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DIE FURCHE 25.01.2024

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DIE FURCHE · 4 12 Gesellschaft 25. Jänner 2024 DAS ERWARTET SIE IN DEN NÄCHSTEN WOCHEN. Die FURCHE nimmt in den kommenden Ausgaben folgende Themen* in den Fokus: Wer sind die Menschen, die das gesellschaftliche Gefüge zusammenhalten? DIE FURCHE holt in einer neuen Porträtreihe in unregelmäßigen Abständen sogenannte Systemerhalter(innen) vor den Vorhang. Aus vollem Hals Nr. 6 • 8. Februar Lachen ist ansteckend, heißt es, und es ist gesund. Es kann gegen Schmerzen helfen und verbessert die Gehirnfunktion. Doch aus vollem Hals zu lachen, gehört nicht immer zum guten Ton. Über die Kulturgeschichte der Freude. Nach dem Krebs Nr. 8 • 22. Februar Diagnose, Therapie, Heilung – und was dann? Die Zeit nach einer Krebserkrankung bringt ihre ganz eigenen Herausforderungen mit sich, von neuen Routinen, Ängsten und einem veränderten Blick auf das Leben. Ein Tag für Frauen Nr. 10 • 7. März Entstanden Anfang des 20. Jahrhunderts aus der Forderung nach einem Wahlrecht für Frauen, bat in den 1970ern eine UN- Resolution, einen Tag des Jahres zum „Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden“ zu erklären. Waldland Österreich Nr. 12 • 21. März Zum internationalen Tag der Wälder richten wir den Blick auf das Waldland Österreich: Fast die Hälfte des Staatsgebietes ist bewaldet, doch das „grüne Herz“ gerät zusehends in Klima-, Energie-, Bau- und Freizeitstress. Diagonale Nr. 14 • 4. April Österreichs Filmbranche versammelt sich in Graz zur großen Werk- und Leistungsschau. Wie hat sich das Filmland Österreichs im letzten Jahr entwickelt? Und was wird anders unter der neuen Diagonale-Intendanz? Der Aufklärer Nr. 16 • 18. April Am 22. April jährt sich der Geburtstag Immanuel Kants zum 300. Mal. Wie kaum ein anderer hat der Königsberger das Denken revolutioniert. Wie steht es heute um den Ausgang aus der „selbstverschuldeten Unmündigkeit“? Generation Tiktok Nr. 7 • 15. Februar Nicht nur viele Eltern und Lehrkräfte, auch Verlage und die Politik stehen den Mediengewohnheiten junger Menschen anno 2024 ratlos gegenüber. Was braucht und wie erreicht man die „Generation Tiktok“? Zukunft der Zeitung Nr. 9 • 29. Februar Seit Jahrzehnten wird Print totgesagt. Und ebenso lange wird das bestritten. Sicher ist, dass Digitalisierung und Internet die Medienwelt radikal verändert haben. Was bedeutet dies fürs klassische Medium Zeitung? Was wir essen werden Nr. 11 • 14. März Der Zukunft der Ernährung widmet sich das diesjährige Symposion Dürnstein. Die nationale und globale Ernährungssicherheit steht ebenso im Fokus wie die Folgen der Lebensmittelindustrie für die Biodiversität. Gott – (k)eine Frage Nr. 13 • 28. März In säkularen Gesellschaften spielt Religion eine immer geringere Rolle. Was bedeutet das für die Gottesfrage? Hat sich der Glaube an ein übergeordnetes und übernatürliches Wesen erübrigt? Oder kommt er wieder – und ganz neu? Wie geht Verzeihen? Nr. 15 • 11. April Kaum eine Beziehung kommt ohne Verletzungen aus. Versöhnung kann helfen, um einen Neustart zu wagen. Aber haben wir das Verzeihen in Zeiten von immer extremeren Positionen bereits verlernt? Wie es dennoch gelingt. Gedankenraub Nr. 17 • 25. April Von KI-Kunst bis Gen-Daten: Das 21. Jahrhundert revolutioniert die Definition von „geistigem Eigentum“ und stellt an Juristen, Philosophen und Datenschützer spannende – und beunruhigende – Fragen. Von Sandra Lobnig Die Boltzmanngasse im 9. Wiener Gemeindebezirk misst ziemlich genau einen halben Kilometer. Kircheninsider wissen, dass sich hier das Priesterseminar der Diözesen Wien, Eisenstadt und St. Pölten befindet, gleich neben der US-amerikanischen Botschaft. Am anderen Ende der Gasse sitzt Josef Böck in einem Erdgeschossbüro, in dem der Verein „Fair und Sensibel Österreich – Polizei und Afrikaner*innen“ angesiedelt ist. Der 66-Jährige trägt ein Kapperl und ein schwarzes T-Shirt – bedruckt mit dem Schriftzug „Oldschool Heroes“ und den Gesichtern von Bud Spencer und Terence Hill, den Helden seiner Jugend, wie er grinsend sagt. Auch Böck selbst ist für viele schon zum Helden geworden. Seit 2000 setzt er sich als Vereinsobmann mit seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern für gute Beziehungen zwischen Menschen aus Afrika und der Polizei ein. „Gleich da drüben“, Böck deutet mit dem Kopf in Richtung Priesterseminar, „war ich bereits angemeldet. Ich habʼ aber dann doch gemerkt, dass ich das nicht schaffen würde.“ Aufgeheizte Stimmung Stattdessen tritt der Weinviertler in die Fußstapfen seiner Familie. Sein Onkel ist bei der Polizei. Das motiviert ihn – ebenso wie die Tatsache, dass er als Polizist rasch sein eigenes Geld verdient. Streifendienst, Kriminal- und Staatspolizei, Terrorbekämpfung, Eindämmung des Waffenhandels: Böck hat viele Stationen urchgemacht. Bei alledem steckte er sein Herzblut in ein Thema, das ihn auch jetzt in der Pension nicht loslässt: das respektvolle Miteinander von Exekutive und Bevölkerung – unabhängig von Herkunft, Sprache, Religion. „ Jeder Polizist sollte zumindest einen Menschen einer anderen Nationalität gut kennen. Das hilft ihm, abseits vom Polizeidienst positive Erfahrungen zu machen. “ Foto: Sandra Lobnig Dieses ist keineswegs selbstverständlich. Aufgrund von rund 300 jährlich gemeldeten Vorwürfen hat erst dieser Tage eine neue „Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe“ (EBM) im Innenministerium ihre Tätigkeit aufgenommen. Insbesondere das Verhältnis von Polizei und Menschen aus Afrika ist belastet (siehe Kasten). Und das hat seine Geschichte. Mitte der 1990er Jahre tritt ein Phänomen auf, das die Polizei vor allem in Wien, Graz und Linz vor unerwartete Herausforderungen stellt. Die Zahl der Asylwerber aus Afrika steigt, einige von ihnen verkaufen Drogen – und das auf offener Straße. Sowohl für die Bevölkerung als auch für die Polizisten ein Novum. „Davor war der Drogenhandel versteckt“, erzählt Josef Böck, „auf einmal war für jeden ersichtlich, was da vor sich geht. Straffällige Afrikaner setzten sich gegen Polizisten zur Wehr, die das nicht gewohnt waren. Das hat in vielen Situationen zur Eskalation geführt.“ Zwangsabschiebungen und der Tod des nigerianischen Asylwerbers Marcus Omofuma am 1. *Änderungen aus Aktualitätsgründen vorbehalten. ALLES AUCH DIGITAL AUF FURCHE.AT Podcasts, Videos, E-Paper und alle FURCHE-Artikel seit 1945 JETZT 77 Jahre Zeitgeschichte im NAVIGATOR. RASSISMUS IN DER POLIZEI Dein Feind und Helfer? Im Mai 2020 wurde George Floyd in Minneapolis durch einen weißen Polizisten ermordet. Die darauf folgenden #BlackLivesMatter-Proteste lenkten die globale Aufmerksamkeit erst auf Polizeigewalt in den USA, dann auf Rassismus in Polizeibehörden weltweit. Probleme gibt es freilich auch in Österreich. Am 1. Mai 1999 wurde der nigerianische Asylwerber Marcus Omofuma während seiner Abschiebung von Beamten der österreichischen Exekutive fahrlässig getötet. 25 Jahre später ist Polizeigewalt immer noch ein Thema: Jährlich werden rund 300 Vorwürfe gemeldet, weshalb vor Kurzem die „Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe“ startete. Auch beim Racial Profiling, also dem übermäßigen Polizeifokus auf Menschen bestimmter ethnischer Herkunft, ist Österreich trauriger Spitzenreiter: Gegenüber der Europäischen Grundrechte- Agentur gaben 49 Prozent der hier lebenden Menschen aus mittel- und südafrikanischen Ländern an, im Jahr zuvor von der Exekutive angehalten worden zu sein. In der Durchschnittsbevölkerung lag der Anteil bei 25 Prozent. (ms)

DIE FURCHE · 4 25. Jänner 2024 Gesellschaft 13 Menschenfreund in Uniform Seit 2000 setzt sich der pensionierte Polizist Josef Böck mit seinem Verein „Fair und Sensibel“ für gute Beziehungen zwischen Menschen aus Afrika und der Polizei ein. Eine neue Meldestelle geht Vorwürfen von Polizeigewalt nach. Der pensionierte Polizist Josef Böck engagiert sich freilich schon lange für mehr Sensibilität, insbesondere gegenüber Menschen aus Afrika. Ein Porträt. Der „Oldschool Hero“ Mai 1999 heizen die Stimmung weiter auf. Drei Polizisten töten den damals 25-Jährigen während einer Flugzeugabschiebung aus Österreich auf fahrlässige Weise. „Es war Feuer am Dach und klar, dass hier etwas geschehen muss,“ erzählt Böck. Im Jahr 2000 tritt eine Expertenrunde zusammen, die sich dem Problem widmet. Daraus entsteht das Pilotprojekt „Polizei und Afrikaner“, dessen Leitung Josef Böck übernimmt. Das Ziel: Vorurteile ab- und Beziehungen aufbauen. Die Wiener Polizei sucht aktiv den Kontakt zur afrikanischen Community, es gibt gemeinsame Veranstaltungen wie Konzerte oder Vernetzungstreffen. „Polizisten haben bis zu diesem Zeitpunkt Afrikaner fast ausschließlich als Straftäter erlebt. Als ich Ende der Neunziger Kripo-Leiter in Floridsdorf war, kamen pro Tag mehrere straffällige Afrikaner herein. Das macht etwas mit einem“, sagt Böck. Aggressionen und Vorurteile entstünden schnell – er weiß das aus eigener Erfahrung. Wer nicht aufpasst, sieht irgendwann hinter jedem Menschen mit dunkler Hautfarbe einen Drogendealer. Vom Weinviertel bis in den Senegal „Die Polizei ist rassistisch“: Josef Böck kennt diesen Vorwurf und findet ihn unfair den vielen Kolleginnen und Kollegen gegenüber, die sich um Sensibilität und eine korrekte Vorgangsweise im Sinne der Gesetze bemühen. Handlungsbedarf gegen bewusst oder unbewusst rassistisches Verhalten gäbe es trotzdem. Der Verein ZARA für Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit dokumentierte 2022 insgesamt 59 rassistische Übergriffe durch die Exekutive. In der Polizei-Grundausbildung, bei internen Fortbildungen und in Workshops durch externe Organisationen oder eben „Fair und Sensibel“ wurde dem Thema in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr Platz eingeräumt. „Polizisten sollten zum Beispiel wissen, dass Menschen aus Nigeria in ihrer Heimat oft schlimme Erfahrungen mit der Polizei gemacht haben und deshalb bei uns im Kontakt mit der Polizei ein bestimmtes Abwehrverhalten zeigen“, sagt Josef Böck. „Wenn man sich dessen bewusst ist, kann man vieles besser einordnen.“ Wissen und Begegnung: Für ihn sind das die zwei besten Strategien gegen Rassismus. „Ich sage immer: Jeder Polizist soll zumindest einen Menschen einer anderen Nationalität gut kennen. Das hilft, sich in andere hineinzudenken und abseits vom Dienst positive Erfahrungen zu machen.“ Böck selbst ist in der afrikanischen Community gut vernetzt und mit vielen Menschen afrikanischer Herkunft befreundet. Stolz zeigt er eine Fotocollage. Auf den Bildern: Der Polizist – mit und ohne Uniform – zusammen mit Menschen unterschiedlicher Hautfarbe. Auf einem Foto trägt er zwei Schwarze Mädchen auf den Schultern. „Die Zwillinge waren damals drei Jahre alt, heute sind sie dreizehn. Mit der Familie bin ich immer noch befreundet.“ Zweimal reist Böck selbst nach Afrika, 2011 in den Senegal, 2013 nach Ghana. Seine blauen Lesen Sie auf furche.at auch „.Zehn Jahre nach Omofuma: Rassismus bei der Polizei“ (30.4.2009) von Wolfgang Machreich. „ Wer nicht aufpasst, sieht irgendwann in jedem Menschen mit dunkler Hautfarbe einen Drogendealer. “ Augen leuchten, als er davon erzählt. „Die Gastfreundschaft und Lebensfreude haben mich sehr inspiriert.“ Allzu fremd sei ihm das aber gar nicht gewesen, ist er doch selbst in einem Haus mit offenen Türen aufgewachsen. Böcks Vater, Bürgermeister eines 150-Seelen-Dorfes direkt an der tschechischen Grenze, hatte für Hilfesuchende immer einen Platz am Tisch. „,Wennst was brauchst, kommst vorbei!‘, hat mein Vater gesagt. Und es waren wirklich immer Leute bei uns daheim,“ erzählt Böck. Sich mit Leidenschaft für eine Sache einzusetzen, wurde Josef Böck also in seinem Elternhaus beigebracht. Auf seine Grenzen zu achten, muss er als Erwachsener auf die harte Tour lernen. Mit 33 Jahren streikt sein Körper, es geht ihm psychisch schlecht. Heute würde man wohl ein Burnout diagnostizieren. „Als junger Polizist wollte ich viel bewegen, gleichzeitig haben wir zu Hause die schwerkranke Großmutter gepflegt, hatten zwei kleine Kinder und im Sportverein war ich ebenfalls engagiert.“ Böck muss ein halbes Jahr in den Krankenstand, arbeitet seinen Zusammenbruch psychotherapeutisch auf und beginnt, besser auf seinen Körper zu hören. Einer, der viel und gern arbeitet, bleibt er trotzdem. „Meine Frau musste viel aushalten. Bis zur Pension kam für mich zuerst der Job, dann meine Frau – leider. Nun hat sich das geändert.“ Nach wie vor ist der vierfache Großvater aber Obmann von „Fair und Sensibel“, dessen Aufgabenspektrum sich im Laufe der Jahre erweitert hat. Heute unterstützt der Verein Jobsuchende, berät Flüchtlinge und hilft Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen. „Wir gehen auch mit zum Gericht, um bei den Asylverfahren beizustehen und zu unterstützen.“ Die zunehmende Polarisierung, befeuert durch Politik und Medien, bereitet Josef Böck Sorgen. „Als wir 2000 begonnen haben, fand ein Drittel der Leute unsere Arbeit gut, ein Drittel interessierte sich gar nicht dafür, ein Drittel fand uns blöd. Heute sind die Menschen entweder dafür oder dagegen, dazwischen gibt es nichts mehr.“ Flüchtlinge (nicht mehr) willkommen Seit etwa zehn Jahren habe auch die Fremdenfeindlichkeit zugenommen, sagt Böck. Besonders am Land, wo er mit seiner Familie lebt, nimmt er gegenüber Ausländern große Vorbehalte wahr. Dabei werde mit zweierlei Maß gemessen: „Die Priester aus Nigeria oder Tansania sind bei uns in der Gegend sehr beliebt, Flüchtlinge aus afrikanischen Ländern, Syrien oder Afghanistan wollen die Leute aber nicht hier haben“, sagt er. Seinen Glauben an die Menschheit hat Josef Böck trotzdem nie verloren, seinen Glauben an Gott übrigens auch nicht. „Ich gehe regelmäßig bei uns in Stützenhofen in die Kirche, das ist mir wichtig.“ Nach der Messe ist er bei den sogenannten „Nachbesprechungen“ im renovierten Jugend- und Kommunikationszentrum neben der Kirche dabei. „Der, der Geburtstag hat, gibt dann eine Runde Wein aus. Das Schöne: Irgendeiner hat immer Geburtstag.“ VORSORGE & BESTATTUNG 11 x in Wien Vertrauen im Leben, Vertrauen beim Abschied 01 361 5000 www.bestattung-himmelblau.at wien@bestattung-himmelblau.at

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