DIE FURCHE · 4 24 Ausstellung 26. Jänner 2023 Von Ursula Philadelphy Stark und würdevoll So präsentiert sich die afrikanische Gegenwartskunst aktuell in Krems, etwa in den Minenarbeiterinnen von Jean David Nkot, www. Les reines@des mines.org, 2021. Unter dem Titel „The New African Por traiture. Shariat Collections“ präsentiert die Kunsthalle Krems aktuell quasi eine künstlerische Einladung führender figurativ arbeitender Künstlerinnen und Künstler afrikanischer Herkunft, die sich mit ganz unterschiedlicher Herangehensweise an die komplexen Fragen der Identität, aber auch der Ästhetik und Kunstgeschichte dieses Kontinents beschäftigen, es ihnen gleichzutun. Die Zusammenschau, wie sie in Krems präsentiert wird, ist dem Wiener Künstlermanager Amir Shariat geschuldet, der seine Kunstsammlertätigkeit vor einigen Jahren auf Afrika fokussiert hat, mit Schwerpunkt auf die zeitgenössische afrikanische Kunst, insbesondere auf figurative Malerei und Porträtkunst. Kunst im Aufwind Afrikanische Gegenwartskunst gerät im Moment gerade zum Hype und wird rund um den Globus mit einer gewissen Hektik angekauft. Ethnokunst war wohl die Basis eines gewissen Kunstinteresses – Gert Chesi und das nunmehrige Museum der Völker in Schwaz in Tirol haben immer schon auf den afrikanischen Kontinent gesetzt, und es gab immer wieder hervorragende Ausstellungen zeitgenössischer afrikanischer Künstlerinnen und Künstler. Nicht zuletzt waren ja auch Picasso, Matisse oder Modigliani von afrikanischer Kunst beeinflusst. Außerdem ist da noch Jean-Michel Basquiat. Die Welle der Begeisterung für die Die Kunsthalle Krems bietet wieder einmal Einblicke in eine hierzulande bislang ziemlich unbekannte Kunst. Blackness und black identity „ Die Ausstellung zeigt einen aktuellen Schnappschuss, der einer kontinuierlichen Weiterentwicklung unterliegen dürfte. “ Kunst schwarzer Künstlerinnen und Künstler, für blackness und black identity rollt also mit Schwung weiter. Der Impulsgeber für die Ausstellungsidee war für Florian Steininger, den künstlerischen Direktor der Kunsthalle Krems, eine Ausstellung im Pariser Musée d’Orsay im Jahr 2019, die Schau „Le modèle noir de Géricault à Matisse“, in der die ästhetischen, politischen, sozialen und rassenbedingten Probleme ebenso thematisiert wurden wie die Art und Weise der Darstellung schwarzer Menschen in der bildenden Kunst. In Krems ist die präsentierte Kunst weniger differenziert, ist sie doch Teil einer Privatsammlung, was naturgemäß einen anderen Hintergrund mit sich bringt. Kurator ist Ekow Eshun, der als © Courtesy Afikaris Gallery and the Artist; Foto: Jorit Aust Experte für zeitgenössische afrikanische Kunst gilt und hier mittels „spannender Diversität der Zugänge“ aufzeigen will, wie „die Künstler:innen zum Erbe der afrikanischen Figuration finden“, denn so wird „die gelebte Erfahrung afrikanischer kultureller Identität auf dem Kontinent und in der Diaspora als ein Tableau von Möglichkeiten“ verdeutlicht. Aus traditionell figurativer Malerei entwickelten sich zunehmend imaginative Aspekte und collagenartige Malereien. Die Ausstellung in Krems zeigt nun einen aktuellen Schnappschuss, der aber einer kontinuierlichen Weiterentwicklung unterliegen dürfte. Alexandre Diop etwa fabriziert überbordende Assemblagen, ganz im Stil der Arte Povera, und puzzelt seine überaus fesselnden Arbeiten aus alltäglichen Materialien zusammen: Mischtechnik auf Holz nennt sich das dann. Bilder, die den Betrachter magisch anziehen, denn was mit Gouache, Ölfarbe, Bleistift, Pastell und Firnis beginnt, endet mit Buchfragmenten, Fotos und viel Metall, weil der Künstler klebt, hämmert, tackert und immer wieder neu kontextualisiert. Jeder Quadratzentimeter birgt enorme Spannung. Gastineau Massamba etwa setzt mit Acryl und Pastell auf schwarzer Leinwand jede Menge dramatischer Energie in Bilder um, während Cornelius Annor, dessen großformatige Arbeiten zum Teil als Artist in Residence in Krems entstanden sind, eigentümlich statische Familienszenerien entwickelte. Was definiert blackness? Ganz anders Amoako Boafo, dessen Porträts im Moment extrem gehypt werden. Seine Menschen haben etwas Skulpturales, wobei sich alles auf die Gesichter fokussiert, die Boafo wie im Farbrausch mit seinen Fingern in kleinteiligen, dunklen Strukturen mit einigen hellen und bunten Reflexen malt und ihnen so maximale Intensität verleiht. Besonders interessant ist das bei Kennedy Yanko, einer Künstlerkollegin. Sie hat eine weiße Mutter und einen schwarzen Vater, ist blond mit weißer Haut, wurde aber von Boafo mit schwarzer Haut gemalt. Sie wirft die Frage auf, was denn überhaupt blackness definiert, und erzählt im Gespräch, wie lange sie gebraucht hat, außerhalb ihrer engeren Umgebung die schwarze Person in ihrer weißen Haut richtig zu verorten; die Frage aller Fragen war für sie dabei immer, wie das Weißsein den schwarzen Körper beeinflusst, da sie sich als Schwarze sieht und empfindet. The New African Portraiture Shariat Collections Kunsthalle Krems Bis 10. April 2023 www.kunsthalle.at FEDERSPIEL Was der Fall ist Diesmal geht der Oscar an die Opfer. Sie atmen auf, weil der Film „Corsage“ aus dem Rennen um die Trophäe ist. Stoffe rauschen, Sitze klappen hoch, Köpfe erheben sich. Ein neuer Geist scheint sich auszubreiten. Genugtuung. Ein Schauspieler in der Rolle des Kaisers Franz Joseph bringt einen feministisch angelegten Film über die k. u. k. Nostalgie mit Sissi zu Fall. Kindermissbrauchsbilder. Was sagt uns das? Ein Schwein, wer nicht an die armen Schweine denkt. Personenkult bündelt Macht. Sie entfleischt nicht die Nahrungskette des Verbrechens. Die Opfer, wenn sie überleben, müssen weiterleben. Ihr Seelenfriede ist im Gegensatz zum Rechtsfrieden der Täter nicht herstellbar. Der Oscar glänzt, möge sein Schein diese Gemeinheit besiegen. Was nützen uns Preise, die von MeToo schon geächtet sind? Moralische Integrität hat erotische Macht, mit dem Potenzial zu Selbstgerechtigkeit und Lynchjustiz. Cancel Culture heizt auf. Dreadlocks wurden schon als Opfer verlangt, zum Glück nicht die Eier, der Schwanz und die Zunge des Schauspielers, der die Klage geschändeter Kinder zum Kitsch verstümmeln kann, sobald er sie vorträgt, wie damals im Parlament. Man verehrte den Falschspieler. Personenkult. Opfer in unserer Gesellschaft sind Allmende. Jeder bedient sich für seine Zwecke. Vielleicht ändert sich diese Gemeinheit, weil das Burgtheater und die österreichische Filmwelt um „Corsage“ nun die Opfer sind. Was geschieht mit der Kunst? Wer schaut sich „Corsage“ noch an? Wie soll man die Personalunion des Schauspielers vom Kriminellen trennen, die Darstellungskunst einschätzen? Der Fall stört den Mythos gehörig. Es gibt keine Exkulpation. Die Menschlichkeit ist eine Schule der Entsagung der Ausbeutung. Der Nicht-Oscar ist Trophäe unserer Corsage. Annehmbar. Aber Danke. Die Autorin ist Schriftstellerin. Von Lydia Mischkulnig FILM IN KÜRZE ■ Österreicher(innen) bei der Oscar-Nominierung „Corsage“ hat es doch nicht unter die Oscar-Anwärterinnen geschafft: Der wegen des Falles Teichtmeister umstrittene Film wurde nicht für den Auslands-Oscar nominiert. Dort findet sich hingegen die deutsche Produktion „Im Westen nichts Neues“. Die Neuverfilmung des Erich-Maria-Remarque-Romans, in der der Wiener Burgschauspieler Felix Kammerer die Hauptrolle spielt, findet sich in der Oscar-Hauptkategorie Bester Film. Und Monika Willi wurde für ihre Arbeit im Film „Tár“ in der Kategorie Bester Schnitt für den Oscar nominiert. Die Verleihung der Academy Awards findet am 12. März in Los Angeles statt. LITERATUR ■ Bremer Literaturpreis an Thomas Stangl Der Wiener Autor Thomas Stangl ist am 23. Jänner im Bremer Rathaus für seinen Roman „Quecksilberlicht“ mit dem Bremer Literaturpreis 2023 ausgezeichnet worden. 1954 erstmals vergeben, ist er einer der ältesten und bedeutendsten Literaturpreise Deutschlands und mit 25.000 Euro dotiert. Zu den bisherigen österreichischen Preisträgern zählen Arno Geiger, Wolf Haas, Marlene Streeruwitz, Friederike Mayröcker und Clemens J. Setz. Am 19. Jänner hat Thomas Stangl zudem in Wien den Österreichischen Kunstpreis für Literatur erhalten.
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