DIE FURCHE · 43 16 Diskurs 24. Oktober 2024 NACHRUF Islamprediger und Staatsfeind Er galt als einer der größten Gegner des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Nun ist Fethullah Gülen am 21. Oktober mit 83 Jahren in einem US-Krankenhaus gestorben. Seine Gülen- Bewegung wurde vom türkischen Präsidenten für den Putschversuch von 2016 verantwortlich gemacht und als Terrororganisation eingestuft. Noch am Abend des gescheiterten Militärputsches vom 15. Juli benannte Erdoğan ihn in einer Fernsehansprache als angeblichen Drahtzieher. In den folgenden Monaten wurden Zigtausende „Fethullahcis“ verhaftet oder verloren ihre Posten im Staatsapparat, Gülens Medienimperium und Unternehmen, die Schulen und Hochschulen der Bewegung wurden von dem türkischen Autokraten weitestgehend zerstört. Gülen selbst lebte bereits seit 1999 im US-Bundesstaat Pennsylvania. 2017 wurde ihm die türkische Staatsbürgerschaft aberkannt. Der Geistliche hatte Ende der 1960er Jahre begonnen, ein Netz von Bildungsstätten und Medienunternehmen aufzubauen. Seine Predigten verbreiteten sich damals per Ton- und Videokassetten. Der Prediger vertrat einen konservativen Islam, befürwortete aber zugleich die Bildung in Geistes- und Naturwissenschaften, um mit dem Westen konkurrieren zu können. Er zeigte sich offen für interreligiösen Dialog und wurde unter anderem von Papst Johannes Paul II. empfangen. Dank Gülens guten Beziehungen zur Regierung breitete sich seine Hizmet-Bewegung in den 1980er und 1990er Jahren immer weiter aus. Viele seiner Anhänger stiegen im Staatsdienst auf. Dies führte schon früh zu Warnungen, Gülen-Anhänger würden eigene Netzwerke in Justiz, Verwaltung und dem Sicherheitsapparat aufbauen. „Mit ihrem Streben nach Einfluss und der Tendenz zur Manipulation weist die Bewegung von Fethullah Gülen starke Ähnlichkeiten mit den Jesuiten oder dem Opus Dei auf, von denen sie sich offensichtlich hat inspirieren lassen“, schrieb der französische Politologe Bayram Balci 2021. IHRE MEINUNG Schreiben Sie uns unter leserbriefe@furche.at Franziskus’ bester Mann Von Till Schönwälder Nr. 42, Seite 1 Der von Till Schönwälder geäußerten Ansicht, dass beim Nachfolger von Kardinal Schönborn „insbesondere Managementqualitäten“ gefragt sein werden, muss widersprochen werden. Angesichts des fortschreitenden Ganges von Religion und Kirche in die gesellschaftliche Bedeutungslosigkeit wäre vielmehr eine Persönlichkeit gefragt, welche durch Wort und Tat die Bedeutung des Glaubens an einen christlichen Gott für ein gelungenes Leben verständlich machen kann! Notwendig für die Zukunft von Glauben und Kirche wäre also ein glaubwürdiger Kommunikator und weniger ein Manager! Die Leitung der Diözese soll – natürlich im Einvernehmen mit dem Kardinal – vielmehr einem Team anvertraut werden, in welchem die für ein gutes Management erforderlichen Kompetenzen vertreten sind. Mag. Paul Wieser, 9020 Klagenfurt „Ich habe Haltung bewiesen“ Interview mit Wolfgang Sobotka Nr. 42, Seiten 2–3 Als FURCHE-Leser, der diese für eine der bildsamsten Zeitungen hierzulande hält, wunderte ich mich zunächst, dass man Herrn Sobotka als mit Abstand unbeliebtesten Politiker Österreichs ein Zwei-Seiten-Interview widmet. Nach der Lektüre aber hat sich meine Meinung zur Bildsamkeit der FURCHE bestätigt: bestätigen doch die Antworten Sobotkas das, was die Türkisen seit Kurz (den er nach wie vor verehrt...) kennzeichnet: Angriffe gegen Justiz und Medien! Die WKStA wird süffisant verdächtigt, die Verfahren gegen ihn absichtlich länger als gegen BM Gewessler betrieben zu haben, und Schuld an bestimmten politischen Missständen sind zum Gutteil die Journalisten und Medien. Das kennen wir doch? Prof. Dr. Josef Christian Aigner, Innsbruck Erratum: Im Interview mit Wolfgang Sobotka wurde erwähnt, dass dieser DIE FURCHE ins „auf seine Initiative hin rundumerneuerte“ Hohe Haus geladen hätte. Tatsächlich fassten Nationalrat und Bundesrat bereits 2014 einstimmig den Beschluss zur Generalsanie- Foto: APA / AFP / Zaman Daily / Selahattin Sevi Fetullah Gülen (1941 - 2024) galt als schillernde, aber auch umstrittene Persönlichkeit. Seine Hizmet-Bewegung steht vor dem aus. Liberale Kritiker warfen Gülen zudem vor, hinter dem vermeintlichen offenen Auftreten verberge sich ein zutiefst reaktionäres Islamverständnis mit der Scharia im Zentrum. Sie verwiesen auf Äußerungen, in denen er die Todesstrafe für Konvertiten rechtfertigte, den Dschihad pries und Demokratie und Frauenrechte relativierte. Die Zukunft von Hizmet sieht nach dem Tod ihres Gründers, der auch gute Kontakte zur CIA unterhalten haben soll, laut Experten indes eher düster aus. (TS/Agenturen) rung. Sobotka war erst danach (2017 bis 2024) Nationalratspräsident. Wir bedauern den Fehler. (red.) Und wieder scheiden sich die Geister. Von Hellmut Butterweck Nr. 42, Seite 15 Widerspruch wird meist als Störung der Ordnung gesehen und ist doch die Tür zu einer anderen Sicht der Dinge. Hellmut Butterweck hat mit seinem kritischen Beitrag zur Resolution des PEN International über den Gazakrieg diese Tür geöffnet. Als Vizepräsident des PEN Austria ist es mir wichtig festzustellen, dass ich nicht für diese Resolution gestimmt habe. Wenn einer Schriftstellerorganisation zum größten Massaker an Juden nach der Schoa als Charakterisierung nur einfällt, dass es sich um attacks gehandelt habe, so stimmt die Perspektive nicht. Wenn nicht verlangt wird, dass die Hamas das Existenzrecht Israels anerkennen muss, wenn nicht verurteilt wird, dass die Hamas Schulen, Spitäler und Moscheen als Waffenarsenale und Kampfbasis nützt, so war es für mich notwendig, dagegenzustimmen. Prof. Dr. Robert Streibel Ein Plan B ist kein Verrat Von Brigitte Quint, Nr. 41, Seite 1 Vielen Dank für Ihren guten Leitartikel zum Ukraine-Krieg, in dem Sie viele unterschiedliche Aspekte zusammenführen und Ihre Leserschaft zum umfassenden Reflektieren anregen. Schön, dass wir in unserem Land solchen Qualitätsjournalismus haben. Ich persönlich bin auch der Meinung, dass der Konflikt über kurz oder lang am Verhandlungstisch gelöst werden wird. Wahrscheinlich wird die Ukraine nolens volens Gebietsabtritten an Russland zustimmen müssen. Entscheidend für den weiteren Verlauf des Konfliktes wird auf jeden Fall die demnächst anstehende Präsidentenwahl in den USA sein. Mehrmals las ich in letzter Zeit die Prognose, der Konflikt werde sich im kommenden Jahr entscheiden. Ich halte diese Einschätzung für relativ realistisch. Militärisch wird keine der Parteien ihn für sich entscheiden können. Peter Weichselbaumer, via Mail Erratum: Im Beitrag „Alte Werte zertrümmern“ von Michael Kraßnitzer (FURCHE Nr. 41, Seite 2) wurde vermerkt, dass sich am 15. Oktober der „Todestag“ Nietzsches zum 180. Mal jähren würde. Tatsächlich war es aber sein Geburtstag – was auch im Übertitel stand. Wir bedauern den Fehler. (red.) Österreichische Lotterien verlosen VIP-Tickets für Kabarettpreis Am Dienstag, den 12. November 2024 wird im Globe Wien der Österreichische Kabarettpreis in sechs Kategorien verliehen. Die Österreichischen Lotterien verlosen als Hauptsponsor 50 mal 2 Eintrittskarten für den VIP-Bereich. Die Vision der Österreichischen Lotterien ist es, Glücksmomente zu schaffen. Das Verständnis von Glücksmoment geht dabei jedoch über den Gewinn von Geld hinaus und erstreckt sich auch auf Projekte verschiedener Glücksmomente stiftender Institutionen. Der österreichischen Kabarettszene gelingt es vortrefflich, aktuelle und kritische Themen humorvoll zu betrachten und Probleme, die die Gesellschaft bewegen, mit einem Lachen und Glücksmomenten aufzuladen. Daher unterstützen die Österreichischen Lotterien neben dem Kabarettfestival und der Kabarett Talente Show heuer erstmals auch den Kabarettpreis und stellt 50 mal 2 VIP- Eintrittskarten zur Verfügung. Wer Interesse an Gratis-Tickets hat und bei der Preisverleihung live dabei sein will, schickt bis spätestens Sonntag, den 3. November 2024 eine E-Mail an sponsoring@lotterien.at. Die Gewinner:innen werden am Montag, den 4. November 2024 per E-Mail verständigt. Clemens Maria Schreiner moderiert auch heuer wieder die Verleihung des Österreichischen Kabarettpreises. Foto: Katharina Schiffl IN KÜRZE RELIGION ■ Keine Diakoninnen-Weihe RELIGION ■ Geheimabkommen verlängert WISSEN/BILDUNG ■ Rektor Vitouch verabschiedet GESELLSCHAFT/INTERNATIONAL ■ Streit um Leihmutter-Verbot Papst Franziskus hat der Weihe von Frauen zu Diakoninnen oder Priesterinnen in der römisch-katholischen Kirche erneut eine klare Absage erteilt. Das geht aus einer Mitteilung hervor, die der 87-Jährige am Rand der laufenden Weltsynode in Rom veröffentlichen ließ. Darin hieß es, die Frage des Frauendiakonats sei aus Sicht des Papstes „noch nicht reif“, stattdessen gelte es Möglichkeiten einer Entwicklung auszuloten, ohne sich auf das Weiheamt zu konzentrieren. Das Frauendiakonat sollte ursprünglich auch bei der Weltsynode behandelt werden, der Papst entschied aber vorab, diese Frage in Arbeitsgruppen auszulagern. China und der Vatikan haben ein geheimes Abkommen zur Ernennung von Bischöfen in der Volksrepublik um weitere vier Jahre verlängert. Das bestätigte Außenamtssprecher Lin Jian in Peking. Das Abkommen regelt die Ernennung von Bischöfen in China. Eigentlich entscheidet der Papst darüber allein, weshalb die Befürchtung besteht, Peking könnte sich bei Ernennungen in China einmischen. Kritiker des Abkommens bemängeln, dass es die Lage der Untergrundkatholikinnen und -katholiken nicht verbessere. Papst Franziskus selbst schickt immer wieder Signale der Wertschätzung nach China. Die Universität Klagenfurt hat sich von ihrem noch amtierenden Rektor Oliver Vitouch verabschiedet, dessen Funktion mit 28. Oktober offiziell endet. Rund 250 Anwesende nahmen an der Exaugurationsfeier teil, darunter zahlreiche Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Politik. Bildungsminister Polaschek (ÖVP) verlieh Vitouch das große goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich. Ebenso endet Vitouchs Amtszeit als Präsident der Universitätenkonferenz (uniko) mit 29. Oktober. Am 9. Dezember wählt die Plenarversammlung der uniko dann eine Nachfolge für die restliche Funktionsperiode bis Ende 2025. Die Rechtsregierung von Minister präsidentin Giorgia Meloni verabschiedete vergangene Woche eine Verschärfung des Leihmutterschafts-Verbots. Diese ist in Italien schon seit 2004 untersagt. Das neue Gesetz sieht Strafen von bis zu zwei Jahren Haft oder bis zu einer Million Euro für Paare vor, die ihr Kind von einer Leihmutter im Ausland austragen lassen. Mediziner kritisieren die Neuerung, insbesondere einenAufruf der Regierung, Verdachtsfälle bei den italienischen Behörden zu melden. „Unsere Aufgabe ist es zu heilen, nicht zu denunzieren“, sagte der Präsident des Ärzteverbandes Filippo Anelli.
DIE FURCHE · 43 24. Oktober 2024 Literatur 17 Von Veronika Schuchter Das Offensichtliche lässt die Erzählerin Barbara Zeman links liegen, vielleicht auch rechts, jedenfalls wendet sie sich lieber etwas anderem zu, das man nicht sofort sieht. Die 1981 im Burgenland geborene Autorin interessiert sich für die Nebenschauplätze, geht dahin, wo andere längst stehenbleiben würden – auch wenn es gefährlich wird. Das teilt sie mit ihrer Protagonistin Theresa Neges. Die schickt sie gleich zu Beginn ihres neuen Romans „Beteigeuze“ mit ihrem Freund Josef nach Chioggia auf Urlaub, nicht nach Venedig. Der graue, weite Mantel, den Theresa daheim in Wien trägt, ein Geschenk ihrer Tante Linde, ist aus Nanterre. „Beinahe Paris, aber nicht Paris, Vorort am westlichen Ufer der Seine.“ Und es ist Beteigeuze, nicht Orion, der im Zentrum des Romans steht, eine Umkehrung der wahren Verhältnisse gewissermaßen. Der Schulterstern des Orion ist noch nicht einmal der hellste Stern im Sternenbild Orion, nur der zweithellste. Nicht nur damit verschiebt Zeman den Fokus. Ihr Blick gilt dem, was im Schatten von etwas Größerem und Berühmterem steht, dem scheinbar Unscheinbaren. Irritierender Titel Der Romantitel ist ein kleiner Geniestreich. Noch bevor man das Buch geöffnet hat, wird in diesem einzelnen Wort das Wesen des ganzen Textes spürbar. „Beteigeuze“ wirkt wie eine Provokation. Der Titel irritiert, weil man sich – sofern nicht astronomisch intensiver bewandert, als dass man den großen Wagen als Teil des großen Bären am Sternenhimmel ausmachen könnte – sofort fragt, was das überhaupt sein soll, Beteigeuze. Selbst wenn man errät, wie man das Wort ausspricht, verharrt der Klang ungewohnt im Mund. Und doch ist es nicht gänzlich unvertraut, es beschleicht einen das Gefühl, dass man eigentlich wissen müsste, was das ist, Beteigeuze, dass man schon einmal davon gehört hat. So geht es einem auch mit diesem eigensinnig komponierten Roman. Hier wird kein Plot erzählt, hier gilt es nichts zu entschlüsseln oder am Ende etwas zu verstehen. Stattdessen gilt es, der Ich-Erzählerin Theresa auf ihrem Weg durch Wien zu folgen, ihr über die Schulter zu schauen bei ihren kleinen Abenteuern, beim Kellnern in einem kleinen Café mit ihr zu zittern, ob alles gut geht (geht es natürlich nicht), mit ihr von Gewichten beschwert auf den Grund des Stadtbads zu sinken und beim Luftanhalten die Schwimmer über sich zu beobachten. Das alles ist aufregend genug, da braucht es keinen geradlinigen Plot. Man erkennt, was Zeman hier erzählt, es ist Barbara Zeman fordert in ihrem neuen Roman „Beteigeuze“ mit der Obsession für einen Stern die Wahrnehmung der Leserinnen und Leser heraus. nur sehr ungewohnt, weil die Perspektive neu ist. Nicht zufällig ist ihre Tante Linde, die Person, die ihr geistig am nächsten zu stehen scheint, eine bekannte Regisseurin. Zeman zeigt neue Wege, wie man auf Dinge blicken kann. Der verschobene Fokus ist das Grundprinzip dieses Romans, sowohl inhaltlich als auch erzählerisch. Form und Inhalt sind bei Zeman untrennbar miteinander verbunden, und das nicht auf artifizielle Weise, die beim Lesen spürbar werden würde. Während Ich-Erzähler momentan inflationär durch die Literatur geistern, was nur deshalb störend ist, weil die meisten sich im Tonfall kaum voneinander unterscheiden, klingt Zemans Ich-Erzählerin Theresa Neges ganz eigen. Das Ich ist hier nicht nur fade Selbstbespiegelung, es konstituiert diesen Text. Theresa muss diesen Text erzählen, daran führt gar kein Weg Warten auf die Supernova vorbei, weil wir in ihre Welt mitgenommen werden, und die ist nicht deckungsgleich mit der Welt, wie sie die meisten von uns wahrnehmen. Wir folgen ihrem Stream of Consciousness in bester Woolf’scher Tradition, und merken, wie die Verschiebung immer größer wird. Von Beginn an spürt man etwas Unheimliches im Hintergrund, das mehr und mehr Raum bekommt und von Theresas Obsession für Beteigeuze gespiegelt wird. Beteigeuze, der rotglühende Riesenstern, den man furchtsam den „Ankünder“ nennt, und der als Supernova enden wird. Beteigeuze schwankt in seiner Strahlkraft und in seiner Größe und mit ihm schwankt Theresa. Über die Interaktionen mit Josef wird klar, dass Theresa psychisch krank ist und ihre Medikamente nicht nimmt. Das verleiht dem Roman eine ganz andere Dimension. Die Wahrnehmungsverschiebungen „ Der verschobene Fokus ist das Grundprinzip dieses Romans, sowohl inhaltlich als auch erzählerisch. “ Foto: APA / Georg Hochmuth 2022 las Zeman in Klagenfurt: „Bachmannpreis: Behauptungen und Begründungen“ von Veronika Schuchter, 29.6.2022, furche.at werden als depressive Episode bis hin zur Psychose lesbar. Unweigerlich fragt man sich, wie Theresas Bericht aussähe, hätte sie ihre Tabletten genommen, und fürchtet sich vor der Antwort. Das Wasser dient Theresa als Ersatz für das Weltall. Wenn das Stadtschwimmbad geschlossen ist, lässt sie sich einfach auf den Grund des Donaukanals sinken. Sie sucht die Schwerelosigkeit, um dem geliebten todgeweihten Stern nah sein zu können. Man ahnt schnell, dass das nicht gut gehen wird: „Limite acque sicure“, „Gefahr zu ertrinken“ steht da auf einem Schild zu Beginn des Romans. Dazwischen geschobene Dialoge wirken wie ein narrativer ästhetischer Bruch. Sie bilden eine Brücke zur Realität, an die man sich beim Lesen klammern möchte. Und sie sind nicht nur sehr gut geschrieben, sondern auch wahnsinnig komisch. Die Gespräche im Caféhaus, in dem Theresa arbeitet, könnten direkt aus Spiras Alltagsgeschichten stammen, das hält die Poetik des Romans, der zum Tragischen neigt, in Balance. Auf dem Cover abgebildet ist ein Ausschnitt aus einem Porträt von Lenz Geerk. Zu sehen ist eine blonde Frau, liegend, mit einem brennenden Streichholz in der Hand. Ingeborg Bachmann lässt sich als Assoziation kaum vermeiden und Bachmann findet sich, neben vielen anderen, auch als wichtiger Referenzpunkt in Zemans Text. Vor allem an „Malina“ wird man erinnert, Bachmanns großen Roman über die psychische Zerrüttung einer Frau, die am Ende in einer Ritze in der Wand verschwindet. Auszug in Klagenfurt gelesen Passenderweise ist Zeman auf Einladung von Brigitte Schwens- Harrant mit einem Auszug aus dem Roman beim Bachmannpreis-Bewerb 2022 angetreten. Trotz Lob aus der Kritikerrunde ging ihr Text leer aus. Umso erfreulicher, dass Zeman heuer mit ihrem zweiten Roman „Beteigeuze“ für den Österreichischen Buchpreis nominiert wurde. Schon ihr 2019 erschienener erster Roman „Immerjahn“ wurde von der Literaturkritik wohlwollend aufgenommen. Empfehlenswert ist auch Zemans gemeinsam mit Clemens J. Setz für das Literaturhaus Wien produzierter Podcast „Zemann und Setz: Erster Österreichischer Sachbuchpreis“, in dem die beiden über die sonderbarsten Sachbücher reden, die sie kennen. Die beiden verbindet eine Liebe für die Außenseiter und das Abseitige. In einer Folge spielen auch „Beteigeuze“ und seltsame Sachbücher über das Universum eine Rolle. Wen beim Titel „Beteigeuze“ übrigens ebenfalls unbewusste Reminiszenzen überfallen, der erinnert sich möglicherweise an die Romanwelten von Philip K. Dick, in denen der Stern bisweilen eine Rolle spielt, oder ihm kommt Tim Burtons Poltergeist „Beetlejuice“ in den Sinn, der sich vom englischen Namen des Sterns „Betelgeuse“ ableitet. Beteigeuze Roman von Barbara Zeman dtv 2024 304 S., geb., € 24,70
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