3 · 19. Jänner 2023 DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 79. Jg. · € 4,– auf die es sich berufen kann. Epigonen à la Georg Gänswein, der Privatsekretär des Papa emeritus, werden diese Lücke gewiss nicht füllen. Gänsweins dieser Tage unter dem anmaßenden Titel „Nichts als die Wahrheit“ erschienene Memoiren brachten auch keine über letztlich bekannte Vorgänge hinausgehenden „Enthüllungen“. Und zur Ein- Von Otto Friedrich schätzung, dass zwischen Benedikt XVI. und Franziskus in Stil und Ausrichtung Unterschiede bestehen, brauchte es erst recht ie alljährliche Veröffentlichung dem „Zeitgeist“, der „Diktatur des Relativismus“ (© Joseph Ratzinger) etc. Anheim- nicht Gänsweins Auslassungen. von Österreichs Katholikenzahl Mitte Jänner hat etwas Ritualhaftes an sich: Einmal mehr dogmatisch wie kirchenrechtlich klar war, servativen war hingegen der überraschengefallenen im Mund führen: Auch wenn es Ein dramatischerer Aderlass für die Kon- sind die Katholik(inn)en weniger geworden, und die Kommentare dazu che der – irdische – Chef ist, liebäugelten die Benedikts Begräbnis. Der australische Kar- dass Franziskus in der katholischen Kirde Tod von George Pell wenige Tage nach gleichen einander Jahr aufs Jahr. Vor allem Traditionsbewahrer mit dem Emeritus, dem dinal war wegen des mit einem Freispruch kratzt die Statistik an einer symbolischen sie überdies den Rücktritt 2013 nicht verzeihen wollten, als ihrem „eigentlichen“ Papst. ner Heimat jahrelang in den Medien. Dabei beendeten Missbrauchsprozesses in sei- Marke: Gerade noch 52 Prozent der Österreicher(innen) gehören nominell der katholischen Kirche an. Österreich ist demnach Experiment Papa emeritus gescheitert gewaltige Speerspitze konservativer Hard- galt Pell schon Jahrzehnte zuvor als wort- nur mehr ein halb-katholisches Land. Das wurde rund um das Begräbnis Benedikts XVI., das Franziskus in würdevol- in dem Pell Franziskus und dessen Weltliner. Sein postum veröffentlichter Artikel, Die nüchternen Zahlen mögen den Abbruch einer Institution belegen, doch der ler Schlichtheit und mit einer ergreifenden synode frontal angreift, machte nun dieser Jahresanfang 2023 war, angesichts des Todes von Benedikt XVI., doch von öffentlicher te, einmal mehr offenbar. Das Experiment Projekt einen „toxischen Alptraum“, die Mediation über seinen Vorgänger zelebrier- Tage Furore. Pell nennt darin das Synoden- Aufmerksamkeit für die Kirche geprägt. Im des Nebeneinanders von amtierendem und „Ausgießung des guten Willens des New Age“ Gegensatz zur statistischen Wahrheit konnte man gar von einem medialen Hochamt seinem Rücktritt einging, war nicht erfolg- Synode „neomarxistischen Jargon“ vor. emeritiertem Papst, das Benedikt XVI. mit und wirft dem Arbeitsdokument für die für die konservative Kirchenfraktion sprechen. Deren Galionsfigur war der Papa emetenen dem Nachfolger am Zeug flickten, wo braucht keine Feinde mehr. Die Konservatireich, weil die Anhänger des Zurückgetre- Ein Papst, der solche Kardinäle hat, ritus gewesen – post mortem wurde das noch sie konnten. Das von Benedikt XVI. gelebte ven werden gewiss eine neue Galionsfigur viel klarer. Auch die Problematik des in weißer Gewandung verbliebenen Vorgängers nig tauglich. Für künftige Papst-Rücktritte lande – siehe oben – die Kirchen leer und die Modell des Papa emeritus erwies sich als we- suchen – und finden. Dass derweil hierzu- des amtierenden Papstes wurde offenbar: wären daher neue Szenarien zu entwickeln. Gläubigen weniger werden, ficht diese Bannerträger des Klerikalismus aber kaum an. Wer mit Franziskus und seiner Linie nicht Dem lautstarken, gut vernetzten, aber in einverstanden war, hielt Benedikt XVI. die seiner Bedeutung mutmaßlich überschätzten konservativen Kirchenlager fehlt nun otto.friedrich@furche.at Treue – sogar um den Preis der Häresie, die gerade die Konservativen so gern gegen die eine Identifikationsfigur wie Benedikt XVI., @ofri_ofriedrich Die Causa Teichtmeister ist wie ein Sturm durch alle (sozialen) Medien gezogen. Worum es bei all der Empörung genau ging (Florian Teichtmeister? Kindesmissbrauch? die „linke Kulturschickeria“?), war oft nicht klar, doch hinausschreien musste man es offenbar. Umso mehr ist DIE FURCHE um Differenzierung bemüht: Rotraud Perner auf Seite 15 ebenso wie Otto Friedrich auf Seite 20. Auch das Cover ist zurückhaltend ausgefallen, aber dafür „ganz dicht“: Es verweist auf den Beginn einer FURCHE-Serie von Semier Insayif über zeitgenössische Lyrik. Der Fokus dieser Woche – „Aller Anfang“ – widmet sich indes anlässlich der Reform des Mutter-Kind-Passes den Herausforderungen am Lebensbeginn. Außenpolitisch geht es weiter: mit Brasilien, Bulgarien und einer Debatte über das umstrittene EU-Lieferkettengesetz. Kontrovers zeigt sich auch der Kompass, wo die Frage nach der Rolle des Islam im iranischen Regime verhandelt wird. Martin Tauss hat zudem mit Lea Dohm über Klimagefühle und die „Letzte Generation“ gesprochen. Das Feuilleton widmet sich schließlich nicht nur der Geschichte der Chatbots, sondern auch neuen Büchern von Bob Dylan und Dževad Karahasan. In letzterem – „Einübung ins Schweben“ – geht es darum, „das Unverstandene verständlich zu machen“. Wenn das denn je gelänge. (dh) Österreichische Post AG, WZ 02Z034113W, Retouren an Postfach 555, 1008 Wien DIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 Wien Telefon: (01) 512 52 61-0 DIE FURCHE · 4 16 Forum 26. Jänner 2023 DIE FURCHE EMPFIEHLT Türkei: Medienlage vor der Wahl MEDIENMAGAZIN „CONTINENT“ In dieser Folge des in Kooperation mit der FURCHE gestalteten internationalen Medienmagazins „Continent“ spricht Golli Marboe mit der Journalistin und Buchautorin Duygu Özkan und dem Verleger Birol Kilic über die Situation des Journalismus und der Medien in der Türkei. Besonders brisant: Heuer im Frühsommer wird am Bosporus gewählt. Continent – Zur Lage der Medien in der Türkei Sa, 28.1., 17 Uhr & Mi, 1.2., 21 Uhr Radio Klassik Stephansdom www.radioklassik.at 80 Jahre Stalingrad VORTRAG Der Kampf um Stalingrad endete 1943 militärisch mit der Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Die ÖAW lädt zu einer Buchpräsentation und Podiumsdiskussion ein, die die Rezeption dieser Schlacht beleuchten. Nicht zuletzt ist es die Frage nach der Darstellbarkeit von Krieg überhaupt, die vor dem Hintergrund der Gegenwart eine neue Relevanz gewinnt. 80 Jahre Stalingrad ÖAW 2. März 2023 www.oeaw.ac.at Mit und ohne Worte AUSSTELLUNG Die neue Mitmachausstellung zum Thema Kommunikation erforscht, wie Menschen sich untereinander mitteilen, sei es mit Sprache, Schrift, Zeichen und viel mehr. Die jungen Besucher und Besucherinnen können ihre Kommunikationsfähigkeiten erweitern und mit Pantomime, Brailleschrift oder Gebärdensprache experimentieren. Mit und ohne Worte Zoom Kindermuseum, Wien Bis 24. Februar 2023 www.kindermuseum.at IHRE MEINUNG Schreiben Sie uns unter leserbriefe@furche.at Gut besuchte Piusbrüder Klerikale Bannerträger Von Otto Friedrich Nr. 3, Seite 1 Die Konservativen und „klerikalen Bannerträger“ (und die Intransigenz eines Kardinals Pell) sind nicht dafür verantwortlich, dass hierzulande die Kirchen leer sind und die Austritte ständig zunehmen. Die traditionalistischen Gottesdienste, sei es der Petrus-, sei es der Pius-Brüder, sind außerordentlich gut besucht. Lic. phil. Emanuel-Josef Ringhoffer 1040 Wien Keine Seligsprechung! Irmtraud Fischer: „Kein Santo Subito“ für Benedikt XVI. sowie Prophetischer Ratzinger Von Hermann Major, Nr. 2, Seite 12 Irmtraud Fischer hat recht. Eine Kanonisierung Ratzingers wäre ein Schlag (colpo) in das Gesicht der Missbrauchten, die sehen mussten, wie zögerlich Ratzinger angesichts dieser verbrecherischen Zuständen gehandelt hat. Allein schon deswegen kommt eine Seligsprechung absolut nicht infrage. Punkt! Es heißt zwar: De mortius nil nisi bene. Droht aber eine Seligsprechung, ist die im Kirchenrecht dabei vorgesehene Funktion eines Advocatus diaboli unersetzlich. Dieser hat eventuell vorhandene Tatsachen aufzuzeigen, die einer Kanonisierung entgegenstehen. Da ist als Grundlage für Ratzingers allgemeines Verhalten zu nennen, dass er den Dauerauftrag von Paulus „Wandelt euer Denken, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist“ nicht versteht und die Wandlung des Denkens als einen Weg zu einer Diktatur des Pluralismus verunglimpft. Daher geht er wohlwollend auf die Pius-Bruderschaft (Lefebvre!) zu, die das Zweite Vatikanum ablehnt (!), und maßregelt Theologen, welche die Zeichen der Zeit verstehen. Eine Klarheit der Gedankenführung und eine rhetorische Brillanz, die man Ratzinger zuschreibt, sind sicher keine Grundlagen für eine Seligsprechung. Da Gott uns vielmehr sagt: „Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“, wird die Gottesliebe, also der Glaube, am Dienst an den Nächsten zu messen sein. Ob da genug Material für eine Seligsprechung Ratzingers zusammenkommt, das weiß nur Gott. Daher sollten wir, die Kirche, nicht nur von einer Seligsprechung Ratzingers Abstand nehmen, sondern solche Verfahren überhaupt abschaffen. Josef Ruffer Maria Enzersdorf Treffende Analyse In Sorge um die Kirche Von Heinz Nußbaumer, Nr. 2, S. 10 Eine sehr treffend formulierte, ansprechende Analyse, anhand der man die Sorge um die Kirche anschaulich nachvollziehen kann! Waltraud Fink Straning Gelungener Abschied allgemein zur Berichterstattung über den Tod von Benedikt XVI. und Hell in der Finsternis Von Hubert Gaisbauer Nr. 1, Seiten 9–11 Wie weit geht ökonomische Sorgfaltspflicht? Iran-Proteste – Religion und Politik „Das muss man jetzt aushalten“ Ein Streitgespräch über das geplante EU-Lieferkettengesetz zwischen Industriellenvereinigung und Mounir Regragui: Es liegt an den Muslimen, den Islam Klimagefühle und den verstörenden Aktivismus der Ebrahim Afsah: Aufstand – auch gegen die Religion. Lea Dohm von „Psychologists for Future“ über der NGO Südwind. · Seiten 7 – 8 adäquat auszulegen. · Seiten 10 – 11 „Letzten Generation“. · Seiten 12 – 13 aus dem außen ausnehmend hineinnehmen – aus dem innen innerlich herausgeben – mit Katastrophe durch und und Krawall: von allen sinnen hineintransformieren – Die ins Sprache innerste knallt hineinerinnern – aufs äußerste herausveräußern genössische ohne Lyrik? Hilft zu sie nur so um sich. Was sagt die zeitwissen wann und wo es begonnen hat – beim geschweige Suchen nach denn dem anderen Wort? Beginn einer je enden wird durch meinen kopf hindurch – aus meinen neuen FURCHE-Serie. gehörgängen heraus – in meine gehörgänge hinein – durch meinen kopf hindurch – aus meinem mund heraus – in meinen mund hinein – durch meinen ganz kopf hindurch – aus dem hirn heraus – von der zunge auf die hand gelegt – übers gehör zurück ins hirn gedrückt – und vom hirn ins herz – und vom herz auf die nackte dicht haut – und von der haut über alle zellmembranen ins mitochondrien- Seite 17 kraftwerk der poesie – und wieder retour – und irgendwann dann von der hand zum stift aufs papier? Österreich ist nur mehr ein halb-katholisches Land. Dennoch ficht die Statistik das konservative Kirchenlager nicht an – auch wenn deren Galionsfiguren Benedikt XVI. und George Pell tot sind. Klerikale Bannerträger D „ Kardinal Pell nannte das Synoden-Projekt ‚toxischer Alptraum‘ und ‚Ausgießung des guten Willens des New Age‘. “ Eine neue Etappe der Künstlichen Intelligenz Software wie ChatGPT sorgt derzeit für Aufsehen. Über Medizinethik, die Informatik des Mittelalters und Netz- Neurosen. · Seiten 9 und 22 Das Thema der Woche Seiten 2–4 Aller Anfang Wie Kinder ins Leben starten, ist prägend – für sie selbst wie auch für ihre Eltern. Drei Schlaglichter auf diesen Start: vom Mutter-Kind- Pass, der gerade reformiert wird, über den Umgang mit ungewollter Schwangerschaft bis zu den Folgen von assistierter Reproduktion. INTRO furche.at Das ausgewogene und kritische „Abschiednehmen“ von Papst Benedikt XVI. ist gelungen. Besonders interessant fand ich das Gegenstück in der Darstellung von der Kirchenlehrerin Therese von Lisieux. Das Datum hat scheinbar zu diesem Beitrag geführt, aber es scheint von einer Fügung zu stammen, dem Mächtigen der Kirche der letzten Jahrzehnte ein kostbares Kleinod beizufügen. Clemens Schermann Burgenland Keine Bindung mehr? Pro Choice Von Linda Biallas. Nr. 3, Seite 3 Drohungen stehen im Raum: Altersarmut, Überforderung. Mögliche Hilfen: Kindergärten, bessere Bezahlung. Darf man fragen, warum fast nur Alleinerziehende (Frauen) betroffen sind? Gibt es keine Elternschaft mehr oder Lebenspartner? Keine Bindung nach dem Sex? War’s das schon? Franz Winter via Mail Lehrberuf attraktivieren! Bildungspolitik braucht mehr als Marketing. Von Clemens Ableidinger. Nr. 2, Seite 11 Es ist erfreulich, dass sich die Diskussion um Maßnahmen gegen den Lehrer(innen)mangel von einem unreflektierten Ruf nach Verkürzung des Studiums wieder wegbewegt. Clemens Ableidinger hebt hervor, dass die Qualität der Lehrpersonen entscheidend für den Lernerfolg der Schüler(innen) ist. Das war vor etwa 13 Jahren der Ausgangspunkt für die Arbeit an der Reform der Lehramtsstudien. Für die neue Ausbildung von Lehrpersonen in Schulen der Sekundarstufe (Mittelschule, AHS, BHS … ) war neben jener für den Unterricht in zwei Fächern auch ein Masterstudium für „Quereinsteiger“ vorgesehen, dessen Absolventen die Unterrichtsbefugnis für nur ein Fach erhalten. Die so ausgebildeten Quereinsteiger(innen) sind keine „Notlösung“, sondern – wie Ableidinger schreibt – eine wertvolle Ergänzung des Personals einer Schule. Leider haben Schulbehörden die Einrichtung dieses Studiums mit der Begründung „gebremst“, dass Lehrpersonen mit nur einem Unterrichtsfach schwer zu verwalten seien. Die von Ableidinger vorgeschlagenen Karrierepfade in den Bereichen Fachdidaktik, Schulmanagement und Lehrer(innen)bildung sind wichtig und existieren schon. Zum Beispiel bietet die Fakultät für Lehrer(innen)bildung der Universität Innsbruck ein PhD-Studium an, das auf eine Tätigkeit an Universitäten bzw. Hochschulen vorbereitet. Kurzfristige Maßnahmen gegen den Lehrer(innen)mangel wären attraktive Angebote an die vielen Lehrpersonen, die nur in Teilzeit unterrichten (in Tirol angeblich mehr als ein Drittel), und an solche, die in Pension sind oder gehen wollen. Mittelfristig könnte der Lehrberuf durch Entlastung attraktiver gemacht werden. Zum Beispiel indem an Schulen mehr Fachkräfte für Medienpädagogik, Sozialarbeit, Schulpsychologie, Informatik oder Verwaltung beschäftigt werden. Kontraproduktiv ist der Einsatz von Lehramtsstudierenden vor dem Ende ihres Masterstudiums. Die Überforderung sowohl durch die doppelte Arbeitsbelastung (Unterricht und Studium) als auch durch den unzureichenden Ausbildungsstand wird zu vielen Studienabbrüchen und Berufsausstiegen führen. ao. Univ.-Prof. i. R. Franz Pauer Innsbruck Die sieben Finten der Fortuna Das Lotto Jahr 2022 zerlegt: Was es mit der 2, der 9 und der 37 sowie den 40er- und den Primzahlen auf sich hatte. „Wir starten nun die Ziehung“ hieß es im Vorjahr insgesamt 114-mal, und dann rollten insgesamt 684 Lotto Kugeln aus dem Ziehungstrichter, die 114 verschiedene Sechser-Kombinationen ergaben. Und dabei ist aufgefallen, dass: · die 37 die am häufigsten gezogene Zahl war; sie war 26-mal Teil der „sechs Richtigen“; · die 9 mit acht Ziehungen am wenigsten oft kam; · die Dreißiger- und Vierziger- Zahlen top waren: Jede Zahl aus diesen Bereichen wurde im Schnitt 16,5-mal gezogen; · die Einer-Zahlen mit einer durchschnittlichen Ziehungshäufigkeit von 12,8 das Schlusslicht bildeten. Glücksgöttin Fortuna ließ sich ja so manches einfallen, um das Lotto Jahr abwechslungsreich zu gestalten. Sieben Kunstkniffe sind da besonders aufgefallen: 1. Am 13. November bestanden die „sechs Richtigen“ – erstmals in der Lotto Geschichte – ausschließlich aus Primzahlen. 2. Die Vorliebe für die Zahl 2 war Ende Oktober/Anfang November besonders groß: Sie wurde gleich viermal hintereinander gezogen. 3. Die Zahl 33 war zu Jahresbeginn das Stiefkind: Sie wurde 40 Runden lang nicht gezogen, ehe sie am 9. März erstmals nach Ende Oktober des Vorjahres wieder gezogen wurde. 4. Am 14. und am 21. August bildeten ausschließlich gerade Zahlen die „sechs Richtigen“. 5. Am 6. April wurde mit 41, 42, 43 und 44 der einzige Vierling des Jahres gezogen. 6. Am 23. März rollten drei Zahlen aus dem Trichter, die auch schon bei der Ziehung zuvor gezogen wurden. 7. Am 9. März bestanden die „sechs Richtigen“ ausschließlich aus den Ziffern 1, 2, 3 und 4. RELIGION IN KÜRZE ■ Rückschlag für Deutschlands „Synodalen Weg“ Der Streit über das Reformprojekt „Synodaler Weg“ der deutschen katholischen Kirche geht weiter. Ein Brief aus Rom, unterschrieben von den drei Kardinälen und Dikasterienleitern Pietro Parolin (Staatssekretär), Luis Ladaria (Glaubenslehre) und Marc Ouellet (Bischöfe) und genehmigt von Papst Franziskus, erteilt der geplanten Errichtung eines „Synodalen Rates“ eine Absage. Der Rat soll sich laut Beschluss der Synodalversammlung als neues deutschlandweites Beratungs- und Leitungsorgan mit „wesentlichen Entwicklungen in Kirche und Gesellschaft“ befassen. Dabei sollen Bischöfe, Priester und Laien gemeinsam über kirchliche Grundsatzfragen und über den Einsatz finanzieller Mittel beraten und entscheiden. Die Kurienspitzen weisen in ihrem Brief darauf hin, dass deutsche Bischöfe nicht zur Teilnahme an einem „Synodalen Ausschuss“ verpflichtet seien. Wie dem Schreiben weiter zu entnehmen ist, wandten sich im Vorfeld die Erzbischöfe und Bischöfe von Köln (Woelki), Eichstätt (Hanke), Augsburg (Meier), Passau (Oster) und Regensburg (Voderholzer) an Rom und fragten, ob sie an einem „Synodalen Ausschuss“ teilnehmen müssten und ob sie teilnehmen dürften. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Limburgs Bischof Georg Bätzing, und die Mehrheit des Ständigen Rats der Bischofskonferenz wollen trotz der abschlägigen Antwort Roms an den Plänen für den „Synodalen Rat“ festhalten. GESELLSCHAFT ■ Höhere Strafen für Missbrauch Anlässlich der Causa rund um den Schauspieler Florian Teichtmeister (Vgl. S.17 und S.24), der sich wegen Besitzes von kinderpornografischem Material vor Gericht verantworten muss, hat sich die Regierung nun auf höhere Strafen für die Darstellung von Kindesmissbrauch geeinigt. Für den Besitz von pornografischen Darstellungen mündiger Minderjähriger soll sich die Freiheitsstrafe auf zwei Jahre erhöhen. Bei Darstellungen von unmündigen Minderjährigen von zwei auf drei Jahre. Noch definiert wird der Begriff „Vielzahl von Darstellungen“, der zu umso höheren Strafen führen soll. Auch der Opferschutz soll ausgebaut werden, so die Aussendung der Regierung. „Alle neune“ hieß es schließlich in der Bundesländer-Millionärs- Bilanz, denn von den 36 Lotto Millionären kam zumindest einer aus jedem Bundesland. Bildtext: 45 Kugeln, ein Spiel und wöchentlich zwei Chancen, Millionär zu werden: Lotto „6 aus 45“ Foto: © Achim Bieniek
DIE FURCHE · 4 26. Jänner 2023 Kultur 17 Der Fall Teichtmeister zeigt ein gravierendes Problem auf: Wie soll man umgehen mit Kunstwerken, wenn daran Mitwirkende sich eines Vergehens oder Verbrechens schuldig machen? Von Matthias Greuling „Es liegt ein Schatten über ‚Corsage‘“, hat Regisseurin Marie Kreutzer am vergangenen Sonntag bei einer Studiodiskussion im ORF zu Protokoll gegeben. „Aber den Film zurückzuziehen, käme mir nicht richtig vor. Es ist für mich der gleiche Film, der er vorher war.“ Dem widersprach (nicht nur) Stefan Ruzowitzky an anderer Stelle im ORF: „Man hätte die Gelegenheit, sich als Produktion nun nicht als Opfer zu sehen, sondern die Aufmerksamkeit für den Film zu nutzen, um auf die wahren Opfer – die Kinder – eindringlich hinzuweisen.“ Seit Freitag, dem 13. Jänner, ist in Österreichs Film- und Theaterszene Feuer am Dach: Florian Teichtmeister, der in „Corsage“ Kaiser Franz Joseph spielt und bis zuletzt auf der Burgtheater-Bühne stand, muss sich am 8. Februar vor Gericht wegen des Besitzes von Kindermissbrauchsbildern verantworten. Das wirft Fragen auf, wie man mit solchen Verfehlungen umgehen soll, wer was gewusst hat und wieso so lange geschwiegen wurde. Keine Oscar-Nominierung Mit der Oscar-Nominierung für „Corsage“ hat es letztlich nicht geklappt, was aber nicht an der Causa Teichtmeister liegen dürfte: Ein starkes Feld an Mitbewerbern hat den bis auf die Shortlist vorgedrungenen Film schließlich aus dem Bewerb geworfen. Aber von vorn: Ein bisschen wirkte die Aufregung rund um Ulrich Seidls Film „Sparta“ , die im vergangenen September von schlecht behandelten Kinderdarstellern in dem Film zu berichten wusste, wie ein Prelude zum Fall Teichtmeister; wie ein Auftakt zu einer sich stetig erweiternden Anklageschrift gegen Akteure des Kunstbetriebs, der sich gewöhnlich alle Freiheiten leisten darf, zumindest solange es die #MeToo-Bewegung noch nicht gab. Was man sich früher als Freiheiten herausnahm, ist nicht selten im Kriminal beheimatet gewesen, allein: Zu wenige Ankläger getrauten sich, ihr Wissen zu artikulieren. Im Prinzip hat sich daran bis heute wenig geändert. Täter können immer noch unbehelligt tätig werden, Opfer schweigen immer noch zu lange – und Mitwisser verschließen bewusst die Augen. Nach Auffliegen der Causa Teichtmeister waren die Rufe laut, dass man „Corsage“, in dem Teichtmeister Kaiser Franz Joseph spielt, doch besser selbst aus dem Foto: Felix Vratny / Alamode Film (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger) Oscar-Rennen hätte nehmen sollen; daran entzündete sich die Debatte, ob man die Verfehlungen eines Einzelnen vom Werk trennen kann und soll. Ein „Aufruf zur Differenzierung“, der von vielen aus der Kulturbranche unterzeichnet wurde – darunter Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, der Schriftsteller Franzobel oder die Filmemacherin Ruth Beckermann –, plädierte genau dafür. „Teichtmeister ist nicht ‚Corsage‘, und seine Person ist von der herausragenden künstlerischen Leistung der Regisseurin Marie Kreutzer und dem Film ‚Corsage‘ selbst klar zu trennen“, unterstrich auch Film-Fachverbandsobmann Alexander Dumreicher-Ivanceanu. Zugleich bleibe selbstredend festzuhalten: „Der Fachverband verurteilt die pädokriminellen Handlungen des Schauspielers Florian Teichtmeister und prinzipiell jede Form von sexuellem Missbrauch.“ Die Dreharbeiten zu „Corsage“ fanden noch vor den Ermittlungen gegen Teichtmeister statt, waren im Sommer 2021 abgeschlossen. „Florian Teichtmeister hat nach dem Auftauchen erster Gerüchte nach dem Ende der Dreharbeiten im Herbst 2021 auf dezidierte Nachfrage – nicht nur für uns glaubhaft – versichert, dass die Gerüchte um seine Person falsch seien“, so die Produzenten Johanna Scherz und Alexander Glehr. In den sozialen Medien forderten Postings, den Film jedenfalls im Oscar-Rennen zu belassen. „Den Film wegen Teichtmeister „ Täter können immer noch unbehelligt tätig werden, Opfer schweigen immer noch zu lange, und Mitwisser verschließen bewusst die Augen. “ Neue Regeln braucht das Land zurückzuziehen, wäre unangebracht. Die Fälle von Korruption im Europaparlament führen ja auch nicht dazu, dass man es zusperrt.“ Ein Vergleich, der freilich hinkt: Eine demokratische Institution, die Mittel und Wege festgeschrieben hat, wie mit Verfehlungen umzugehen ist, ist schwer mit einer Filmproduktion zu vergleichen, die ein abgeschlossenes Kunstwerk darstellt, das eventuell im Mitwissen seiner Macher entstand, dass Teichtmeister und möglicherweise auch ein weiterer Kollege illegale Handlungen gesetzt hatten. Dieser Umstand ist es, der vielen besonders sauer aufstößt: Darf man etwa einen Schauspieler besetzen, von dem man zu wissen vermeint, dass er Frauen misshandelt? Muss ein Film, der Lesen Sie dazu auch „Sparta. Ein Lehrstück“ von Otto Friedrich, vom 25.10.2022, auf furche.at. bereits abgedreht ist, nicht umgeschnitten und nachgedreht werden, sobald man von Kindesmissbrauchsgerüchten und laufenden Untersuchungen erfährt? Der Wiener Regisseur Sebastian Brauneis, der für seinen Film „Zauberer“ (2018) selbst mit Teichtmeister zusammengearbeitet hat, ist offensiv mit diesen Fragen umgegangen. „Ich bin schon früh zu ihm auf Distanz gegangen, klar gilt die Unschuldsvermutung, aber solche Vorwürfe müssen lückenlos aufgeklärt werden, ehe man weiter zusammenarbeiten kann. Es wussten viele Leute schon Bescheid, im Sommer 2021, denn da machten die Gerüchte die Runde“, so Brauneis im FUR- CHE-Gespräch, der dort die Meinung vertritt, dass die Produktion von „Corsage“ entsprechend reagieren hätte müssen: „Solche drastischen Vorwürfe hätten dazu führen müssen, dass man die Rolle von Teichtmeister neu besetzt und einen Nachdreh unternimmt.“ Das ist nicht beispiellos: Auch bei Ridley Scotts „Alles Geld der Welt“ wurde Hauptdarsteller Kevin Spacey nach Bekanntwerden der Missbrauchsvorwürfe gegen ihn herausgeschnitten, und die Szenen wurden mit Christopher Plummer neu gedreht. Brauneis erntete auf etliche seiner Postings auch viel Häme, etwa als er veröffentlichte, dass Marie Kreutzer just um die Zeit, als die Ermittlungen gegen Teichtmeister begannen, für eine Drehbuchförderung zu einem neuen Projekt ansuchte. Das Thema: Kindesmissbrauch durch einen pädokriminellen Täter. Ein Zufall, den Brauneis anzweifelte – der dann das Posting wieder löschte, nachdem vonseiten der Filmbranche heftig verbal auf ihn eingeprügelt worden war. Bewusstseinsbildung Die Frage, was sich denn nun ändern muss, in der Kunst und ihren Sparten, kocht immer hoch, wenn solche Fälle ans Licht kommen. Dem Aktionskünstler Otto Muehl hatte man noch den Teppich ausgerollt, da war er längst verurteilt. Doch es hat sich etwas verändert: Die Bewusstseinsbildung betreffend die Täter ist jedenfalls seit #MeToo stark gestiegen, wenngleich sie noch nicht da ist, wo sie sein müsste. Wenn Burgtheater und Filmproduktion nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Teichtmeister sofort mit ihm gesprochen haben wollen und er sie von seiner Unschuld überzeugen konnte, so ist das vom Ansatz her ein Fortschritt, von der Leichtgläubigkeit der Befragenden allerdings nicht. Ein neues Regelwerk für den Umgang mit solchen Vorfällen muss erst erarbeitet werden; man könnte es auf Basis von Förderungen oder Subventionen zur Bedingung machen. Der drohende Schaden für das Burgtheater oder für die Produktion „Corsage“ scheint jedenfalls damals auf die leichte Schulter genommen worden zu sein. Wird schon nix passieren. Es ist leider auch eine österreichische Eigenart, heikle Dinge manchmal einfach auszusitzen. Lesen Sie zu dem Thema auch das Federspiel auf Seite 24
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