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DIE FURCHE 23.11.2023

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DIE FURCHE · 472 Das

DIE FURCHE · 472 Das Thema der Woche Das wechselnde Ich23. November 2023AUS DERREDAKTIONInnenminister in Zeiten wie diesen zu sein, ist – gelinde gesagt – eineHerausforderung. Was der gegenwärtige Amtsträger Gerhard Karnerzu Schengen, Asyl, Antisemitismus – und den Turbulenzen umdie ÖVP zu sagen hat, können Sie im FURCHE-Gespräch dieser Ausgabenachlesen. Interviewerin Doris Helmberger zeichnet – gemeinsammit Wissensressortleiter Martin Tauss – auch für den dieswöchigenFOKUS verantwortlich, der sich mit den Wechseljahren auseinandersetzt.Anlässlich der jährlichen Ordenstagungen spricht Otto Friedrichmit der in El Salvador wirkenden Ordensfrau und Theologin MarthaZechmeister, die – ganz in der Linie von Papst Franziskus – fürunbedingte Solidarität mit den Menschen „ganz unten“ eintritt. VictoriaSchwendenwein beleuchtet im KOMPASS auch die Bemühungen,psychischer Gewalt gegen Frauen zu begegnen. Ein Highlight derAusgabe stellt Hellmut Butterwecks Relecture der wiederaufgelegtenKonrad-Lorenz-Biografie im FEUILLETON dar – der mittlerweilefast 96-jährige Butterweck, Altvorderer mehrerer Generationen vonFURCHE-Redakteuren, hat sich sowohl sprachliche Spritzigkeit alsauch politische Klarsicht bewahrt. Die aktuelle FURCHE schließt mitder Reproduktion einer Fahne von Erwin Wurm, die im realen wieim virtuellen Raum Wiens zu sehen ist. (ofri)Wer bin, war, werde ich?„Sich von der Jugend in die Zukunft zuprojizieren, ist schwierig“, schreibt BettinaBaláka, „auf der Landkarte des Lebens hatman viele weiße Flecken vor sich.“Von Bettina BalàkaDie Natur ist nicht gerecht.Die einen erlebendie Wechseljahreals beeinträchtigendenkörperlichen Umbruch,etwa wenn nächtliche Hitzewallungenzu Perioden quälenderSchlaflosigkeit führen, die anderenmerken kaum, dass etwaspassiert. Aber so war es auch früherschon. Manche Frauen zwingtdie Menstruation mit Schmerztablettenund Wärmeflasche insBett, andere gehen während ihrerPeriode Bergsteigen oder Eistauchen.Generell ist die Natur nicht gerecht,denn es gibt Kinder, diean Krebs erkranken, ohne überhauptZeit gehabt zu haben, sichungesunden Gewohnheiten zuwidmen, und es gibt Sechzigjährige,die die Nächte durchfeiernund aussehen wie das blühendeLeben. Der Ungerechtigkeitsfaktorist bei allem Bemühen umSelbstverbesserung einzubeziehen,was einen am Streben nachLebensqualität aber keinesfallshindern soll. Denn neben naturegibt es auch nurture, und dieserTeil ist doch beeinflussbar.„Ab 50 hat man das Gesicht, dasman verdient“ (George Orwell),lautet einer der Sprüche, die mangerne glaubt, wenn man selberfünfundzwanzig ist. Wie wunderbar,wie machbar! Man ist seineseigenen Gesichtes Schmied. Manmuss nur immer lachen und fröhlichsein, dann hat man später allenfallseinen sympathischenUnter „Close,but no cigar“(1.2.2023)lesen Sie AlidaBremers Beitragfür den Sammelband„WechselhafteJahre“, s.furche.at.Jede Falte, jeder Besenreiser ist ein Memento mori. Wie wir körperlichaltern, hängt vor allem von Genen und Geld für Restaurierungsmaßnahmenab. Gemeinschaft und eine Aufgabe sind freilich elementar. Ein Essay.Nur nichtversteinernStrahlenkranz am äußeren Augenwinkeleingetrieben.Doch das Altern ist wenigervon der positiven Einstellung, alsvon den Genen abhängig, von derSchwerkraft und nicht zuletztvom nötigen Geld für Restaurierungsmaßnahmenwie etwaZahnimplantate. Manche habenschon mit 30 graue Haare, mancheMänner schon mit Mitte 20eine Glatze. Alles sinkt, unaufhaltsamdem Erdkern zustrebend,die Wangen, die Lider, die„ Alles sinkt: die Wangen, die Lider,die Augenbrauen. So viel kann man garnicht lachen, als dass dieses Absinkenaufzuhalten wäre.“Augenbrauen. So viel kann mangar nicht lachen in seinem Leben,als dass dieses Absinken aufzuhaltenwäre. Wenn man dazu ungünstigeGene hat, bekommt mannach und nach dieselben Schlupflider,Marionetten- oder Zornesfaltenwie schon die Vorfahren.Und auf einmal kann man ganzfrisch und fröhlich sein und dennochstreng und übermüdet wirken.Man muss Kraft aufwenden,wenn das Gesicht den innerenZustand spiegeln soll, forciert lächeln,bemüht strahlen, damit jakeine Missverständnisse entstehen.Männer können die untereGesichtshälfte samt einem etwaigenDoppelkinn unter einemVollbart kaschieren, tun aber gutdaran, diesen im türkischen Barbershoppflegen zu lassen, wo imZuge dessen auch das Ausflämmender zunehmend wucherndenNasen- und Ohrenhaare vorgenommenwird. All das kostetdurchschnittlich wohlfeile 15 Euro,wohingegen Frauen beim Friseurein Vielfaches investieren– womit wir wieder bei den Restaurierungskostenwären.Aber ist die Optik wirklich dasgrundlegende Problem am Älterwerden?Sind es nicht vielmehrBeschwerden wie Osteoporose,Krampfadern, abgenutzte Gelenke,schwindende Potenz, Blasenschwächeoder Schwerhörigkeit?Foto: iStock/wundervisualsDas eigentliche Problem, überdas wir uns mit allerlei Kosmetikund Wartung hinwegzutäuschenversuchen, ist die Endlichkeit unsererExistenz. Denn im Grundeist jeder Pigmentfleck, jeder Besenreiserein Memento mori.Im postfaktischen Zeitalterkonfrontiert uns das Älterwerdenmit der konstituierenden Kraftdes Faktischen. Der Körper zeigtuns, was wir am Ende des Tagessind: Körper. Wir können unserGeburtsdatum verschweigenoder verschieben, Sprüche klopfenwie „Man ist so jung, wie mansich fühlt“, das Sprechen über dasÄlterwerden vermeiden und hoffen,dass es dadurch auf magischeWeise selbst vermieden wird.Doch all das wird unsere Zellennicht davor bewahren, dem FaktorZeit weiterhin zu unterliegen.Aufbau und Abbau gleichzeitigVon der Geburt an geht es demEnde zu, das ist eine Binsenweisheit.Teilweise sind die Prozessedes Heranwachsens und Alternssogar überlappend, Aufbau undAbbau gehen gleichzeitig vor sich.Während mit 20 die Gehirnentwicklungnoch nicht abgeschlossenist (sie vollzieht sich bis zum25. Lebensjahr), setzt bereits dasSchrumpfen des Thymus ein, jenesOrgans, das die für die Immunabwehrwichtigen T-Zellen ausbildet.Die Sehkraft nimmt schon imTeenageralter ab, auch wenn manes noch nicht merkt. Die Augenlinseverliert bereits ihre Elastizität,während der Körper noch nichteinmal ausgewachsen ist.Muss ein solcher Realismusnicht unweigerlich zu einem deprimierendenGefühl der Sinnlosigkeitführen? Im Gegenteil.Gerade vom Tod aus gedacht, erscheintdas Leben wertvoll, dasBewusstsein von der zeitlichenBegrenztheit unserer Existenzkann die Basis für mehr Freudean der Gegenwart sein. Und dieGeschichte zeigt: Je größer derGlaube an ein Weiterleben im Jenseits,desto sorgloser wird oft mitdem aktuellen Leben umgegangen.Redensarten wie „Sie ist jetztan einem besseren Ort“ malen dieVorstellung von Erlösung nachdem Verlassen des irdischen Jammertals.Mit dem Versprechenauf Belohnung im Jenseits wurdenund werden Menschen unterdrücktoder für Kriege instrumentalisiert.Man leidet hier, um„drüben“ glücklich zu sein odersich im „nächsten“ Leben hinaufgearbeitetzu haben, unterwirftsich allerlei Selbstgeißelungen,Duldsamkeitspflichten und Regeln,und vergeudet damit Stundeum Stunde, Jahr um Jahr der einzigenZeit, von der wir mit Sicherheitwissen, dass wir sie haben.

DIE FURCHE · 4723. November 2023Das Thema der Woche Das wechselnde Ich3Die Wiener Frauenärztin und Hormonspezialistin Doris Gruber über dieBegleiterscheinungen rund um die Menopause – und warum sichMediziner(innen) mehr für die Lebensmitte interessieren sollten.„ Spiralig formen sich die durchlebtenJahre als Gedächtnisschichten undbilden die sogenannte Erfahrung, ausder man auch die Gelassenheit alsGewinn ziehen kann. “„Beschwerdenernstnehmen“Schon im 16. Jahrhundert beschriebMichel de Montaigne(1533-1592) die unmittelbarenVorteile einer säkularen Sichtweiseauf die menschliche Existenz.Er, der selbst in Folge einesReitunfalles dem Tod sehr nahege- und gerade noch entkommenwar, zog aus dieser Erfahrungden zu seiner Zeit noch durchausunüblichen Schluss (für die Errettunghätte man sich den höherenMächten auch durch besondereSelbstquälerei dankbar erweisenkönnen), dass keine Gelegenheitzu versäumen sei, das Leben imDiesseits zu genießen. Aus der realistischenAkzeptanz des Todesentwickelt Montaigne eine Philosophiedes Glücks, das man inden allerkleinsten Dingen findenkann, in der Freude an angenehmerGesellschaft, am Essen undTrinken, an der Natur, dem Lernenund Denken, und, was in denBereich der Ethik führt: der Freudedaran, anderen Freude zu bereiten.Sein System der Lebenskunstbasiert auf der physischenExistenz als Quelle des Glücks.Der Weg ist das Ziel und nicht dieewige Seligkeit nach dem Tod.Beziehung und BerufungNicht nur, dass Montaigne fürunsere säkularisierte Welt damitweiterhin relevant ist, werden einigeseiner Ideen durch die rezenteAltersforschung bestätigt. Fünfsogenannte „Blaue Zonen“ wurdenauf der Erde identifiziert, indenen die Menschen überdurchschnittlichalt werden, etwa Okinawain Japan oder Ogliastra aufSardinien. Dabei geht es nicht umdas Altwerden per se, das ja auchdie Form des Siechens und Dahinvegetierensannehmen kann, sondernum das gute Altwerden miteinem Maximum an Gesundheitund Lebensqualität. Mens sanain corpore sano oder umgekehrt:Wer sich nicht mehr schmerzfreibewegen kann, hat gute Chancenauf eine Depression.Im Wesentlichen sind es vierFaktoren, die ein gesundes langesLeben in den Blauen Zonen zu ermöglichenscheinen: Bewegung,Ernährung, Gemeinschaft und eineAufgabe. Alltägliche Bewegungan der frischen Luft sowie unverarbeiteteund überwiegend pflanzlicheNahrungsmittel sind bekannteGesundheitsfaktoren. Die Bedeutungsozialer Netzwerke aber, dasgrundlegende Bedürfnis des Menschennach guten Beziehungen,Freunden und Familie führt weitüber die bloße Wartung des Körpershinaus. Eng damit verbundenist auch das Bedürfnis, eine Aufgabezu haben, etwas, das man gernemacht und das möglicherweiseauch für andere von Nutzen ist.Die wenigsten altern gut als Eremitenund genügen sich selbst amAbstellgleis. Eine der Blauen Zonenbefindet sich übrigens in LomaLinda in Kalifornien bei denSiebenten-Tags-Adventisten (einepflanzenbasierte Nahrung undviel Bewegung gehört zur Praxisdieser Gemeinde). Diese nennenReligion als wichtigen Faktor ihrerLebensfreude, was Montaigne, derim Kontext des 16. Jahrhundertsdachte, keineswegs widersprechenmuss. Es kommt darauf an,was man daraus macht, und so istfür viele Menschen auch Spiritualitäteine wichtige Ressource fürein gutes Leben im Diesseits.Anästhesistin als halbes Kind?Man merkt, dass man älter wird,wenn immer mehr Menschen, dieeinem kraft ihres Berufes begegnen,deutlich jünger sind als manselbst. Ist diese Anästhesistinnicht ein halbes Kind? Sollte dieserPolizist nicht noch in die Schulegehen? Und schon erinnert mansich, wie man selbst als junger Erwachsenerkritisch abgeschätztwurde und wie man sich darüberärgerte. Sich von der Jugend in dieZukunft zu projizieren, ist schwieriger,auf der Landkarte des Lebenshat man viele weiße Fleckenvor sich und kann sich nicht vorstellen,was es für einen selbst einesTages bedeutet, wenn manverlangt, dass Ältere den Platzmöglichst früh räumen und sichins Ausgedinge zurückziehen.Und auch daran erinnert mansich später, dass man komischerweiseselber so war. Spiralig formensich die durchlebten Jahre alsGedächtnisschichten und bildendie sogenannte Erfahrung, aus derman, sofern man sich selbst vomVersteinern abhält, auch die Gelassenheitals Gewinn ziehen kann.Denn in einem Punkt ist die Naturgerecht: Das Altern trifft zuverlässig alle irgendwann.Die Autorin ist freie Schriftstellerinsowie Herausgeberin desBuches „Wechselhafte Jahre“ (s.u.).Zuletzt erschienen: „Der Zauberervom Cobenzl“ (Haymon 2023).Wechselhafte JahreSchriftstellerinnen übersÄlterwerdenHg. von Bettina BalàkaLeykam 2023208 S., geb., € 25,50Foto: Ernst KainerstorferDas Gespräch führte Doris HelmbergerDer Wechsel ist keine Krankheit, sondern eine natürlicheBegleiterscheinung des Alterns. Dennochkönnen diese Jahre krisenhaft werden.Ein Drittel der betroffenen Frauen würden „wirklicheQualen“ leiden, weiß die Wiener Gynäkologin und HormonspezialistinDoris Gruber. Im FURCHE-Gesprächbeschreibt sie die Vorgänge in der weiblichen Lebensmitte– und ihre Wünsche an die Gesundheitspolitik.DIE FURCHE: Sie haben Ihren Fokus auf die Wechseljahregelegt – und betonen, dass man mehr über diese Lebensphasereden müsse. Warum?Doris Maria Gruber: Weil sehrviele Frauen unterinformiertsind – und ihre Beschwerden, diemit dem Wechsel in Verbindungstehen, oft bagatellisiert werden.Nachdem diese Beschwerdenvom Scheitel bis zur Sohle gehenkönnen, suchen sie dann diejeweiligen Fachdisziplinen auf,werden dort organspezifisch behandelt– aber in Wirklichkeit istes eine Gesamtkörperherausforderung,und die heißt „Wechsel“.DIE FURCHE: Wie würden Sie beschreiben,was in dieser Lebensphase von Frauen geschieht– und inwiefern kann sie tatsächlich zur Krisewerden?Gruber: Man kann den Wechsel bei einigen Frauen tatsächlichals ganzheitliche Krise sehen – und zwar als eine,die in die entgegengesetzte Richtung läuft wie die Pubertät.Diese ist ja eine Aufbruchsphase, in der sich allesentwickelt, aus dem Mädchen wird eine Frau, die Hormonekommen. Wenn dieses System, das rund 40 Jahremeist mehr oder weniger gut funktioniert hat, dannruhiggestellt wird und sich das gesamte Hormonsystemwieder zurückentwickelt, bedingt das mitunter Beschwerden– und zwar auf allen Ebenen: auf psychischerund körperlicher, auch mit den Blutungen kann es drunter-und drübergehen. Man muss das also ernstnehmen.Wir haben es zudem hier mit Frauen zu tun, die schonviel Körpererfahrung haben. Wenn diese Frauen sagen:Seit ich im Wechsel bin, ist bei mir die Psyche einevollkommen andere, dann stimmt das! Hormone sind jaauch neurotrope Substanzen und bauen das Gehirn regelrechtum – wie eben auch in der Pubertät.DIE FURCHE: Kann man beziffern, wieviele Frauen tatsächlichBeschwerden in dieser Zeit haben?Gruber: Es drittelt sich: Ein Drittel kommt durch denWechsel ohne Beschwerden, ein weiteres Drittel hatdann und wann Unpässlichkeiten – und ein drittesDrittel leidet wirkliche Qualen. Sie fühlen sich krankund missverstanden. Als Folge leidet oft die Familienstruktur– das geht mitunter bis zur Berufsunfähigkeit.DIE FURCHE: Die große Herausforderung besteht darin,diese Beschwerden ernstzunehmen, ohne den Wechselals natürlichen Prozess im Leben von Frauen generellzu pathologisieren. Viele fordern hier für Frauen mehrMöglichkeit zur Selbstbestimmung ...Gruber: Das ist richtig. Wobei viele Frauen ihre Situationja längst in die Hand nehmen und sagen: Moment,ich gehöre nicht auf die Psychiatrie, sondern ichbin im Wechsel! Oder ich gehöre nicht auf die Rheumaambulanz,sondern ich habe Gelenksbeschwerden, diemit dem Wechsel in Verbindung stehen. Hier hat sich –auch durch diverse Initiativen – schon viel getan.DIE FURCHE: Sie selbst haben einst unter der Leitung vonJohannes Huber an der „Hormonambulanz“ am WienerAKH gearbeitet – wobei die gefeierte Hormonersatztherapieheftig in die Schlagzeilen geraten ist, nachdemeine Metastudie ein erhöhtes Brustkrebsrisiko festgestellthat. Wie ist heute der Status quo?Gruber: Aus der Studie, die uns im Jahr 2000 wirklichdurcheinandergewürfelt und zu einer extremen Verunsicherunggeführt hat, haben wir unsere Lehren gezogen.Damals wurden die Hormone vorzeitig gegebenbzw. die falschen Frauen haben die falschen Hormoneerhalten. Heute gehen wir viel vorsichtiger, individualisierterund dosierter damit um. Eine Hormongabe istheute indiziert, wenn der Leidensdruck entsprechendgroß ist und Hormonbild sowie Alter passen. WobeiHormone die Menopause nicht aufhalten, aber sie linderndie Beschwerden, die durch den Hormonabfall entstehenkönnen.„ Von Frauen ab 45 oder50 wird volle Leistungsfähigkeiterwartet,aber ihnen wird im Fallvon Beschwerden nichtimmer eine Behandlungzugestanden. Hierherrscht eine großeDiskrepanz. “DIE FURCHE: Sie beklagen den Wegfallder einstigen Hormon- undWechselambulanzen. Was wünschenSie sich – auch angesichtsder aktuellen Gesundheitsreform?Gruber: Die Wahrnehmung derProblematik! Jene Frauen, die essich leisten können, bekommennatürlich auch heute eine entsprechendeBehandlung. Aberdiese kassenfinanzierten Ambulanzenhaben allen Frauen einenniederschwelligen Zugangermöglicht. Wenn man heute inden wenigen noch bestehenden Klinik-Hormonambulanzenanruft, erhält man oft erst in mehreren Monateneinen Termin. Ein weiterer Wunsch wäre, in der Ausbildungder Gynäkologenschaft, insbesondere in der Endokrinologie,auch die ältere Frau stärker in den Blickzu nehmen und nicht nur das – zurecht wichtige – ThemaKinderwunsch.DIE FURCHE: Kommen wir am Schluss noch zum Frauengesundheitsbericht2022, der im heurigen Frühjahr –nach langjähriger Pause – wieder veröffentlicht wurde.Sie merken an, dass darin dem Thema Menopause geradeeinmal drei Seiten gewidmet sind ...Gruber: So ist es. Das scheint ein weiterer Beleg dafürzu sein, wie unterrepräsentiert diese riesige Frauengruppein der Medizin wie auch in der öffentlichenWahrnehmung ist. Es wird von Frauen ab 45 oder 50 erwartet,dass sie voll leistungsfähig sind, aber es wirdihnen zu wenig zugestanden, dass sie eine entsprechendeBehandlung erhalten, wenn sie Beschwerdenhaben. Hier herrscht noch eine große Diskrepanz.

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