17 · 25. April 2024 DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 80. Jg. · € 6,– Über rote Nelken in Gewehrläufen Vor 50 Jahren beendeten Militärs die Diktatur in Portugal. Nun befeuert der Rechtsruck erneut faschistisches Gedankengut. · Seite 8 US-Ukraine-Paket: Ist die Euphorie legitim? Kants große Fragen: Was soll ich tun? „In Grund und Boden geschrieben“ Aus Washington dürften bald 61 Milliarden Dollar gen Kiew fließen. Ist das eine Absage an die Diplomatie? Ein Pro und Contra. · Seiten 6–7 Krieg und Klimakrise verleihen der Frage nach individueller Verantwortung neue Brisanz. Ein Essay von Peter Strasser. · Seite 11 Karl Kraus war ein großer Netzwerker und Förderer, aber auch ein gnadenloser Kritiker, nicht nur der Sprache. · Seiten 17–18 Das Thema der Woche Seiten 2–4 Gestohlene Texte, kopierte Videos: Die Digitalisierung macht Diebstahl zum Kavaliers delikt. Nun wehren sich Kunst und Wissen schaft im Streit um das geistige Eigentum. Gedankenraub Collage: Rainer Messerklinger (unter Verwendung von Bildern von iStock/airdone bzw iStock/Tempura) Foto: Getty Images / Universal Images Group / Pictures From History Hier nur Opfer, dort nur Täter? Ein Eklat an der Uni Bern offenbart, wie in der Religionswissenschaft, aber auch in anderen Kulturwissenschaften die an sich wichtigen Anliegen des Postkolonialismus in problematische, ja unsägliche Richtungen driften. Seltsame Allianzen tun sich auf. Seiten 9–10 Spione und Trolle von außen, Weltverschwörer von innen: Europa wird im EU-Wahlkampf vielfach attackiert. Nun plakatiert die FPÖ: „EU-Wahnsinn stoppen“. Man müsste bei ihr beginnen. Wahnsinn mit Methode AUS DEM INHALT Künstlich-tödliche Kriegsintelligenz Eine Wiener Konferenz soll den Weg zu einem völkerrechtlichen Vertrag ebnen, damit der Mensch die Letztkontrolle über (nukleare) Waffen behält. Seite 5 Von Doris Helmberger Wie viel Dystopie passt auf ein Plakat? Wer sich diese Frage stellt, kann das jüngste Opus aus der Ideen schmiede der Freiheitlichen Partei studieren. Im Zentrum der apokalyptischen Szenerie prangt ein Liebespaar: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Dahinter der schiere Weltuntergang: Flüchtlingsboote, Panzer, Helikopter, Windräder, ein paar Viren und eine Spritze. Für besonders Begriffsstutzige hat man noch ein paar Schlagworte dazumontiert: „Asylkrise“, „Öko-Kommunismus“, „Corona-Chaos“ und „Kriegstreiberei“. Über allem in dicken Lettern der Slogan, mit dem FPÖ-Spitzenkandidat Harald Vilimsky in den Europa- Wahlkampf zieht: „EU-Wahnsinn stoppen“. Man könnte über ein solches Machwerk lächeln, wenn es nicht brandgefährlich wäre: „Solche Angstmacherei habe ich in Österreich auf Plakaten noch nicht gesehen“, meinte der Politanalyst und FURCHE- Kolumnist Peter Plaikner gegenüber der Krone. Tatsächlich ist mit den Sujets ein erster Tiefpunkt im hiesigen EU-Wahlkampf erreicht. Und es wird wohl nicht der letzte „ Das politische Versagen ist nicht zu leugnen. Dennoch bleibt das historische Projekt EU unsere einzige Chance. “ bleiben: Zu erfolgversprechend ist die Strategie von Europas Rechtspopulisten und -extremen, das Projekt EU zur Projektionsfläche allen Übels zu verzerren und damit von innen zu zerstören. Propagandisten und Sektierer unter sich Moskau und Peking unterstützen dieses Treiben nach Kräften. Nicht nur mit finanziellen Zuwendungen, Tausenden von Trollen, desinformationsaffinen Plattformen wie TikTok oder Propagandaportalen wie Voice of Europe – sondern auch mit Spionen. Österreichs Egisto Ott war nur einer von ihnen. Erst vergangene Woche wurden zwei Deutschrussen festgenommen, die Einrichtungen der US-Armee ausspähen sollten, in denen ukrainische Soldaten ausgebildet werden. Zuletzt wurde auch noch ein Mitarbeiter des AfD-Europaabgeordneten Maximilian Krah als Agent im Sold von China enttarnt. So wortkarg sah man die sonst gern polternde Partei noch nie. Derlei Enttarnungen sind schwierig genug, der Kampf gegen die böswilligen Verdreher, Weltverschwörer und Sektierer im Inneren freilich noch viel schwerer. Zu groß wirkt einerseits noch die Coronakrise nach, die Herbert Kickl (zuletzt im Haussender FPÖ-TV mit dem verqueren Impfgegner Sucharit Bhakdi) mit stets neuen politischen Versatzstücken anreichert und am Köcheln hält; zu groß ist angesichts der aktuellen Polykrise aber auch die Verdrossenheit über „die da oben“. Tatsächlich war und ist das politische Versagen nicht zu leugnen: Der jüngst vom EU-Parlament abgesegnete „Europäische Pakt zu Migration und Asyl“ ist ein kleinster gemeinsamer Nenner, der weder menschenrechtlich akzeptabel ist noch den realen Migrationsdruck durch Kriege, Not und Klimaerhitzung substanziell zu verringern vermag. Dennoch bleibt das Projekt EU die einzige Chance, auf solch globale Herausforderungen zu reagieren – und in der deutlich kälter gewordenen Weltordnung auch nur ansatzweise zu bestehen. Nicht zuletzt der Brexit hat gezeigt, wohin eine Abkehr von Europa führt. Der nun verzweifelt durchgedrückte Ruanda-Asylpakt, der zwar Unsummen kostet, aber wohl kaum die von London gewünschte „Abschreckung“ bringen wird, passt leider ins Bild. Ja, Kritik am historischen Friedensprojekt „Europäische Union“ darf und muss es geben. Doch es zu untergraben oder gar zu stoppen, wäre Wahnsinn in Reinkultur. Noch bleibt den konstruktiven Kräften Zeit, das den Wählerinnen und Wählern deutlich zu machen – und andere Zukunftsbilder von Europa zu entwerfen. Insbesondere die ÖVP muss sich überlegen, ob und wie sehr sie sich den rechten Sektierern und Zerstörern anbiedern will. Ein blauer Weltuntergang sollte schließlich reichen. doris.helmberger@furche.at „Wir sind nicht faul“ Junge Menschen stellen Ansprüche an ihre Arbeitgeber. Das ist auch gut so, schreibt der Journalist David Gutensohn in seinem neuen Buch „Generation Anspruch“.Seite 13 Wohnsitzauflage für Asylberechtigte? Diese Woche streiten die FURCHE-Redakteurinnen Manuela Tomic und Brigitte Quint über die Frage, wie Asylberechtigte besser verteilt werden können. Seite 14 Der große Zorn Mathieu Amalrics wegweisende Dokumentarfilmtrilogie „John Zorn I, II, III“ macht das Werk des New Yorker Ausnahmekünstlers im Kino begreifbar. Seite 20 Die bipolare Gesellschaft Der Wien-Marathon zeigt: Sportveranstaltungen mit Extrembelastung sind ungemein populär. Über eine Kultur zwischen Fitnesswahn und Bewegungsmangel. Seite 23 @diefurche @diefurche furche.at @diefurche Die Furche Österreichische Post AG, WZ 02Z034113W, Retouren an Postfach 555, 1008 Wien DIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 Wien Telefon: (01) 512 52 61-0
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