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DIE FURCHE 26.01.2023

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DIE FURCHE

4 · 26. Jänner 2023 DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 79. Jg. · € 4,– Elon Musks Hirnvisionen: Hype oder Durchbruch? Das Unternehmen Neuralink will auch bei Gesunden Gehirnchips implantieren. Was ist dran an diesen Plänen? · Seiten 22–23 Die nächste bundesweite Landtagswahl „Meine Herren, es wackelt alles“ Neue Regeln braucht das Land Niederösterreich wählt – ganz Österreich fiebert mit. Eine Wende bringen aber weder „Politbeben“ noch „Erdrutschverluste“. · Seite 6 Christian Danz über den protestantischen Theo logen und Religionsphilosophen Ernst Troeltsch zu dessen 100. Todestag. · Seite 9 Der Fall Teichtmeister und der Umgang mit Kunstwerken, wenn daran Mitwirkende sich schuldig machen. · Seiten 17 und 24 Das Thema der Woche Seiten 2–5 „Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse …“ Foto: APA / AFP / Indranil Mukherjee „… aber nicht für jedermanns Gier“, sagte Mahatma Gandhi. 75 Jahre nach seiner Ermordung wird Indien der bevölkerungsreichste Staat der Erde. Über ein Land der Superlative. 30 Jahre nach dem „Lichtermeer“ liegt die FPÖ mit ihrer Ressentiment-Politik in Umfragen an der Spitze – und wird bei der Niederösterreich-Wahl deutlich zulegen. Wie konnte es dazu kommen? Böse Festungs-Spiele Von Doris Helmberger Es war ein Bild, das sich ins Gedächtnis dieser Republik einbrannte – und das viele als österreichische Geburtsstunde der „Zivilgesellschaft“ sehen: das „Lichtermeer“ am 23. Jänner 1993. Über 200.000 Menschen standen damals mit Kerzen auf dem Heldenplatz, an jenem Ort, der von Adolf Hitler und den ihm zujubelnden Massen entweiht worden war. Auf diesem Platz der Schande sollte durch das „Lichtermeer“ ein anderes Österreich sichtbar werden: Bürgerinnen und Bürger aus den unterschiedlichsten politischen Lagern, die sich friedlich, aber bestimmt der Ausländerhetze Jörg Haiders und seinem „Ausländer-Volksbegehren“ entgegenstellten. 30 Jahre später ist Haider längst tot – aber seine Politik lebendiger denn je. Tatsächliche Probleme aufgreifen, zuspitzen, Feindbilder kreieren und statt konstruktiver Lösungen die tiefsten menschlichen Gefühle – Angst und Ressentiment – befeuern: Das ist bis heute das Rezept des Rechtspopulismus Marke FPÖ. Herbert Kickl beherrscht es in besonderer Weise. Intellektuell und rhetorisch Haider ebenbürtig, aber charmebefreit, will er keine Sympathien, sondern Wahlen gewinnen. Auch jene am kommen- „ Auf dem Spiel steht die gesamte politische Kultur – nicht nur in Niederösterreich, sondern bundesweit. “ den Sonntag in Niederösterreich: Landauf, landab prangt Kickl als Pseudo-Militär und propagiert eine „Festung Österreich“. Sekundiert wird er vom eigentlichen blauen Spitzenkandidaten, Udo Landbauer, der nach seinem eigenen NS-Liederbuch-Skandal nun im Standard hinsichtlich der Menschenrechte „zwischen Staatsbürgern und Nichtstaatsbürgern“ unterscheiden will. Mobilisieren durch schlechte Umfragen? Ein Satz, der für Empörung sorgt – aber an den Urnen womöglich belohnt wird: Laut Umfragen könnte die FPÖ die SPÖ in Niederösterreich vom zweiten Platz verdrängen. Die ÖVP wiederum könnte unter die psychologisch wichtige 40-Prozent-Marke rutschen, was am Ende auch einen Verlust der Mehrheit in der Landesregierung bedeuten könnte – und einen Landeshauptmann Landbauer oder Franz Schnabl (SPÖ). Noch ist die Wahl aber nicht geschlagen – und schlechte Umfragen werden gern zur Wählermobilisierung genutzt, Stichwort Tirol. Umso verständlicher ist das Mantra, das die Landeshauptfrau seit einigen Wochen bemüht: „Es steht viel auf dem Spiel.“ Sie hat recht – aber nicht nur im von ihr intendierten Sinn. Zunächst stehen ein- mal die Macht und die Dominanz der ÖVP Niederösterreich auf dem Spiel – was aus demokratiepolitischer Perspektive keine Naturkatastrophe wäre, um es vorsichtig auszudrücken. Wie weit hier die – auch andernorts bekannte – Vereinnahmung eines ganzen Bundeslandes durch eine Partei schon fortgeschritten ist, zeigt die Affäre rund um ORF-NÖ-Landesdirektor Robert Ziegler. Mehr Transparenz und eine vielstimmigere Öffentlichkeit wären hier durchaus ein Gewinn. Auf dem Spiel steht freilich die gesamte politische Kultur – und zwar in ganz Österreich. Dass die von Herbert Kickl radikalisierte FPÖ auch bundesweit in Umfragen an der Spitze steht, muss aufrütteln – auch die politische Konkurrenz: eine SPÖ, die sich lieber in Personaldebatten verstrickt, statt ihre Krisenrezepte professionell zu kommunizieren; und eine ÖVP, die weiter die FPÖ imitiert – nur deutlich weniger gekonnt, vom überraschenden Veto gegen den Schengen-Beitritt Rumäniens und Bulgariens bis zur verstörenden Aussage von ÖVP-Klubobmann August Wöginger, dass die Europäische Menschenrechtskonvention „überarbeitet gehöre“. Die Sorgen und Probleme ernst nehmen, aber sie nicht benutzen und vergiften: Das ist so zentral wie 1993 beim „Lichtermeer“: „Nicht den Kerzen [wird man] auf Dauer Vertrauen schenken, sondern nur Taten, die den Lichtern folgen“, meinte damals Hubert Feichtlbauer in der FURCHE (vgl. Seite 14). Es gilt bis heute. doris.helmberger@furche.at @DorisHelmberger INTRO Mit Zitaten zu titeln, ist riskant. Doch diese Woche haben wir uns bewusst dafür entschieden: Der obige Satz des vor 75 Jahren ermordeten Mahatma Gandhi erscheint in Zeiten der Klimakrise schließlich aktueller und treffender denn je. Brigitte Quint und Martin Tauss haben anlässlich von Gandhis Todestag sowie des rasanten Bevölkerungswachstums in Indien den Subkontinent in den Fokus genommen. Um kleinere Dimensionen – wenn auch in unterschiedlichen Abstufungen – geht es in der Folge: von der Wahl in Niederösterreich über den wieder wachsenden Flugverkehr bis zu den Erweiterungsdebatten in der EU. Der Kompass bietet ein Porträt des vor 100 Jahren verstorbenen evangelischen Theologen Ernst Troeltsch, neue Erkenntnisse über antisemitische Bibel-Exegese, Beispiele für Diskriminierung durch Künstliche Intelligenz und die Rolle der Digitalisierung im ländlichen Raum. Das Feuilleton schließlich eröffnet mit der Frage, welche Konsequenzen in Österreichs (Film-)Kulturbranche aus der „Causa Teichtmeister“ zu ziehen sind. Ebenso finden Sie dort die zweite Folge der Lyrik-Serie „ganz dicht“ von Semier Insayif, Einblicke in afrikanische Kunst – und eine Einschätzung von Elon Musks neuesten Gehirnchip-Plänen. Riskant – so viel lässt sich jedenfalls sagen. (dh) furche.at Österreichische Post AG, WZ 02Z034113W, Retouren an Postfach 555, 1008 Wien DIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 Wien Telefon: (01) 512 52 61-0

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