DIE FURCHE · 43 22 Wissen/International 24. Oktober 2024 Die Sámi sind das letzte indigene Volk Europas. Ihre traditionelle Lebensweise ist bedroht – auch durch den Ausbau der Windenergie. Über ihren Kampf gegen „Grünen Kolonialismus“ in Norwegen. Von Martin Zähringer und Jane Tversted Die Menschen aus dem europäischen Urvolk der Sámi sind zurückhaltend und nicht bekannt dafür, dass sie gerne protestieren. Es hat also etwas zu bedeuten, wenn 2023 eine größere Gruppe junger Leute in sámischer Tracht tagelang durch Oslo zieht, Protestjoiks singt und elf Ministerien belagert, das Energieministerium bis zur Räumung sogar 92 Stunden lang. Im Bezirksgericht Oslo ist im März 2024 eine ungewöhnliche Situation zu beobachten: 18 junge Sámi erklären, warum sie die Geldstrafen für die polizeiliche Räumung von 2023 nicht bezahlen. Sie haben eine Strategie: Dieser Prozess soll politisch geführt werden. Die Regierung sollte endlich auf ein Urteil des Obersten Gerichtshofes von 2021 reagieren und die Verletzung sámischer Menschenrechte abstellen. Die Stimmung im Saal ist emotional, die tagelange Belastung groß und einige der jungen Aktivisten weinen bei ihren Aussagen. Foto: Getty Images / AFP / Jonathan Nackstrand Siehe dazu auch das Interview mit Psychologin Lea Dohm von „Psychologists for Future“ („Das muss man jetzt aushalten“, 18.1.2023), auf furche.at. Die Kehrseite der Turbinen kommissionen zu bewältigen. Aber „Versöhnung“ ist nicht ganz einfach, wenn die Missachtung der Rechte und damit, so sehen es viele Sámi, die Unterdrückung der Kultur fortgesetzt werden. In komplizierten und teuren Prozessen müssen Rentierzüchter ihre Rechte verteidigen. Wenn die in Fosen enteigneten Sámi erleben müssen, dass der dort von Deutschen und Schweizern produzierte „grüne“ Strom in die Elektrifizierung der norwegischen Ölförderung fließen soll, steht das im Versöhnungsprozess erarbeitete Vertrauen einmal mehr in Frage. „Es geht um die Energiesituation in Europa, um die so genannte grüne Wende, die für uns eine Doppelbelastung darstellt, da wir auch den Klimawandel bekämpfen müssen, der in unseren Gebieten dramatisch ist“, sagt Silje Karine Muotka, Präsidentin des sámischen Parlaments (Sámetinget). Dieses ist selbst ein Ergebnis von Energiekämpfen. Als die norwegische Regierung im Alta-Tal einen Staudamm für ein Wasserkraftwerk bauen und ein ganzes Sámidorf dabei fluten lassen wollte, wehrten sich die Sámi. Die erste große „ Zusätzlich zur Klimakrise ist die Rentierzucht der Sámi auch durch Windkraftwerke bedroht. ,Doppelte Last‘ nennt das die interdisziplinäre Forscherin Susanne Normann. “ sámische Umweltbewegung geriet in den 1980er Jahren in Auseinandersetzungen mit der Ordnungsmacht. Am Ende wurde der Staudamm gebaut. Aber der Alta-Konflikt war die Urszene einer modernen sámischen Protestkultur und steht für ein neues Selbstbewusstsein (siehe auch S. 23). War es Zufall, dass gerade zu Beginn der Fosen-Proteste in Oslo ein Spielfilm über den Alta-Konflikt in die norwegischen Kinos kam? Der Film „Let the River Flow“ hat- Foto: Getty Images / AFP / NTB / Lise Åserud Winterwandern Windparks stören die jahreszyklische Migration der Rentierherden in Skandinavien. Damit der Betrieb nicht zu lange unterbrochen werden muss, wird den Viehzüchtern anempfohlen, per Hubschrauber oder LKW-Transport durchzutreiben. Doch die Sámi wollen bei ihrer Tradition bleiben und langsam mit den Tieren wandern. (Bild: Storheia Windpark im norwegischen Afjord) Arktische Zusammenhänge Auch international kam der „Fall Fosen“ in die Schlagzeilen: Die Aktivisten in Oslo hatten sich mit sámischen Rentierzüchtern von der Halbinsel Fosen solidarisiert, auf deren Winterweiden zwei große Windkraftanlagen gebaut worden waren. Die Rentierzüchter stritten schon seit der Konzessionsvergabe 2013 vor den Gerichten. Schließlich kam es beim Obersten Gerichtshof Norwegens 2021 zum Urteil: Die Errichtung der Anlagen verstößt gegen die Menschenrechte der Sámi auf Ausübung ihrer Kultur; die staatliche Konzessionsvergabe ist somit ungültig. Jetzt forderten die Rentierzüchter „Land Back“ und den Abriss der Ablagen, doch die Windturbinen drehten sich weiter und die Sámi waren ihre Weiden los. Selbst Greta Thunberg solidarisierte sich. Eine erklärte Windkraftgegnerin ist sie nicht, aber als Schwedin hat sie eine eigene „Geschichte“ mit Europas Urvolk. Als Nomaden haben alle Sámi historische Konflikte mit den sogenannten Kulturvölkern der Nationalstaaten und die in Schweden lebenden Sámi wurden sogar noch härter bedrängt als jene in Norwegen. In Oslos Straßen stößt man auf ein Wandgemälde des sámischen Malers Anders Sunna, das eine drastische Geschichte aus dem schwedischen Sápmi erzählt. Der „Fall Fosen“ wurde also auch ein „Fall Sápmi“. Sápmi ist der ursprüngliche Lebensraum der Sámi in Schweden, Norwegen, Finnland und der Kola-Halbinsel in Russland. Für die traditionell wirtschaftenden Sámi sind Nationalgrenzen künstliche Gebilde, die ihre nomadische Lebensweise sabotieren. Heute kommt zur Bedrohung ihrer Rentierzucht durch Windkraftwerke die Klimakrise hinzu. „Doppelte Last“ nennt dies die interdisziplinäre Forscherin Susanne Normann mit Fokus Klimapsychologie. Einerseits gäbe es die als grün gebrandeten Energieprojekte, die den Sámi Territorium rauben. Andererseits erleben die Rentierzüchter eine verschärfte Wettersituation im Winter. Wenn auf Tauwetter schnell wieder Minusgrade folgen und die Tiere durch die Vereisungen vom Futter abgeschnitten sind, wird die nomadische Flexibilität durch die Energieprojekte blockiert. Die Kulturgeschichte der Sámi ließe sich anstelle nationaler Zuordnungen auch in arktischen Zusammenhängen verstehen. Seit einigen Jahren wird überall in der Arktis versucht, das kollektive Trauma infolge von Zwangsassimilation, Unterdrückung der Kultur und Verbot der eigenen Sprache durch Wahrheits- und Versöhnungste jedenfalls Folgen, denn jetzt bekamen die Protestaktionen Rückhalt in der norwegischen Öffentlichkeit. Und ein Gesicht: Ella Marie Isaksen spielt die Hauptrolle einer rebellischen jungen Sámi-Aktivistin. Die 25-jährige ist eine bekannte Umweltaktivistin in Norwegen. 2021 konnte sie mit Naturschützern eine Kupfermine am ökologisch verletzbaren Reppar-Fjord stoppen; und in Oslo war sie führend bei den Protestaktionen gegen die Regierung. „An der Windenergie aus Fosen ist nichts Grünes“, sagt Isaksen. „Denn jetzt wird der Strom, den sie unter Verletzung der Menschenrechte produzieren, für die Elektrifizierung von Öl und Ölplattformen verwendet, und das bedeutet nur die Verlängerung des Ölzeitalters.“ Die Regierung hat nun eine bessere Beteiligung der Sámi bei de Planung für künftige Windenergieprojekte versprochen. Aber gegen den Freispruch für die Aktivisten hat die Staatsanwaltschaft Revision erhoben. Regierung und Windkraftbetreiber betonen, es gäbe keinen Präzendenzfall, nur den „Einzelfall Fosen“. Klimapsychologin Susanne Normann hingegen verweist darauf, dass es bereits viele Streitfälle gibt. Weiter nördlich werden wir fündig. Im beschaulichen Ort Mosjöen in Nordnorwegen finanziert der in Hamburg ansässige Investmentfonds Aquila Capital einen Windpark, dessen Strom exklusiv an die dort ansässige Aluminiumfabrik geliefert wird. Der Windpark stört die jahreszyklische Migration der Rentierherden im Bezirk. Damit der Turbinenbetrieb nicht zu lange unterbrochen werden muss, wird den Rentierzüchtern anempfohlen, industrielle Methoden anzuwenden: also Durchtreiben per Hubschrauber oder Transport in LKWs. Diese wollen jedoch bei ihrer Tradition bleiben und mit den Tieren langsam durch das Gebiet wandern. Wieder landen die Sámi vor Gericht und auch in diesem Fall stellt sich die Frage der Kulturversöhnung. „Wir wissen jetzt genau, dass die Kirche der verlängerte Arm des Staates bei der Norwegisierung des sámischen Volkes war“, sagt die Pastorin vor Ort. „Es ist wichtig, dass wir wieder auf die richtige Seite kommen und dass wir uns entschuldigen.“ Junge sámische Aktivisten protestierten 2023 gegen Windkraftwerke und blockierten unter anderem den Eingang zum Büro des norwegischen Premierministers in Oslo.
DIE FURCHE · 43 24. Oktober 2024 Wissen/International 23 Der Widerstand gegen Windenergie-Projekte in Norwegen bewegte sámische Forschende, Wissenschaft und Aktivismus neuartig zu verbinden. Begegnungen im Hohen Norden. Das nomadische Institut Von Martin Tauss HUMAN SPIRITS Rätselhafte Luzidität Von Martin Zähringer Im Aktivismus liegt Parteilichkeit, was, so wird behauptet, der Idee von wissenschaftlicher Objektivität und Neutralität widerspricht. Eine Gruppe von sámischen Forschenden in Norwegen will nun Engagement und Betroffenheit mit dem Anspruch von Wissenschaftlichkeit verbinden: die Kulturgeographin Eva Fjellheim von der Arktischen Universität in Tromsø, die ihre Doktorarbeit in „Indigenous Studies“ über den Widerstand gegen die norwegische Windenergie macht; der Historiker Mikkel Berg-Nordlie von der Oslo Met Universität; und die Politologin Henrikke Sæthre Ellingsen von der Nordisch-Technischen Naturwissenschaftlichen Universität (NTNU) in Trondheim, deren Doktorat sich dem Thema „Grüner Kolonialismus und Windenergie“ widmet. In Oslo haben die drei das ungewöhnliche Elsa Laula Renberg Institut gegründet – laut Eigendarstellung eine “autonome und nomadische” Wissenseinrichtung, um gegen „koloniale Ungerechtigkeit“ aufzubegehren. Orale Bibliothek der indigenen Kultur „Das war eine spontane Sache“, sagt Mikkel Berg-Nordlie, der heuer auch als Sachverständiger für sámische Traditionen vor das Bezirksgericht Oslo geladen war, um das Verhältnis der Sámi zum Widerstand gegen den Staat darzulegen. „Wir sind ja auch Sámi und waren in Oslo bei den Protestaktionen der jungen Aktivisten dabei. Dort wurden eine Unmenge an Fragen an die Aktivisten gestellt und wir sagten uns, die müssen entlastet werden, sie haben doch anderes zu tun.“ (siehe Seite 22) Es habe viel Zuspruch gegeben, erzählt Politologin Ellingsen. „Also haben wir ein mobiles Wissenschaftsinstitut gegründet, eine Art wissenschaftlichen Informationsdienst für die Bevölkerung. Mikkel dachte ja erst, er könnte sich da in Ruhe hinsetzen und nebenbei an seinem Buch schreiben. Aber das wurde nichts, die Leute standen Schlange bei uns.“ Die Aktivisten brachten Stühle und Tische, es wurde ein Logo für ein Banner gestaltet. Auf der Straße lernten die Forschenden, ihr Wissen in verschiedene Denkwelten einzubringen. Manche Norweger kamen mit alten Vorurteilen, andere mit einfachen Wissensfragen. Zur Frage der wissenschaftlichen Neutralität sagt die Politologin: „Als Forscher muss man Objektivität bewahren, und wenn ich schreibe, will ich eine kritische Distanz aufrechterhalten. Aber ich glaube nicht, dass ich neutral sein kann, weil wir ja mit einer bestimmten Meinung in die Forschung gehen. “ Dabei geht es um komplexe Fragen: So wurde an ihrer Universität in Trondheim bis vor kurzem die sogenannte Einwanderungs- oder Vorstoßtheorie (1889) des Ethnologen Yngvar Nielsen vertreten. Seine Hypothese besagt, dass die Rentierzüchter-Sámi erst nach 1750 vom arktischen Norden nach Süd- und Zentralnorwegen kamen – also erst nach den Norwegern. Dadurch gerieten die Sámi bei den zahlreichen Prozessen um ihre Weidegebiete in einen historischen Nachteil. Diese Theorie hat unter den aktivistischen Sámi-Wissenschaftlern entschiedene Widersacher, aber Nielsens Hypothese war ohnehin längst widerlegt. Dennoch gab es erst 2023 eine Entschuldigung seitens der NTNU, der größten Universität im Land. Ein Politologe der Uni bezeichnete die Gründung des Renberg-Instituts sogar als das wichtigste Ereignis seit 23 Jahren in seinem Arbeitsfeld. „ Wir wollten einen geschützten Raum für die indigenen Menschen schaffen. Dann kommt alles andere von selbst, es wird ein Ort der Bewegung. “ Renberg-Mitbegründerin Eva Fjellheim Die Namensgeberin der Forschungseinrichtung, Elsa Laula Renberg (1877-1931), war eine sámische Frauenrechtlerin und Menschenrechtsvorkämpferin. 1904 wurde sie Gründungspräsidentin des ersten Sámi-Verbands, und mit ihrem Pamphlet „Sind wir tot oder lebendig?“ die erste Frau, die schriftlich die Sache der Sámi vertrat. In der Stadt Mosjöen steht eine Statue von ihr. Drei Zugstunden weiter nördlich war sie heuer auch auf dem Institutsbanner aus Oslo zu sehen: Das Renberg Institut organisierte in Europas Kulturhauptstadt Bodø 2024 seine erste größere Aktion außerhalb von Oslo: Die dreitägige Elsa Laula-Konferenz war Anlass, um lokale sámische Kämpfe für Land und Souveränität in Verbindung mit globalen indigenen Kämpfen zu diskutieren. Etwa zeitgleich tagte die Indigenen-Konferenz NAISA in Bodø. Die „North American Indigenous Scientist Association“ (NAISA) wurde 2006 gegründet, um indigenes Wissen in den Akademien zu etablieren. Ein großes Thema waren Umwelt- und Energiekämpfe in fast allen Herkunftsländern der rund 950 Teilnehmenden. Die Sámi stellten dort fast ein Drittel der Beiträge, abends kamen viele NAISA- Besucher zur Laula-Konferenz an einem ganz besonderen Ort: das „Girjegumpi“ des Kunstaktivisten Joar Nango. Der sámische Architekt, der das Recycling als sámische Tradition versteht, hatte vor dem Nordland Museum in Bodø ein nomadisches Amphitheater aus mit Rentierfellen belegten Paletten und Birkenholz gebaut. Girje bedeutet Buch und Gumpi ist eine fahrbare kleine Hütte, die auf einem Schlitten steht. Bei der Rentierwanderung dient sie als Unterschlupf für die Hirten. Die Bücher, Nangos Sammlung zu sámischer Architektur, waren später im Inneren des Museums zu sehen. Draußen gab es am Lagerfeuer eine andere Art von Wissenschaft – eine orale Bibliothek der indigenen Kulturen. Zahlreiche sámische Aktivisten, Künstler und Wissenschaftler sprachen hier über die Energiekämpfe im nördlichen Norwegen. Dabei gab es auch viel Joik, die sámische Poesie in Form von Gesang. Während es sich das Publikum auf den Rentierfellen bequem machte und die Vortragenden am Feuer lagerten, kochte in einem Kessel darüber das Kaffeewasser. „Wir wollten hier einen geschützten Raum für die indigenen Menschen schaffen, in dem sie sich um die Feuerstelle versammeln und Essen, Geschichten und Kunst austauschen können, zusätzlich zum Konferenzprogramm“, berichtet Renberg-Mitbegründerin Eva Fjellheim. „In einem solchen Raum kommt alles andere von selbst. Die Leute fühlen sich wohl, es wird ein Ort der Bewegung.“ 2023 erhielt Fjellheim den mit 50.000 Euro dotierten Emma-Goldman- Award in Wien, der jährlich innovative Forschung zu feministischen Themen und Ungleichheitsfragen auszeichnet, und heuer forschte sie mit einem Goldman-Fellowship am Institut für die Wissenschaften vom Menschen: ein klares Signal für die Anerkennung und den Erfolg ihrer „Wissenschaft als Aktionsform“. Foto: Martin Zähringer Treffen am Lagerfeuer Zahlreiche sámische Aktivisten, Künstlerinnen und Wissenschaftler sprachen heuer in Europas Kulturhauptstadt Bodø über die Energiekämpfe im nördlichen Norwegen. Viktor Frankl kannte die Abgründe des Menschen: Der Wiener Arzt hat vier Konzentrationslager überlebt, während fast seine gesamte Familie in der Schoa ermordet worden ist. Sein unerschütterliches Credo wurde zum vielfach übersetzten Bestseller: „Trotzdem Ja zum Leben sagen“ (1946). Unter den drei großen Wiener Schulen in der Psychotherapie (Freud, Adler, Frankl) weist sein Ansatz als einziger eine Nähe zur Religion auf. Auch Alexander Batthyány beackert eine Hoffnung, die über das irdische Dasein hinausweist. Der Direktor des Viktor- Frankl-Instituts in Wien widmet sich seit mehr als 15 Jahren der Psychologie des Sterbeprozesses – und dabei einem merkwürdigen Phänomen, das erst seit kurzem wieder in den Fokus der Wissenschaft geraten ist: die Geistesklarheit am Ende des Lebens („terminale Luzidität“). Es zeigt sich unerwartet und eindringlich bei Menschen, die kognitiv schwer beeinträchtigt sind, z.B. aufgrund von Demenzerkrankungen, Schlaganfällen und anderen massiven Hirnschädigungen. Kurz vor ihrem Tod geschieht etwas Rätselhaftes: Der Blick wird wieder klar, sie beginnen zu sprechen und übermitteln oft letzte Botschaften. Oder sie erwachen plötzlich aus der Bewusstlosigkeit und weisen den behandelnden Arzt auf einen Fleck auf der Krawatte hin, der vom Spaghetti-Menü herrührt – so wie es dem amerikanischen Psychiater Bruce Greyson, einem Pionier der Nahtodforschung, einmal passierte. „Seit einem halben Jahrhundert versuche ich zu verstehen, wie Holly (die Patientin, Anm.) von diesem Spaghettisoßenfleck wissen konnte“, schreibt er in seiner Autobiographie „Nahtod – Grenzerfahrungen zwischen den Welten“ (2021). „ Im Niemandsland zwischen Leben und Tod beginnt die Ansicht, dass der menschliche Geist vom Zustand des Gehirns abhängig ist, zu schwanken. “ Nahtoderfahrung und terminale Geistesklarheit sind verschiedene Phänomene: Die einen beschreiben ihre Erfahrung als Abkehr von der Welt, können dann aber medizinisch zurückgeholt werden. Die anderen kommen geistig zurück, ehe sie dann aus dem Leben scheiden. Zugleich könnten beide Phänomene dasselbe Terrain erhellen. Mit einer umfangreichen Fallsammlung und eigener Arbeitsgruppe an der Pázmány-Universität in Budapest ist Batthyány dem „Licht der letzten Tage“ systematisch auf der Spur. Vieles bleibt noch offen. Doch im rätselhaften Niemandsland zwischen Leben und Tod beginnt die wissenschaftlich verankerte Ansicht, wonach der menschliche Geist vom Zustand des Gehirns abhängig ist, zu schwanken. Das Licht der letzten Tage Das Phänomen der Geistesklarheit am Ende des Lebens Von Alexander Batthyány O.W. Barth Verlag 2024 288 S., geb., € 26,80
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