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DIE FURCHE 25.05.2023

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DIE FURCHE · 21 24 Architektur 25. Mai 2023 Von Isabella Marboe „ Man betritt es durch einen Glasquader, der dem Museum vorgelagert ist. Die Architekten verstehen diese Geste als ‚ausgestreckte Hand‘ zum Karlsplatz. “ Die Architekten Certov, Winkler + Ruck planten die Sanierung und Erweiterung des Wien Museum zum Wien Museum Neu. Auf die Eröffnung Anfang Dezember kann man sich freuen. Die hohe Kunst der Fuge Der Karlsplatz ist ein schwieriger Ort, Otto Wagner bezeichnete ihn einst als „Gegend“. Am nordöstlichen Eck wurde 1959 das Historische Museum der Stadt Wien als erster Kulturbau der Ersten Republik eröffnet. Architekt Oswald Haerdtl hatte es geplant. Er war ein Meister des Details; in Farbigkeit und Materialität der dunkelroten Terrazzoböden, der gemaserten Hölzer, der Eleganz der eigens entworfenen Stiegengeländer, der Möbel und Hölzer manifestierte sich der Aufbruchsgeist der frühen Nachkriegszeit. Das Wien Museum steht unter Denkmalschutz, die stetig wachsende Sammlung erforderte für Ausstellungen, Vermittlung und Lager wesentlich mehr Raum, als der Bestand bieten konnte. Statt bisher 6900 waren 12.000 Quadrat meter an Fläche erforderlich. Lang diskutierte man einen Standortwechsel, schließlich entschied man, den Haerdtl-Bau am Karlsplatz zu sanieren und auszubauen. 2015 wurde ein offener, anonymer, internationaler Architektenwettbewerb ausgeschrieben. Der siegreiche Entwurf des österreichischen Teams Certov, Winkler + Ruck konnte sich gegen 273 andere Teilnehmende aus 26 Ländern durchsetzen. Ferdinand Certov, Roland Winkler und Klaudia Ruck gelang es, die gewaltige Fläche im Prinzip auf einen Dachaufbau und das Untergeschoß zu verteilen. Sie schoben ein Fugengeschoss zwischen die Traufkante des Bestands und das darüber schwebende Volumen für Sonderausstellungen. Langsam verschwinden die Baustellengitter, an der neuen Ausstellungsarchitektur wird intensiv gebaut, bald werden die Exponate einziehen. „Wir wollten das Wien Museum wieder auf den Karlsplatz bringen“, sagt Roland Winkler. Man betritt es durch einen zweigeschoßhohen Glasquader, der dem Museum vorgelagert ist. Die Architekten verstehen diese Geste als „ausgestreckte Hand“ zum Karlsplatz. Der gesamte Umbau erfolgte in Absprache mit dem Bundesdenkmalamt, die Fassade war bereits in den 1980er Jahren erneuert worden und fast zerbröselt. Die Architekten rekonstruierten sie zur Gänze so originalgetreu wie möglich. Format und Fugenbild der Steinplatten blieben, statt des ursprünglichen Untersberger Marmors verwendete man nun Dolit, einen Kalkstein aus Kroatien. Er ist wesentlich witterungsbeständiger. „Es war eine sehr lange Fachabstimmung“, sagt Winkler. „Man kann nicht sagen, dass so wenig geblieben ist. Wir setzten uns intensiv mit dem Bestand und seiner Geschichte auseinander. Wesentlich war uns in erster Linie, dass die Haltung dieses Gebäudes so bleibt, wie sie von Oswald Haerdtl konzipiert war.“ Innen blieb vieles erhalten: Das Stiegenhaus ist noch das alte, seine charakteristischen Geländer wurden demontiert, sorgfältig restauriert und wieder eingebracht, auch die gesamte Einrichtung des Direktionszimmers ist original. Foto: Kollektiv Fischka Über der Traufkante fügten Certov, Winkler + Ruck ein Fugengeschoß ein und setzten eine Sonderausstellungsebene als klassische Blackbox aufs Dach. Deren Betonfassade gewinnt dank ihrer gerillten Struktur und einer handverlesenen Zuschlagsmischung eine sehr feine Anmutung. „Wir wollten einen Neubau mit handwerklicher Qualität schaffen“, so die Architekten. Das Fugengeschoß ist weit eingerückt und dreiseitig verglast, wie ein abstraktes Volumen wirkt darüber das Schwebegeschoß, das auch die Terrassen in der Fuge vor Witterung schützt. Sie bieten einen einzigartigen Blick auf die Karlskirche. Das ganze Haus ist Statik „Die wesentliche Frage war, ob man so ein gewaltiges Volumen überhaupt auf einen denkmalgeschützten Bau aufstocken kann“, sagt Ferdinand Certov. Die Architekten betrachten das Schwebegeschoß als Schlussstein, kon struk tiv war es eine enorme Herausforderung. „Das ganze Haus ist Statik.“ Die neue Ausstellungsebene ist eine Brückenkonstruktion, die von einem Stahlträger abgehängt ist. Die vier zehn Zentimeter dicken Zugbänder aus Stahl sind sichtbar durch den gesamten Raum gespannt, die Last wird in die Betonstützen im Inneren des Hauses abgeleitet. Der Neubau ist statisch vom Altbau klar getrennt. Das Herz des Gebäudes schlägt in einem riesigen, 20 Meter hohen Atrium, an dessen rückwärtiger Sichtbetonwand eine einläufige Treppenkaskade in das nächste Geschoß führt, wo man auf jeder Ebene diesen eindrucksvollen Raum, der seitlich indirekt belichtet wird, umrunden kann. Hier hängt der imposante, lange Walfisch aus dem Prater von der Decke, stehen die Originalfiguren des Donnerbrunnens und das Stephansdom-Modell. Ab dem zweiten Obergeschoß führt eine in den Luftraum ragende Treppenskulptur die Bestandsstiege von Oswald Haerdtl in die neuen Geschoße weiter. Eines ist jetzt schon sicher: Das Wien Museum Neu schenkt der Stadt einen tollen, neuen Ausstellungsort und eine der mit Sicherheit schönsten Dachterrassen auf Augenhöhe mit der Karlskirche. Auf seine Eröffnung kann man sich freuen. Wien Museum Neu Eröffnung am 6. Dezember 2023 www.wienmuseumneu.at www.wienmuseum.at IN KÜRZE LITERATUR ■ Martin Amis (1949–2023) WISSEN ■ „Unmenschliche“ Hitze MEDIEN ■ Hans-Ströbitzer-Preis 2023 Der englische Schriftsteller Martin Amis ist am 19. Mai im Alter von 73 Jahren gestorben. Er hinterlässt ein breitgefächertes Werk von Romanen, Sachbüchern, Essays, Kurzgeschichten und Memoiren. Amis machte seinen Studienabschluss in Englisch 1971. Er arbeitete zunächst als Journalist und Herausgeber einer Zeitschrift, bevor 1973 sein erster Roman „The Rachel Papers“ erschien. Neben seinen teils düsteren Romanen, zuletzt 2020 „Inside Story“, wurden seine Memoiren („Experience“, 2000) viel beachtet. Bei den Festspielen in Cannes läuft derzeit der Film „The Zone of Interest“, der auf Motiven seines gleichnamigen Romans basiert. Die aktuelle Politik führt zu einer Klimaerwärmung um 2,7 Grad Celsius bis zum Jahr 2100. Ein Drittel der Erdbevölkerung müsste dann bei Temperaturen leben, die für menschliche Existenz unüblich sind, berichtet ein Forscherteam mit österreichischer Beteiligung im Fachjournal Nature Sustainability. Bei einer Erwärmung um 1,5 Grad Celsius wären 14 Prozent betroffen. Bis dato wurden durch den Klimawandel 600 Millionen Menschen aus der „menschlichen Klimanische“ gestoßen – also jenem Temperaturbereich, in dem Menschen früher mehrheitlich mit Nutztieren und Nutzpflanzen lebten. Foto: Privat Victoria Schwendenwein erreichte den dritten Platz, Heinz Nußbaumer wurde für sein Lebenswerk geehrt. Zum dritten Mal wurde vom Pressverein in der Diözese St. Pölten der Hans-Ströbitzer-Preis vergeben, benannt nach dem langjährigen Chefredakteur der Niederösterreichischen Nachrichten. Ausgezeichnet wird damit „Journalismus aus einem christlichen Weltbild heraus, kritisch, aber mit Respekt und stets auf die Würde des Menschen bedacht, nachhaltig wirksam, verantwortungsvoll und letztlich immer konstruktiv“. FURCHE-Redakteurin Victoria Schwendenwein belegte den dritten Platz. Der Hauptpreis ging an Daphne Hruby (Ö1), gefolgt von Thomas Winkelmüller (Datum). Heinz Nußbaumer, 2003 bis 2023 FURCHE-Herausgeber, wurde für sein Lebenswerk geehrt. Brigitte Wolf, ehemals Intendantin des ORF-Landesstudios Wien, würdigte ihn als „einen der angesehensten Journalisten des Landes“, Jurypräsidentin Gudula Walterskirchen als „logischen Kandidaten“.

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