Aufrufe
vor 9 Monaten

DIE FURCHE 28.03.2024

  • Text
  • Menschen
  • Furche
  • Kirche
  • Welt
  • Foto
  • Theologie
  • Zeit
  • Assange
  • Wien
  • Papst

DIE

DIE FURCHE · 13 18 Theater 28. März 2024 Mit Tennessee Williams’ Südstaatendrama „Orpheus steigt herab“ bringt Martin Kušej noch einmal sein Credo „Aufwachen, bevor es wieder finster wird“ auf die Bühne des Burgtheaters. Endstation Langeweile Von Christine Ehardt Loderndes Feuer eröffnet und beschließt die letzte Inszenierung des scheidenden Burgtheaterchefs Martin Kušej. Wieviel verbrannte Erde seine Intendanz hinterlassen wird, bleibt noch abzuwarten, beim Volkstheater dürfte er sich jedenfalls keine Freunde gemacht haben. Nach „Der Menschenfeind“ musste auch seine zweite Regiearbeit in dieser Saison verschoben werden und fand auch diesmal wieder just parallel zum Premierentermin des Nachbarhauses statt. „Orpheus steigt herab“, ein selten gespieltes Stück des amerikanischen Jahrhundertdramatikers Tennessee Williams aus dem Jahr 1957, bringt noch einmal Kušejs beherzt gesetztes Credo „Aufwachen, bevor es wieder finster wird“ als schnörkelloses, brutales und leider viel zu langatmiges Manifest gegen Verhetzung und Fremdenhass auf die Bühne. Hinter dem per Videoprojektion flackernden Flammeninferno zeichnen sich die Silhouetten des Schauspielensembles ab, während der zum bleichen Mephisto geschminkte „Naked Lunch“-Sänger Oliver Welter die eindrückliche Eröffnungssequenz mit einer ersten todtraurigen Countryballade untermalt. Das düstere Südstaatendrama versetzt Kušej an einen unspezifischen Ort, der nur aus einem einzigen halbverfallenen Haus besteht, das mittels Drehbühne verschiedene karg möblierte Räume offenbart und auf dessen Vorplatz ein senkrecht abgestelltes Cabriolet steht. Das gehört dem hier gestrandeten Ex-Partytiger und Musiker Val (Tim Werths). Sein Erscheinen löst innerhalb der eingeschworenen Gemeinschaft einiges an Unruhe und Irritation aus. Nicht nur Ladenbesitzerin Lady Torrance (Lisa Wagner), deren Mann sie einst „billig“ gekauft hatte, nachdem ihr italienischstämmiger Vater von einem wütenden Mob samt Haus und Weinreben verbrannt wurde, erhofft sich vom Kleinstadthölle Eine beklemmende Inszenierung, von loderndem Feuer gerahmt: im Bild Nina Siewert (als Carol Cutrer) und Oliver Welters. „ Williams psychologischrealistischer Stil kommt über weite Strecken nicht zum Vorschein, die meisten der Figuren bleiben blass und schablonenhaft. “ terstücke geschrieben hat. Mit 27 Jahren galt er als der einzige Dramatiker seit Shakespeare, von dem in einer Spielzeit gleich vier Stücke gleichzeitig auf den Bühnen von London gespielt wurden. Der britische Theaterkritiker Aleks Sierz rechnete McDonaghs Stücke 2001 dem „In-Yer-Face- Theater“ zu. Damit bezeichnete er ein Theater mit konfrontativer Ästhetik (schockierende Stoffe, Tabubrüche, explizite Darstellung von Sex und Gewalt, vulgäre Sprache) und der Absicht, die emotionalen Grenzen von Figuren und Zuschauern auszuloten. Im Akademietheater hat nun die slowenische Regisseurin Mateja Koležnik das dritte Stück aus der sogenannten „Leenane-Trilogie“ von 1997 inszeniert. In „Der einsame Westen“ ist die Gewaltsamkeit des Ländlichen schon vorgezeichnet, die später auch in den Filmen von McDonagh eine wichtige Rolle spielen wird. Im Zentrum steht das sich leidenschaftlich hassende Brüderpaar Coleman und Valene, hier dargestellt von Roland Koch und Mijungen Mann mit der Schlangenhaut-Lederjacke (einst konnte Marlon Brando in dieser Titelrolle seinen Weltruhm festigen) die Chance auf einen Neuanfang. Auch die bigotte Vee (Sarah Viktoria Frick) verfällt dem Charme des Neuankömmlings, doch aus der gewaltbereiten Kleinstadthölle gibt es für niemanden ein Entkommen. „Fremde sollten den Sonnenaufgang besser nicht hier erleben“, meint Polizist Talbott (Norman Hacker), kurz bevor das hoffnungsfrohe Liebespaar Val und Lady den Flammen zum Opfer fällt. Ein vorhersehbares Finale, das einen fast dreistündigen Abend voll Langsamkeit und bedächtig-schwerfälligem Tonfall doch recht abrupt beschließt. Während die musikalischen Zwischensequenzen Coolness und Kitsch gleichermaßen verströmen, wirken die vielen oft nur wenige Minuten langen Szenen träge und unentschlossen. Williams psychologisch-realistischer Stil kommt über weite Strecken nicht zum Vorschein, die meisten der Figuren bleiben blass und schablonenhaft. Viele ihrer Geschichten werden nur in vagen Andeutungen erzählt, wie jene von Vee oder der als Courtney Love verkleideten Carol (Nina Siewert). Immerhin darf Letztgenannte für wenige Minuten mit Val im schräggestellten Cabriolet sitzen. Überzeugen kann vor allem Wagner als Lady, der man die Verbitterung und Enttäuschung über ihr Schicksal in jedem wohl gesetzten Satz anmerkt, sowie Martin Reinke als ihr brutaler Ehemann, der geifernd und polternd noch im Todeskampf eine verstörende Böswilligkeit entfaltet. Eine beklemmende Inszenierung, der es an Höhepunkten, nicht jedoch an stimmungsvollen Bildern fehlt und deren ausgezeichnete Ensembleleistung vom Premierenpublikum mit anhaltendem Applaus bedacht wird. Orpheus steigt herab Burgtheater, 1., 9., 21., 29. 4. Foto: © Matthias Horn Foto: © Matthias Horn Im Wiener Akademietheater inszeniert Mateja Koležnik „Der einsame Westen“ des britisch-irischen Autors und erfolgreichen Filmregisseurs Martin McDonagh als tiefschwarze Komödie. Verlorene Seelen im Dauerrausch Von Patric Blaser Martin McDonagh ist vor allem für mit Oscars und Löwen ausgezeichnete Filme bekannt, für die er jeweils das Drehbuch und die Regie verantwortete, darunter „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ (2017) – mit Frances McDormand in der Rolle der Mutter einer ermordeten Tochter, die gegen die Untätigkeit des örtlichen Sheriffs einen Kleinkrieg führt – oder zuletzt „The Banshees of Inisherin“ (2022) mit Colin Farrell, über das Zerbrechen einer langjährigen Männerfreundschaft in den Wirren des irischen Bürgerkriegs 1922/23. Weniger bekannt ist, dass der 1970 in Camberwell bei London geborene Sohn von irischen Einwanderern schon in sehr jungen Jahren erfolgreich und beeindruckend produktiv Thea- „ Während das Stück 1997 vor dem Hintergrund des schwelenden Nordirlandkonflikts gedeutet wurde, fehlt bei Koležniks Z ugriff eine genauere Einordnung. “ chael Maertens. Gerade haben sie den Vater beerdigt. Coleman hat ihm mit der Schrottflinte den Kopf weggeschossen, nachdem er seine Frisur kritisiert hatte. Zunächst versuchen die Brüder die Tat als Unfall darzustellen, aber der Alkohol, der ständige Begleiter in dieser öden Gegend, lockert ihre Zungen. Doch das Geständnis hat keine Konsequenzen, weder rechtlich noch moralisch, denn wie es lapidar heißt: Der Vater habe es verdient. Na dann! Die abgestumpften, tumben Gesellen sind in jeder Hinsicht unanfechtbar und so geht der Streit weiter wie immer. Das Schlachtfeld ist das Elternhaus, ein schäbiger, ärmlich eingerichteter Bauernhof, dessen Enge Raimund Orfeo Voigt großartig umsetzt. Offenbar geht dieser Streit schon ewig, trotzdem bleiben sie zusammen, weil es neben dem Alkohol das Einzige ist, was sie haben. Auch der Geständnismarathon, der sich am Ende zum Überbietungswettbewerb in Ungeheuerlichkeiten auswächst, bleibt letztlich ohne Konsequenzen. Mateja Koležnik inszeniert das Stück in einem Milieu-Nachahmungs-Realismus, wobei die tragikomische Grundierung der Stücke heute eher zu verstören als zu provozieren vermag. Während das Stück 1997 vor dem Hintergrund des schwelenden Nordirlandkonflikts gedeutet wurde, fehlt bei Koležniks Zugriff eine genauere Einordnung. Sie gestattet bloß einen oberflächlichen Blick in das Ländliche mit seiner vermeintlich archaischen Gewaltordnung, wo die gesellschaftlichen Verhältnisse gleichsam naturalisiert scheinen und die Möglichkeit zu einem Wandel weitgehend negiert wird. In diesem Sinne ist diese Inszenierung post-politisches Theater. Der einsame Westen Akademietheater, 2., 4., 13., 27. 4. Michael Maertens ist als Valene Connor im Dauerstreit mit seinem Bruder Coleman.

DIE FURCHE · 13 28. März 2024 Literatur 19 FURCHE-Redakteurin Manuela Tomic schreibt in ihrer Kolumne „mozaik“ über Flucht, Identität und Heimat. Nun sind die Miniaturen als Buch erschienen. Hier erzählt sie, wie es dazu kam. Meine Kindheit, ein Märchen Immer auf Achse Die Autorin Manuela Tomic mit ihrem Vater und ihren Großeltern, irgendwo zwischen Bosnien und Österreich. Von Manuela Tomic Vergangenen Sommer urlaubte ich bei meiner Großmutter in Bosnien in unserem Dorf Tomići. Wir saßen an einem heißen Nachmittag unter dem Terrassen-Dach, auf dem Reben wucherten. Da trat Mladen zu uns an den Tisch: Der Mann, der denselben Namen wie mein Vater trägt, war um die 50, ganz dick und humpelte mit seinen Krücken auf uns zu. Oma fragte ihn, ob er einen Sliwowitz trinken wolle. „Weißt du noch, wie sie uns im Krieg mit Sliwowitz betäubt haben“, fragte er meinen Onkel. Dann erzählte Mladen seine Geschichte: 1991 durchschoss eine Kugel seine Wade im Hagel. Ein Sanitäter zerrte ihn aus der Schusslinie. „Das Bein muss ab.“ Er flößte ihm Rakija ein, bis Mladen das Bewusstsein verlor. Nach der Amputation befohl der Arzt, das Bein wegzutragen. Den Stiefel behielt er zurück. Mladens Bein plumpste in ein offenes Grab. Der Stiefel wanderte zurück an die Front. Mein Kopf brummte. Wieder eine Geschichte, wieder ein „mozaik“! Seit drei Jahren erscheint in der FURCHE meine Kolumne namens „mozaik“. Als ich anfing, über Identität und Fremde zu schreiben, war mir nicht klar, dass meine kurzen Geschichten zu einer Familienchronik werden würden. Wenn man im Krieg alles verliert, oder auch nur sein Bein, bleiben einem nur noch Geschichten. Und so begann ich, alle Erinnerungen meiner Familie aufzuschreiben und in Märchen zu verwandeln. „Du holst deine Kindheit nach“, sagte mein Freund, „und dichtest immer noch etwas hinzu“. Ja, ich dichte immer etwas hinzu. Deshalb erscheinen meine „Zehnfingermärchen“, die gesammelten Prosaminiaturen, „ Als Kind stopften mir Zahnärzte das Mäulchen mit Amalgamplomben aus und schimpften mich. Zu Hause mixte mir Großmutter Eidotter mit zehn Esslöffeln Zucker. “ Foto: Privat nun im Kärntner Wieser Verlag. Woche für Woche tippte ich in die Tasten und beschwor unseren Nymphensittich Kokolo, der lieber ein Ara wäre, meinen Großvater, der jugoslawische Dinar im Radio versteckte, Nikolett, meine Schulliebe oder sinnierte über bosnischen Kič. 1992 flüchtete meine Familie über die slowenisch-österreichische Grenze nach Kärnten. Wir fanden eine Wohnung, Arbeit, Freunde und misstrauische Nachbarn. Als Kind spürte ich, dass etwas nicht stimmt. Meine Eltern waren ängstlich und gestresst. Bis zu meinem 15. Lebensjahr hatten wir kein Dauervisum. Darum durften meine Eltern bei der Arbeit nie krank werden, meine Schwester und ich wurden richtige Streberinnen. Anpassen, nicht auffallen, lautete die Devise. Da mein Vater wochenlang als LKW-Fahrer auf Achse war und meine Mutter bis spät in die Nacht in einer Pizzeria schuftete, wurde mein Fernseher zum Fenster in die Hölle. Stundenlang glotzte ich RTL2 oder Pro7: Schönheitsoperationen, wahre Kriminalfälle, Dokus über Aliens oder Promis begleiteten mich in den Schlummerschlaf. In Talkshows debattierten sie über „Ossis“ und „Wessis“. Ich stellte mir vor, dass dies zwei Zwergenvölker seien, die sich in deutschen Wäldern bekämpften. Auf MTV lief der rauchige Jammergesang von Nirvana. Als Kind verstand ich nicht, warum alle Jugendlichen, einschließlich meiner Schwester, hässliche Karo-Hemden trugen und sich die Haare nicht wuschen. Statt Nirvana legte ich meine Schlümpfe-CD „Alles Banane“ ein und tanzte den „Schlumpfen-Cowboy-Joe“. In der Nacht träumte ich mir Augen und Ohren wund. In meiner Erziehung ist Gott sei Dank alles schiefgelaufen. Wir hatten keine Bücher zu Hause, ich durfte so viel Süßes essen, wie ich wollte, und ich konnte stundenlang fernsehen oder Nintendo spielen. Supermario hüpft mir noch heute durch den Kopf. Eigentlich ist das rückblickend zum Wahnsinnigwerden. Aber gerade dieser Wahnsinn bescherte mir eine Welt voller Wunder und Märchen. Ich bastelte mir ein eigenes Universum, zog sonderbare Schlüsse. Schließlich hatte niemand Zeit und Muße, mir zu erklären, wie die Welt wirklich sei. Wenn ich nicht vor dem Narrenkastl saß, klebte ich auf dem Zahnarztstuhl. Sie schimpften mich und stopften mir das Mäulchen mit Amalgamplomben aus. Als Gegengift mixte mir Großmutter zu Hause Eidotter mit zehn gehäuften Esslöffeln Zucker. Heute habe ich kaum noch eigene Zähne im Mund. Auf den Röntgen-Bildern meiner Wiener Zahnärztin grinse ich wie Terminator. Die Kindheit nimmt kein Ende ... „Schreib doch eine persönliche Kolumne“, forderte mich meine Chefredakteurin, Doris Helmberger-Fleckl, 2021 auf. Ich gehorchte und begann mit dem Märchen meiner Zähne, die wie ein Trümmerhaufen auch vom Krieg erzählten. Nicht zuletzt der Offenheit meiner Chefin, „šefica“, ist es zu verdanken, dass ich Woche für Woche krumme Geschichte drehen durfte. Mit meinem Freund, dem Lieblingslektor, saß ich bis spät in die Nacht, um meine kindische Prosa zu buchstabieren. Einmal entdeckte er ein Foto in meinem Album. Ein Polaroid-Bild von meinem Vater, meinen Großeltern und mir. „Das Kleine“, sagte er und schmunzelte. Ich halte ein schwarzes Polaroid in meinen Kinderhänden. Was wird darauf erscheinen? Mladen ist mit einem Bein im Grab und ich mit einem Arm im Wunderland. Ich grinse meinen Freund an: „Das Kleine hüpft jetzt ganz groß raus“. FEDERSPIEL Zehnfingermärchen Kleine Prosa Von Manuela Tomić Wieser 2024 108 S., geb., € 21,95 Luft machen Regenschirme verstellten den Blick auf die Bühne, wo für die Demokratie gewettert wurde. Ich mag keine Demos. Die Reden sind mir verkürzt, die Massen machen mich fertig. Das Johlen. Das Buh. Der Applaus. Bekannte Gesichter schauten grimmig. Eine Studienkollegin sah ich. Auch ganz schön alt geworden. Hallo, Demokratin! Auf der Bühne stand ein Hosi-Mann und rügte Österreich. Man muss scharf Kante zeigen. C. fragte, was diese Floskel genau bedeutet? Sollen wir Karate lernen? In der Demo vor dem Parlament hätte das nichts genützt. Von hinten drängten die Demonstrierenden und von vorne bahnten sie sich ihren Weg durch mich durch. Ich ging in die Knie. Neben mir ein hochgewachsener Deutscher, der über die Köpfe hinweg skandierte: Massen Pa Nik. Massen Pa Nik, weil er von oben das Dickicht überblickte und witzelte. Eine Demonstrantin kollabierte und ein paar Männer hielten sie fest, damit sie nicht zu Boden ging. Die Frau stand eingekeilt, Gott sei Dank, denn sonst wäre sie zertrampelt worden. Was aus ihr wurde, weiß ich nicht. Von Manuela Tomic Dickicht Seit letzten Winter bin ich mit Karina, einer ukrainischen Blumenverkäuferin, ganz dicke. Wir beide sind ganz dünn, gleich alt, haben pechschwarze Haare und viel zu reden. Vor einem Jahr hat Karina den Krieg gegen Kakteen und Blumenkränze eingetauscht. Fast jeden Tag besuche ich sie im Blumengeschäft um die Ecke. Ich kaufe große und kleine Grünlinge. Die Pflanzen scharen sich in meiner dunklen Wohnung um die Fensterfront, die kleinsten klettern auf einer Blumentreppe in den Winterhimmel. Wöchentlich werden es mehr. Wenn ich am Schreibtisch sitze, wuchern sie wild hinter meinem Rücken. Karina erzählt mir ihre Sorgen, meine verschwinden langsam im Dickicht. Vater versteht mich, seine Ängste erheben ihn in Kärnten zum König der Schrebergärten. „Wenn deine Nerven ganz kaputt sind“, lehrt er, „dann beginnst du zu gärtnern, betrachtest die Blumen beim Wachsen.“ Unlängst musste Vater meinen Gummibaum umtopfen. Wenn mein Freund zu Besuch ist, hat er Angst, in den Pflanzen zu ersticken. Er will die Balkontür öffnen, doch meine Monstera Monkey Leaf hält ihn leidenschaftlich umschlungen. Wieder eine Sorge weniger. Ich wurde abgedrängt. Die Sätze von der Bühne, das Wir, die demokratischen Kräfte, keine Koalition mit dem Faschismus. Gott sei Dank. Die Reden, wohlformulierte Demorhetorik ist Demorhetorik ist Demorhetorik. Während in der Masse wieder jemand schrie: I cannot breath. Brachial-Drängerinnen schlugen die Bresche. Das Gemeinschaftserlebnis war grauenhaft. Wieso setze ich mich wieder aus? Ich würde viel lieber streiken! Da ich Schriftstellerin bin, kann ich mir das nicht leisten, denn ich würde mich selber abschaffen. Das Zweckbündnis mit Menschen, die mich gar nicht aushalten, würden sie mich näher kennen, geh’ ich deshalb ein. Wenn ich meine Präsenz an ein Erscheinungsbild des Protestes abgebe, macht mich mein persönlicher Einsatz gegen die Ungerechtigkeit beliebig und notwendig zugleich. Jetzt habe ich einem Paradoxon Luft gemacht. Die Autorin ist Schriftstellerin. MOZAIK FURCHE-Redakteurin Manuela Tomic ist in Sarajevo geboren und in Kärnten aufgewachsen. In ihrer Kolumne schreibt sie über Kultur, Identitäten und die Frage, was uns verbindet. Von Lydia Mischkulnig

DIE FURCHE 2024

DIE FURCHE 2023