DIE FURCHE · 30 6 International 27. Juli 2023 Die EU formiert sich zur „gated community“, sagt Forscher Henk van Houtum. Über grenzenlosen Zynismus und Papiermauern. „Ein Wettlauf nach unten“ FORTSETZUNG VON SEITE 5 nicht in der Rhetorik. Aus Tunesien wurden in den letzten Monaten Zustände gemeldet, die an die nationalistischen Milizen an der ungarisch-serbischen Grenze oder an ostdeutsche Nazi-Mobs auf Ausländerjagd erinnern. In der Hafenstadt Sfax vertrieben Bewohner Anfang Juli Migranten gewaltsam aus ihren Wohnungen. In Bussen wurden diese daraufhin aus der Stadt abtransportiert, in Richtung der algerischen oder libyschen Grenze. Nach einer Verhaftungswelle im Frühjahr hatten Migranten in den Gebäuden von UNHCR und IOM in Tunis Schutz gesucht. In den Tagen unmittelbar nach Unterzeichnung des Abkommens gab es mehrere Berichte über Migranten, die von tunesischen Sicherheitskräften ohne Wasser und Essen in der Wüste nahe der libyschen Grenze ausgesetzt wurden. In einem letzte Woche veröffentlichten Report wirft die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) der tunesischen Polizei, Militär und Nationalgarde schwere Misshandlungen afrikanischer Migranten und Asylsuchenden vor. Tunesien sei daher für diese kein sicherer Drittstaat, weshalb die EU ihre Finanzierung der Migrationskontrolle einstellen solle. KLARTEXT Diktatoren als Türsteher Diese hat indes den gegenteiligen Weg eingeschlagen. „Mit dem Deal unterstützt die EU das menschenrechtswidrige Handeln der tunesischen Regierung, das in den letzten Tagen mehrere Todesopfer gefordert hat“, kritisiert Pro Asyl. Die EU entledige sich hierbei ihrer Verantwortung, indem sie Diktatoren zu Türstehern Europas mache. Letzteres wiederum ist spätestens seit dem Türkei-Deal 2016 ein probates Mittel der EU-Grenzpolitik (vgl. das Interview mit Henk van Houtum, re.) Es geht einher mit der Verlagerung der Außengrenze in die Sahara oder die Sahelzone. Die Brüsseler Wunschliste Während funktionale Details des Tunesien-Abkommens nun noch ausgearbeitet werden sollen, ist die Richtung deutlich: weitere „neue umfassende Partnerschaften mit Drittländern“, wie Ursula Von der Leyen laut einem EURAC- TIV-Bericht bereits vor dem Migrations-Gipfel Ende Juni an die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer schrieb. Die „aktuelle Initiative mit Tunesien“ solle dabei als „Blaupause“ dienen. Marokko und Ägypten stehen diesbezüglich auf der Brüsseler Wunschliste. Dass Europa solche Partnerschaften brauche, „um Migrationsströme zu steuern“, sagte Victoria Rietig, Migrations-Expertin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, in einem ARD-Gespräch. Auf die Frage, ob ein Land wie Tunesien dabei der richtige Verhandlungspartner sei, entgegnete sie, es sei „sicher nicht der perfekte Verhandlungspartner, aber einer der besten, den wir kriegen können“. Aus Mangel an funktionierenden Demokratien um Europa herum gebe es „eben nicht besonders viele gute Alternativen“. Damit ist das, was in Brüssel derzeit unter schwierigen internen Bedingungen konsensfähig ist, recht zutreffend beschrieben. Es zeigt allerdings auch, wie kurz der Weg von der Realpolitik in die Barbarei sein kann. Und dass diese Tatsache immer schulterzuckender zur Kenntnis genommen wird. Solidaritätsbewusstsein Manchmal darf man beeindruckt sein, welch hohes Ausmaß an Altruismus und Solidarität bei den Menschen zu finden ist. Viele wollen, dass die systemwichtigen Menschen (von der Supermarktkassiererin bis zu den Pflegekräften) deutlich mehr verdienen. Sie wären also bereit, im Supermarkt (über die gegenwärtige Inflation hinaus) deutlich mehr zu bezahlen, und ebenso willig, die Sozialversicherungsbeiträge anzuheben – was ja auf die eigene Einkommensminderung hinausläuft. Ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung könnte sich dafür erwärmen, dass Arbeitszeiten bei vollem Lohnausgleich deutlich reduziert (also die Stundenlöhne für alle um 20 Prozent angehoben werden). Da steckt viel Solidarität drinnen: Trotz der gegenwärtigen Preissteigerungen würden sie also die erhöhten Löhne bei Güterproduktion, Vorprodukten, Energie, Logistik bezahlen wollen, also über die Preise noch einmal eine Einkommensreduktion bis zu einem Fünftel akzeptieren. Das Gespräch führte Tobias Müller Seit 25 Jahren beobachtet der Geopolitologe Henk van Houtum die Grenzpolitik der Europäischen Union. Sein Urteil ist ernüchternd: Zentrale Themen wie die Visa-Politik bleiben unterbelichtet, stattdessen wird eine legale Einreise durch Abschottung verunmöglicht. Ein Gespräch über Werteverrat, Abschottung und salonfähigen Illiberalismus. DIE FURCHE: Einst wurden Sie bei einer Veranstaltung als „Grenz- Professor“ angekündigt. Was hat sich an den Grenzen der EU im Lauf der Zeit verändert? Henk van Houtum: Die EU- Grenzpolitik hat sich stark verschärft, ist immer tödlicher geworden. Die Gewalt an den Außengrenzen hat zugenommen, und die Debatte verhärtete sich. Das hat einen Bumerang-Effekt: Genau die rechtsstaatlichen Werte, welche die Grenzpolitik eigentlich schützen soll, geraten dadurch unter Druck. DIE FURCHE: Inwiefern? Van Houtum: Durch den Umgang mit Flüchtlingen und der Flüchtlings-Konvention; durch Abkommen zur Flüchtlings-Abwehr, die mit Diktatoren geschlossen werden; durch menschenunwürdige Zustände in Flüchtlingslagern, die bewusst zur Abschreckung geschaffen werden; durch Boote, die gesetzeswidrig zurückgedrängt werden. Das schützt die EU nicht und tut Migranten Unrecht an – aber auch den eigenen Werten. DIE FURCHE: Wie erklären Sie sich die Tendenz, die Grenzen der Europäischen Union immer weiter nach außen zu verlegen? Von Manfred Prisching Die Verfechter eines Grundeinkommens scheinen erst recht mutig. Mit diesen Modellen verbunden, ist doch die Abschaffung des gesamten Pensionssystems, der Arbeitslosengelder, der Förderungen für Kindergärten und Wohnungen und manch anderer Zuschüsse – zugunsten eines arbeitsbefreiten Existenzminimums für alle. An der Spitze der Altruismus-Skala stehen jene Weltbeobachter, die für eine Gleichverteilung der Ressourcen auf der Welt eintreten, um das Elend im globalen Süden zu beseitigen. Sie würden (gemessen am Sozialprodukt pro Kopf) gar einen Rückfall des eigenen Lebensstandards auf ein Viertel des gegenwärtigen hinnehmen; und das ist schon ein drastischer Beweis guten Willens. Ein immenses Solidaritätsgefühl. Skeptiker behaupten allerdings: Es ist nicht Solidarität. Es sind bloß Missverständnisse. Der Autor ist Professor für Soziologie an der Uni Graz. Van Houtum: Beim Thema Migration schottet sich die EU gegenüber dem Rest der Welt zunehmend ab. Sie wird zu einer Art „gated community“. Gegenüber dem „Alle Menschen werden Brüder“ aus der EU-Hymne ist das schon einigermaßen zynisch. Das beginnt allerdings nicht mit den heutigen Deals mit Diktatoren. Diese sind vielmehr eine Folge der EU-Visum-Politik. Diese ist und bleibt die erste und am schwersten zu überwindende Mauer der EU-Grenzpolitik, auch wenn sie aus Papier ist und sich die Kameras gerne auf Gewehre, Patrouillenboote und Grenzzäune richten. In der Debatte um Migration und Grenzen bleibt sie unterbelichtet. Foto: Privat Henk van Houtum ist Gründer und Koordinator des Nijmegen Center for Border Research (NCBR) und Uni-Professor für Politische Geografie und Geopolitik an der Radboud-Universität Nimwegen. DIE FURCHE: Zwischen beiden liegt das Schengen-Abkommen … Van Houtum: In dessen Rahmen verlagerte die EU ab 2001 ihre Binnengrenzen nach Außen. Dadurch kamen jene Gebiete, die der gemeinsamen Grenze am nächsten liegen, unter starken Druck – etwa durch eine Zunahme undokumentierter Migration als Folge der Visum-Grenze und von Menschenschmuggel als Folge der Abschottung. Das Risiko in die EU einzureisen hat seitdem enorm zugenommen, weil die EU für viele Menschen nur irregulär erreichbar ist. „ Ich schäme mich das zu sagen: Die Außengrenze der EU ist zur tödlichsten Grenze der Welt geworden. Man kann nur Angst davor haben, wo das enden wird. “ Weil man erst auf EU-Grundgebiet Asyl beantragen kann, entsteht enormer Druck dieses zu erreichen. Das wiederum versucht die EU zu verhindern, etwa durch Patrouillenboote und vor allem durch Frontex, deren Budget in den letzten 20 Jahren exponentiell angestiegen ist. DIE FURCHE: Und von dort kommen wir zur Externalisierung der Grenze? Van Houtum: Mehr irreguläre Migration schafft mehr Unsicherheit an der Grenze, mehr Menschenschmuggel, mehr Rufe nach besser geschützten Grenzen. Dieser Teufelskreis ist charakteristisch für die EU-Grenzpolitik. Auf den Papier-Mauern werden also Zäune errichtet, es gibt noch mehr Patrouillen, und wenn man sieht, dass das immer noch nicht ausreicht, kommen die Deals mit Ländern außerhalb der EU ins Bild. Sie sollen die Grenze geschlossen halten und dafür sorgen, dass die Menschen nicht mehr aufbrechen. Im Gegenzug gibt es Geld oder Entwicklungshilfe. Die Grenze wird damit nach außen verlagert, in die Türkei, nach Marokko, Tunesien, Libyen, das nicht einmal eine Regierung hat, sondern eine Miliz. DIE FURCHE: Was folgt daraus? Van Houtum: Rechtsstaatlichkeit und Demokratie werden dadurch unterminiert, und man macht sich erpressbar. Und dann gibt es noch die zahlreichen Pushbacks, also gesetzeswidriges Zurückdrängen von Geflüchteten über die Grenze. Auch das ist Teil der Externalisierung und höhlt die Flüchtlingskonvention noch weiter aus. DIE FURCHE: Parallel dazu befindet sich die EU auch unter Druck von „illiberalen“ Mitgliedsstaaten wie Polen und Ungarn. Wie sehen Sie diese Konstellation? Van Houtum: Beides hängt miteinander zusammen. Die EU nährt ihre eigene Illiberalisierung, ihre Grenzpolitik macht Illiberalismus salonfähig. Das undemokratische Klima in vielen Mitgliedsländern beeinflusst den Diskurs in der EU – wir sollten nicht nur mit dem Finger auf Ungarn und Polen zeigen – was sich in der Grenzpolitik widerspiegelt. Der Rechtspopulismus ist nicht nur an den Rändern der EU sehr stark. In den letzten 20, 30 Jahren entstand ein Wettlauf nach unten. DIE FURCHE: In Ihrem 2016 veröffentlichten Buch „Jenseits der Festung Europa“ zeichnen Sie ein düsteres Bild von florierendem Menschenschmuggel, Deals mit autokratischen Regimes und tausenden Toten. Das wirkt wie eine Art Vorgriff auf gegenwärtige Zustände. Van Houtum: Das galt damals auch schon, hat aber seither noch zugenommen. Man kann nur Angst davor haben, wo das enden wird. Es sei denn, die EU kommt zur Umkehr und ändert ihre Grenzpolitik. Ich schäme mich das zu sagen: Die Außengrenze der EU ist zur tödlichsten Grenze der Welt geworden. Laut der International Organization for Migration (IOM) fordert sie 75 Prozent der Toten, die weltweit an Grenzen zu betrauern sind.
DIE FURCHE · 30 27. Juli 2023 Politik 7 Von Andreas Peham Als Ende Juni dieses Jahres eine mindestens dreizehnköpfige, im Waffen- und Drogenhandel tätige Bande aus Neonazis und Rockern in Oberösterreich aufflog, war der Schock angesichts des Umfanges der kriminellen Aktivitäten groß. Die Landespolitik musste reagieren und tat dies mit der Einberufung des Landessicherheitsrates und einer Aktualisierung des „Aktionsplans gegen Extremismus“. Ohne die Stimmen der Opposition wurden zahlreiche Maßnahmen zur (vermeintlichen) Prävention von „Extremismus“, viele davon längst geplant oder umgesetzt, aufgelistet. Weitere, lange schon geforderte und mit Blick auf den Anlassfall zielgerichtetere Maßnahmen, wie etwa eine Stelle zur Unterstützung von Ausstiegen aus der Neonaziszene, finden sich hingegen nicht im „Aktionsplan“. Dennoch stellt dieser einen Fortschritt dar, zumal im „Lagebericht“ des Staatsschutzes, der dem Papier vorangestellt ist, die rechtsextremen Bedrohungen konkret benannt werden. Dies gilt insbesondere für die Burschenschaften und die eng mit ihnen verstrickten Identitären. In Verbindung mit dem Bekenntnis der ÖVP-FPÖ- Landesregierung, keine Mittel und Räumlichkeiten an diese Gruppen zu vergeben, birgt dieses Papier eine gewisse politische Sprengkraft. Forderung: Identitäre „rehabilitieren“ Dementsprechend laut war der Aufschrei im identitären und korporierten Milieu: Die extreme Rechte im engsten Umfeld zwischen FPÖ und Neonazismus sieht es als Affront, dass die Mutterpartei „einem Bericht zugestimmt [hat], der für weite Teile des patriotischen Vorfelds zur Gefahr werden könnte“, so Julian Schernthaner auf der Seite des Aula-Nachfolgeprojektes Freilich. Die Rechtsextremen stoßen sich aber nicht nur an der Arbeit des Staatsschutzes, sondern auch am engagierten Maßnahmenpaket zur Extremismusprävention, das „nicht die Handschrift einer Mitte-Rechts-Koalition“ trage. Tatsächlich waren es Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft, die das Paket aus Vorurteilssensibilisierung, Gleichheitsorientierung und Demokratieerziehung schnürten. Dass es nicht nach dem Geschmack der völkischen Reinheitsapostel ist, überrascht wenig. Die Empörung richtet sich insbesondere gegen Landeshauptmannstellvertreter und FPÖ-Landesparteiobmann Manfred Haimbuchner, dem schon in der Vergangenheit Opportunismus und übertriebene Rücksichtnahme auf demokratische Gepflogenheiten vorgeworfen wurde. So beklagt etwa Michael Scharfmüller, ehemaliger Führungskader des neonazistischen Bundes freier Jugend (BfJ), auf Info-Direkt, dass sich Haimbuchner „erneut“ von Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) habe vorführen lassen: Diesem sei es „wieder „ Aber in einer ‚Festung‘, zu welcher die Freiheitlichen Österreich umbauen wollen, zählen Gewaltenteilung und liberale Demokratie wenig. “ Oberösterreichs aktualisierter „Aktionsplan gegen Extremismus“ empört das rechte Milieu. Speziell Burschenschaften fühlen sich von Manfred Haimbuchner und ihrer Mutterpartei verraten. Rückendeckung erhalten sie von der Bundes-FPÖ, die anregt, den Plan zu „entsorgen“. Ein Papier mit Sprengkraft einmal gelungen, die FPÖ-Oberösterreich vor ihren eigenen Wählern und Funktionären zu degradieren“, indem er „seinen Regierungspartner dem ‚Aktionsplan gegen Extremismus‘ zustimmen [ließ], der sich in weiten Teilen gegen die FPÖ und ihr Vorfeld richtet.“ Und die von einer tatsächlichen Umsetzung des „Aktionsplans“ hauptbetroffene Burschenschaft, die Arminia Czernowitz zu Linz, ließ die Öffentlichkeit trotzig wissen, „nicht auf die Gunst eines Haimbuchners angewiesen“ zu sein. Eine starke Ansage, bedenkt man, wie viele FPÖ-Landes- und Kommunalpolitiker ihre Mensuren bei dieser Verbindung gefochten haben. Unterstützung erhielten die völkischen Fundis aus der Bundespartei: Zuerst rückte der Tiroler Nationalratsabgeordnete Gerald Hauser aus, um dem Status, einem Online-Nachfolgeprojekt des Wochenblicks zu versichern, wie groß der „Unmut“ in der FPÖ-Basis sei. Ihm folgte Generalsekretär Christian Hafenecker, der gleich allen relevanten rechtsextremen Medien Oberösterreichs Rede und Antwort stand. Hafenecker betrachtet die freiheitliche Zustimmung zum „Aktionsplan“ oder – wie es zur Abwiegelung dann hieß – seine „Kenntnisnahme“ als Fehler, er wolle dem gescholtenen oberösterreichischen Parteifreund aber die „Gelegenheit“ geben, ihn wie angekündigt auf einer Sitzung im September zu korrigieren. In einer Videobotschaft ans Milieu legte er noch nach und Haimbuchner „einen Fahrplan vor, wie dieser den Antifa-Aktionsplan im Herbst zu entsorgen hat“, so der rechtsextreme Von FPÖ-Landesparteiobmann Manfred Haimbuchner wird seitens Hafenecker erwartet, sich auf einer Sitzung im Herbst „ zu korrigieren“. Foto: APA / Manfred Fesl Lesen Sie hierzu auch die Reportage von Martin Tschiderer unter dem Titel „Die Identitären und die Toten“ (4.4.2019) auf furche.at. Status über das bejubelte Foul am oberösterreichischen Parteifreund. Zudem seien nicht nur die Burschenschaften zu rehabilitieren, sondern auch die Identitären und alle anderen „Freiheitskämpfer“ gegen das, was abwechselnd „System“, „Great Reset“ oder „Neue Weltordnung“ genannt wird. Und bei diesen hätten sich die für das Durchwinken des „Aktionsplans“ Verantwortlichen in der Landespartei zu entschuldigen, so Hafenecker in seiner Videobotschaft. Wie groß die Macht und der Einfluss der völkischen Fundis in der FPÖ ist, zeigte Haimbuchner in seinen ersten Reaktionen. Zu ihrer Beruhigung erklärte der Landeshauptmann-Stellvertreter gegenüber Freilich, dass er die „völlig unsachliche, undifferenzierte und pauschalisierende Art und Weise“, wie im „Lagebericht“ über Burschenschaften geschrieben werde, klar verurteile und dass die „Kenntnisnahme“ durch einen FPÖ-Vertreter, der Haimbuchner bei der Sitzung des Landessicherheitsrates vertreten hatte, ein Fehler gewesen sei. Auch versprach Haimbuchner, dass er Ende September am zuständigen Ausschuss des oberösterreichischen Landtags teilnehmen „und dort […] in aller Deutlichkeit“ seine „Meinung zu dieser Passage zum Ausdruck bringen“ werde. Er wolle zudem bei dieser Gelegenheit Aufklärung über „diese ungeheuerliche Vorgangsweise verlangen“. Und bei der Meldung des Kuriers vom 13. Juli, wonach neben den Identitären auch die mit ihnen verstrickten deutschvölkischen Korporationen künftig sich nicht mehr über Unterstützung des Landes freuen könnten, handle es sich „um eine falsche Spekulation“, so Haimbuchner gegenüber Freilich. Tatsächlich war nicht zu erwarten, dass dieser Punkt des Maßnahmenpakets auch umgesetzt wird oder Landeshauptmann Stelzer künftig auf den Ehrenschutz über den Linzer „Burschenbundball“ verzichtet – was den Gesamtwert des „Aktionsplans“ nicht gerade erhöht. „Säuberung“ des Staatsschutzes als Ziel Über die Krone versprach Haimbuchner am 20. Juli, dass er sich künftig „in den zuständigen Ausschüssen und Gremien fortlaufend“ einbringen werde, um die „Einschätzungen durch das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung entsprechend nachjustieren zu lassen“. Dass solche Einschätzungen auf polizeilichen Beobachtungen basieren und nicht den Wünschen der Politik gehorchen (sollen), kennzeichnet eigentlich die Gewaltenteilung und jede liberale Demokratie. Aber in einer „Festung“, zu welcher die Freiheitlichen Österreich umbauen wollen, zählt beides wenig. Dass es im Rahmen dieses Umbaus zu einer Säuberung des Staatsschutzes kommt, ist zumindest in Oberösterreich wahrscheinlicher geworden. Der Autor ist Rechtsextremismusund Antisemitismusforscher im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW). Foto: Metafilm/Klaus Steindl KREUZ UND QUER VENEDIG UND DAS GHETTO DI 1. AUG 22:35 Venedig. Die prächtigste Kulisse der Welt, millionenfach besucht, millionenfach fotografiert, steckt dennoch voller Geheimnisse. Die Doku begibt sich auf eine Spurensuche nach der verdrängten Geschichte der jüdischen Bevölkerung Venedigs und erzählt von ihrer Unterdrückung, den Entbehrungen – aber auch von ihrem großen Lebenswillen, der das jüdische Leben in Venedig bis heute prägt. religion.ORF.at Furche23_KW30.indd 1 18.07.23 15:39
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