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DIE FURCHE 27.02.2025

DIE FURCHE · 92 Das

DIE FURCHE · 92 Das Thema der Woche Schall und Rausch27. Februar 2025AUS DERREDAKTIONIch will nicht wieder eine Suada über Deadlines anstimmen. Aber lassenSie es mich so sagen: Falls nach Druckschluss der FURCHE am Mittwoch,12 Uhr, noch Weltbewegendes passiert sein sollte, finden Sie auf furche.at aktuelleDossiers mit Hintergründen aus dem FURCHE-Navigator. Noch bangtjedenfalls die ganze Welt um den Gesundheitszustand von Papst Franziskus.Till Schönwälder kommentiert auf Seite 14 die ungewöhnlich offensive Kommunikationspolitikdes Vatikan. Weniger transparent verlief zuletzt dasRingen um noch offene Fragen und Ministerposten der hiesigen Regierung.Dass der selbst gescheiterte Herbert Kickl ihr Rabiat-Gegner bleibt, ist indesgewiss. Am kommenden (Politischen) Aschermittwoch wird seine Hämewohl einen Höhepunkt erreichen. Im aktuellen Fokus „Schall und Rausch“haben wir dieses Phänomen – und Alternativen – beleuchtet, ManfredPrisching liefert ergänzend eine soziologische Analyse von „Verlorenheit“.Eine ganz andere, existenzielle Perspektive bietet Magdalena Schwarz: Wieliebt und vertraut eine Frau, die als Kind missbraucht wurde? Diese Frage ergründetdie 70-jährige Helene Bracht in ihrer Biografie „Das Lieben danach“.Nicht minder aufrüttelnd ist der Roman „Verlorene Sterne“, in dem TommyOrange die tragische Geschichte der Native Americans über mehrere Generationenerzählt. „Ich hoffe, ihr seid da“ lautet der Titel des Essays von BrigitteSchwens-Harrant. Zukunft und Miteinander: Das erhoffen wohl alle. (dh)Von Peter StrasserZunächst waren diePolitischen Aschermittwochstreffeneine bayerischeSpezialität (s. re.).Doch 1992 erhielten sieunter dem damaligen Bundesparteiobmannder deutschnationalenFPÖ, Jörg Haider, ihr typischösterreichisches Gepräge. In derRieder Jahnturnhalle sprach Haidervor einem johlenden Publikum.Dabei sparte er nicht mit Spott,der sich zu Beschimpfungen steigerte.Das Publikum reagiertemit Schadenfreude und Hass aufdie Opfer solcher Ausfälle.2001 kam es dann zu jener Entgleisung,die Haiders Karriere alsAschermittwochsredner bald einEnde setzte. Im deutschen NachrichtenmagazinSpiegel las es sichso: „… auf der Bühne sorgte eineBlasmusik für Stimmung – unddann Haiders Paukenschläge. Diesorgten für Empörung. Nicht inder Halle, sondern außerhalb. HaidersAngriffe auf den Präsidentender Israelitischen Kultusgemeinde,Ariel Muzicant, wurden alsantisemitisch verurteilt.“„Ich verstehe überhaupt nicht,wie einer, der Ariel heißt, so vielDreck am Stecken haben kann“,höhnte Haider, der mit dem jüdischenNamen „Ariel“ und dergleichnamigen Waschmittelmarkesein böses Spiel trieb. DerSaal grölte. Endlich wieder einer,der sich traute! Seither waren dieAschermittwochsreden ein Ausdruckder Gehässigkeits-Gaudides jeweiligen Redners. HerbertKickl, Schöpfer des „Ariel“-Sagers,aktueller FPÖ-Vorsitzender undselbsternannter „Volkskanzler“ –eine leicht erkennbare Reminiszenzan Hitlers Führerdeutsch –,bezeichnete in seiner Rede 2024die „Anti-Kickl-Allianz“ als „Allianzder Volksverräter“.Sich dem Kompromiss beugen?Solche Ausfälle, welche die RiederHalle unter dem Getrampel derMenge erbeben ließen, machtenetwas von der tieferen Persönlichkeitsprägungdes jeweiligen Rhetorserkennbar. Häme, Hass undNiedertracht waren – und sind –charakteristisch für das Wiedererstarkenjenes Politikstils, dereinen Charakter der Akteure offenbart,wonach dem Triumph allemoralischen Bedenken zu opfernseien. Damit verbunden ist Unmut,ja Wut, sich Kompromissenzu beugen, wie sie für das Funktioniereneiner demokratischen Ordnungunerlässlich sind.In den zitierten Aschermittwochstreffenwird der liturgischeAschermittwochsgedanke regelrechtverhöhnt. Am Beginn der40-tägigen Fastenzeit zeichnet derPriester den Gläubigen ein Kreuzaus geweihter Asche auf die Stirn –zur Erinnerung daran, dass derMensch aus „Staub“ gemacht istund zum „Staub“ zurückkehrenwird (Memento homo, quia pulvisPolitik mitder PaukeAb 1992 bot FPÖ-Chef Jörg Haiderbeim PolitischenAschermittwochder FPÖ Gaudi mitGehässigkeit (dasBild oben zeigtihn 1997 in derJahn-Turnhalle inRied). 2001 kam eszum Eklat.Nicht nur am Aschermittwoch ist der politische Diskurs von Hass undHäme geprägt. In den USA findet dies derzeit seine Vollendung, doch inÖsterreich tut sich ein Zeitfenster für Rückbesinnung auf. Ein Essay.Die Hetzmit der Hetzees et in pulverem reverteris). Dasist nicht nur ein Aufruf zur Bekehrungzur Frohen Botschaft desEvangeliums, sondern auch zu jenerSolidarität, die aus der Sterblichkeiterwächst; es ist jedenfallseine sakrale Geste, als sterblicheWesen einander in Friedfertigkeitund Liebe zu begegnen. Im evangelischenChristentum, namentlichim lutherischen, dominiertdas Motiv der Buße.Die Politische Aschermittwochsgesinnungtrifft man unterdessenin vielen christlich geprägtenLändern Europas, in Deutschland,„ Setzt sich der gewissenlosePersönlichkeitstypus impolitischen Leben durch, dannwird nur mehr dem Scheinenach um Konsens gerungen. “Foto: APA (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger)Italien, Frankreich und Ungarn(um einige zu nennen). Überalldort ist der Vormarsch nationalistischerund rechtsextremer Parteienim Gange. Die neuen starkenMänner und Frauen zeigen häufigeine Prägung, welche im Fachjargonals „aggressiver Narzissmus“bezeichnet wird. Demnach fehlenbei hoher Rednerbegabung Hemmungen,die andernfalls davorschützen, durch Halbwahrheitenund Lügen das Volk aufzuhetzen,namentlich auch gegen jene, diesich einer „offenen Gesellschaft“verpflichtet fühlen. Was stattdessenzählt, sind die Überrumpelungund Ausbeutung der Leichtgläubigen.Setzt sich der gewissenlose Persönlichkeitstypusim politischenLeben durch, dann wird nur mehrdem Scheine nach um Konsens gerungen.Die massentaugliche Verächtlichmachungbesonnener Politikerbildet eine akute Gefahr fürdas friedliche Miteinander. Hierbeginnt, was in die Herrschaft totalitärerGesinnungen und Praktikeneinmündet, wie wir sie zurzeit –wir trauen unseren Ohren undAugen nicht – in Donald TrumpsAmerika erleben. Der US-Präsidentumwirbt den russischen DiktatorWladimir Putin, dem mannigfacheKriegsverbrechen im Ukraine-Krieg zur Last gelegt werden, währendder ukrainische PräsidentWolodymyr Selenskyj zu hören bekommt,er sei „ein Diktator ohneWahlen“. Trump scheint es seit jehernicht zu kümmern, dass er gegenmoralische Grundwerte verstößt,ja er scheint Gefallen daranzu finden, die ethische Gesinnunganderer für seine Zwecke einzuspannen.Im Übrigen zeigt sich in TrumpsLosung „Make America GreatAgain“ jene Form des politischenLesen Sie zuHaiders Sagerüber ArielMuzicant auchden Kommentar „Entgleisungen“(21. März 2001) von TrautlBrandstaller auf furche.at.Agierens, die unter dem Namen„Populismus“ sattsam bekannt ist.Der Populist instrumentalisiertdas Volk. Er schürt, um des eigenenVorteils willen, umlaufendeRessentiments gegen soziale Randgruppenund abweichende Lebensstile,er denunziert Gleichheitskampagnen,er verunglimpft Menschenrechts-und Umweltschutzorganisationen.Gleichzeitig tut eralles, um die Reichen und Mächtigenzu bevorteilen, ist es dochsein sehnlichstes Ziel, selbst dieserKlasse dauerhaft anzugehören,ohne auf den Rechtsstaat oderdie öffentliche Meinung Rücksichtnehmen zu müssen.Der Populist scheut nicht davorzurück, im Internet und bei öffentlichenAuftritten mittels Lügenpogromartige Stimmungen anzuheizen– zurzeit vor allem gegenAsylanten, die einen einigermaßensicheren Ort suchen, um überlebenzu können. Die steigendeWut des Volkes gegen den Zustromvon Emigranten macht ein bösesWort wie „Remigration“ populär.Noch während sich die moderatenParteien des rechtsextremen Unwesensmittels einer „Brandmauer“-Rhetorik zu erwehren suchen,predigen sie schon – angetriebendurch islamistische Gewalttaten –eine Null-Toleranz-Politik gegen„unerwünschte Zuwanderung“,auch wenn sie dadurch wissentlichgegen die Genfer Flüchtlingskonventionvotieren.Totalitär-anarchistischDamit sind wir nolens volensbei einer Stimmungslage, die –über die reale Bedrohung durchden Neoextremismus hinaus – derUnfähigkeit zuarbeitet, sich aufverfassungskonformen Wegen alseine pluralistische Gemeinschaftzu stabilisieren. Stattdessen befördertder aggressive Narzissmuseine totalitär-anarchische Stimmungslage.Ihr energetisches Potenziallautet: Tagtäglich PolitischerAschermittwoch!In Österreich freilich scheintvorerst, wenn schon nicht der HeiligeGeist, so doch das bessereWollen zur Einsicht geführt zu haben,dass die Parteien dem Wahlvolkgegenüber eine gewisse Verantwortungtragen. Diese hat sichin friedlich errungenen Kompromissenzu zeigen und institutionellals Koalition zu bewähren.Es ist höchste Zeit für etwas mehrDemut – erst Recht am Aschermittwoch.Der Autor ist Professor i.R. fürPhilosophie an der Uni Graz.

DIE FURCHE · 927. Februar 2025Das Thema der Woche Schall und Rausch3Der Starkbieranstich auf dem Münchener Nockherberg wird in Deutschland traditionell zum „Politiker-Derblecken“ genutzt. Dient der Kehrausdiesmal auch zur Einkehr oder gar zur Umkehr? Anmerkungen für ein Bühnenspiel.Eine Maß schmeckt auchzum MaisbreiSehr geehrte bayerische und bundesdeutsche Polit-Prominenz und jene, die sich dafür halten!Sie schauen ja regelmäßig nach Österreichherüber und kommentieren daspolitische Geschehen hierzulande.Keine Frage, es gab und gibt genugZündstoff. Ich kann Ihnen versprechen,selbst wenn man sich in den kommendenTagen in Wien auf eine neue Regierung einigt –auch die Stockers, Bablers und Meinl-Reisingershaben das Zeug dazu, von sich reden zulassen. Versprochen, geschätzte Nachbarn.Aber bevor es soweit ist, erlauben wir uns einigeAnmerkungen, die Sie betreffen: Zum Kehrhausund darüber hinaus kann man ruhig einmalvor der eigenen Türe kehren. Der passendeRahmen dafür existiert für Sie seit 1891: das Politiker-Derbleckenauf dem Münchener Nockherberg.Zur Erinnerung: Traditionell wird dieStarkbierprobe am Aschermittwoch zum Anlassgenommen, um die heimischen Politikeraufs Korn zu nehmen. Das geschieht in Form einerFastenrede und eines Singspiels. Das Bühnenbildfür letzteres liegt quasi auf der Hand. Esbraucht ein Kenia-Thema. Wie wäre es, wennman versucht, den Tsavo Ost – ein kenianischerNationalpark – darzustellen? Haben Sie schon„ Ein Kenia-Thema!In Ihrem Fall darfder Wilderer, der imJeep durch die Reihenfährt und seine Beutejagt, nicht fehlen.CSU-Chef Söder ballertdoch verbal aufalles, was grün ist. “einmal das Musical „König der Löwen“ am HamburgerHafen besucht? Fragen Sie bei den Veranstalternnach Tipps. Die schaffen es wunderbar,ihre Schauspieler in Elefanten-, Antilopenund Wasserbüffelkostümen durch den Saal ziehenzu lassen. In Ihrem Fall darf natürlich derWilderer, der im Jeep durchdie Reihen fährt und seineBeute jagt, nicht fehlen.Passender kann man IhrenCSU-Chef Markus Söderdoch gar nicht parodieren.Seit Monaten ballert erverbal auf alles, was grünist. Warum ihn FriedrichMerz gewähren ließ? Damiter selbst von dem Geballereverschont bleibt. Doch nunhat er den Salat. Die Grünensind weidwund. MarkusSöder machte keinenHehl daraus, dass er mit diesen „eigentlichen Tätern“und ihrer „superfiesen Nummer“ nicht koaliert.Noch am Wahlabend sah es danach aus,als hätte sich der Wilderer ins eigene Knie geschossen.Ohne die Grünen war zunächst keineKoalition abseits der AfD denkbar. Dann stelltesich heraus, dass BSW und FDP an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert waren. Das wiederumermöglicht nun eine Zweierkoalition ausCDU/CSU und SPD. Ein Freudenfest für Söder.Die abgeschlagenen Sozialdemokratenwerden vorihm und Merz kuschenund jeden Fünf, Zehn- oder50-Punkte-Plan ohne Murrenabsegnen. Denn auchWilderer dürfen träumen …… bis sie von Lars Klingbeilund Saskia Esken ander Nase herumgeführtund somit unsanft ausdem Schlaf gerissen werden.Die SPD-Spitzen habennämlich die Gelegenheitvon ihrem historischschlechten Wahlergebnis abzulenken beimSchopf gepackt: Sie zieren sich, verweigernvorschnelle Zugeständnisse - wohlwissend,dass die Union zu hundert Prozent auf sie angewiesenist. Söders Gestänker könnte alsodoch noch nach hinten losgehen. In Deutschlandsteht das metaphorisch für „der AfD indie Hände spielen“. Mit deren Tonalität kenntsich der Franke ohnehin aus. Als er im TV gefragtwurde, was er gegen eine Kenia-Koalition(ein schwarz-rot-grünes Bündnis, in Anlehnungan die Flagge Kenias) habe, erklärte er,dass schon das Wort „Kenia“ offenbaren würde,wie absurd eine solche Option sei. Leider verabsäumtenes die Journalisten an dieser Stellenachzuhaken. Was verbindet er mit Kenia? Warumempfindet er eine potenzielle Koalition inDeutschland, die nach einem ostafrikanischenLand benannt ist, als aberwitzige Idee?Vielleicht können wir zur gegenseitigen Länderverständigungbeitragen. Wir schicken perKurier Ugali zum Starkbieranstich. Nehmt demSöder, der ja vor Ort sein wird, seine Weißwürsteweg und serviert ihm stattdessen Kenias Nationalgericht.Eine Maß schmeckt auch zumMaisbrei. Versprochen.Ihre mitfühlende Nachbarschaft!(Brigitte Quint)Sie habenFragen an dasBundeskanzleramt?service@bka.gv.at0800 222 666Mo bis Fr: 8 –16 Uhr(gebührenfrei aus ganz Österreich)+43 1 531 15 -204274BundeskanzleramtBallhausplatz 11010 WienENTGELTLICHE EINSCHALTUNGDas Bürgerinnen- und Bürgerservice des Bundeskanzleramts freut sich auf Ihre Fragen und Anliegen!bundeskanzleramt.gv.at

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