4 · 25. Jänner 2024 DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 80. Jg. · € 6,– Ein „Oldschool Hero“ gegen Rassismus Der pensionierte Polizist Josef Böck engagiert sich für mehr Sensibilität gegenüber Menschen aus Afrika. Ein Porträt. · Seiten 12–13 Das Dorf, die Angst, die Hetze Religionen – Würze der Demokratie? „Erinnern ist ein aktiver, politischer Prozess“ Der niederländische Ort Ter Apel wurde zum Sinnbild für die eskalierende Asyldebatte in Europa. Eine Reportage.· Seiten 5–6 Stimmen nehmen zu, die Religion als „Ergänzung“ zur Demokratie ansehen. Ein Blick in die Geschichte zeigt: Dies ist problematisch. · Seite 9 Jüdische Moderne: Das Theatermuseum stellt Persönlichkeiten der Wiener Kultur zwischen 1900 und 1938 vor. · Seite 17 Das Thema der Woche Seiten 2–4 Bild: IMAGO / agefotostock Bild: Karin Birner Wie funktioniert das Gedächtnis bei Missbrauch und Trauma? Sobald es Täter und Opfer gibt, wird die Frage nach der Erinnerung heiß umkämpft. Über die neuen Memory Wars. Der Körper vergisst nicht Die junge Wilde Mit nur zehn Jahren schrieb sie ihr erstes Gedicht und sicherte sich so ihren Platz in einer Männerdomäne. Über Sibylla Schwarz, die unbeugsame Lyrikerin des Barock. Seiten 20 Die Massenproteste in Deutschland sind ein Weckruf und sollten Österreichs Zivilgesellschaft mobilisisieren. Die Mär, die FPÖ wäre mit der AfD nicht vergleichbar, gilt es zu entzaubern. Es ist Zeit, aufzuwachen AUS DEM INHALT „Als Land sind wir nicht sexy“ Sehnsüchtig blickt man von der Republik Moldau aus nach Brüssel – und fürchtet gleichzeitig die „Balkan-Falle“. Susanne Glass stattete dem Land einen Besuch ab. Seite 8 Von Brigitte Quint In Deutschland sind Millionen auf die Straße gegangen, um ein Zeichen „gegen rechts“ zu setzen. Extremismusforscher, Holocaustüberlebende, Wirtschaftstreibende und Kirchenvertreter warnten eindringlich vor der AfD. Das Aufdecken eines Treffens in einer Potsdamer Villa, auf dem der Österreicher Martin Sellner seine völkischen Deportationsfantasien kundtat, fungierte offenkundig für viele Menschen als Augenöffner. Die Massenproteste in Deutschland haben das Potenzial, auch die Zivilgesellschaft in Österreich wachzurütteln. Laut Umfragen erhielte die FPÖ derzeit 26 Prozent der Stimmen, einige Forschungsinstitute sehen sie bereits bei 30 Prozent. Wer und wo sind die 70 Prozent, die nicht mit der FPÖ (die das Treffen in Potsdam mit keinem Wort verurteilt hat) sympathisieren? Bislang hat Österreich in der deutschen Angelegenheit die Rolle des Zuschauers eingenommen. Es verhält sich wie eine Außenstehende, die die Entwicklungen beim Nachbarn zur Kenntnis nimmt, kommentiert, aber nicht auf die Idee kommt, dass die eigene Lage mindestens vergleichbar wäre. In Wahrheit ist das Kind längst in den Brunnen gefallen. „ Kickl schwadroniert systematisch im Nazi- Vokabular. Doch der Aufschrei in großem Stil bleibt aus. “ Fünf Regierungsbeteiligungen auf Bundesebene kann die FPÖ in ihrer Geschichte vorweisen, in drei Bundesländern ist sie derzeit in Koalitionen vertreten, das Damoklesschwert „Volkskanzler“ schwebt seit Monaten klar und deutlich über dem Land – und scheint so manchen zu blenden, ja zuverblenden. Dennoch ist der wahre Grund für diese „Gelassenheit“ ein anderer: Die Mär, die AfD wäre nicht mit der FPÖ vergleichbar. Doch die ist ausgemachter Unsinn. Verfassungsschutz hätte Partei im Blick Der Aufschrei in Deutschland ist deshalb so groß, weil vielen jetzt erst so richtig bewusst wird, dass die AfD tatsächlich für einige bürgerliche und konservative Gruppierungen eine Alternative geworden ist. Nur weil man sich in Österreich an diese Tatsache gewöhnt hat, ist die FPÖ aber keinen Deut wählbarer geworden: Die systematische Nähe der AfD wie der FPÖ zur radikalen rechtsextremen Szene ist offensichtlich. Laut „SOS Mitmensch“ haben AfD-Politiker in den vergangenen zwei Jahren dreimal großflächige bezahlte Inserate im rechtsextremen identitären Magazin Info direkt geschalten. Nur ein Anzeigenkunde war noch zahlkräftiger: Herbert Kickl. Der FPÖ-Chef steht dazu und wird nicht müde zu betonen, dass er die „Identitäre Bewegung“ als „patriotische NGO“ wahrnehme. Im Zuge des Potsdam-Skandals fragte ein deutscher Journalist den österreichischen Rechtsextremismus-Forscher Bernhard Leidinger nach dem Unterschied zwischen den Identitären und der FPÖ. Die Antwort: „Auf inhaltlicher Ebene ist, insbesondere zwischen Identitären und der freiheitlichen Parteijugend, kein Unterschied mehr zu machen.“ Vielmehr würde die FPÖ Begriffe der Identitären gezielt einsetzen, um sie zu normalisieren. Mit Erfolg. Herbert Kickl schwadroniert seit Monaten vom „Volkskanzler“, obwohl der Ausdruck aus dem Nazi-Deutschland der 1930-Jahre stammt. Auch „Lügenpresse“ und „Systemparteien“ sind eindeutig Nazi-Vokabular. Kickls Sprache ist verräterisch – und der Aufschrei in großem Stil bleibt aus. Julia Ebner, Forscherin am Londoner Institute for Strategic Dialogue, hat Recht, als sie in der ZIB 2 erklärte, dass die FPÖ, wäre sie in Deutschland, längst vom Verfassungsschutz beobachtet werden würde. Am kommenden Freitag soll in Wien ein „Lichtermeer“ unter dem Motto „Demokratie verteidigen“ stattfinden. Im Demo- Aufruf zum „Aufstehen gegen Rechtsextremismus und Rassismus“ wird als Protestziel explizit die FPÖ genannt, die „genauso schlimm“ wie die AfD sei. Am selben Tag will Bundeskanzler Karl Nehammer in Wels gegen die Gender-Sprache wettern. Der deutsche Weckruf hat wohl einige wachgerüttelt. Aber leider nicht alle. brigitte.quint@furche.at Schadet die Bier-Partei der Linken? Die FURCHE-Redakteurinnen Brigitte Quint und Manuela Tomic streiten diese Woche darüber, ob die Kandidatur von Dominik Wlazny die Linke dämpfen könnte. Seite 14 Fatale Theopolitik in Nahost So sehr die Kirchen zu Israels Existenzrecht Stellung beziehen müssen: Den Nahostkonflikt heilsgeschichtlich aufzuladen, ist nach Ulrich Körtner kontraproduktiv. Seite 15 Artistische Spielereien Eine „Ariadne des Musicals“ nannte Marcel Prawy einst Leonard Bernsteins „Candide“. Seine „Comic Operetta“ und „Ariadne“ gibt es nun beide in Wien zu erleben. Seite 18 „Sensorium entwickeln“ Antonin Svoboda zu seinem Film „Persona non grata“, der die Missbrauchsgeschichte der Skirennläiuferin Nicola Werdenigg aufarbeiten will. Seite 22–23 furche.at Österreichische Post AG, WZ 02Z034113W, Retouren an Postfach 555, 1008 Wien DIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 Wien Telefon: (01) 512 52 61-0
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