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DIE FURCHE 28.03.2024

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DIE FURCHE · 13 20 Film 28. März 2024 KONZERTFILM Wiedersehen mit den „Talking Heads“ Ein Mann im weißen Anzug betritt die Bühne. In der einen Hand hält er einen Kassettenrekorder, in der anderen eine Gitarre. Er drückt Play, eine Drum-Maschine setzt ein und er singt mit Inbrunst den Song „Psycho Killer“. Bei dem Mann handelt es sich um David Byrne, Leadsänger der US-Rockband „Talking Heads“. Song für Song stoßen seine Musikerkollegen zu ihm, zunächst Bassistin Tina Weymouth, dann Schlagzeuger Chris Frantz, so lange bis die gesamte Band auf der Bühne steht und mit ihrem damals jüngsten Hit „Burning Down The House“ die Hütte zum Kochen bringt. Was folgt, ist der vielleicht beste Konzertfilm aller Zeiten: „Stop Making Sense“, der in einer restaurierten Fassung wieder ins Kino kommt, beweist auch heute noch, wie man die Musik dieser Kultband zu neuem Leben erweckt. Regisseur Jonathan Demme, der später mit „Silence of the Lambs“ seine eigene Version eines Psychokillers vorlegen wird, zeigt hier bereits all sein Können. Die Kamera folgt ihrer eigenen Dramaturgie, wechselt mühelos zwischen dem spastisch herumspringenden Byrne und der Band (atemberaubend: der Schnitt von Lisa Day!) und komplementiert die Rhythmen der elektronisch-funkigen Beats perfekt. Demme filmt das Geschehen auf der Bühne nicht einfach statisch ab, er greift selbst narrativ ins Geschehen ein. Nun kann man den Film einerseits als 4K-Restauration in nie gesehener Klarheit im Kino erleben, andererseits wird man auf akustischer Ebene mit einem neuen Multikanal-Audio-Mix verwöhnt, der die Instrumentengruppen in neuer Weise zu differenzieren verspricht. Ein Pflichtfilm, nicht nur für Talking-Heads-Fans. (Philip Waldner) Stop Making Sense USA 1984. Regie: Jonathan Demme. Mit David Byrne, Tina Weymouth. Polyfilm. 88 Min. Von Matthias Greuling Schon über 22 Jahre ist es her, dass Sabine Derflinger mit „Vollgas“ ihr Kinodebüt gab. Darin ging es um eine alleinerziehende Jungmutter, die als Saisonkellnerin in einem Wintersportort schuftet und dabei fast vor die Hunde geht: Immer gute Stimmung, immer ein Lächeln, immer im Partymodus, bis zum Kollaps gute Laune verbreiten. Ein Thema, das die Griechin Sophia Exarchou in ihrem Film „Animal“ aufgreift und zu einer Studie über die Knochenarbeit hinter den Kulissen der Urlauberspaßgesellschaft verdichtet. Im Wettbewerb von Locarno wurde „Animal“ uraufgeführt und hat seither zahlreiche Festivalbesuche absolviert. Exarchou lässt ihren Film auf einer griechischen Ferieninsel spielen; es geht um den klassischen Cluburlaub, bei dem die Gäste sorgenlos in den Tag hineinleben können und von morgens bis abends bespaßt werden. Die Animateure sind ihre Guides, ihre Saufkumpanen, ihre Unterhalter. Der Urlaub und seine Makellosigkeit lastet auf ihren Schultern. All-Inclusive heißt für die Gäste, dass es keine Limits gibt. Auch für die Animateure. Mitmachen, anfeuern, die Nacht durchsaufen – und am nächsten Tag mit Zahnpasta- Lächeln erneut zum Dienst antreten. Nach einem Traumjob klingt das nicht, auch wenn die Kulisse manchmal danach aussieht. Es ist vieles nur Fassade im Tourismus. In „Animals“ bereiten sich die Animateure eines All-Inclusive-Hotels unter der Leitung Party nonstop Der Urlaub und seine Makellosigkeit lastet auf den Schultern der Animateurinnen und Animateure. All-Inclusive heißt für die Gäste, dass es keine Limits gibt. Auch für die Animateure. „Animal“ – Sophia Exarchous dichtes Porträt eines Knochenjobs: Animateur im All-Inclusive-Club ist kein Spaß. Hinter den Spaß-Kulissen der charismatischen Kalia auf die Saison vor. Pappkulissen, glitzernde Kostüme und Tanzaufführungen erobern die Bühne. Die Illusion für die Gäste soll schließlich perfekt sein, da muss man schon mal ein Opfer bringen. Mit fortschreitendem Sommer steigt der Druck, die Nächte werden immer länger und Kalias innere Dämonen melden sich wieder. Doch die Show muss weitergehen. Und weiter, und weiter. Nur, dass die Animateure hier doch keine Duracell-Häschen sind, die wie ein Perpetuum mobile ohne Unterlass laufen. Die alten Hasen der Branche nehmen hier die Frischlinge unter ihre Fittiche, denn es gibt zahlreiche Klippen, die man umschiffen muss. Schließlich lauern im Dauerpartymodus allerlei Gefahren, da gehört es fast noch zu den harmloseren Dingen, dass einem Urlauber ständig die Hand auf den Oberschenkel legen, wenn man in verordneter Freizügigkeit die Stimmung zu heben versucht. Exarchou gelingt ein im besten Sinn des Wortes spröder Blick hinter die Kulissen des Saisonbetriebs im Tourismus, der die Abnützungserscheinungen seiner Protagonisten in aller Klarheit thematisiert und auch zeigt, wie fordernd dieser Job sein kann. Österreich ist bei diesem Film als Koproduktionsland mit an Bord – und hat auch kreativ etliches beigesteuert: So stammt die Filmmusik etwa von dem Salzburger Musiker Wolfgang Frisch, in einer der Hauptrollen ist Liedermacher Voodoo Jürgens zu sehen. Er und das ganze Ensemble vermitteln, was Exarchou mit „Animal“ wohl im Sinne hatte: Mit den Klischees des Massentourismus zu spielen, sie zu brechen und dem Publikum die Augen zu öffnen für das, was hinter den Kulissen des Spaßes passiert. „Talking Heads“-Frontmann David Byrne im remasterten Konzertfilm „Stop Making Sense“. „ Exarchou gelingt ein spröder Blick hinter die Kulissen des Saisonbetriebs im Tourismus, der die Abnützungserscheinungen in aller Klarheit thematisiert und zeigt, wie fordernd dieser Job sein kann. “ Animal GR/A/R/BG/CY 2023. Regie: Sophia Exarchou. Mit Dimitra Vlagkopoulou, Voodoo Jürgens, Flomaria Papadaki. Filmgarten, 116 Min. „Für Juden ist die FPÖ eine große Gefahr“ Foto: Paul Maier Weiter denken DER FURCHE PODCAST Die EU-Antisemitismusbeauftragte, Katharina von Schnurbein, spricht im FURCHE-Podcast über die Folgen des 7. Oktober für die westlichen Werte, die Frage, warum die Israel-Freundlichkeit der Rechten mit Hass auf Muslime einhergeht – und das Versagen der Zivilgesellschaft. furche.at/podcast

DIE FURCHE · 13 28. März 2024 Film & Medien 21 Vor einem Jahr startete das „Nonstop-Kinoabo”. Das Ziel: mehr Stabilität und Planbarkeit für die heimischen Programmkinos. Das Abo bringt vor allem junge Leute in die Säle zurück. „Netflix“ für das Kino Von Paul Maier Es war ein phänomenales Jahr für das Kino. Kassenschlager wie „Oppenheimer”, „Barbie” oder „Anatomie eines Falles” haben so viele Menschen in die Kinosäle geholt wie schon lange nicht mehr. Ein willkommener Lichtblick nach der zähen coronabedingten Ebbe. Für manche österreichische Programmkinos war es sogar das stärkste Jahr aller Zeiten. Programmkino-Flatrate Dafür haben einerseits unzählige sehenswerte Filme gesorgt. Andererseits ist auch das Nonstop Kinoabo vor rund einem Jahr angelaufen. Es ermöglicht unbegrenzte Kinobesuche für 24 Euro im Monat. Eine Art Netflix für das Kino. Ähnlich wie der US-amerikanische Streaming-Anbieter kommt auch das Abo besonders bei jungen Leuten gut an. Mehr als die Hälfte der Abonnentinnen und Abonnenten ist jünger als 30. „Es ist wirklich ein Driver, auch junge Leute wieder in die Kinos zu bringen. Vor allem in die Programmkinos”, sagt Laura Köpf, interimistische Geschäftsführerin des Nonstop-Kinoabos im Gespräch mit der FURCHE. „Junge Leute gehen schon auch ins Kino, aber oft ist es dann eher ein Blockbuster im Cineplexx.” Ganz anders ist es laut Köpf bei den Nonstop-Abonnentinnen: Vor allem ältere Filme stünden bei ihnen hoch im Kurs. Bei Projektionen von Klassikern seien in der Regel mehr als die Hälfte der Zuseher Abonnenten. Über den bisherigen Erfolg des Projekts zeigt sich Laura Köpf zufrieden: „Wir hatten geplant, dass wir am Ende des Jahres 2023 ungefähr 5000 Abos haben. Das haben wir auch geschafft, wir lagen sogar ein wenig darüber, weil unsere Weihnachtsaktion sehr gut lief.” Alles laufe nach Plan. Mittlerweile gibt es 6000 Abonnenten, bis zum Frühjahr 2026 sollen es mindestens 9000 werden. Ab dann soll das Programm wirtschaftlich zur Gänze auf eigenen Beinen stehen. Derzeit tragen noch Förderungen etwa vom Kulturministerium oder der Stadt Wien zur Finanzierung bei. Auch ein Jahr nach Beginn von Nonstop bleibt aber ein Hindernis für potenzielle Kunden bestehen: Filme der Universal Pictures sind im Abonnement nicht mitinbegriffen. „Wir sind nach wie vor in Gesprächen mit Universal, können aber derzeit leider nicht mehr dazu sagen”, so Laura Köpf. Für Blockbuster wie „Oppenheimer” oder „Tar” mussten Abonnenten im vergangenen Jahr daher zusätzlich für Tickets bezahlen. Das Publikum habe sich mittlerweile aber daran gewöhnt. „Es gab 1000 Filme, die man mit dem Abo in dem Jahr sehen konnte. Darunter auch eine riesige Bandbreite an Hollywood-Filmen wie ‚The Zone of Interest’ oder ‚All of us Strangers.’ Da sind die Leute bereit, hier und da Abstriche zu machen.” Der bisher beliebteste Film „ Das Abo hat den Programmkinos geholfen, das Publikum von seiner pandemischen Lethargie zu befreien. “ unter Nonstop-Abonnenten war Giorgios Lanthimos’ exzeptionelles Kuriosum „Poor Things”. Das Abo hat den Programmkinos geholfen, das Publikum von seiner pandemischen Lethargie zu befreien. Vergangenes Monat ist Nonstop zudem noch ein kleiner Erfolg innerhalb der Kinolandschaft gelungen: Das Wiener Filmmuseum bietet ab jetzt auch Vorstellungen an, die man mit dem Abonnement besuchen kann. MEDIEN IN DER KRISE Fernsehen wird Streaming Die Streaming-Dienste haben das Fernsehen respektive die Fernsehgewohnheiten längst total verändert. Man kann das auch an der Programmierung der altbekannten öffentlich-rechtlichen Sender sehen. Jüngst lief auf ORF 1 die sechsteilige Mini serie „Kafka“ aus den Federn von David Schalko und David Kehlmann. Löblich, dass der ORF derartige Kost auch dem ORF 1-Publikum zumutet. Das Zugeständnis an die Jüngeren: Die ganze Serie wurde in zwei Blöcken, also in zwei Dreier-Packungen ausgestrahlt. Der Serien-Junkie von heute konsumiert bei Netflix & Co diese Formate gleich im Dutzend (gefühlt jedenfalls). Lineares Fernsehen und Streaming nähern sich auf diese Weise an. Auch im öffentlichrechtlichen Segment. Bei den Sparten-Programmen ZDFneo oder seiner ARD-Schwester One kann man sich jeweils eine Nacht mit einer Miniserie um die Ohren schlagen – vor kurzem etwa „This is going to hurt“ mit Ben Whishaw als Gynäkologen. Die Programmierung ist natürlich nicht für an Schlaflosigkeit Leidende gedacht, sondern das lineare TV-Mäntelchen für Streaming-Angebote der Öffentlich-Rechtlichen. ZDF und ARD machen außerdem schon seit einiger Zeit Sendungen, die linear erst on air gehen, schon vorab auf ihren Online-Plattformen zugänglich. Der ORF zieht bei all dem natürlich nach, seitdem er mit Jahresbeginn seine Online- Angebote ausbauen durfte. Fernsehen, wie wir es kannten, war einmal. Oder? (Otto Friedrich) DIE FURCHE im Osternest E-Paper und alle Artikel seit 1945 auf furche.at Legen Sie heuer ein FURCHE-Abo in das Osternest und bereiten Sie Ihren Liebsten Freude! Sie schenken damit Zeit für neue Gedanken, für Zugänge, die zum Weiterdenken und Diskutieren anregen, und Sie verhelfen uns, weiterhin unseren Journalismus weiterzuführen. Ein halbes Jahr Lesefreude schenken » Entspannt auf Papier » Immer und überall digital als E-Paper » Alle Artikel seit 1945 im FURCHE Navigator furche.at/abo/osternest aboservice@furche.at 01 512 52 61 52 online im Navigator seit 1945

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