DIE FURCHE · 13 14 Diskurs 28. März 2024 Den gesamten Briefwechsel zwischen Johanna Hirzberger und Hubert Gaisbauer können Sie auf furche.at bzw. unter diesem QR-Code nachlesen. ERKLÄR MIR DEINE WELT Eine Welt, die ohne Platzhirsche kann Johanna Hirzberger ist Redakteurin von „Radio Radieschen“ und freie Mitarbeiterin von Ö1. Den Briefwechsel gibt es jetzt auch zum Hören unter furche.at/podcast Mir hängen die Augenringe bis zum Kinn. Meine letzten Tage waren lang und meine Nächte noch länger. Also vorab: Verzeihen Sie mir bitte, dass ich Ihnen heute mit einem müden (aber glücklichen) Hirn schreibe. Bevor ich Ihnen vom Grund meines Schlafentzugs erzähle, möchte ich aber auf Ihre Worte an mich eingehen. In Ihrem letzten Brief kritisieren Sie das „kulturlose Durcheinander von Themen“ im Radio, das Sie kaum ertragen können. Mich erinnert die mediale Abfolge von Berichten an Algorithmen und ich glaube, wir befinden uns gerade in einem Aushandlungsprozess darüber, wieviel sich Journalismus von Online-Dynamiken aneignen darf. Grundsätzlich möchte ich positiv auf diese Entwicklungen blicken und mich darüber freuen, dass neue, innovative Produkte entstehen werden. Ich glaube nicht, dass die Abfolge von Medienberichten, wie Sie klagen, von Ignoranz getrieben ist. Eher ist es wohl ein hilfloser Schrei nach Aufmerksamkeit in einer Welt, die auch ohne Platzhirsche kann. Ich gestehe, auch ich kann ohne. Und jetzt zu meiner Schlaflosigkeit. In der vergangenen Woche ist eine langersehnte Mitbewohnerin bei mir eingezogen. Sie ist eine Nachteule, die gern Party macht, wenn andere schlafen wollen. Aktuell gibt es auch noch ein paar grundlegende Unterschiede in unserer Vorstellung von Reinlichkeit. Haben Sie eigentlich je in einer WG gelebt? Ich finde es normal, dass man sich beim Zusammenleben aneinander gewöhnen muss. Aus meiner Erfahrung entstehen dann jedoch schöne Rituale, die verbinden. Gestern hatten wir einen gemeinsamen Spa-Day, ich habe ihre Haare gepflegt „ Was ist wichtiger: sich mit jeder Zelle seines Körpers erfüllt zu fühlen, glücklich zu sein, oder sich immer wieder in die Reibung zu begeben? “ und sie mir meine Füße, mehr oder weniger. Wenn wir gemeinsam frühstücken, vergesse ich das Schlechte dieser Welt und sauge diesen Moment langsam und fokussiert ein. Was ist wichtiger: sich mit jeder Zelle seines Körpers erfüllt zu fühlen, glücklich zu sein, oder sich immer wieder in die Reibung zu begeben, um die Welt ein Stück gesünder machen zu wollen? Ich entscheide mich für Erstes und schaffe mir so meine eigene Pufferzone, mit der ich liebevoll und vorsichtig umgehe. Heute Vormittag war ich aber auf Instagram und las die Schlagzeile „Waffenverbotszone am Reumannplatz kommt“. Es beunruhigt mich, dass es ein Verbot braucht. Anfang März bin ich mit dem Bus von der Mariahilfer Straße Richtung Favoriten gefahren. Draußen war es schon dunkel und ich ließ mich erschöpft auf einen Sitzplatz nieder. Hinter mir nahm ich zwei junge, männliche Stimmen wahr. „Ich kanns nicht mehr erwarten, in einer Woche bin ich endlich 21, dann hol ich mir gleich eine Pistole“, hörte ich den einen sagen und schluckte. Ich fragte mich, ob der junge Mann einen Scherz machte, da gesellte sich ein dritter zu ihnen. Der Neuankömmling sprach leiser, er sei noch nicht 21 Jahre alt, habe aber bereits eine Waffe, die er bei seinen Frühdiensten immer in seinen Rucksack packe. Während die drei jungen Männer Waffenmarken, (il) legale Kaufmöglichkeiten und die beste Zeit ihres Lebens – jene beim Bundesheer – besprachen, wurde mir schlecht und ich stieg drei Stationen früher aus, um ihrer Realität zu entkommen. Mir ist klar, dass es keine langfristige Lösung ist, aber lieber kehre ich in mein Nest zurück und kümmere mich um meine Mitbewohnerin. Frohe Ostern! Von Thomas Schmiedinger Der „Islamische Staat“ hat sich zum Anschlag in In FURCHE Nr. 47 Moskau bekannt. Nach der Pariser Terrornacht 2015 3800 19. November 2015 analysierte Politologe Schmiedinger das Phänomen IS. Am 13. November 2015 erlebte Paris seine bis dato schwersten Terroranschläge. An fünf verschiedenen Orten, darunter dem Bataclan-Theater und vor den Toren des Stade de France, schlugen die Terroristen zu. Nach Angaben der französischen Regierung wurden 130 Menschen getötet und 683 verletzt. Auch Russland erlebte am 22. März dieses Jahres seine bislang schwersten Terroranschläge mit über hundert Toten und vielen Verletzten. Zu dem Verbrechen bekannt hat sich der Islamische Staat, beziehungsweise sein afghanischer Ableger. Seitdem hat auch ausgerechnet Frankreich wieder die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen. Der Politologe Thomas Schmiedinger hat sich 2015, kurz nach den Anschlägen in Paris, die Struktur des IS genauer angesehen. Hydra namens Islamischer Staat Während sich der „Islamische Staat“ durch die Pariser Anschläge in die mediale Aufmerksamkeit „zurückgeschossen“ hat, ist die rasche Expansion des dschihadistischen Para-Staates weitgehend gestoppt. Derzeit gerät das Herrschaftsgebiet des „Khalifen Ibrahim“ durch die Kurden in Bedrängnis. Während sich die Herrschaft der Dschihadisten in ihrer De-facto- Hauptstadt Raqqa, die in den letzten Tagen von der französischen Luftwaffe bombardiert wurde, sowie in Mosul in den letzten eineinhalb Jahren stabilisieren konnte, sind es nun die Kämpferinnen und Kämpfer der Kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG und Frauenverteidigungseinheiten YPJ in Syrien, sowie die Peschmerga der Regionalregierung Kurdistans im Irak, die vom Norden her gegen den „Islamischen Staat“ vorrücken. [...] Die militärische Defensive, in die der IS zuletzt geraten ist, darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es im Süden seines Herrschaftsgebietes teilweise weiterhin militärische Erfolge gibt und Raqqa und Mosul noch fest in ihrer Hand zu sein scheinen. Auch der Zustrom europäischer Dschihadisten und Dschihadistinnen in den „Islamischen Staat“ ist bisher nicht abgeebbt. Dabei ist Foto: AFP Photo / Kenzo Tribouillard es allerdings nicht nur der IS, der junge Europäer und Europäerinnen anzieht. Dschihadisten aus Europa landen nicht nur in Raqqa oder Mosul, sondern auch in Idlib bei der zur al-Kaida gehörigenden Jabhat al-Nusra oder in Aleppo bei Ahrar ash-Sham. Eine eigene tschetschenische Gruppe, die „Armee der Auswanderer und Helfer“, füllt ihre Reihen ebenfalls mit tschetschenischen Kämpfern aus Europa auf. Die aus Österreich stammenden Dschihadisten haben die unterschiedlichsten Hintergründe und Biografien. Es gibt kein einheitliches biografisches Muster, das die Wege junger Menschen in den Dschihadismus beschreiben würde. Das einzige, was allen Fällen gemeinsam ist, ist die Tatsache, dass diese Menschen in einer Phase, in der Jugendliche ohnehin nach ihrem Platz in einer Gesellschaft suchen, schwere Entfremdungserfahrungen erlebt haben. [...] Kaum jemand sucht dabei Religion im engeren Sinn. Religion dient als Identitätsmarker für die eigene Gruppe und zur Markierung des Feindes, nicht aber zur Erbauung der eigenen Seele. [...] Damit wird deutlich, dass mit Rückkehrern gearbeitet werden müsste, wenn verhindert werden soll, dass diese zu einer Gefahr für die Gesellschaft werden. AUSGABEN DIGITALISIERT VON 1945 BIS HEUTE ÜBER 175.000 ARTIKEL SEMANTISCH VERLINKT DEN VOLLSTÄNDIGEN TEXT LESEN SIE AUF furche.at Medieninhaber, Herausgeber und Verlag: Die Furche – Zeitschriften- Betriebsgesellschaft m. b. H. & Co KG Hainburger Straße 33, 1030 Wien www.furche.at Geschäftsführerin: Nicole Schwarzenbrunner, Prokuristin: Mag. Doris Helmberger-Fleckl Chefredakteurin: Mag. Doris Helmberger-Fleckl Redaktion: Philipp Axmann, Dr. Otto Friedrich (Stv. Chefredakteur), MMaga. Astrid Göttche, Dipl.-Soz. (Univ.), Brigitte Quint (Chefin vom Dienst), Magdalena Schwarz MA MSc, Dr. Brigitte Schwens-Harrant, Dr. Martin Tauss, Mag. (FH) Manuela Tomic Artdirector/Layout: Rainer Messerklinger Aboservice: +43 1 512 52 61-52 aboservice@furche.at Jahresabo (inkl. Digital): € 298,– Digitalabo: € 180,–; Uniabo (inkl. Digital): € 120,– Bezugsabmeldung nur schriftlich zum Ende der Mindestbezugsdauer bzw. des vereinbarten Zeitraums mit vierwöchiger Kündigungsfrist. Anzeigen: Georg Klausinger +43 664 88140777; georg.klausinger@furche.at Druck: DRUCK STYRIA GmbH & Co KG, 8042 Graz Offenlegung gem. § 25 Mediengesetz: www.furche.at/offenlegung Alle Rechte, auch die Übernahme von Beiträgen nach § 44 Abs. 1 und 2 Urheberrechtsgesetz, sind vorbehalten. Art Copyright ©Bildrecht, Wien. Dem Ehrenkodex der österreichischen Presse verpflichtet. Bitte sammeln Sie Altpapier für das Recycling. Produziert nach den Richtlinien des Österreichischen Umweltzeichens, Druck Styria, UW-NR. 1417
DIE FURCHE · 13 28. März 2024 Diskurs 15 Es bleibt die Aufgabe der Kirche, zur Überwindung des Krieges aufzurufen – ohne Aggression hinzunehmen oder gar ihr „Ministrant“ zu sein. Ein Gastkommentar zur Friedensethik à la Franziskus. Vom Ringen um einen gerechten Frieden Das Bild der weißen Fahne, das Papst Franziskus kürzlich in einem Interview aufgriff, löste einen Sturm medialer Entrüstung aus. Die Mehrheit der Kommentare warf dem Papst vor, für die Kapitulation der Ukraine einzutreten und damit die westliche Wertordnung an Putins Imperialismus zu verraten. Eine kleine Minderheit hat umgekehrt die Worte des Papstes für eine absolut pazifistische Haltung zu vereinnahmen versucht. Beide Zugänge missverstehen den Papst und verkennen die für eine christliche Friedensethik erforderliche Aufgabenteilung zwischen politischen Ordnungskräften und der Kirche. Mit der weißen Fahne wollte Franziskus sein Eintreten für Verhandlungen unterstreichen, ohne zur Kapitulation der Ukraine aufzurufen. Für die politischen Realisten ist diese Position inakzeptabel, weil sie sich vom Papst die uneingeschränkte Unterstützung des militärischen Widerstands erwarten. Sie übersehen dabei aber, dass die Päpste sich nicht mehr als „Kapläne der NATO“ verstehen. Was für Pius XII. noch zutraf, ist seit dem Konzil undenkbar geworden. Eine Vermischung von Kirche und politischen Ordnungskräften käme einem Verrat am Evangelium gleich. Zurecht warnte Franziskus den russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. davor, als „Ministrant Putins“ dessen Angriffskrieg zu rechtfertigen. Falsch ist es aber auch, Franziskus als absoluten Pazifisten zu verstehen und zu verschweigen, dass er schon im Herbst 2022 Waffenlieferungen an die Ukraine unter Einhaltung strenger Kriterien für legitim erklärte. Wider die Normaliserung des Krieges Das Osterfest bietet sich ausdrücklich an, um Grundlinien einer Friedensethik zu skizzieren, die weder die gegebenen Machtverhältnisse einfach widerspruchslos hinnimmt noch in sektiererischer Abgesondertheit Augen und Herz vor den Herausforderungen unserer Welt verschließt. Das Zweite Vatikanische Konzil rief dazu auf, im Lichte von Ostern – wozu der Friedensgruß des Auferstandenen gehört – in Christus die höchste Berufung der Menschen zu erkennen. Christus verkörpert nicht ein unerreichbares Ideal, sondern zeigt uns, dass Foto: Privat DIESSEITS VON GUT UND BÖSE Von Wolfgang Palaver „ Christliche Liebe bedeutet nicht, einen Unterdrücker gewähren zu lassen, sondern ihm die Macht zu nehmen. “ wir Menschen zum „Weg der Liebe“ gerufen sind und dass der „Versuch, eine allumfassende Geschwisterlichkeit herzustellen, nicht vergeblich ist“ (Gaudium et spes 38). Es ist die bleibende Aufgabe der Kirche, diesen österlichen Blick einzunehmen und vorzuleben. Friedensethisch bedeutet das, sich jeder Normalisierung oder Naturalisierung des Krieges entgegenzustemmen und die vorrangige Option für die Gewaltfreiheit zu fördern. So verstehe ich Papst Franziskus, wenn er – wie schon Johannes Paul II. vor ihm – jedem Krieg ein „Nein“ entgegenhält, weil er „immer eine Niederlage der Menschheit“ ist. Es ist Pflicht der Kirche, die Menschen zur Überwindung des Krieges aufzurufen. Aus dieser bleibenden Aufgabe folgt aber kein moralistisches Abkanzeln jener politischen Ordnungskräfte, die gegebenenfalls auch mit militärischer Gewalt das Leben von Menschen beschützen müssen. Obwohl Johannes Paul II. 1991 den vom UN-Sicherheitsrat legitimierten Krieg gegen den Irak ablehnte, distanzierte er sich damals auch von jener pazifistischen Haltung, die einen Frieden um jeden Preis sucht und vergisst, dass nur ein gerechter Frieden erstrebenswert ist. Franziskus steht in dieser Tradition des gerechten Friedens. In Fratelli tutti betont er daher, dass die christliche Liebe nicht bedeutet, einen Unterdrücker einfach gewähren zu lassen, sondern es notwendig ist, „ihm jene Macht zu nehmen, die er nicht zu nutzen weiß und die ihn als Mensch entstellt“. Polizeiliche Ordnungskräfte innerhalb eines Staates oder die internationale Staatengemeinschaft auf Weltebene tragen dafür die Verantwortung. Bedrohliche „Weltvernichtungsmaschine“ Am Beispiel der atomaren Abschreckung lässt sich die Aufgabenteilung zwischen politischen Ordnungskräften und den Kirchen veranschaulichen. Angesichts der aktuellen Weltlage wäre es naiv, den Westen jetzt aufzufordern, einseitig atomar abzurüsten. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass die Akzeptanz atomarer Waffen deren fortschreitende Verbreitung fördert und andererseits die gegenwärtig weltweit vorhandenen 12.512 atomaren Sprengköpfe eine die Menschheit bedrohende „Weltvernichtungsmaschine“ bilden. Der Atomwaffensperrvertrag von 1968 hat sich als unzureichend erwiesen, weil er die Verbreitung von Atomwaffen nicht verhindern konnte und auch die Atommächte ihr Versprechen nicht einhielten, alles zu tun, um eine vollständige atomare Abrüstung zu erreichen. Der 2021 in Kraft getretene Atomwaffenverbotsvertrag zielt daher auf die Abschaffung dieser gefährlichen Waffe. Aktuell haben 93 Länder diesen Vertrag unterzeichnet, 70 davon haben ihn auch ratifiziert. Der Vatikan gehörte zu den Erstunterzeichnern. In der Europäischen Union gehören nur Irland, Malta und Österreich zu den Vertragsmitgliedern. Man kann diesen Vertrag mit dem Theologen Ulrich Körtner für politisch naiv halten. Der Preis dafür wäre allerdings das Aufgeben jener österlichen Perspektive, die uns für fähig hält, Kriege zu überwinden. Papst Franziskus hält sie aufrecht, wenn er in Fratelli tutti die vollkommene Abschaffung der Atomwaffen zur moralischen Pflicht erklärt. Der Autor ist Präsident von Pax Christi Österreich. Zuletzt erschienen: „Für den Frieden kämpfen: In Zeiten des Krieges von Gandhi und Mandela lernen“ (Tyrolia 2024). ZUGESPITZT Schenken, aber richtig! Heutzutage bekommt man wirklich nichts mehr geschenkt. Was waren das noch für Zeiten, als ganzkörperrote Damen mit Perlweiß-Lächeln in 10.000 Metern Seehöhe Dreigangmenüs servierten! Heute kredenzt die AUA nur noch versprengte Cracker, Schokotaler – oder präventiven Zoff. Wer sich etwa heuer einen Ostertrip in den Süden schenkte, dem haben die Damen und Herren von Gewerkschaft und Vorstand ein hübsches, buntes Ei gelegt. Danke, wie aufmerksam! Auch bei der Polizei sind die fetten Jahre längst vorbei. Teure Uhren und Geschenkkörbe voll Krimsekt und Kaviar, das gibt es höchstens im Klischee. In Wirklichkeit muss man heute schon froh sein, wenn man nach Sicherung lupenreiner demokratischer Präsidentschaftswahlen in der russischen Botschaft das Klo benutzen darf – und danach ein paar Geschenksackerl mit russischem Staatswappen bekommt. Ins Maul schauen darf man dem geschenkten Gaul erst recht nicht. Ob die Schokolade wirklich zartschmelzend und der 24. Februar im Kalender auch korrekt rot eingeringelt war – wen schert’s? Geschmack kann man eben nicht kaufen. Unbestechlichkeit übrigens auch nicht. Die bekommt man höchstens von jemandem vorgeschrieben – oder zur Not vom eigenen Anstand geschenkt. Doris Helmberger PORTRÄTIERT Springreiter für ideologische Hindernisse Der neue Salzburger Bürgermeister ist ein Pferdenarr. „Einmal infiziert, lässt einen das nicht mehr los“, erklärt Bernhard Auinger seine Passion. Wobei er bereits in jungen Jahren jene Flexibilität zeigte, die auch seine politische Laufbahn charakterisiert. Als Schulkind im Springreiten erfolgreich, erkannte der gebürtige Salzburger bald, dass die finanziellen Möglichkeiten seiner Arbeitereltern mit vier Kindern weit unter den Kosten für Top-Pferde liegen. Auinger wechselte also in den Trabrennsport und tauschte den Springsattel mit dem Fahrersitz eines Traber-Sulkys. In der Gangart Trab gelang ihm auch der Wahlsieg um den Bürgermeistersessel am vergangenen Sonntag. Seine früheren Versuche, 2017 quasi im Sprung und 2019 im Galopp den Bürgermeistersessel für die von einem Finanzskandal gebeutelte SPÖ zu halten beziehungsweise zurückzu holen, scheiterten aber beide. Ironie der Salzburger Politikgeschichte, dass Auinger dieses Mal gegen einen kommunistischen Kandidaten antrat, dessen Markenkern der Klassenkampf für soziales Wohnen ist. Im Wahlkampf 2019 war es nämlich Auinger, der seine Wohnungspolitik tiefrot einfärbte und eine Abgabe für leer stehende Wohnungen in der Höhe der jährlichen Immobilienpreis-Steigerung forderte: „Dann schaue ich mir an, wie viele leer stehende Wohnungen auf den Markt kommen. Das ist keine Enteignung, das ist nur gerecht. Da muss man einmal brutal hineinfahren.“ In diesem Wahlkampf präsentierte sich Auinger deutlich mittiger, setzte auf „Veränderung braucht Erfahrung“ und machte sich mit dieser Strategie drei Wochen nach seinem 50. Geburtstag das lange erstrebte Geschenk. Aber nicht nur ihm. Nach Auszählung der Stichwahlergebnisse wurde Schloss Mirabell seiner Bestimmung aus fürsterzbischöflichen Zeiten wieder gerecht. Für ein paar Stunden verwandelte sich der Sitz des städtischen Magistrats nämlich zum Lustschloss: Der SPÖ-Wahlsieger strahlte mit dem KPÖ-Verlierer/Gewinner Kay-Michael Dankl um die Wette. Das Gruppenbild in rot durfte der SP-Chef und Bürgermeister-Kollege Andreas Babler nicht verpassen und eilte zum Gratulieren nach Salzburg. Dass sich Auinger bislang als Doskozil-Anhänger zeigte, störte beide nicht. Hauptsache flexibel, im Reitsport und noch mehr in der Politik. Oder, wie Bürgermeister Auinger schon 2019 ankündigte: „Da muss man auch ideologisch ein paar Hindernisse überspringen, da wird man sich vielleicht sogar bei mir wundern.“ (Wolfgang Machreich) Foto: APA / Barbara Gindl Bernhard Auinger (Jahrgang 1974) ist gelernter Maschinen- und Werkzeugschlosser mit einer Passion für Pferdesport und Politik.
Laden...
Laden...
Ihr Zugang zu neuen Perspektiven und
mehreren Jahrzehnten Zeitgeschichte.
© 2023 DIE FURCHE