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DIE FURCHE 24.10.2024

DIE FURCHE

43 · 24. Oktober 2024 DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 80. Jg. · € 6,– Von Mittelwegen und ihren Grenzen Ein Ende der „Wohnort-Lotterie“ „Beteigeuze“: Warten auf die Supernova Australien schafft es das Erstarken von Rechtspopulisten zu verhindern. Viele führen das auf die restriktive Asylpolitik zurück. · Seite 6 Die Angebote und Kosten von Pflegedienstleistungen variieren zwischen den Bundesländern massiv. Die Caritas fordert eine Reform. · Seite 13 Barbara Zeman fordert in ihrem neuen Roman mit der Obsession für einen Stern die Wahrnehmung der Lesenden heraus. · Seite 17 Das Thema der Woche Seiten 2–4 Die katholische Kirche hat tausende Menschen „zur Ehre der Altäre“ erhoben. Aber brauchen wir Heilige, um zu glauben? Außerdem: Die verstörende Verehrung des „Cyberapostels“ Carlo Acutis. Aller Heiligen Beato angelico (1395-1455) Detail aus „Cristo glorificato nella corte del paradiso“ 1423-24; Foto: Wikipedia / Fra Angelico (cc by 3.0) Foto: picturedesk.com / Zuma / Jack Kurtz „Katholische Illiberale wollen Trump nutzen“ Der in Texas lehrende Theologe H. David Baer über den hartnäckigen Glauben an den „Heilsbringer“ Donald Trump, die Attraktivität des Ständestaats für konservative Intellektuelle in den USA – und die Rolle, die ein Heiligenkreuzer Mönch dabei spielt. Seiten 9–10 Ein Systemsprenger als Kanzler? Nein, befand der Bundespräsident und beauftragte statt Herbert Kickl Karl Nehammer mit der Regierungsbildung. Ein richtiger Schritt, dem weitere folgen müssen. Das Ende der Usancen AUS DEM INHALT Die Angst vor der Abnabelung In der EU sollen künftig Rüstungsgüter gemeinschaftlich angeschafft werden. So sollen bilaterale Waffen-Geschäfte mit den USA reduziert werden. Gelingt das? Seite 7 Von Doris Helmberger Demokratie ist nicht gerade trivial. Dennoch gibt es ein paar Basiskenntnisse, die man mittlerweile voraussetzen sollte: Bei Nationalratswahlen wird der Nationalrat gewählt – und nicht die Regierung; Kanzler kann in Österreich werden, wer über eine Mandatsmehrheit im Nationalrat verfügt und das Vertrauen des Bundespräsidenten genießt; und: wenn eine Demokratie tatsächlich liberal, plural und rechtsstaatlich sein soll, ist sie nicht nur von der Mehrheit, sondern stets auch von der Vielfalt und der zu schützenden Minderheit aus zu denken. Es gibt eben nicht ein homogenes Volk mit einem klar definierten Willen, auch wenn es Herbert Kickl noch so sehr beschwört. „Wir alle sind das Volk“, niemand habe einen Alleinvertretungsanspruch, auch nicht die stimmenstärkste Partei: So hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen Dienstag dieser Woche diese Prämisse auf den Punkt gebracht – bevor er nicht den FPÖ-Chef, sondern Karl Nehammer mit der Regierungsbildung beauftragte. Ein klarer Bruch mit den Usancen, den das Staatsoberhaupt freilich detailliert und nachvollziehbar begründete. Quintessenz: „ Nehammer, Babler und Meinl-Reisinger sind zum Erfolg verdammt. Koste es sie, was es wolle. “ Ein Auftrag an Kickl sei aussichtslos, weil niemand mit ihm könne; die von ÖVP und SPÖ vorgebrachten Vorbehalte seien ernstzunehmen; nun gehe es darum, eine möglichst tragfähige, integre und reformorientierte Regierung zu bilden. Drexlers Entgleisung Dass die FPÖ ob dieser Entscheidung schäumen würde, war abzusehen. Wie scharf Nehammers Parteifreund Christopher Drexler reagierte, überraschte freilich. Tatsächlich bringt Van der Bellens unorthodoxe Entscheidung den um seinen Landeshauptmannsessel ringenden Steirer in die Defensive, während der blaue Opfermythos und die Erzählung vom Kampf gegen das „System“ weiter Nahrung erhält. Dennoch ist Drexlers Rede vom „Fehler“ bzw. der „unverantwortlichen“ Entscheidung Van der Bellens nicht nur eine Entgleisung gegenüber dem Staatsoberhaupt, sondern auch inhaltlich falsch. Denn was wäre verantwortungsloser, als in Zeiten wie diesen Gespräche in Gang zu setzen, die mit Sicherheit scheitern? Und wie kann ausgerechnet jemand auf Einhaltung von Usancen beharren, dessen Partei – aus guten Gründen – die Usance von Koalitionsgesprächen im Fall von Herbert Kickl von vornherein ausgeschlossen hat? Wort halten, sich auf die verfassungsmäßigen Grundlagen der Demokratie besinnen und damit Glaubwürdigkeit bewahren: Das wäre wohl die wichtigste Usance in der Politik. Das betrifft auch die Wahl des Ersten Nationalratspräsidenten: Es mag gute Gründe haben, zumindest hier an der Tradition festzuhalten und einen Vertreter oder eine Vertreterin der stimmenstärksten Partei in dieses mächtige Amt zu wählen. Dass die FPÖ aber letztlich niemand Vertrauenswürdigeren ausloben konnte als Walter Rosenkranz, Mitglied einer schlagenden Burschenschaft und Autor im inzwischen eingestellten rechtsextremen Magazin Aula mit unklarer Abgrenzung zu den Identitären, ist ein Alarmsignal. Kampf gegen Nationalsozialismus und Antisemitismus: Das war nach 1945 der Grundkonsens in diesem Land (vgl. Seite 8) – vor allem diese Usance gilt es zu bewahren. Sollen nicht in fünf Jahren demokratiefeindliche Systemsprenger die politische Führung übernehmen, muss eine künftige Koalition aus ÖVP, SPÖ und (wohl) Neos jedenfalls tatkräftige Systemreformen liefern. Wie enorm insbesondere im Bund- Länder-Verhältnis die Wirrungen sind, zeigt der Pflegebereich (vgl. Seite 13). Das ist alles andere als trivial, um mit Alexander Van der Bellen zu sprechen. Doch Karl Nehammer, Andreas Babler und Beate Meinl- Reisinger sind im Namen der Demokratie zum Erfolg verdammt. Koste es sie, was es wolle. doris.helmberger@furche.at Franziskus’ Lapsus In seinem Brief zum 7. Oktober zitierte der Papst ausgerechnet einen antijudaistischen Bibelvers. Das fügte dem christlich-jüdischen Dialog weiteren Schaden zu. Seite 11 Wurzeln und Flügel In seinem neuen Buch erläutert Philosoph und Historiker Philipp Blom, warum es sich heute mehr denn je lohnt, auf eine bessere Zukunft zu vertrauen. Seite 12 Elefant im Porzellanladen Daniela Strigl über den Nichtgewinner des Deutschen Buchpreises, rüpelhaftes Benehmen, Literatur als Geschäftsmodell und die Kriterien für ein bedeutendes Buch.Seite 19 Die Kehrseite der Turbinen Die indigenen Sámi kämpfen in Norwegen für den Erhalt ihrer Kultur – und gegen den Ausbau der Windenergie. Begegnungen im Hohen Norden. Seiten 22–23 @diefurche @diefurche furche.at @diefurche Die Furche Österreichische Post AG, WZ 02Z034113W, Retouren an Postfach 555, 1008 Wien DIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 Wien Telefon: (01) 512 52 61-0

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