto: Philosophicum Lech „Ich weiß, dass ich benutzt werde“ Der Tschetschene Ahmad Mitaev kämpft gemeinsam mit dem Polizisten Uwe Schaffer auf TikTok für mehr Toleranz. · Seite 24 Was darf ich hoffen, Konrad Paul Liessmann? Ausgehend von Immanuel Kants großer Frage erklärt der Philosoph, was Hoffnung mit Freiheit und Feigheit zu tun hat. Ein FURCHE- Gespräch über die (Klima-)Hölle, das Bildungssystem, den Sinn des Lebens – und darüber, ob am Ende alles gut wird. Seiten 9-10 AUS DEM INHALT Von der Diktatur zum Trendreiseziel Österreichs Light-Kultur Der Stift, der Faden, die Schrift Französische Gefühle Irdische Aliens furche.at sehr wichtig. Unverständlich sind ja Parteien, die die EU in Frage stellen. Ich bedaure, dass allgemein zu wenig darauf hingewiesen wird, dass die EU (zuerst EWG) vor allem gegründet worden ist, damit endlich Friede in Europa kommt. Der 80-jährige Friede bei uns ist eine Folge der EU. Natürlich muss man sich in einer größeren Gruppe in Manchem anpassen. Das ist es aber wert für den Frieden! (Das gilt genauso für einzelne Menschen in einer Gruppe.) Ich denke da noch zurück an Gespräche mit dem früheren Luxemburgischen Staatsminister (bei uns: Bundeskanzler) und Finanzminister Pierre Werner, der auch den Euro besonders mitentwickelt hat. Er betonte in persönlichen Gesprächen immer, wie sehr es den Gründungspolitikern der EU um den Frieden nach dem Zweiten Weltkrieg ging. Nicht die wirtschaftliche Verbindung war der Hauptzweck, sondern der Friede. Die gemeinsame Wirtschaft, so die Hoffnung, macht dann einen Krieg unsinnig. Sie hat sich erfüllt. Freuen wir uns doch darüber und machen wir einander den Friedenssinn der EU mehr bewusst. Danke der FURCHE für dieses Thema. Mag. Gilbert Schandera, em. Pfarrer, Linz US-Eingreifen nötig Widerspruch aushalten Von Daniela Strigl Nr. 19, Seite 19 sowie „Einen rein jüdischen Staat lehnte Arendt ab“ Interview mit Annette Vowinckel Nr. 11, Seiten 7–8 Netanjahus Ziel, mit seinem Vorgehen in Gaza nicht nur den Anschlag vom 7. Oktober zu vergelten, sondern mit Hilfe weiterer jüdischer Siedler im Westjordanland ein Großisrael zu schaffen, kann nicht akzeptiert werden. Umso mehr sind die USA und weitere westliche Verbündete Israels gefordert, das israelische Kriegskabinett unter Druck zu setzen und zu einem anderen Vorgehen zu zwingen. Doch solange US-Präsident Biden bei jedem Appell (besser gesagt bei jeder Bitte) um Mäßigung im Gaza- Krieg sofort beteuert, dass die USA felsenfest an der Seite Israels stehen, wird das Netanjahu als Freibrief auslegen. Hoffen lässt, dass sich bei den Demonstrationen an US-Universitäten zunehmend israelische Studenten und Professoren beteiligen. Ebenfalls könnten in Europa Wissenschaftler und Kulturschaffende, die sich entweder für eine Zweistaatenlösung oder – wie schon Hannah Arendt und kürzlich in Wien der deutsch-israelische Philosoph Omri Boehm – für einen gemeinsamen Staat der Juden und Palästinenser ausgesprochen haben, für eine Friedenslösung einsetzen. Letzten Endes müsste nach über 30.000 palästinensischen Todesopfern allen ein Durchgreifen Bidens willkommen sein. Karl Semmler, Bad Blumau Großes Lob Auch heuer gibt es wieder das Rubbellos „Party Cash“ mit 30.000 Euro Hauptgewinn Summertime ist wiederum Partytime bei Rubbellos Party, Party, Party – keine Jahreszeit ist so prädestiniert zum spontanen Feste-Feiern wie der Sommer. Mit dem Rubbellos „Party Cash“, dieses Jahr in der Farbe gelbgrün gehalten, tragen die Österreichischen Lotterien auch heuer wieder thematisch diesem Phänomen Rechnung und warten ab sofort in allen Annahmestellen mit einer weiteren Gewinnchance auf. Einfach die beiden Gewinnzahlen der Überraschungstüte freirubbeln. Findet man eine oder beide dieser Gewinnzahlen auch in den Spielen 1 bis 5, gewinnt man den am Ende der jeweiligen Spielreihe stehenden Betrag. Als Hauptgewinn warten 30.000 Euro, die Serie bietet außerdem zahlreiche weitere Gewinne von 3 bis 1.000 Euro. Der Lospreis beträgt 3 Euro. Diese Rubbellos-Serie wurde mit einer Auflage von 1,89 Mio. Losen produziert. Die Ausschüttungsquote beträgt 56%, die Chance auf einen Gewinn liegt bei 1:2,99. GLAUBENSFRAGE Politik und Heiliger Geist Von Mouhanad Khorchide Allgemein zur FURCHE Ich kaufe und lese DIE FURCHE öfter – und muss für die höchst interessanten Artikel ein großes Lob aussprechen: ausgewogen und gut recherchiert. Ich wünsche viele neue Leser. Gabriel Lauchard, 9170 Ferlach Die 2024er-Version des Rubbelloses „Party Cash“ mit fünf Spielen Foto: Österreichische Lotterien Sowohl im Christentum wie auch im Islam spielt der Heilige Geist eine zentrale Rolle. Dabei geht es um die Kraft Gottes, die über sich hinauswachsen lässt. Vorige Woche, zu Pfingsten, wurde der Heilige Geist von vielen Christen gefeiert. Laut Bibel soll er die Jünger Jesu 50 Tage nach dessen Tod am Kreuz ergriffen haben. Danach zogen sie in die ganze Welt, sie begannen zu predigen und das Evangelium zu verkünden. In etwa drei Wochen beginnt die islamische Wallfahrt nach Mekka. Auch hier glauben Muslime an die Kraft Gottes, die jährlich Pilgern ermöglicht, die Rituale der Wallfahrt zu vollziehen. Ob Christen in die Welt gehen, um das Evangelium zu verkünden oder sich Millionen Muslime Jahr für Jahr in Mekka versammeln, um sich an die Botschaft Mohammeds zu erinnern – und dies als Ausdruck der Kraft Gottes in der Welt: Die Frage bleibt offen, ob der Heilige Geist dabei nicht auch einen politischen Auftrag hat, die Welt friedlicher gestalten zu wollen. Pfingsten ist vorbei und in einem Monat wird die islamische Wallfahrt auch vorbei sein, und man wird sich danach fragen: Was hat sich dadurch in der Welt verändert? Die nüchterne Antwort lautet: Nichts. Mag sein, dass solche Anlässe zur Entfaltung spiritueller Energien auf individueller Ebene dienen, aber möchte die Kraft Gottes nicht auch die Welt verändern? Der Heilige Geist inspiriert, appelliert, erweitert den Horizont, schenkt Kraft, aber Handeln muss der Mensch selbst. Mir scheint, dass diese Stimme Gottes in der Welt von Christen und Muslimen lediglich als Appell auf einer rein theoretischen Ebene kommuniziert wird, ohne dass in beiden Religionen eine klare handlungsorientierte Konzeption vorliegt, wie sie die Welt friedlicher gestalten wollen. Nur Fundamentalisten meinen, die Wirkmacht des Religiösen entdeckt zu haben – allerdings nicht im Sinne des Friedens. Der Autor leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Münster. RELIGION IN KÜRZE ■ Tomáš Halík: Kirche braucht „radikalen Mentalitätswandel“ Der renommierte Prager Religionssoziologe Tomáš Halík plädierte im Vorfeld seiner Rede bei der „Fronleichnamsakademie“ der Katholischen Aktion in Graz gegenüber der Kleinen Zeitung für einen „radikalen Mentalitätswandel“. Die Kirche müsse „aus dem Gefüge ihres konfessionell geschlossenen klerikalen Systems zur Universalität im Sinn einer tieferen und weiteren Ökumene finden“. BILDUNG ■ Sieger der Religions-Olympiade „Theolympia“ gekürt Beim vierten Durchgang des Essay- und Fotowettbewerbs im katholischen Religionsunterricht aller höheren Schulen Österreichs kam es zu einem Kuriosum: Vorjahressieger Paul Summer (Lise Meitner Realgymnasium Wien) errang abermals den ersten Platz, es folgten Laura Fuchsluger (Stiftsgymnasium Seitenstetten) und Benedikt Kernjak (Sacré Coeur Wien). Thema war Leiblichkeit. Nachzulesen auf furche.at.

DIE FURCHE · 22 29. Mai 2024 Literatur 13 Von Florian Müller Ich benutze eine sehr Roth’sche Methode, wenn ich die Fotos von meinem Besuch im südsteirischen Obergreith im April 2023 durchblättere, um diesen Artikel zu beginnen. Denn auch für Gerhard Roth waren seine fast schon manisch angefertigten Fotografien literarische Notizen. Mit seiner zweiten Frau, Senta Roth, zog er 1976 nach Greith. Das alte Bauernhaus ist geschmückt mit Werken Gugginger Künstler, mit denen ihn eine lebenslange Freundschaft verband. Auch kleine Skulpturen von Erwin Wurm, der sowohl für „Die Imker“ als auch für die „Jenseitsreise“ das Cover gestaltet hat, sind zu finden. Es stand wohl der eine oder andere Welschriesling aus der Gegend auf dem Tisch in der Stube, als Gerhard Roth und sein Lektor, Jürgen Hosemann vom S. Fischer Verlag, bis zum Beginn der Pandemie seine Werke besprachen. Bei seinen jährlichen Besuchen lernte Hosemann auch so manche Vorlagen von Romanfiguren aus der Nachbarschaft kennen. Beeindruckende elf Primärwerke plus Sonderausgaben, Neuauflagen und zwei Bücher über Gerhard Roth, von denen Hosemann selbst eines herausgab, hat der Lektor ab dem Jahr 2000 begleitet. Hosemann ist somit ein genauer Kenner der Texte von Gerhard Roth, auch wenn er einräumt, dass es das Talent eines Lektors sei, sich mit Texten intensiv zu befassen und sie dann im Sinne der Psychohygiene schnell wieder zu vergessen. Foto: Senta Roth In seinem letzten, Fragment gebliebenen Roman ging Gerhard Roth erfrischend streitlustig mit der Weltliteratur vors Jüngste Gericht. Nun erscheint der Band des 2022 verstorbenen Autors. Eine persönliche Annäherung. Jenseitsreise eines Autors Monumentale Bibliothek In besagtem Bauernhaus in Obergreith steht auch Gerhard Roths vom Grazer Franz-Nabl- Institut auf knapp 24.000 Bände geschätzte Bibliothek – die in einer gespiegelten Variante auch in seiner Wohnung am Wiener Heumarkt existierte. Stefan Alker-Windbichler hat dazu einen beindruckenden Vortrag beim Symposium zu Gerhard Roth im April 2023 im Literaturhaus Graz gehalten, der im Online-Dossier der Tagung verewigt ist. In dieser Bibliothek vereinte Gerhard Roth von Lewis Carroll über Emily Dickinson bis Marcel Proust nicht nur seine Heroinnen und Heroen, mit denen sein Protagonist Franz Lindner in seinem Fragment gebliebenen Roman „Jenseitsreise“ in leidenschaftliche Streitgespräche eintritt. „Er hatte eine kindliche Freude daran“, erinnert sich Jürgen Hosemann. Denn in seinen Telefonaten mit Gerhard Roth brach das Thema immer wieder durch, obwohl sie eigentlich noch mit dem Lektorat für „Die Imker“ beschäftigt waren. In dieser Bibliothek finden sich auch naturwissenschaftliche, historische oder philosophische Fachliteratur und jede Menge Kunstbände. Das Wissen und die Leidenschaft eines Sammlers von so vielen Büchern sind auch im letzten Werk des monumentalen Autors zu spüren. Im Garten unter dem Nussbaum ruht die Asche von Gerhard Roth, der am 8. Februar 2022 verstarb. Lässt man den Blick über die südsteirische Hügellandschaft streifen, entdeckt man einen Steinbruch. Dort endet Roths bereits posthum im Juni 2022 erschienener Roman „Die Imker“. Und an diesem Steinbruch beginnt auch sein unvollendeter Roman „Jenseitsreise“: Hier nimmt sich sein Protagonist Franz Lindner im ersten, kurzen Teil des Romans mit dem Titel „Mein Tod“ das Leben und begegnet seinem Vater und seiner Mutter. Gerhard Roth war ein groß denkender Autor, seine Werke entstanden meistens in Zyklen, weiß Uwe Schütte, der nach seiner Promotion bei W. G. Sebald zu Gerhard Roths „Archiven des Schweigens“ zahlreiche Werke über den Autor verfasste. Tatsächlich war auch hier ein Zyklus geplant: Er sollte mit „Die Imker“ beginnen, sich mit der „Jenseitsreise“ fortsetzen und mit einem Tagebuch des Franz Lindner enden. In der Wüstenstadt Gerhard Roth hat gemeinsam mit Senta Roth fünf Mal Ägypten besucht. Der Meister der Todesbeschreibungen, wie ihn Hosemann nennt, war vom Totenkult am Nil fasziniert. Es ist also nicht verwunderlich, dass er Ägypten in seinem letzten Werk wiederholt zum Ort der Handlung macht. Im zweiten Teil des Romans „Jenseitsreise“ mit dem Titel „Die Wüstenstadt“ durchfliegt Franz Lindner die ägyptische Landschaft meist in Gestalt einer Elster, hat jedoch das Talent, sich in alles Mögliche zu verwandeln. Ebenso wie der wiederkehrende Ort ist Franz Lindner ein wiederkehrender Protagonist: Laut Uwe Schütte erscheint er erstmals in „Der stille Ozean“ (1980) und in „Landläufiger Tod“ (1984). Einerseits verbindet der Protagonist die Zyklen miteinander, andererseits kritisiert Schütte dessen Wandelbarkeit. Genauso wie das „Haus der Künstler“ in Gugging wird Franz Lindner bei Roth zur Chiffre, zum Ort der Projektion. „ Gerhard Roth war vom Totenkult am Nil fasziniert. In seinem letzten Werk machte er Ägypten zum Ort der Handlung. “ Aber zurück zum Roman und in das Jenseits: In Gerhard Roths Reich der Toten kommen auch zwei Personen aus dem Diesseits auf Besuch – Donald Trump und Reiner Stach, Autor einer dreiteiligen Kafka-Biografie. „Das fand ich schon ein wenig skurril“, kommentiert Jürgen Hosemann den Umstand, dass ausgerechnet Trump als „Heiliger Lügner“ und Stach ins Reich der Toten pendeln dürfen. Er interpretiert das als große Wertschätzung gegenüber dem Literaturwissenschaftler Stach, der auch im S. Fischer Verlag publiziert. Im Jenseits müssen Ingeborg Waldingers Besprechung des Romans „Die Imker“ finden Sie unter „Zeichen an der Wand“ (24.5.22) auf furche.at. Schreiben in Zyklen Am 8. Februar 2022 starb Gerhard Roth 79-jährig in Graz. Der im Juni 2022 postum erschienene Roman „Die Imker“ war als erster Teil einer Trilogie konzipiert, „Jenseitsreise“ als zweiter. Dinge übrigens nicht ausgesprochen werden, denn hier können alle Gedanken lesen. Hier treffen auch Autoren auf Protagonisten, wenn Don Quijote und Sancho Panza William Shakespeare fragen, warum sein Globe Theatre ausgerechnet bei einer Vorstellung von Macbeth zu brennen beginnt. Gerhard Roth hat für dieses Buch eine eigene Welt gebaut, in der zum Beispiel Karl Marx, der sich vom Protagonisten Lob für seine Sozialpolitik und Kritik für kommunistische Verbrechen anhören muss, Leiter der Müllstadt ist. Adolf Hitler, Eva Braun, die Pol-Pot-Schergen oder Osama bin Laden müssen hier „Kackwürste“ essen und Urin aus Bierflaschen trinken. Wer unter den „Marxmenschen“ sein Verbrechen eingesteht, darf in die Textilfabrik wechseln. Uwe Schütte sieht Gerhard Roths Planung seiner Zyklen auf dem Reißbrett durchaus als kreatives Hemmnis, das Roth aber immer wieder mit essayistischen Einschüben durchbricht. Für Jürgen Hosemann lässt der Autor mit seinem Alterswerk diese Grenzen endgültig hinter sich: „Gerhard Roth betritt mit den ,Im- FORTSETZUNG AUF DER NÄCHSTEN SEITE

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