DIE FURCHE · 15 13. April 2023 enedikt XVI. war ein kluger, wortgewandter Theologe und Schöngeist. benserfahrungen von Frauen keinen Eingang tens so wichtig ist aber der Umstand, dass Le- Alle, die ihn näher kannten, beschreiben ihn als liebenswürdigen, von Glauben und Religion finden. in ein zeitgemäßes theologisches Verständnis bescheidenen, ja sanften Mann. Er Der kuriale Männerbund hat die Verheiratung von Priestern verschlafen. Das führt im mag ein frommer und in den letzten Lebensjahren im Gebet versunkener Priester gewesen Kern zu diesem ausschließlich auf Männer konzentrierten „Klerikalismus“, der sowohl das sein. Aber die kritische Frage stellt sich, ob das ausreicht, ihn in das Register der Heiligen der Weibliche als auch das Sexuelle aus dem Priesterleben verdrängt. Die zölibatäre Lebenshal- Kirche aufzunehmen. Im Grunde ist dieser brillante Denker und tung kippt zwar nicht zwingend, aber trotzdem Theologe kulturell und politisch in der Rolle nicht selten in ein deformiertes Verhalten der als Präfekt der Glaubenskongregation und als erzwungenen Unreife, was im Extremfall bis Papst gescheitert. Er hat bei seinem Rücktritt zum Kindesmissbrauch führen kann. 2013 die Kirche jedenfalls in einem schlechteren Zustand übergeben als zum Zeitpunkt seiner Ankunft im Vatikan als Kardinalpräfekt im Jahr 1982: In (West-)Europa erleben wir eine so noch nie dagewesene Abstimmung der Gläubigen mit den Füßen raus aus der katholischen Kirche. In anderen Regionen ist es nicht Von Clemens besser: In Lateinamerika wachsen die evangelikalen Kirchen dem traditionellen Katholizis- Martin Auer mus über den Kopf; Aufbrüche, wie die Option für die Armen in einer Theologie der Befreiung, sind von Kardinal Ratzinger gründlich unterdrückt worden. In Afrika haben Johannes Paul II. und Benedikt XVI., mit ihrer strikten Weigerung, Kondome als Mittel der sexuellen Verhütung und damit auch als Schutz vor Ansteckung mit HIV/Aids zu erlauben, zum Tod hunderttausender Menschen mit beigetragen. Vatikan blieb ein „Männerbund“ Gescheitert ist Benedikt XVI. daran, dass er weder im Denken noch im Handeln aus dem „Männerbund“ des Vatikans ausgebrochen ist: Benedikt XVI. hatte als Präfekt der Glaubenskongregation und als Papst detaillierte Kennt- Diese Versammlung alter Männer ist in ihrer Binnensicht nicht in der Lage, die Gegebenheiten und Veränderungen in der Welt außerhalb hat auch erste zwingend notwendige Schritnis vom Ausmaß dieser Missbrauchsfälle. Er der Mauern des Vatikans zu dechiffrieren. Am te der Aufarbeitung dieses durch männliche schwerwiegendsten ist wohl die Frage, wie diese Kirchenleitung zu einem der Komplexität Worten war er deutlich. Er hat aber die Ursa- Priester verursachten Leides gesetzt. In seinen der Gegebenheiten entsprechenden Sitz im Leben finden kann, wenn sie zur Gänze (!!) auf die zialen Verfasstheit dieses Männerbundes anchen dieser Pervertierung, die in der psychoso- Hälfte der Menschen, nämlich die Frauen, verzichtet. Das Frauenpriestertum wäre nicht al- auf die Homosexualität eines Teils der Priester gelegt ist, trotz seiner analytischen Intelligenz lein eine Selbstverständlichkeit der Geschlechtergerechtigkeit im Sinne einer Inklusion in blems nicht getroffen. Die blutende Wunde der zurückgeführt. Damit hat er den Kern des Pro- Führungs- und Leitungsfunktionen. Mindes- Missbrauchsfälle sitzt tief im Körper der Kirche. Das letzte quere Problem der Ära Johannes Paul II. und seines Glaubenspräfekten und petrinischen Nachfolgers ist die Fixation auf eine enggeführte Sexualmoral, die nur im reinen Zeugungsakt des Lebens kein sündhaftes Verhalten sehen will. Daraus abgeleitet, wurde in beiden Pontifikaten der Kampf gegen Homosexualität zum Schwerpunktthema erklärt. Doppelmoral in Fragen der Homosexualität Das wiederum wirft ein Bild auf die Doppelmoral in Fragen der Homosexualität innerhalb des Klerus. Benedikts Verständnis von Homosexualität ist im Katechismus der katholischen Kirche (1992) dargelegt. Man müsste Kardinal Schönborn als einen der Redakteure des Katechismus fragen, ob diese Textpassage von Joseph Ratzinger persönlich stammt. Dort heißt es, verkürzt, homosexuelle Veranlagung ist dann Sünde, wenn sie zu sexuellen Handlungen führt. Homosexuelle seien zur Keuschheit gerufen und sollen sich mittels der Tugend der Selbstbeherrschung, des Gebets und Sakraments schrittweise der „christlichen Vollkommenheit“ annähern. Die Ära der beiden Päpste ist jedenfalls gekennzeichnet von einer tiefen Homophobie: Die Nuntiaturen hatten weltweit den Auftrag, gegen die Verteilung von Kondomen zur Bekämpfung von HIV/Aids und jegliche Gesetzesinitiativen zur Legalisierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften oder Ehen zu intervenieren. Hier hat der Vatikan krachende politische Niederlagen erlitten. Unabhängig von der Würdigung Benedikts als großen Theologen bleibt kirchenpolitisch von dieser Ära, dass die männerbündische vatikanische Kirchenleitung den Anschluss an die Gesellschaft von heute in den hier angesprochenen Themen verloren hat. Wobei ein Kardinalversagen am schwersten wiegt: Kindesmissbrauch durch Priester ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das das Verlangen der Menschen, den Himmel zum Sprechen zu bringen, verstummen lässt. Das ist keine Voraussetzung, Benedikt XVI. zum Heiligen zu erklären. Der Autor ist praktizierender Katholik und war Sektionschef im Gesundheits ministerium, für das er als Konsulent tätig ist. ngelobung, (verbaler) Rauswurf, Comeback – die Laufbahn Joaw Galant gilt als des israelischen Verteidigungsministers Joaw Galant im Politiker mit harter Linie, aber auch rechts-religiösen Kabinett Netanjahu VI lässt sich grob mit diesen drei Wörtern zusammenfassen. Was war geschehen? als fähig, Kompromisse zu schließen. Der 64-jährige Generalmajor der Reserve hatte Netanjahus umstrittene Justizreformpläne als Gefahr für die nationale Sicherheit Seine Kritik an Netanjahu hat ihm be- bezeichnet, da sie die Gesellschaft spalteten. Tatsächlich würde eine Realisierung der Pläne bedeuten, dass künftig religiöse Fundamentalisten und ultrarechte Nationalisten eine effektive Kontrolle über zung eingebracht. reits viel Unterstüt- die Ernennung von Richtern des obersten Gerichtshofs haben. Auch Entscheidungen des Gerichts könnten mit der Reform leichter überstimmt werden. Mit seiner Kritik an Netanjahus Vorhaben ist Galant nicht allein. ten Baschar Al-Assad. Gleichzeitig gilt er als pragmatischer Politiker, Seit mehreren Monaten befindet sich Israel in der schärfsten innenpolitischen Krise seit Jahren. Der Unmut im Militär wächst. Hunderttause Chance wegen Verdachts der Vorteilsnahme bei Grundstücksver- der bereits 2011 zum Generalstabchef ernannt werden sollte, auf diesende Israelis gehen täglich auf die Straße, um gegen den Gesetzesentwurf zu demonstrieren. Dass der Verteidigungsminister vor wenigen te Galant indes zahlreiche Unterstützer(innen) ein. Das ist auch der käufen jedoch verzichten musste. Seine Kritik an Netanjahu brach- Tagen entlassen wurde, verschärfte die Aufregung zusätzlich. Grund, weshalb ihn der Ministerpräsident nach seinem angekündigten Rauswurf kleinlaut wieder zurückholen musste (offiziell war Dass Joaw Galant, einst Holzfäller und wie Netanjahu Angehöriger der nationalkonservativen Likud-Partei, einen weicheren politischen Galant nie des Amtes enthoben). Netanjahu hält allerdings weiter Kurs vertritt als sein Regierungschef, ist ein Irrglaube. Tatsächlich an den Justizreformplänen fest – nur partiell, etwa bei den Minderheitenrechten, will er einlenken. Ein deutliches Zeichen dafür, dass tritt er für eine militärische Großoffensive gegen die Hamas im Gazastreifen ein und forderte 2017 die Ermordung des syrischen Präsiden- sich in Israel Machtverhältnisse verschoben haben. (Jana Reininger) Von Brigitte Quint ine zentrale Gestalt in der österreichischen Politlandschaft lässt mich regelmäßig erschaudern. Es handelt sich um Wolfgang Sobotka. Den Nationalratspräsidenten. Er ist für mich die Personifizierung der Präpotenz. Dass er für das neue Parlament ein vergoldetes Klavier angemietet hat, das die Steuerzahler(innen) 3000 Euro im Monat kostet, wundert mich genau überhaupt nicht. Dass er es jetzt sogar kaufen will – auf Steuerkosten versteht sich –, wundert mich noch weniger. Meine Antipathie Sobotka gegenüber hat weniger mit ihm als mit mir zu tun. So viel Küchenpsychologie muss sein. Dass ich mich breitbeinig auf eine Bühne stelle und anderen erkläre, ich wäre das Beste, was ihnen passieren kann – so bringt es der Gute zumindest nonverbal rüber –, ist undenkbar. Oder nur mit harten Drogen zu realisieren. Ich bin Meisterin darin, mich selbst niederzumachen. Deshalb triggert es mich, wenn sich mein Gegenüber in seiner (selbstdiagnostizierten) Großartigkeit suhlt. Einerseits geht mir diese Art auf den Senkel. Andererseits würde ich mir gerne ein Stück davon abschneiden. Ich bin ja nicht die Einzige, die Sobotka angreift. Gibt es ein Ranking der unbeliebtesten Politiker Österreichs? Jede Wette, dass es Sobotka unter die Top drei schaffte. Während ich mich darob bis ins Mark kränken würde, stolziert er mit stolzgeschwellter Brust Tag für Tag an „seinem“ vergoldeten Klavier vorbei. Ich höre immer wieder, dass er das Herz am rechten Fleck habe, ein guter Christ sei usw. Dann soll er sich bitte schön besser vermarkten. Wir schreiben schließlich das Jahr 2023. Ich höre ihn fast, was er mir hierauf kontert: „Kehren Sie doch vor Ihrer eigenen Tür, Frau Quint.“ Damit hätte er mich. Was ihn aber keinen Deut sympathischer macht. Dass der Mensch den Mitmenschen zur Bestie werden kann, wussten schon die alten Römer: „Homo homini lupus est“, so die nüchterne Einsicht. Wladimir Putin führt der Welt vor Augen, dass der Menschenwolf im 21. Jahrhundert noch nicht ausgedient hat. Der Mann gilt jetzt auch amtlich als „mutmaßlicher Kriegsverbrecher“ und weckt seit Längerem das Interesse von Psychiatern, die sich mit Paranoia und pathologischem Starrsinn beschäftigen. Kognitive Flexibilität und die Kunst des Loslassens zählen nicht mehr zu seinen Stärken – das treibt Hunderttausende in den Tod. Der Krieg hinderte einen heimischen Industrie-Wolf nicht daran, weiterhin Liebesgrüße nach Moskau zu schicken, wie der deutsche Spiegel berichtet. Sein höfliches Begehr an den „lieben Wladimir Wladimirowitsch“: Putins Liebkind wieder aufzubauen. Logisch, liegt doch die russische Autoindustrie seit den garstigen Sanktionen auf dem Boden! Und mit Autos kennt sich der Sigi aus. Das eigene Reich auszuweiten, indem man sich mit den richtigen Leuten ins Bett legt, ist hierzulande ein altes Motto. Das weiß auch eine ehemalige Außenministerin, die sich vor Putin gern zu Boden wirft: Andere mögen Kriege führen – „Tu felix Austria nube“! Martin Tauss DIE FURCHE · 17 16 Diskurs 27. April 2023 ZEITBILD Das grüne Kraftwerk Foto: iStock/ShaunWilkinson IHRE MEINUNG Schreiben Sie uns unter leserbriefe@furche.at Wiederholt sich Geschichte? Mission à la de Gaulle Von Brigitte Quint, Nr. 15, S. 1 und Die Demokratie hat keinen Autopiloten. Von Christoph Konrath und Robert Schütt. Nr. 15, Seite 5 Vielen Dank für Ihren Leitartikel, Sie bringen die Schwierigkeiten rund um Taiwan gut auf den Punkt. Ihr Vergleich von Emmanuel Macron mit Charles de Gaulle ist in vielerlei Hinsicht zulässig. Macron rückt mit seiner Aussage von jener Joe Bidens ab und geht damit, so wie de Gaulle, zu den USA eher auf Distanz und rückt eher in Richtung China. Mit seiner Pensionsreform greift er auch ein Thema auf, das ihn zu einem standhaften Politiker macht, der nicht davor zurückschreckt, unpopuläre Themen anzugehen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob man ihn auf eine Stufe mit de Gaulle stellen kann oder darf. Eine solche Beurteilung sollte man immer erst aus einer größeren zeitlichen Distanz treffen. Insgesamt werden für mich als Geschichtelehrer die Parallelen zwischen den aktuellen geopolitischen Krisen zu den Jahren unmittelbar vor dem 2. Weltkrieg immer offensichtlicher (Stichwort Krim, Ukrainekrieg und Taiwan): Auf der Konferenz von Stresa im April 1935 erklären etwa England, Frankreich und Italien u. a., die Unabhängigkeit Österreichs zu schützen. Bereits 1937 machen aber Italien wie auch England gegenüber Deutschland Andeutungen, nichts gegen eine Eingliederung Österreichs in Deutsche Reich unternehmen zu wollen. Man wird gern belächelt, wenn man sagt, die Geschichte würde sich wiederholen. Dennoch: Es schließt sich für mich der Kreis – ebenso durch den Artikel über Hans Kelsen, der behauptete, die Katastrophen des 20. Jahrhunderts hätten sich durch menschliches Tun und Unterlassen ereignet. Als Resümee heißt es: „Aus diesem Grund kann sich die Geschichte wiederholen.“ Peter Weichselbaumer via Mail In dieser Ausgabe der FURCHE finden Sie bezahlte Beilagen der DGG Deutsche Goldmünzen Gesellschaft mbH. Windenergie aus der Nordsee soll künftig wesentlich zur Stromversorgung Europas beitragen: Der deutsche Kanzler Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sowie die Vertreter(innen) sieben weiterer Länder kamen am 24. April im belgischen Ostende zusammen, um den Ausbau von Windparks vor der Küste voranzutreiben. „In ganz kurzer Zeit wird die Nordsee der wichtige Ort der Energieproduktion sein“, sagte Scholz. Mit Deutschland, Frankreich und Belgien wollen auch die Niederlande, Norwegen, Dänemark, Irland, Luxemburg und Großbritannien bis 2030 eine Leistung von 120 Gigawatt aus der Offshore-Windenergie ermöglichen. Zum Vergleich: 2022 erbrachten die österreichischen Windanlagen eine Gesamtleistung von ca. 3570 Megawatt Strom für mehr als 50 Prozent der heimischen Haushalte. In der Nordsee wird zugleich die Produktion von grünem Wasserstoff ausgebaut. Das soll dazu beitragen, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen. „Das bedeutet, dass wir standardisieren und die Lieferketten synchronisieren müssen“, so der belgische Regierungschef Alexander De Croo. Ebenso wichtig sei die Sicherheit der Infrastruktur, spielte der Gastgeber auf die Explosionen an den Nordstream-Pipelines an. Windfarmen, Kabel und Leitungen auf dem Meeresgrund sind anfällig für Sabotage und Spionage. Dafür ist nun eine engere Zusammenarbeit mit der NATO geplant. (apa/afp/mt) Ärgernis Heiligsprechung Keine Voraussetzungen für ein santo subito. Von Clemens Martin Auer. Nr. 15, Seite 11 Die Ausführungen von Clemens Martin Auer sprechen mir aus dem Herzen! Die Überschwemmung an Heiligsprechungen der letzten Jahre ist mir zu einem Ärgernis geworden – auch, weil sie der Verehrung, dem Nacheifern der Heiligen geradezu den Boden entziehen. Ich kannte Papst Benedikt XVI. als Bischof von München-Freising persönlich und habe in den späten 1960er Jahren immer wieder mit ihm korrespondiert, war von seiner hinterfragenden, aufgeschlossenen Gläubigkeit fasziniert. Sein Wirken als Präfekt der Glaubenskongregation war diesem Eindruck der Aufgeschlossenheit diametral entgegengesetzt, seine Haltung als Papst für mich immer wieder eher furchtvoll als gläubig-hoffnungsvoll-offen. Ich denke, dass er voll tiefen Glaubens war, der Hoffnung jedoch nur wenig entsprechen konnte – und die Liebe nur bedingt zu leben imstande war. Ich achte und bewundere ihn in Vielem – aber den Ruf nach santo subito kann ich nicht nachvollziehen! Johannes-Maria Lex via Mail Punzierung Aufbau von Feindbildern Leserbrief von Christian Felber Nr. 15, Seite 12 Ich möchte diesem Leserbrief viele Rufzeichen hinzufügen. Die Kritik betrifft auch den Großteil aller „Corona“- Bezüge in der FURCHE. Die von Felber erläuterte Punzierung und Stigmatisierung Andersdenkender geht einher mit ihrer Gesamtverurteilung. Die Personen selbst werden „unmöglich“ gemacht. Dr. Maria Wölfingseder 1120 Wien B PORTRÄTIERT Pragmatiker, General, Hardliner A Foto: Privat DIESSEITS VON GUT UND BÖSE Foto: imago / zuma Press Diskurs Am 16. April wäre Joseph Ratzinger 96 Jahre alt geworden. Als Benedikt XVI. zum Jahreswechsel starb, gab es Rufe nach einer schnellen Heiligsprechung. Dazu besteht kein Anlass. Ein Gastkommentar. Keine Voraussetzungen für ein santo subito „ Dieser brillante Theo loge ist kulturell und politisch als Präfekt der Glaubenskongregation und als Papst gescheitert. “ E QUINT- ESSENZ Vergoldetes Ego ZUGESPITZT „Lieber Wladimir!“ 11 Quittungen und Lose werden am 28. April zur Eintrittskarte ins Obere und Untere Belvedere. Lotterien Tag im Belvedere in Wien Das einzigartige Gesamtensemble mit den beiden Schlössern Oberes und Unteres Belvedere und dem weitläufigen Garten im 3. Wiener Bezirk zählt zu den schönsten Barockbauten der Welt und beheimatet ein international führendes Museum. Die Österreichischen Lotterien ermöglichen ihren Spielteilnehmer:innen im Rahmen eines weiteren Lotterien Tages am Freitag, dem 28. April 2023, die weltberühmten Kunstsammlungen im Belvedere gratis zu besuchen. Es muss lediglich eine Quittung oder ein Los eines der Spiele der Österreichischen Lotterien vorgezeigt werden. Im Unteren Belvedere gibt es Werke von Klimt und seinen Wegbegleitern wie van Gogh, Matisse und vielen anderen in eindrucksvollen Gegenüberstellungen zu sehen. Das Obere Belvedere geht mit „Schau! Die Sammlung Belvedere von Cranach bis EXPORT“ auf die Wechselwirkungen zwischen Kunst und Gesellschaft ein. Beide Häuser können auch im Rahmen von Führungen besucht werden. Von 11.00 bis 12.00 Uhr gibt es auch Rundgänge für blinde und sehbeeinträchtigte Personen bzw. für Menschen mit Demenz oder Vergesslichkeit und ihren Begleitpersonen. Die Teilnehmerzahlen an den Führungen sind begrenzt, eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Detaillierte Informationen findet man unter lotterientag.at. Lotterien Produkte öffnen die Tür zum Belvedere Museum Wien Foto: elvedere Museum Wien Johannes Stoll IN KÜRZE RELIGION ■ Franziskus fährt nach Ungarn RELIGION ■ P. Benno Mikocki (1932–2023) GESELLSCHAFT ■ Sorge um Kinderarmut WISSEN ■ Wissenschaftsbücher 2023 Papst Franziskus reist zum zweiten Mal nach Budapest. Nach einer nur siebenstündigen Visite beim Eucharistischen Weltkongress 2021 kommt das Kirchenoberhaupt von 28. bis 30. April zu einem Pastoralbesuch nach Ungarn. Höhepunkte sind die Sonntagsmesse auf dem Kossuth-Platz und eine große Jugendbegegnung. Auch setzt das Besuchsprogramm soziale Schwerpunkte. International wird eine Papstrede vor politischen Autoritäten und Vertretern aus Diplomatie und Zivilgesellschaft mit Spannung erwartet. Vorgesehen sind auch Treffen mit Staatspräsidentin Katalin Novák und Regierungschef Viktor Orbán. Der geistliche Leiter des „Rosenkranz Sühnekreuzzugs“ (RSK), verstarb im 91. Lebensjahr im Wiener Franziskanerkloster. Der Franziskaner war insgesamt 47 Jahre für die Gebetsgemeinschaft tätig, die 1947 in Österreich entstand, sich über die Landesgrenzen ausbreitete und mit der rund 700.000 Menschen verbunden sind. Der gebürtige Wiener Mikocki trat 1950 in den Franziskanerorden ein. Ab 1976 war er Assistent des RSK-Gründers P. Petrus Pavlicek und nach dessen Tod 1982 Geistlicher Leiter der Gebetsgemeinschaft, die in der Folge der Errichtung des Eisernen Vorhangs entstanden war und sich für den Frieden in der Welt einsetzt. Die Teuerungskrise zeigt deutliche soziale Folgen: 201.000 Personen waren in Österreich im Vorjahr laut Statistik Austria materiell und sozial erheblich benachteiligt. Besonders betroffen waren Alleinerziehende – und ihre Kinder. Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) verkündete folglich, heuer ein besonderes Augenmerk auf den Kampf gegen Kinderarmut legen zu wollen. Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl kritisierte das aktuelle Sozialhilfe-Grundssatzgesetz als „völlig unzureichend“, Caritas-Präsident Michael Landau forderte eine Reform der Sozialhilfe. Die Volkshilfe drängt auf eine Kindergrundsicherung. Die vom Bildungsministerium initiierte Wahl zu den besten Wissenschaftsbüchern des Jahres erfolgt zunächst durch eine Fachjury, dann durch Abstimmung der Leser(innen). Bei der Preisverleihung unterstrich Wissenschaftsminister Martin Polaschek (ÖVP) die Bedeutung von Sachbüchern, die Menschen für Wissenschaft begeistern. Fritz Breithaupt („Das narrative Gehirn“, Suhrkamp), Thomas Bugnyar („Raben“, Brandstätter), Judith Kohlenberger („Das Fluchtparadox“, Kremayr & Scheriau) sowie Elisabeth Etz („Ein Baum kommt selten allein“, mit Illustratorin Nini Spagl, Leykam) nahmen die Preise entgegen.
DIE FURCHE · 17 27. April 2023 Literatur 17 „Autorinnen feiern Autorinnen“: Die Schriftstellerin Anna Baar nähert sich dem Leben und Werk von Dorothea Zeemann. Auszug aus der Festrede. Von Anna Baar Es ist Krieg in Europa. Die Meldungen zum Tag: Situationsschilderung aus einem Flüchtlingslager. Russland steht vor den ersten freien Parlamentswahlen. Weitere Themen heute: Die heiße Spur nach Deutschland in Sachen Briefbombenserie. Es soll Verbindungen geben zur Neonaziszene, entsprechende Zeugenaussagen. FPÖ-Bundesparteitag: „Inländerfreundlichkeit“ lautet das neue Schlagwort. Persönliche Freiheit, sagt FPÖ-Chef Jörg Haider, habe dort ihre Grenzen, wo die des anderen beeinträchtigt werde. Es folgt die Kultur im „Mittagsjournal“ mit Herbert Dobrovolny. Und ein längerer Nachruf von Günter Kaindlstorfer auf Dorothea Zeemann. Man schreibt den 11. Dezember 1993. „Derzeit nicht verfügbar“ Foto: Heidi Heide Spurenversuche Dreißig Jahre später. Dorothea Zeemann ist „derzeit nicht verfügbar“ und „derzeit nicht auf Lager“, ihre Bücher sind heute zum Großteil vergriffen. Einige bekommt man nur noch antiquarisch – Mängelexemplare, oft zu Liebhaberpreisen. Zu einer Lebensbeschreibung hat sich bisher, wie es scheint, noch niemand durchgerungen. Wie aber konnte eine, der freundlich nachzurufen dem Österreichischen Rundfunk mehrere Minuten bester Sendezeit wert war, so rasch ins Vergessen rücken? Ob man sich in ihr getäuscht hat – damals schon, oder heute? War ihr Ansehen auf Zeit gar nicht dem Schreiben geschuldet, sondern dem Naturell der freundlichen „Grand old Lady“ der örtlichen „Künstlerszene“? War die Zeemann womöglich eine Art Wiener It-Girl, hauptsächlich dafür bekannt, in Kreisen zu verkehren, denen anzugehören zu ihrer Zeit als Verdienst galt? Günter Kaindlstorfer sagte im Radionachruf, sie sei in der Literatur „keine ganz Große“ gewesen – und schloss doch mit der Bemerkung, die heimische Kultur sei nun um eine originelle, bedeutende Persönlichkeit ärmer. Liebenswert sei sie gewesen, scheinbar immer fröhlich. Und ich wollte schwören, die Gemeinte zu kennen, als ich sie dieser Tage in einem Radioporträt anlässlich des Erscheinens ihres Romans „Eine Liebhaberin“ zu ihrem achtzigsten Geburtstag munter plaudern hörte, in der vertrauten Mundart eingesessener Wiener, dieser charmanten Melange aus Eleganz und Direktheit. Mir schien zuweilen sogar, ihr begegnet zu sein in Gestalt jener anderen, die mir einst so lieb war und heute noch, wie keine andere, für mein Wiener Daheim steht. Dieses gewaltige Wien der, wie sie André Heller einmal treffend nannte, „Küssdiehandmarionetten“, mein Taschenfeitlwean der gnädigen Damen und Herren, Grantscherm und Gschaftlhuawa, zauberisch im Glanz eines morbiden Dünkels und eines ererbten Genius, der immerzu unterschätzt wird: Hanni, die patente, bodenständige Tante aus dem sechsten Hieb – ein Ausbund an Mütterlichkeit, heiter und gebefreudig, obwohl sie nicht viel besaß und wenig zu lachen hatte. „Hörbild zur Literatur“ heißt der im Medienarchiv entdeckte Ö1-Beitrag, ein „Porträt der Dichterin“, ausgestrahlt im April 1989. Mehr als vierzig Minuten dauert die Reminiszenz. Vorweg eingespielt: Eine Ansprache Goebbelsʼ an die „Volksgenossen“ am Abend vor Adolf Hitlers allerletztem Geburtstag. Es folgt die Schriftstellerin im von Motorgeräuschen leise umrieselten O-Ton: Man habe sie ausgelacht, sagt sie. Schließlich sei auch sie an einem 20. April „ Man habe sie aus gelacht, sagt sie. Schließlich sei auch sie an einem 20. April auf die Welt gekommen ... “ Dorothea Zeemann Die ausgebildete Krankenschwester (1909‒1993) arbeitete nach 1945 als freiberufliche Publizistin, Kritikerin und Schriftstellerin. Sie schrieb unter anderem „Jungfrau und Reptil“ (1982), „Das heimliche Fest“ (1986). auf die Welt gekommen, als frühe Zangengeburt nach fünf Schwangerschaften, die alle glücklos blieben. Man habe die Ungeborenen durch Kraniotomie getötet, um die Mutter zu retten. Frauen als „Gebärmaschinen“ – ein früher und bleibender Eindruck. In „Eine Liebhaberin“ geht Dorothea Zeemann an den Anfang zurück. Frühjahr 1909: „Die Sonne lachte, und die Mutter lachte. Ich lag als Baby zwischen dem zärtlichen Paar. Sigmund Freud hätten die Umstände dieser frühen Kindheit entzückt. Damals verteidigte er seine Erkenntnisse von der Wichtigkeit des Leibeslebens gegen die Verlogenheit der Sitte. Ich weiß nicht, wie es kommt, dass ich mich so FORTSETZUNG AUF DER NÄCHSTEN SEITE
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