DIE FURCHE · 43 16 Diskurs 25. Oktober 2023 ZEITBILD Meister der Weisheit Foto: APA / AFP / Pool / Kai Pfaffenbach IHRE MEINUNG Schreiben Sie uns unter leserbriefe@furche.at Tage der Verstörung Von Otto Friedrich Nr. 42, Seite 1 Die Israelis zu verdächtigen, sie hätten bewusst auf ein Krankenhaus in Gaza geschossen, ist eine fanatische Unterstellung. Israel ist bei all seinen politischen Auseinandersetzungen ein zivilisierter Staat, der glaubhaft keine Krankenhäuser angreift und vor allem niemals eine solche Rufschädigung in Kauf nehmen würde. Im radikalen Gegensatz dazu ist für Hamas und die islamistischen Machthaber jedes Mittel „heilig“, um Israel und das Judentum zu vernichten. Dazu gehört, dass Hamas seit 2005 die eigene Bevölkerung in Gaza diktatorisch beherrscht und Abermillionen von EU-Unterstützungsgeldern nicht für das Wohlergehen der Bevölkerung, sondern für die Rüstung und hunderte von Kilometern von Tunnels verwendet und die eigene Bevölkerung als menschliche Schutzschilder missbraucht. Aufs Ganze gesehen muss man der früheren israelischen Ministerpräsidentin Golda Meir zustimmen, die einmal gesagt hat: „Wenn die Araber heute ihre Waffen niederlegen würden, gäbe es keine Gewalt mehr im Nahen Osten. Würden dagegen die Juden heute ihre Waffen niederlegen, gäbe es kein Israel mehr.“ Peter Mathei 6861 Alberschwende Church first? Rom bleibt ambivalent Von Gregor Maria Hoff Nr. 42, Seite 3 Ich verstehe die Aufregung des Autors schon: Nicht nur ich hätte in dieser nie dagewesenen Situation eine deutlichere Stellungnahme gewünscht. Aber: Hat Prof. Hoff auch überlegt, welche Folgen eine scharfe öffentliche Verurteilung nach sich ziehen kann in Ländern, in denen Christen eine ganz kleine Minderheit sind? Wir kennen von unserem Heiligen Vater (den ich sehr hoch schätze) bereits spontane Meinungsäußerungen, die in anders denkenden christlichen Umgebungen durchaus Empörung hervorrufen. Aber welche Reaktionen könnten in dieser Situation scharfe Worte dort hervorrufen, Der britisch-indische Schriftsteller Salman Rushdie wurde vergangenen Sonntag mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2023 geehrt. Rushdie sei nicht nur unbestritten ein großer Erzähler, sagte der Autor Daniel Kehlmann in seiner Laudatio, sondern auch „ein weiser, neugieriger, heiterer und gütiger Mensch und somit der würdigste Träger, den es für diese Auszeichnung (...) überhaupt hätte geben können“. Berühmt wurde Rushdie mit seinem 1981 erschienenen Meisterwerk „Mitternachtskinder“. 1989 rief der damalige iranische Revolutionsführer Ayatollah Khomeini wegen Rushdies Roman „Die satanischen Verse“ zur Ermordung des Autors auf. Seit einer Messerattacke in den USA 2022 ist Rushdie auf einem Auge blind. Rushdie erhält den Preis „für seine Unbeugsamkeit, seine Lebensbejahung und dafür, dass er mit seiner Erzählfreude die Welt bereichert“, so der Stiftungsrat. In seinen Romanen und Sachbüchern verbinde er erzählerische Weitsicht mit stetiger literarischer Innovation, Humor und Weisheit. „Die Welt ist in keinem guten Zustand“, sagte Rushdie vergangenen Freitag auf der Frankfurter Buchmesse, „aber unvernünftigerweise bleibe ich optimistisch.“ Der Friedenspreis ist mit 25.000 Euro dotiert und gilt als eine der bedeutendsten Literaturauszeichnungen Deutschlands. Er wird jedes Jahr am Ende der Frankfurter Buchmesse verliehen. (Manuela Tomic, APA) wo Christen, namentlich Katholiken, zahlenmäßig nicht ins Gewicht fallen? Ich bin mir absolut sicher, dass Papst Franziskus in diesem mehr als nur heiklen Fall volles Vertrauen in sein diplomatisches Netzwerk setzt, die Berufsdiplomaten des Heiligen Stuhls werden an den entscheidenden Stellen zweifellos die rechten Worte sprechen. Gottfried Kühnelt-Leddihn 6072 Lans Die Logik des Wahnsinns Von Heinz Nußbaumer Nr. 41, Seite 3 Vielen herzlichen Dank für diese wirklich gute Analyse von Heinz Nußbaumer. Die Gewaltspirale, die sich jetzt in Israel und dem Gaza-Streifen in Gang setzte, ist ganz tragisch, ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Meiner Meinung nach kann nun eine Bodenoffensive Israels zwar zur gänzlichen oder zumindest weitgehenden Zerschlagung der Hamas führen, wird aber die ganze Region weiter destabilisieren und kann zu einem globalen Flächenbrand führen. Auch beim Ersten Weltkrieg dachte niemand daran, dass aus dem zunächst regional begrenzten Krieg in Kürze ein Weltkrieg würde. Was geschieht, wenn es zu einem anti-westlichen Schulterschluss, zu einer anti-westlichen Koalition kommt, zu der Russland, China, Nordkorea und der Iran gehören? Terrororganisationen wie die Hisbollah und IS könnten sich auch noch zu dieser Allianz hinzugesellen. Mit viel, sehr viel gutem Willen und internationaler Vermittlung könnte man den Konflikt vielleicht noch friedlich lösen. Peter Weichselbaumer, via Mail Allgemein zu Erklär mir deine Welt Von Hubert Gaisbauer und Johanna Hirzberger Mit großer Freude lese ich jede Woche diese Kolumne! Die Themen werden Ihnen ja sicherlich nicht ausgehen. Möge Ihr Eifer nicht erlahmen und Sie noch viele weitere, so herzerfrischende Kolumnen schreiben! Somit oute ich mich als weiteres Mitglied Ihrer Fan-Gemeinde. Johannes Missoni-Paul via Mail In dieser Ausgabe der FURCHE finden Sie eine bezahlte Zahlscheinbeilage von Aktion Leben Österreich. Am 29. Oktober laden die Österreichischen Lotterien zur Ausstellung „Re-Imagine the Future – 20 Jahre Kunsthaus Graz“ ein. Lotterien Tag im Kunsthaus Graz Das Kunsthaus Graz ist Teil des Universalmuseums Joanneum und gilt seit seiner Errichtung 2003 als neues architektonisches Wahrzeichen der Stadt Graz. Das nunmehr 20-jährige Bestehens feiert das Kunsthaus Graz mit der Ausstellung „Re-Imagine the Future – 20 Jahre Kunsthaus Graz“, die einen Blick auf nicht exponierte und weniger sichtbare Aspekte vergangener Projekte sowie auf institutionelle, künstlerische und gesellschaftliche Werte- und Diskursverschiebungen heute wirft. Am Sonntag, dem 29. Oktober bittet das Kunsthaus Graz nun auch zum Lotterien Tag: Mit jedem beliebigen Produkt der Österreichischen Lotterien – Wettscheinquittung oder Los – erhält man freien Eintritt. Zusätzlich startet ab dem Tag auch für zwei Wochen eine gemeinsame Jahresticket-Aktion: Zu jedem verkauften Jahresticket wird von den Österreichischen Lotterien ein zweites Ticket zur Verfügung gestellt, wenn ein beliebiges Lotterienprodukt vorgelegt wird. Motto: „Kaufen Sie jetzt das Jahresticket des Universalmuseum Joanneum und erhalten Sie von den Österreichischen Lotterien kostenlos ein zweites Ticket für Ihre Begleitung dazu!“ Am Lotterien Tag selbst werden auch drei kostenlose Führungen mit limitierter Teilnehmerzahl um 11.00 Uhr, 14.00 Uhr und 15.30 Uhr angeboten. Eine Anmeldung sichert Ihnen die Teilnahme: 0316/8017-9200 oder info@ kunsthausgraz.at. Detaillierte Informationen findet man auf www.lotterientag.at. Lotterien Tag 2023 im Kunsthaus Graz, © Société Réaliste, „U.N. Camouflage“, 2014, installation view SIZ gallery, Rijeka Foto: Elvis Krstulović IN KÜRZE DIE FURCHE EMPFIEHLT GESELLSCHAFT ■ Psychotherapie für Kinder Die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Österreich hat sich nach dem Ende der Coronakrise nicht wie erhofft verbessert, sondern verschlechtert. Darauf haben Expertinnen und es Experten des Bundesverbands für Psychotherapie (ÖBVP) vergangenen Donnerstag bei einer Pressekonferenz hingewiesen. Sie forderten mehr Gratis-Betreuungsplätze und mehr Psychotherapie in der Schule. Als Faktoren für die Zunahme psychischer Belastungen sehen die Experten neben der Coronapandemie, schulische und familiäre Probleme aber auch Cybermobbing sowie der relativ nahe zu Österreich gelegene Krieg in der Ukraine. BILDUNG ■ Nahost-Konflikt fordert Lehrer Die Terrorangriffe der Hamas und ihre Folgen beschäftigen auch die heimischen Schulen. Es gebe vermehrt Diskussionen und, je nach Standort, auch Meinungsverschiedenheiten in den Klassenzimmern, berichtete Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) am Donnerstag vor Journalisten. Gleichzeitig seien die Schülerinnen und Schüler über soziale Medien wie Tik Tok auch mit vielen Falschnachrichten konfrontiert. Die Schulen sieht Polaschek aber für den Umgang damit gut gerüstet. In Fächern wie Geschichte und Politische Bildung seien die Lehrer explizit dazu aufgefordert, die aktuelle Lage mit den Schülerinnen und Schülern zu besprechen. WISSEN ■ Ältestes Meeresreptil entdeckt Mit einem gewaltigen, zahnbewehrten Kiefer hat ein neu beschriebenes Meeresreptil einst Schrecken im Ozean verbreitet. Das rund 170 Millionen Jahre alte Tier aus dem Zeitalter der Dinosaurier gehöre zu den ältesten bekannten Mega-Pliosauriern, berichtet ein Forschungsteam im Fachjournal Scientific Reports. Der Gigant wurde einer neuen Gruppe, Lorrainosaurus genannt, zugeordnet. Der Fund lasse darauf schließen, dass die Herrschaft der Pliosaurier früher als bisher angenommen begonnen haben muss. Pliosaurier gehörten zu den erfolgreichsten Meeresräubern ihrer Zeit und hatten eine ähnliche Rolle im Ozean wie heute Orcas. Heinz Nußbaumer im Porträt Am Donnerstag, dem 26. Oktober, präsentiert ORF III einen umfangreichen Schwerpunkt zum Nationalfeiertag. In der „zeit.geschichte“-Reihe „Erlebt, erzählt“ spricht Heinz Nußbaumer, ehemaliger FURCHE-Herausgeber, über die größten Herausforderungen in seinem Journalistenleben. „Erlebt, erzählt“ 26. Oktober, 9.40 Uhr ORF III
DIE FURCHE · 43 25. Oktober 2023 Architektur 17 „Klang braucht Lesen Sie unter „Der Bodenseee spiegelt sich im grünen Glas“ (31.7.1997) auf furche.at eine Kritik von Peter Zumthors Kunsthaus Bregenz. Raum“ Peter Zumthor, einer der bedeutendsten Architekten der Gegenwart, über sein Abenteuer im Rahmen des Musikfestivals „Wien Modern“, den Wert des Handwerks – und Bauen wie für die eigene Mutter. Das Gespräch führte Isabella Marboe Die Reihe „Musikverein Perspektiven“ wird von den Besten anderer Kunstsparten für das Festival „Wien Modern“ mitkuratiert. Heuer tritt der Schweizer Architekt Peter Zumthor von 15. bis 24. November mit Musik, die er schätzt, deren Komponist(inn)en und dem Publikum in einen Dialog. DIE FURCHE hat mit ihm gesprochen. DIE FURCHE: Sie sind eine singuläre Größe in der Architekturwelt, Ihr Werk vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Pritzker-Preis. Ihre Musikbegeisterung ist weniger bekannt. Sie spielten auch Kontrabass. Welche Rolle spielt das in Ihrem Leben? Peter Zumthor: Das spielte immer eine große Rolle. Als junger Mensch habe ich in Basel den Bebop entdeckt. Dass es in der Enge der frühen 1950er, 1960er Jahre auch Schweizer gab, die Bebop spielen konnten, hat mich umgehauen. Damals lernte ich Kontrabass, dann kam die Anwendung des Mikrofons dazu, das einer Frau wie die Billie Holiday, die eigentlich keine Stimme hat, eine unglaubliche Präsenz verleiht. Das hat mich interessiert. Später machten meine Frau und ich Hausmusik. Renaissance und Barock, Geige, Flöte, Oboen, Cembalo. Zehn Jahre lang, dann stellte ich auf Tennis um. Ich musste etwas für den Körper tun. DIE FURCHE: Welche Raumerfahrung verbinden Sie mit Musik? Zumthor: Meine ersten Musikerfahrungen sind Kirchenräume und Mönche, die hinter den Chorgittern singen. Das war lange vor dem Bepop. Dort spürte ich unbewusst so eine historische Tiefe. Fast alles in der Kirche kam mir scheinheilig vor, aber das nicht. Das war echt und hat mich berührt. Wenn etwas gut klingen soll, braucht es einen Raum. Klang ist wesentlich. Ich versuche mir das beim Entwerfen immer vorzustellen und es gelingt mir schon ganz gut. (lacht) DIE FURCHE: Musik ist sehr ephemer – wie alle darstellenden Künste. Alles läuft auf einen einzigen Moment zu – und der ist dann vorbei. Architektur ist meist statisch. Sie haben Musik als Phänomen beschrieben, dem Sie sich mit Mitteln architektonischer Gestaltung annähern wollen. Was meinen Sie damit genau? Zumthor: Das ist ein falsches Zitat, aber das macht nichts. Architektur und Musik sind ganz unterschiedliche Dinge. Diese Analogie der Proportionen bei Bach und der Proportionen in der Architektur scheint mir sehr weit hergeholt. Die Behauptung, Musik sei nach dem Hören sofort vorbei, verstehe ich gar nicht. Wenn mich Musik berührt, bleibt sie für das ganze Leben bei mir. Musik ist vergänglich als akustisches Phänomen, aber als Eindruck und Emotion ist sie groß. Jetzt wird es vergleichbar mit der Architektur, die auch einen Eindruck von Schönheit oder Geborgenheit hinterlassen kann. Auf jeden Fall etwas, das ich wieder erleben möchte. Beim nächsten Mal spüre ich in demselben Raum etwas anderes. Das heißt: auch Architektur ist eine Zeitkunst. DIE FURCHE: Jeder Architekt hat einen Schwerpunkt. Einige fokussieren auf die Konstruktion, andere auf neue Raumerfahrungen oder Stile. Was wollen Sie mit ihrer Architektur erreichen? Zumthor: Meine Häuser müssen eine gute Verbindung zu dem Ort aufweisen, an dem sie stehen. Die kann auch kritisch sein, aber jedes Gebäude muss einen gewissen Anteil an Liebe in sich tragen, damit es am Ort einwachsen kann. Man baut für die Menschen, die es nutzen. Es muss einfach gut gemacht sein. Vielleicht ist es dann noch schön und stimmungsvoll. Ein Glück. Besonders wichtig ist mir der Innenraum. Das Innere, das Räumliche, das Behausende ist für mich der Kern des Bauens und der Architektur. Ein guter Raum hat eine gute Energie. Er macht uns ruhig und gelassen. Foto: picturedesk.com / Keystone / Georgios Kefalas DIE FURCHE: Was hat Sie an der Idee der Reihe „Musikverein Perspektiven“ interessiert? Zumthor: Die Begegnung mit Musikschaffenden. Ich höre gern zu und ich frage gern nach, wenn ich etwas nicht verstehe. Mit Oberflächlichem und Klischees gebe ich mich nicht zufrieden. Diese Gespräche mit Komponisten und Komponistinnen könnten spannend werden. Wenn mir das gelingt, ist es für das Publikum vielleicht auch interessant. DIE FURCHE: Ihre Architektur ist auf Dauer angelegt. Das beginnt schon im Entwurf. Sie denken lange nach, feilen an Details, nutzen nachhaltige, hochwertige Materialien und schätzen gutes Handwerk. Gegenwärtig spielen 3D-Druck, Künstliche Intelligenz, augmented reality und virtuelle Räume eine immer größere Rolle. Was bedeutet das für die Architektur? Zumthor: Ich persönlich habe gern handwerklich gemachte Dinge. Ich war kürzlich im Museum of Modern Art in New York und schaute mir diesen Neubau der japanischen Architekten SA- NAA an. Das ist hoch kontrollierte Architektur mit einer perfekten Oberfläche, einen Millimeter dünn. Da entdeckte ich hinten im Innenhof ein kleines Vordach auf ein paar Betonstützen von Philip Johnson aus den 1950er Jahren. Wie schön ist doch so etwas Handgemachtes gegen diese Architektur für Hochglanzmagazine. Hinter dieser ganz dünnen Verkleidungsfolie steckt ein brutal gemachter Rohbau, hingeschludert und unpräzise, voll schrecklicher Plastikmaterialien und Schläuchen. Die 500 Leute, die mein Los Angeles County Museum of Art (Lacma) betonieren, die Eisen legen und schalen, wissen ganz genau, dass sie jetzt zum ersten und zum letzten Mal in ihrem Leben ein sehr wichtiges Gebäude machen, bei dem man ihre Arbeit nachher noch sieht. Normalerweise müssen sie den Enkeln sagen: „Schau, die Wand da hinten links im Parkhaus bei Platz 357, die hab ich betoniert.“ Bei meinem Museum zeigten sie mir voll Stolz, wie schön ihnen der Beton gelungen ist. Ich sagte dann scherzhalber: „Ab jetzt macht ihr mir alle drei Wochen einen Fehler, sonst bin ich nicht mehr dabei!“ Ich will sehen, dass etwa von Menschen gemacht ist. Wir sind nicht virtuell. Wir sind wie Pflanzen und Tiere. Wir leben, sind jung, altern und verfallen. Ich will da dazugehören, nicht Werkstatt und Worte Atmosphäre ist für den 1943 in Basel geborenen Peter Zumthor bei Bauten wie auch in der Musik zentral. Von 15. bis 24. 11. kann man ihm in 13 Konzerten und acht Werkstattgesprächen begegnen. „ Das Innere, das Behausende ist für mich der Kern des Bauens. Ein guter Raum macht uns ruhig und gelassen. “ zum Virtuellen. Und ich will auch nicht in der virtuellen Welt frühstücken. DIE FURCHE: Ihre Architektur ist eine Autorenarchitektur. Sie behalten möglichst viel Kontrolle und geben den Dingen die Zeit, die sie brauchen. Das scheint nahezu anachronistisch. Heute hat man den Eindruck, Architektur ist von der Industrie, den Investoren, Zeitdruck, Wirtschaftlichkeit und Ähnlichem bestimmt. Wie könnte man da gegensteuern? Zumthor: Was heute gebaut wird, ist zu einem ganz großen Teil monetär gesteuert. Grund und Boden werden kapitalistisch verwertet, viele Menschen wissen gar nicht mehr, dass man auch Siedlungen mit Plätzen, Gassenzügen und stimmungsvollen Ensembles bauen könnte. Heute folgt alles einem vorgegebenen Ablauf, die Gestaltung kommt erst ganz am Schluss. Zurzeit spreche ich mit der Stadt Chur über eine Waldsiedlung. Ich machte ihnen klar, dass ich nur für Qualität garantieren kann, wenn es eine entwurfsgesteuerte Planung gibt. Denn normalerweise werden unüberbaute Flächen mit Planungsphasen belegt, was für die architektonische Gestaltung wenig Spielraum lässt. DIE FURCHE: Was würden Sie jüngeren Architekten raten? Zumthor: Es geht nicht um besonders ausgefallene Ideen. Man muss für die Leute bauen, also so, dass es auch der eigenen Mutter gefiele. Es gibt viele reiche Bauherren, die gern einen Zumthor hätten. Das ist für mich nicht interessant. Ich würde sofort einen Auftrag für ein Flüchtlingscamp nehmen, wenn das überhaupt eine gute Bauaufgabe ist. Man kann auch sehr einfach bauen, es muss nicht teuer sein. Wenn jeder Holzbalken wiederverwendet wird, ist das Nachhaltigkeit pur. Im Münstertal in Graubünden gibt es die Weberei Tessanda, wo 20 Frauen an Webstühlen von Hand Stoffe weben. Es ist eine Manufaktur. Für die soll ich eine neue Weberei bauen, es wird ein neues Haus aus Massivholz. Darauf freue ich mich sehr. Wenn man sich vorstellt – das Geräusch von 28 verschiedenen Webstühle, die teils hundert Jahre alt sind, in einem Klangkörper aus Holz: Musik pur. Wien Modern 31. Oktober bis 2. Dezember 2023 www.wienmodern.at Musikverein Perspektiven 15. bis 24. November 2023 www.musikverein.at
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