Aufrufe
vor 1 Jahr

DIE FURCHE 25.05.2023

  • Text
  • Menschen
  • Furche
  • Zeit
  • Kirche
  • Wien
  • Welt
  • Foto
  • Juden
  • Kissinger
  • Tieck

DIE

DIE FURCHE · 21 18 Musik & Literatur 25. Mai 2023 Magdalena Fuchsberger inszeniert „Dialogues des Carmélites“ an der Wiener Staatsoper, Nina Spijkers „Die lustigen Weiber von Windsor“ an der Volksoper. Eingebunkerte Angst und pointierte Emanzipation Die Inszenierung von „Dialogues des Carmélites“ schwächelt, das Ensemble mit Michaela Schuster (rechts) überzeugt. Foto: Ashley Taylor Von Walter Dobner Vorrangig Angst und grundsätzliche Fragen menschlicher Existenz und des Glaubens thematisiert Francis Poulencs Oper „Dialogues des Carmélites“. Das Libretto von Georges Bernanos basiert auf einer Novelle von Gertrude von Le Fort und erzählt ein komplexes Sujet, bei dem die für ein Musiktheater üblichen Ingredienzien fehlen, wie etwa die meist von Intrigen belastete, nicht selten ins Tragische gewendete Liebesgeschichte. Auch Helden sucht man vergeblich. Zuletzt stand diese Poulenc-Oper in der Ära Karajan auf dem Spielplan der Wiener Staatsoper. Die Premiere mit Irmgard Seefried als Blanche dirigierte Heinrich Hollreiser. Nach sechs Jahrzehnten wagt man sich nun erneut an dieses Werk. Im Zentrum dieses im Haus am Ring erstmals in französischer Sprache aufgeführten Dreiakters stehen innere Gefühle, heftige Zweifel, das komplizierte Miteinander in einer Gemeinschaft, aber auch deren Hoffnung auf eine Änderung in dieser Welt, die sie mit der Französischen Revolution verknüpft, von der sie am Ende tief enttäuscht wird. Zuletzt müssen alle ihr Leben am Schafott lassen. Auch die Marquis-Tochter Blanche, die ein Leben in einer Klostergemeinschaft dem in der weltlichen Welt vorgezogen hat, um damit zu ihrer eigenen Bestimmung zu finden, die sie aus ihren Ängsten befreien soll. Eine Mammutaufgabe für einen Regisseur, diese komplexe Themenvielfalt anschaulich und diskursiv auf die Bühne zu bringen. Robert Carsen ist dies vor Jahrzehnten, begleitet von minimalistischen Requisiten, exzellent gelungen. Eine Arbeit, die nicht nur an der seinerzeitigen Uraufführungsstätte, der Mailänder Scala, in der Saison 1999/2000 gezeigt, sondern 2008 auch am Theater an der Wien gefeiert wurde. Nicht einmal annähernd mit deren Magie vermag die neue Inszenierung der Staatsopern-Debütantin Magdalena Fuchsberger aufzuwarten. Zu wenig konturiert zeichnet sie die einzelnen Personen, zu denen sich der Komponist aus Gestalten der Operngeschichte hat anregen lassen. Zu oft verschwinden sie im von Monika Biegler erdachten Bühnenbild – einem hochaufragenden, sich wiederholt drehenden schmucklosen Holzbau, der Einblicke in die unterschiedlichen Orte des Geschehens liefert. Das verdeckt vielfach den Blick auf die individuellen Emotionen der im Laufe des Abends unterschiedlich kostümiert auftretenden Protagonistinnen und Protagonisten. Sie zeichnen sich vor allem durch eine untadlige Ensembleleistung aus. Angeführt von Nicole Car als emphatischer Blanche, Michaela Schuster als gequält sterbender Priorin, Michael Kraus als nobel-zurückhaltendem Marquis de la Force, Eve-Maud Hubeaux als selbstbewusster Mère Marie und Maria Motolygina als ihre Mitschwestern auf ihre eigentlichen Aufgaben hinlenkende, ihnen bis zuletzt Mut zusprechende neue Priorin Madame Lidoine. Für Bertrand de Billy war es die bereits vierte Inszenierung dieses Poulenc-Klassikers. Um so mehr verwunderte, dass er das präzise, klanglich differenziert agierende Orchester und die von ihm ideal begleiteten Solistinnen und Solisten nicht zu einem spannenderen Abend zu animieren vermochte. Dennoch wusste er mit seiner sorgfältig die steigernde Dramatik des Geschehens nachzeichnenden Interpretation das Bekenntnishafte des Werks deutlicher herauszukehren als die Regisseurin. Sie appellierte mit ihrer Arbeit mehr an die Fantasie der Zuseher, als sich zu einer persönlichen Aussage hinreißen zu lassen. 1918 als Wendepunkt „ Im Zentrum von ‚Dialogues des Carmélites‘ stehen innere Gefühle, heftige Zweifel, das komplizierte Miteinander in einer Gemeinschaft ... “ Auch die Volksoper bescherte das Debüt einer Regisseurin. Nämlich von Nina Spijkers. Sie widmete sich dabei einem Genre, von dem es seit Jahren heißt, es habe ausgedient: der deutschen Spieloper. Das Gegenteil ist der Fall. Vorausgesetzt, man findet nicht nur eine Beziehung zum Stück, sondern versteht sich auch auf eine pointierte Aktualisierung – wie jetzt am Haus am Währinger Gürtel. Dort spielt das Finale der „Lustigen Weiber von Windsor“ unerwartet im Jahr 1918. Zufällig? Keineswegs: Damals wurde hierzulande der Adel abgeschafft und das Frauenwahlrecht eingeführt. Ein Kniff, der in dieser durch viel Kostümund Spielwitz angereicherten Inszenierung deshalb bestens funktioniert, weil schon die beiden vorangegangenen Akte in dieser mit subtilem Humor angereicherten Regie keinen Zweifel lassen, dass die Zeit adeliger Schwerenöter vorbei und das Zeitalter emanzipierter Frauen längst angebrochen ist. Da will man am Ende selbstverständlich wissen, wie es in Zukunft weitergehen könnte. Rae Smith hat ein die Drehbühne des Hauses klug nützendes, farbenfrohes Bühnenbild entworfen. Dazu gesellt sich eine das Geschehen im wahrsten Wortsinn erhellende Lichtregie (Tim van’t Hof). Mit Anett Fritsch als brillanter Frau Fluth, Martin Winkler als zuweilen outriertem Sir John Falstaff, Daniel Schmutzhard als krankhaft eifersüchtigem Herrn Fluth und JunHo You als kräftig strahlendem Fenton steht die gemäße Besetzung für diese amüsante, qualitätsvolle, zudem innovatorische Produktion zur Verfügung. Dass dabei nie der Schwung erlahmte, dafür sorgte Ben Glassberg am Pult des musikantisch auftrumpfenden Volksopernorchesters. Dialogues des Carmélites Wiener Staatsoper, 27., 30.5, 2.6. Die lustigen Weiber von Windsor Volksoper Wien, 25., 28., 30.5., 4., 10., 18., 22.6. WIEDERGELESEN Ernst jetzt, das soll ein Krimi sein? Von Anton Thuswaldner Es handelt sich nicht um den ersten Versuch, Carlo Emilio Gadda (1893–1973) der deutschsprachigen Öffentlichkeit vorzustellen. Diesmal kommt ein aktueller Anlass dazu, denn sein Todestag jährte sich am Sonntag zum fünfzigsten Mal. Doch eigentlich sollte man niemals nachlassen, auf diesen besonderen Schriftsteller hinzuweisen. Als der Roman „Die grässliche Bescherung in der Via Merulana“ 1957 erschien, war Gadda bereits 64 Jahre alt und vom Erfolg etwas überfordert. Geschrieben hatte er, der zeitweise sein Leben als Ingenieur bestritt, schon sein ganzes Leben lang, doch plötzlich hatte er einen Bestseller gelandet, der noch dazu von der ernsthaften Kritik gefeiert wurde. Die Italiener können das, man denke nur an Umberto Eco. Die Krimihandlung, die sich leicht nachvollziehen lässt, bildet nur den Köder für ein wesentlich anspruchsvolleres Unterfangen. Die ganze Gesellschaft sollte in den Blick genommen werden, vergleichbar dem Bemühen Heimito von Doderers, nichts Geringeres als den „totalen Roman“ zu schreiben. Gadda ist nicht der Mann, der uns mit Lösungen abfertigen würde. Ein Kriminalfall bietet ihm Anlass, die unterschiedlichsten Charaktere aus verschiedenen Milieus vorzustellen, die sich in Verhören deklarieren müssen. Für den Ermittler stiften sie nur Verwirrung. Sich ein klares Bild über die Ereignisse zu machen, erscheint ihm zunehmend unmöglich. Statt der klassischen Fall-Geschichte, die einer Lösung zustrebt, hat Gadda anderes im Sinn. Im Jahr 1927, in dem die Handlung abläuft, ist Italien faschistisch, was einen besonderen Menschenschlag hervorbringt. Den Einzelnen nähert sich Gadda über deren sprachliche Eigenarten an, deren Jargon und eigenen Wortfärbungen. Das muss eine Übersetzerin erst einmal hinkriegen, was Toni Kienlechner zu kühnen Sprachschöpfungen herausgefordert hat. Einmal erwähnt sie die „feiste Abendschoppensorglosigkeit eines Handlungsreisenden“, an anderer Stelle ist das Haar einer Frau hart geworden von „staubgestocktem Fett“. Auf eine solide Handlung verzichtet Gadda, das würde nicht zum Konzept des Romans passen, der sich so umtriebig durch verschiedene Lebenswelten treiben lässt. Das Fragment ist die angemessene Form, um der Vielfalt heterogener Interessen einer Gesellschaft gerecht zu werden. Dazu kommt eine Sprunghaftigkeit der Erzählhaltung, die sich auf handelsüblichen Realismus ebenso einlassen darf – kurzfristig jedenfalls – wie auf Satire und Reflexion. Ein Wunderwerk von Buch! Die grässliche Bescherung in der Via Merulana Roman von Carlo E. Gadda Mit einem Nachwort von Anna Vollmer Aus dem Italienischen von Toni Kienlechner Wagenbach 2023 352 S., kart., € 26,80

DIE FURCHE · 21 25. Mai 2023 Literatur 19 In seinen Werken erinnerte er immer wieder an den Ort, „an dem sich die verschiedenen Gesichter der Welt in einem Punkt sammeln wie zerstreute Lichtstrahlen in einem Prisma“: Sarajevo. Am 19. Mai ist der Dramaturg und Schriftsteller Dževad Karahasan in Graz gestorben. Sarajevo erinnern und erzählen Von Brigitte Schwens-Harrant Er war die Stimme Sarajevos in Österreich – und zugleich stimmt diese Aussage nicht, denn Dževad Karahasan erinnerte mit seinen Romanen, Dramen und Essays ja gerade an die Stimmen Sarajevos im Plural. Am 25. Jänner 1953 in Duvno als Sohn muslimischer Eltern geboren, ging er bei Franziskanern zur Schule, studierte in Sarajevo Literatur- und Theaterwissenschaft, war dort als Dramaturg tätig und lehrte an der Akademie für szenische Künste. Diese Stadt mit ihrer Mischung aus Völkern, Religionen, Sprachen und Kulturen gilt vielen als Metapher für die Welt, als Ort, „an dem sich die verschiedenen Gesichter der Welt in einem Punkt sammeln wie zerstreute Lichtstrahlen in einem Prisma“, als Sinnbild dafür, wie Menschen zusammenleben könnten. „Schon zur Zeit ihrer Gründung hatten Menschen dreier monotheistischer Religionen, der islamischen, katholischen und orthodoxen, in der Stadt gelebt, es wurde Türkisch, Arabisch und Persisch, Bosnisch und Serbisch, Ungarisch, Deutsch und Italienisch gesprochen.“ Keine binären Oppositionen Man könne diese Stadt nicht mit binären Oppositionen beschreiben, schrieb Karahasan 2010 in „Die Schatten der Städte“, denn wenn man etwa zu einem Begriffspaar wie „sakral/profan“ greife, „wird man notwendigerweise mit der Frage konfrontiert ‚welches Heilige‘ oder, da sich das Heilige in der sozialen Sphäre hauptsächlich als Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft manifestiert, ‚wessen Heiliges‘“. In „Sarajevo – Porträt der inneren Stadt“ (1993) nannte Karahasan daher den Pluralismus als Grundmerkmal dieses von ihm als „dramatisch“ bezeichneten Kultursystems, das er von jenen „dialektischen“ der großen Foto: APA / DPA / Frank Rumpenhorst 2004 sprach Peter Pawlowsky mit Dževad Karahasan: „Die Barbaren wurden belohnt“, 15.4.2004, nachzulesen auf furche.at. lagert, beschossen und zur Hölle wurde. Und in der daher auch mit dem Weltbild der darin Lebenden etwas passierte. Als sein 1993 erschienenes „Tagebuch der Aussiedlung“ unter dem Titel „Tagebuch der Übersiedlung“ 2021 neu herausgegeben wurde, ergänzte man es mit einem Gespräch mit Katharina Raabe. In diesem beschrieb Karahasan, was ihm damals, im Herbst 1992, aufgefallen war: „dass ich bereits im Begriff war, mir das dualistische Weltbild anzueignen: Es gibt ‚sie‘ und es gibt ‚uns‘, wobei wir die Opfer sind, unschuldig und gut, während sie in allem das Gegenteil sind. Meinem Verstand ist klar, Städten des Westens unterschied: Während dort „das gegenseitige Verschlingen oder, wenn es schöner klingen soll, das Enthaltensein des Niedrigeren im Höheren, des Schwächeren im Stärkeren“ das Grundverhältnis darstelle, sei im Gegensatz dazu „im dramatischen Kultursystem das Grundverhältnis die Spannung“, denn: „Jedes Mitglied des dramatischen Kultursystems braucht den Anderen als Beweis für seine eigene Identität, weil die eigene Besonderheit im Verhältnis zur Besonderheit des Anderen bewiesen und artikuliert wird.“ Und dann war es gerade diese Stadt, die von 1992 bis 1995 bedass dieses Bild nicht stimmen kann, aber mein emotionales Wesen muss es sich unter den Verhältnissen der Belagerung aneignen, weil das einzige Unglück, das ich sehe, unseres ist, die einzigen Menschen, mit denen ich mitfühlen kann, unsere sind, alle Leiden, die ich sehe, unsere sind. Meine ganze Welt reduzierte sich „ Und dann war es gerade diese Stadt, die von 1992 bis 1995 belagert, beschossen und zur Hölle wurde. Und in der daher auch mit dem Weltbild der darin Lebenden etwas passierte. “ Dževad Karahasan Er schrieb Romane, Essays, Erzählungen und Theaterstücke. 2004 erhielt er den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung. auf das belagerte Sarajevo, und all meine Kriegserfahrungen, alle konkreten Kenntnisse über Leid und Not, waren mit den Menschen aus Sarajevo verbunden.“ Dabei wusste Karahasan ja: „Das dualistische Weltbild ist gefährlich, weil es eine Vereinfachung darstellt, die erfolgreich so tut, als wäre sie keine.“ Und schon gar nicht dürfe sich ein Schriftsteller und die Literatur, wie er sie verstehe, auf so eine Vereinfachung einlassen; „die Vereinfachung ist meinem Empfinden nach eine fundamentale Sünde, die schwerste, die Literatur begehen kann“. Nicht nur die Literatur, das zeigt die Geschichte ja immer wieder aufs Neue. Trennung und Zerstörung Eine Einladung zu den Rauriser Literaturtagen ermöglichte Karahasan 1993 den Abschied aus Sarajevo; er blieb in Österreich, lebte in Graz – und ab 1998 auch wieder in seiner alten Wohnung im Sarajevoer Stadtteil Marindvor. Das Dayton-Abkommen und seine Folgen beklagte er 2004 in einem FURCHE-Gespräch mit Peter Pawlowsky bitter: Die „kulturelle Substanz des Landes wurde durch sehr konsequente nationale Aufteilung aller Institutionen weiter zerstört: Museen, Bibliotheken, Radio- und Fernsehsender – alles musste ethnisch getrennt werden.“ Die erinnerte Stadt aber, jenes Sarajevo, an das sich seine Figuren „erinnern oder an das sie sich zu erinnern glauben“, blieb das Thema der Bücher von Dževad Karahasan, der am 19. Mai in Graz gestorben ist – und damit die weiterhin lesbare Vision eines anderen menschlichen Miteinanders. GANZ DICHT VON SEMIER INSAYIF Handgewebte Poesie und kometenhafte Sprachflugkörper lapisblau“, so der Titel des neuen Gedichtbandes von Dine Petrik. „Handgewebe Es sind 66 Gedichte, die in drei Kapiteln ein rhythmisch-akzentuiertes sowie thematisch vielfärbiges Geflecht ergeben. Dabei zeigt sich ein intensives und spannungsgeladenes poetisches Gewebe. „… wie ein knall / der riss durchs alphabet / nachdem längst schon das lapis / blau der Göttin Ischtar leer / geplündert …“ Wir befinden uns also unter anderem in den ältesten Kulturen zwischen Euphrat und Tigris (an anderer Stelle sogar in der Steinzeit), nah an der mythischen Gottheit Ischtar, die für diesen Gedichtband durch ihre Unfassbarkeit und in sich vereinende Gegensätzlichkeit symbolisch stehen könnte. Kultur und Schriftzeichen, Schönheit und Zerstörung in wilder Abwechslung, die einem beim Lesen den Atem rauben können. „wie im kehrreim lief / durchlief sich dieses aus / kragende gesangstück leben“. Liedhaftes wird von Beginn an in Facetten gezeigt und vorgeführt. Von Nietzsches Nachtgesang über Bach, Blasmusik und Luigi Nono zu Joni Mitchell und Tom Waits. Reime, Enjambements und Assonanzen. Dazwischen der Blick eines Kindes, Pandemisches, Maskenhaftes und Maskiertes, Politisches, Gesellschaftskritisches und Stille. Ein lautes, zartes, scharfes und stilles Handgewebe, dieses sprachreflexive Textil zwischen zwei Buchdeckeln. „Ich bin allein/aber die Steine sind da // zusammen / sind wir still“, so hebt der Gedichtband „Stille Kometen“ von Angelika Stallhofer an. Es sind kurze, reduzierte Gedichtkörper, die in bewegter Ruhe ihre Umlaufbahn gefunden haben. Oft bestehen diese 58 Gedichte nur aus wenigen Wörtern und wirken, als wären sie kometenhafte Gebilde, umgeben von einem Kosmos aus Weiß. Angelika Stallhofer setzt ihre universale Welterfahrungsexpedition in fünf Kapiteln, denen jeweils Collagen von Andrea Zámbori vorangestellt sind, mit Hilfe von interpunktionslosen Sprachflugobjekten in Gang, die imstande sind, sich der Schwerkraft und der Zeit zu entheben und ein Gefühl von Nähe und Distanz gleichzeitig herzustellen. Da heißt es zum Beispiel: „Ich will allein sein / mit der Nacht // ich habe ihr viel / unter vier Augen zu sagen“. An einer anderen Stelle ist der Gestus einer abstrakten, kollektiven und sprachkonkreten Erkenntnis zu entdecken, wie im Gedicht mit dem Titel „Paradoxon“: „Zum Luftholen / musst du / abtauchen“. Die Vielfalt der meist ungereimten Gedichte, es gibt jedoch auch einige, die offensichtlich (offenhörlich) klanglich organisiert sind, ist erstaunlich. In gleichem Maße humorvoll wie kunstreflexiv erzeugen sie bei aller Existenzerkundung eine ansteckende Atmosphäre der Leichtigkeit. „ganz dicht“ stellt jeweils vor einem Dicht-Fest in der Alten Schmiede (nächstes: 15.6.2023) Lyrik vor. Handgewebe lapisblau Gedichte von Dine Petrik Bibliothek der Provinz 2022 88 S., geb., € 13,– Stille Kometen Gedichte von Angelika Stallhofer edition ch 2022 74 S., geb., € 15,–

DIE FURCHE 2024

DIE FURCHE 2023