DIE FURCHE · 4 18 Musik 25. Jänner 2024 Von Walter Dobner Grelle, bunte Welt Für seine „Comic Operetta“ nahm Leonard Bernstein Voltaires Roman „Candide“ als Vorlage. Regisseurin Lydia Steier inszeniert das Werk als schwungvolle, zuweilen nostalgisch angehauchte Revue. Im Bild: Paul Knights, Benjamin Heil, Arvid Assarsson, James Newby. Am Ende bleibt von seinem Schaffen nur die „West Side Story“. So lautet das landläufige Urteil über den Komponisten Leonard Bernstein, für viele der umfassendste Musiker des letzten Jahrhunderts, als Dirigent bisweilen mehr geschätzt wie als Komponist. Bernstein wird vor allem mit Mahler in Verbindung gebracht, zu ihm hatte er eine besondere Beziehung. Ein Faktum, aber ebenso ein Fluch. Das beweist auch der jüngste, über den großen Musiker handelnde Film. „Maestro“ ‒ so sein Titel – dreht sich hauptsächlich um Leonard Bernsteins komplexes, keineswegs unbekanntes Privatleben. Seine Bedeutung als Dirigent wird vornehmlich auf seine schon zu seinen Lebzeiten keineswegs unumstrittenen Meriten als Mahler-Interpret eingeschränkt. Zu Unrecht, denn der charismatische Maestro verfügte über ein mehrere Epochen umfassendes, breites Repertoire. Man kann es seinen zahlreichen Einspielungen und Videos unschwer entnehmen. Auch als Komponist ist er hier bloß mit Ausschnitten seiner bekanntesten Werke präsent. Zwei seiner profundesten Beiträge zum Musiktheater stehen dieser Tage in Neuproduktionen FEDERSPIEL Sehenden Auges Eine „Ariadne des Musicals“ nannte Marcel Prawy einst Leonard Bernsteins „Candide“. Gemeinsam mit „Ariadne“ ist die „Comic Operetta“ nun in Wien zu erleben. Artistische Spielereien „ Bernstein hat mit seinen Musicals wesentlich dazu beigetragen, diesem Genre den Weg von Amerika in die Welt zu eröffnen. “ auf dem Programm zweier Wiener Opernhäuser. „Candide“, das im MuseumsQuartier – hier muss sich das MusikTheater an der Wien noch bis Herbst fretten, ehe es wieder in sein restauriertes Stammhaus ziehen kann – bereits Premiere hatte. Und demnächst „West Side Story“ an der Wiener Volksoper. Anlass genug, sich einmal näher in Bernsteins Musiktheater umzusehen, dessen Vielfältigkeit nach wie vor viel zu wenig bekannt ist. Nicht zuletzt durch das Schaffen Kurt Weills wurde Bernstein inspiriert, über ein amerikanisches Musiktheater nach dem Beispiel des europäischen Singspiels des 18. Jahrhunderts nachzudenken. Und zwar durchaus aus dem Blickwinkel des New Yorker Broadway. Ein ehrgeiziges und, wie sich zeigte, genre- übergreifendes Unterfangen. Denn am Ende umfasste Bernsteins Œuvre Musicals ebenso wie Operette, Kammeroper, aber auch große Oper, etwa „A Quiet Place“, ein Werk, das er selbst an der Wiener Staatsoper dirigiert Bis heute gab es nur einen US-Präsidenten, dessen Amtszeiten nicht hintereinander lagen, sondern durch eine andere Präsidentschaft geteilt waren: Grover Cleveland. Wegen dieser Besonderheit wird sein Name heute noch erinnert, kaum aber wegen seiner Politik. Durch die immer wahrscheinlicher werdende Kandidatur Donald Trumps könnte dieses Szenario wieder eintreten. Und es ist zu hoffen, dass – wenn es so kommt – dieser Umstand der einzige bleiben wird, dessen sich die Nachwelt erinnern wird. Denn es ist kaum vorstellbar, dass die USA mit einem neuerlichen Präsidenten Trump von 2025 bis 2029 Erinnernswertes produzieren werden. Und wenn doch, dann kann man jetzt schon davor Angst haben. Dass eine Gesellschaft sich in so vielen Bereichen sehenden Auges in eine verhinderbare Katastrophe begibt, wird künftigen Generationen nicht zu erklären sein. Auch nicht damit, dass der Mensch eben menschlich sei. So ist es auch in der Umweltpolitik, wo die Republikaner seit 50 Jahren sagen: „Lasst uns zuerst sehen, ob Abgase für den Klimawandel verantwortlich sind.“ Daran ist nichts menschlich. Denn ich kenne keinen Menschen, der – nachdem er sich mehrere Male schwere Verbrennungen zugezogen hat – neben einer Flamme steht und sagt: „Lasst mich zuerst sehen, ob es das Feuer ist, von dem die Verbrennungen kommen“ und dann seine Hand ins Feuer steckt. Das ist nicht menschlich. Das ist ............ (BITTE SELBST AUSFÜLLEN!) Sollte es also passieren – sollte Donald Trump noch einmal Präsident der Vereinigten Staaten werden, so wird es eine neue Besonderheit geben, die später erinnert werden kann: Dass man demokratisch einen Mann zum Oberhaupt der USA gewählt hat, der zum bewaffneten Aufstand gegen diesen Staat und seine demokratischen Institutionen aufgerufen hat. Der Autor ist Schriftsteller. Von Daniel Wisser hat. Damit wurde er für André Previns Tennessee-Williams-Vertonung „A Streetcar Namend Desire“ ebenso zum Vorbild wie für zahlreiche Opern von Philip Glass. Ohne „West Side Story“ ist das Musical-Schaffen Andrew Llyoyd Webbers ebenso wenig denkbar wie Zahlreiches von Jerry Herman, Roger Miller oder Welterfolge wie „Les Misérables“ und „Miss Saigon“ von Claude-Michel Schönberg. Bernstein hat mit seinen Musicals wesentlich dazu beigetragen, diesem Genre den Weg von Amerika in die Welt zu eröffnen. Und „Candide“? Marcel Prawy nannte dieses Werk „eine reizvolle artistische Spielerei“, charakterisierte es in Anlehnung an die gleichnamige Richard Strauss- Oper eine „Ariadne des Musicals“. „Comic Operetta in Two Acts“ bezeichnete Bernstein dieses Musiktheater, mit dem er am deutlichsten an die europäische Tradition anknüpfte. Als „A Musical based on Voltaire“ wurde die Uraufführung angekündigt, im Programmheft als „Comic Operetta based on Voltaires Satire“ bezeichnet. „Candide“ liegt in nicht weniger als fünf Fassungen vor. Die letzte, eine Konzertversion, hat Lydia Steier als Grundlage für ihre szenische Neudeutung im Wiener Foto: Werner Kmetitsch MuseumsQuartier genommen. Sie inszeniert diesen Zweiakter als schwungvolle, zuweilen nostalgisch angehauchte Revue. Man kann auch sagen, als ein von einer Fantasie sondergleichen erfülltes Märchenspiel. Ursula Kudrna hat dazu die entsprechend bunten Kostüme beigesteuert. Dass die Inszenierung nach der Pause mitunter an Elan und Spannung verliert, ist der Überfülle der die jeweiligen Szenen illustrierenden, mit aktuellen politischen Hinweisen garnierten Bilderwelten geschuldet. Selbst wenn bei dieser Arbeit die Ironie und der Pessimismus des Sujets etwas ins Hintertreffen geraten, hat man es mit einem handwerklich virtuos umgesetzten Turbo an Farben und Effekten zu tun. Gespielt wird auf einer vier Ebenen durch Stufen miteinander verbindenden Bühne (Momme Hinrichs), deren Portale effektvoll von Lichterketten umrahmt sind. Vincent Glander führte auf englisch (begleitet von deutschen Übertiteln) souverän durch die Handlung. Mehr schauspielerisch als vokal vermochten die Protagonisten ‒ voran Matthew Newlin in der Titelpartie, Nikola Hillebrand als Cunegonde und Ben McAteer als in seinem Äußeren an Albert Einstein erinnernden Dr. Pangloss ‒ zu begeistern. Exzellent wie gewohnt der Arnold Schoenberg Chor. Dass ihr diese Partitur ein besonderes Herzensanliegen war, machte Marin Alsop am Pult des ORF Radio-Symphonieorchester Wien vom ersten Takt an überschwänglich deutlich. Entsprechend groß war der Jubel bei der Premiere. Exzellente Ariadne, enttäuschende Zerbinetta Ursprünglich war an der Staatsoper die Wiederaufnahme von Aribert Reimanns hier 2010 uraufgeführter „Medea“ avisiert. Wegen Erkrankung der Hauptdarsteller musste dieses Vorhaben kurzfristig abgesagt werden. Anstelle dessen setzte man eine Serie der Strauss’schen „Ariadne auf Naxos“ an. Ob man dabei an Prawys „Candide“-Diktum gedacht hat? Oder daran, dass sich dieser Tage der Geburtstag des genialen Textdichters dieser „Oper in einem Akt nebst einem Vorspiel“, Hugo von Hofmannsthal, zum 150. Male jährt? Jedenfalls: Krassimira Stoyanova ist nach wie vor eine Idealbesetzung für die Doppelrolle Primadonna/Ariadne. Ihre nicht auf äußerlichen Pomp, dafür auf die Psychologie ihrer Figuren zielende Gestaltung hat im Laufe der Jahre an Intensität noch gewonnen. Uneinheitlich gerieten die Rollendebüts in dieser seit 2012 zum 34. Mal an der Staatsoper gezeigten Inszenierung von Sven-Erik Bechtolf. Auf der Habenseite Tara Erraughts stimmkräftiger, selbstbewusster Komponist und Adrian Eröds nobler, exemplarisch-wortdeutlicher Musiklehrer. Von Daniel Franks Bacchus hätte man sich mehr Strahlkraft gewünscht. Auch Sarah Aristidous kleinstimmige, mehr um Brillanz bemühte, als sie mit Leichtigkeit servierende Zerbinetta blieb unter den Erwartungen. Souverän und unaufgeregt agierte Michael Boder am Pult des differenziert musizierenden Orchesters, legte damit die Basis für einen qualitätvollen Abend. Candide MusikTheater im MQ, 26., 28., 30.1. Ariadne auf Naxos Wiener Staatsoper, 27.1.
DIE FURCHE · 4 25. Jänner 2024 Theater 19 Von Patric Blaser So dunkel war es im Zuschauerraum des Burgtheaters schon lange nicht mehr. Das ist zunächst buchstäblich gemeint, soll hier aber durchaus auch in einem übertragenen Sinne verstanden werden. Dass Eugyeene Teh die multifunktionale Bühne ganz in Schwarz gebaut hat, leuchtet ein. Schließlich gehört der titelgebende Nosferatu zur Familie jener lichtscheuen und blutsaugenden Untoten, wie sie in den zahlreichen populärkulturellen Remythisierungen aus Literatur, Film und Fernsehen bis heute ungebrochene Aufmerksamkeit genießen. Etwas irritierend ist dagegen die Tatsache, wie die Inszenierung betitelt wurde: „Nosferatu nach Bram Stoker“. Denn erstens gibt es keinen Roman dieses Titels von Stoker. Der Name Nosferatu kommt in dessen berühmten Roman „Dracula“ von 1897 nur zweimal vor, als in Osteuropa gebräuchliche Bezeichnung für den Vampir, wie es dort heißt. Und zweitens hat das Stück „Nosferatu“ mit dem berühmten, gleichnamigen, zu einer der Ikonen des expressionistischen Kinos gewordenen Filme von Friedrich Wilhelm Murnau aus dem Jahr 1922 gar nichts zu tun, bis auf ein paar Schattenwürfe vielleicht. Murnau beziehungsweise die Prana Film mussten (auch) aus urheberrechtlichen Gründen auf „Dracula“ als Titel verzichten. Das Burgtheater legt mit dem Titel „Nosferatu“ eine falsche Fährte, die Erwartungen weckt, die nicht erfüllt werden. Es ist nicht Murnaus Zugriff auf Bram Stokers „Dracula“, den das Leading-Team interessiert hat, sondern Stokers Dracula. Tatsächlich ist die Figur des Vampirs durch die mittlerweile schier unzähligen Bearbeitungen zu einer überzeitlichen, fluiden und äußerst ambigen Figur geworden. So ist der Vampir viel mehr als blanker Horror. Er ist einerseits Archetypus des Fremden, Anderen. Als Eindringling gehört er zum kollektiven Imaginären und steht dabei für Pandemisierung, Ausbeutung, imperiale Konflikte oder koloniale Auseinandersetzungen. Das Burgtheater zeigt mit „Nosferatu“ eine zwar bildstarke, aber reichlich verkopfte Auseinandersetzung mit dem Motiv des Vampirismus. Es bleibt dunkel Andererseits steht er als Grenzfigur, als Untoter mit zwar belebtem, aber unbeseeltem Körper für Fragen nach dem Verhältnis von Diesseits und Jenseits, für Aberglauben, die Vermischung von christlichen und animistischen Vorstellungen, für den Dualismus von Leib und Seele. Oder aber er wird verstanden als gleichsam subversive Figur der Aufklärung, weil sie für die „Nachtseite“ des menschlichen Wesens steht, für die durch die Vernunft unterdrückten Triebe, Sexualität, die Rolle des Blutes als Lebenssaft, für das „mythische Grauen“, wie Adorno und Horkheimer es ausdrückten. Im Zusammenhang mit medizinischen oder technischen Erfindungen steht die Figur für Fragen nach dem Verhältnis des Menschlichen zum Tierischen und zum Künstlichen. Horrorkabinett Foto: Susanne Hassler-Smith Gerhild Steinbuch hat bei „Nosferatu“ eine feministische Lesart des Stoffes verfolgt. Bis auf Renfield (im Bild: Markus Meyer) sind alle Figuren im Stück weiblich besetzt, so auch die Grenzfigur des Dracula, die von Bibiana Beglau verkörpert wird. „ Das Burgtheater legt mit dem Titel ‚Nosferatu‘ eine falsche Fährte, die Erwartungen weckt, die nicht erfüllt werden. “ Auch nach der fast zweistündigen, pausenlosen Aufführung, die ungemein bildreich, mit oft simultanen Handlungsfragmenten, herumturnenden Leibern und einem dicht komponierten Text aufwartet, ist es nicht leicht zu sagen, was die Autorin Gerhild Steinbuch und die Regisseurin Adena Jacobs an dem Stoffkomplex interessiert. Das gut gemachte Programmheft gibt einige Möglichkeiten an die Hand, auch wenn die Lektüre nicht leicht mit dem zuvor Gesehenen auf einen Nenner zu bringen ist. Die Schriftstellerin Steinbuch hat sich – wie sie sagt – um eine feministische Lesart des Stoffes bemüht, was sich vor allem dadurch zeigt, dass alle Figuren – bis auf Renfield (Markus Meyer), an dem in einer Glaskubus Eingriffe am Rückenmark vorgenommen werden, ein Horrorbild! – weiblich besetzt sind. Zudem habe sie interessiert – so Adena Jacobs – zu erforschen, was es heiße, nicht sterben zu können und was das im Zusammenhang mit Gewalt bedeute. Dracula als Täter und Opfer Bibiana Beglau spielt Dracula mit monströsem Gebiss, zwischen Max Schreck und Alien. Sie ist die ewig Gefangene zwischen Leben und Tod und damit eine Zeugin für die Gräuel der Geschichte, die sie kaum aushalten kann. Daher ist sie nicht nur Monster, das heißt Täter, sondern auch Opfer, und als das wieder Täter usw. Es scheint, als ob der Wiederholungszwang, der aus den Traumata zu Taten führt, alle Figuren des Stücks vereint. Die Anwältin Harker (Sylvie Rohrer), die Ärztin (Sabine Haupt) oder Lucy (Lilith Häßle) erzählen in langen Monologen von ihrer Kindheit, von Missbrauch und anderen schrecklichen Dingen, die sie getan oder erlitten haben. Auch wenn die Inszenierung durchaus starke Momente hat, eine unheimliche Atmosphäre zu erzeugen weiß und nicht zuletzt durch den Einsatz von projezierten oft beunruhigenden Bildern mit gut gemachten Effekten (Tobias Jonas, Eugyeene Teh) besticht, die Erzählebenen wollen sich nicht so richtig verbinden. Obwohl die Darstellerinnen den schwierigen Text von Steinbuch bravourös meistern, bleiben sie gegenüber der Fülle an illustrierenden oder auch assoziierenden Bildern oft ohnmächtig. Das macht die Inszenierung letztlich unlesbar, die Absicht unklar. Es bleibt dunkel. Möglich, dass es gerade die Anschlussfähigkeit des Vampir-Mythos in so viele Richtungen war, die der Arbeit daran nicht zum Vorteil gereicht hat. Nosferatu Burgtheater, 27.1., 4., 7., 25.2. AKADEMIETHEATER Franz Kafkas „Verwandlung“ zum Schauen Von Julia Danielczyk Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte „Als ...“ gilt als einer der bekanntesten ersten Sätze der Weltliteratur. In der Regie von Lucia Bihler wird er wiederholt, gesungen und variiert. Er bildet den Anfang und das Ende der Inszenierung von Franz Kafkas „Verwandlung“ am Akademietheater, die vor allem eines hat: Schauwert. Bihler rahmt Gregor Samsas Metamorphose als Geschichte innerhalb eines Stücks: Vier Darsteller – ganz in Schwarz gekleidet – suchen ihren Platz an der Rampe. Vor den Standmikros sind Notenständer platziert, doch vorerst kommt es nur zu ängstlichen Probemomenten und chaotischen Auftritts- versuchen. In der klassischen Komik des Tür-auf-Tür-zu werden Kollegen übersehen oder vermutet, bis die Vier endlich platziert sind und die „Verwandlung“ musikalisch ankündigen. Dorothee Hartinger, Philipp Hauß, Stefanie Dvorak und Paulina Alpen treten in der Folge auch in die Geschichte ein: als Gregors Schwester Grete, als Mutter und als Vater Samsa. Sie vertauschen die Rollen, treten mit übergroßen Pappmachémasken auf, verdoppeln und verdreifachen die Charaktere, stets von einem Conferencier geleitet, dem Autor. Jonas Hackmann ist als Franz Kafka zu sehen, er kommentiert das Geschehen. Im Zentrum des schräg in den Bühnenraum gebauten Zimmers (Bühne: Pia Maria Mackert) steht Gregors Bett. Die grellen Farben – grüne Wände, ein roter Boden und Gregors knallig-orange Jacke – unterstützen die surrealen Bilder und Szenen, die sich an der Kunst des expressionistischen Malers Ernst Ludwig Kirchner orientieren. Eine stark bearbeitete und den auftretenden Akteuren angepasste Version seines Gemäldes „Kaffeetisch“ (1923) hängt auf der einen Seite. Auf der anderen „Dame im Pelz“, das Kafka in seiner Erzählung nennt. Die Szenographie ist Protagonist. Der Raum verändert sich dauernd, wird einmal verkleinert, dann wieder vergrößert. Gregor ist manchmal eine winzig-kleine Handpuppe, dann übergroß in seinem Bett. Einmal tritt sogar eine riesige Kakerlake auf, zumindest Kopf und Fühler sind zu sehen. Die innere Verwandlung als Reaktion auf die Kälte und Brutalität der Umgebung wird äußerlich gezeigt: Gregor sitzt auf dem Dach des Hauses, sieht sich selbst im Bett liegen. Einerseits ist es natürlich schwierig, Psychose szenisch darzustellen, andererseits ist es nötig, die Macht einer Gregor immer fremder werdenden Umgebung zu zeigen. Doch an dem Punkt bleibt die Inszenierung im Variieren der Bilder und Räume stecken. Die Angst vor der Verwandlung zeigt sich in vielen Perspektiven. Schließlich steigt Gregor aus dem Zimmer, tritt an die Rampe; es endet mit den Anfangsworten. Trotz des lauen Schlusses gab es viel Applaus für das Ensemble und ein bemerkenswert spektakuläres Bühnenbild. Foto: Marcella Ruiz Cruz Die Verwandlung Akademietheater, 27.1., 3., 10., 28.2. Bilder und Szenen orientieren sich an der Kunst des expressionistischen Malers Ernst Ludwig Kirchner. Im Bild: Paulina Alpen.
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