30 · 27. Juli 2023 DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 79. Jg. · € 4,– Ein Ball, ein Feld – und 22 Frauen In Australien und Neuseeland läuft die 9. Frauen-Fußballweltmeisterschaft. Über einen Sport als Spiegel der Gesellschaft. · Seite 9 Bundes-FPÖ steht für Burschenschaften ein Srebrenica: Wenn Schmerz verbindet Wo die Karriere beginnen kann Landesparteiobmann Haimbuchner gilt seit dem „Aktionsplan gegen Extremismus“ im rechten Milieu als Verräter. Nun rudert er zurück. · Seite 7 Jüdische Diplomaten sprachen in Srebrenica über die Parallelen der Verbrechen im Zweiten Weltkrieg und jener im Bosnien-Krieg. · Seite 10 Das „Young Singers Project“ bei den Salzburger Festspielen gilt als Kaderschmiede für den Opernsänger-Nachwuchs. · Seite 17 Das Thema der Woche Seiten 2–4 Weniger Höher, schneller, weiter, mehr – eine Haltung, die heute klar an ihre Grenzen stößt. Wie aber lässt sich Reduktion sozial verträglich und vielleicht sogar lustvoll gestalten? Illustration: iStok/elenabs EU nimmt Barbarei in Kauf Brüssel entledigt sich der Verantwortung gegenüber Schutzsuchenden, indem aus Mangel „an demokratischen Alternativen“ Deals mit verrufenen Machthabern oder Milizen geschlossen werden. Über eine Außengrenze, die zur tödlichsten der Welt geworden ist. Seiten 5–6 Bundespräsident Alexander Van der Bellen warnt vor den Gefahren des Populismus. Anstatt seine Institution und seine Worte ernst zu nehmen, flicken ihm die politischen Player am Zeug. Blind vor dem Abgrund AUS DEM INHALT Kindheit ist politisch Der Staat kann Bedingungen schaffen, die Heranwachsenden ein gutes Leben ermöglichen. Über Dimensionen der Verantwortung . Seite 8 Von Otto Friedrich Demokratie bedarf nicht nur des Rechtsstaates, der den juristischen Rahmen der Gesellschaft absteckt, sondern auch Grundvertrauens in Institutionen. Demokratische Politik bedeutet, dieses Vertrauen zu befördern – und nicht zu zerstören. Die unheilvolle Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sollte lehren, dass das Herabwürdigen demokratischer Institutionen der Anfang vom Untergang der Demokratie war. Von der Verhöhnung der Parteiendemokratie bis zum Verunglimpfen der Medien als „Lügenpresse“ reichte da der Bogen. Nach solcher Geschichte wacht man in der unmittelbaren Gegenwart auf, in der diese Mechanismen fröhliche Urständ feiern, ohne dass die herrschende Politik dem entgegentritt. Da geißelt der Bundespräsident bei der Eröffnung der Bregenzer Festspiele (bei den Salzburger Festspielen wird er dies gewiss fortsetzen) populistische Sprache und macht dass nicht nur an den üblichen Verdächtigen von Herbert Kickl & Co fest, sondern auch an der Rede von den „Normalen“, welche die ÖVP gerade entdeckt hat, oder von „unseren Leuten“, die sich Andreas Babler und die SPÖ auf die Fahnen heftet. „ Die intellektuelle Schlichtheit, mit der der Bundeskanzler auf Van der Bellen reagierte, bestürzt vielmehr. “ Der Bundespräsident hat begrenzte politische Macht. Aber er kann die Macht seines Wortes einsetzen. Und er darf dafür gewiss auch kritisiert werden. Aber er ist auch ein (institutionelles) Symbol des demokratischen Zusammenhalts und bedarf des Respekts der anderen politischen Player. Alarmzeichen: waffenstarrende Neonazis Leider ist von solchem längst keine Rede mehr. Wer sich erwartet hatte, dass durch Alexander Van der Bellens Mahnungen eine Diskussion über populistische Sprache losgetreten wird, wurde einmal mehr eines Besseren belehrt: Wo der Präsident vor Ausgrenzung warnte, bestand etwa Andreas Babler weiter auf seiner Wortwahl, ohne darauf einzugehen, wie er auf diese Weise eine zersplitternde Gesellschaft einen will. Die Reaktion der regierenden ÖVP lässt gleichermaßen nicht auf Einsicht hoffen – im Gegenteil. Die intellektuelle Schlichtheit, mit der der Bundeskanzler auf Van der Bellen reagierte, bestürzt vielmehr: Zuerst ein Posting Karl Nehammers, dass er für den Erhalt des Schnitzels kämpfen werde (als ob Van der Bellen dies irgendwie in Frage gestellt hätte), dann ein online verbreitetes Plädoyer für die „Normalen“, in der er nicht nur Rechtsextreme und Klimakleber in eine Topf warf, sondern unter anderem die „Minderheit“ der Radfahrer zur Bedrohung der Autofahrer im Land stilisierte. Man hätte mit Van der Bellens Warnungen auch so umgehen können, dass daraus die Achtung vor dem Bundespräsidenten und der Wille zu einer substanziellen Auseinandersetzung sichtbar werden. Die politischen Akteure machen aber Anderes. Dass vor kurzem in Oberösterreich eine waffenstarrende Neonazi-Zelle ausgehoben wurde, wird in diesem Zusammenhang als Alarmzeichen viel zu wenig ernstgenommen. Die Feinde des Staates sitzen hier, und diejenigen, denen an der Demokratie liegt, sollten sich schleunigst zusammentun. Und die FPÖ, die aus Populismus ja sowieso kein Hehl macht, versucht längst, die Bekämpfung des Rechtsextremismus zu hintertreiben (siehe Seite 7 dieser FURCHE): Auch diese Tatsache bringt die anderen politischen Player immer noch nicht zur Besinnung. Angesichts der Erfahrungen, die man diesbezüglich anderthalb Jahre unter einem Innenminister Herbert Kickl machen musste, mag man sich nicht ausmalen, dass diese Partei wieder Einfluss auf Staatsschutz und Sicherheitsapparat bekommt. Der Kulturphilosoph Franz Schuh meinte dieser Tage in einem Gespräch auf Ö1: „Wir werden durch den Rechtsextremismus durchgehen müssen, bis wir wieder draufkommen, das bringt uns wirklich in den Abgrund.“ Man will ja immer noch hoffen, dass diese Zeitdiagnose doch nicht eintritt. otto.friedrich@furche.at @ofri_ofriedrich Straßenschild-Heiliger Mit der Grazer Sozialikone Wolfgang Pucher darf dessen Vermächtnis, gerade bei hässlicher Armut nicht die Augen zu verschließen, nicht zu Grabe getragen werden. Seite 11 Durchgerütteltes Zukunftsdenken Junge Leute fragen immer stärker nach erfülltem Leben. Innsbruck hat mit der „Zukunftswerkstatt“ der Jesuiten einen Ort für derartige Lebensfragen. Seite 12 Einblick ins Kochrezept Algorithmen sind für Laien meist undurchschaubar. Ein Forschungsprojekt untersucht, wie die Bevölkerung über Vorhersagemodelle mitentscheiden kann. Seite 13 Österreich als Ölfleck John Gerrards Fahne „Petro National #79 (Austria)“ spiegelt Österreichs jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch an Erdöl wider. Seiten 19–20 furche.at Österreichische Post AG, WZ 02Z034113W, Retouren an Postfach 555, 1008 Wien DIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 Wien Telefon: (01) 512 52 61-0
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