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DIE FURCHE 23.05.2024

DIE FURCHE

21 · 23. Mai 2024 DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 80. Jg. · € 6,– „Oft fürchte ich, sie gelingt doch“ Die Pazifistin Lise Meitner legte mit ihrer Forschung den Grundstein für die Atombombe – ihr persönlicher Albtraum. · Seite 24 Ein Land am Scheideweg Jehovas Zeugen: Jubiläum mit Irritationen „Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht“ In Südafrika wird Ende Mai gewählt: In der größten Volkswirtschaft Afrikas bahnt sich eine politische Zäsur an. Was ist zu erwarten? · Seite 7 Seit 15 Jahren sind die Zeugen in Österreich eine staatlich anerkannte Religionsgemeinschaft. Doch die Kritik ist nicht verstummt. · Seite 9 George Saunders legt mit seinem Band „Tag der Befreiung“ wieder einmal Kurzgeschichten vor, die es in sich haben. · Seite 19 Das Thema der Woche Seiten 2–5 Weimars geistiges Erbe gilt weltweit als einzigartig – gleichzeitig befindet sich die Stadt inmitten einer rechten Hochburg. Über Widerspruch, Widerstand und eine deutsche Schicksalswahl. Zwischen Goethe und AfD Bild: Rainer Messerklinger (unter Verwendung eines Bildes von Wikipedia) Foto: Getty Images / Gamma-Rapho / Ulf Andersen Unabhängigkeit und Fantasie zurückgeben Die von der Technik hergestellten Realitäten sind längst zu einer zweiten Natur geworden. Der vor 30 Jahren verstorbene französische Soziologe Jacques Ellul hat die Probleme einer effizienzversessenen Zivilisation früh erkannt. Seite 17 Österreichs EU-Wahlkampf ist endgültig zur Groteske geworden – und stellt sogar die „Freie Republik“ der Wiener Festwochen in den Schatten. Die Folgen könnten verheerend sein. Politik als Fiebertraum AUS DEM INHALT Politische Grabenkämpfe Nach dem Anschlag auf Ministerpräsident Robert Fico stehen die Menschen in der Slowakei unter Schock. In der Politik soll nun Ruhe einkehren. Kann das gelingen? Seite 8 Von Doris Helmberger Vermummte jagen durch das Wiener Rathaus. Sie rufen nach Revolution, sie rempeln Aktenträger beiseite und stürmen vorn, auf dem Rathausplatz, mit pinken, grünen und schwarzen Stricksturmhauben auf die Bühne. „Vorbei die Zeit der Hinterzimmer und der Gremien“, lautet ihr Motto, nun kommen „Wiener Prozesse“ und ein „Rat der Republik“. Gemeinsam tönt man Rebellensongs, und am zornigsten rebellieren die Frauen: „Ich töte euch alle / Ich bring euch alle um / Vielleicht häng ich euch auf / Vielleicht stech ich euch in den Bauch“, schleudert „Bipolar Feminin“ den alten, weißen, kapitalistischen Besserwissern entgegen. Die Provokation war naturgemäß gewollt bei der Eröffnung der Wiener Festwochen, für die heuer der linksaktivistische Tausendsassa Milo Rau als Intendant verantwortlich zeichnete. Und die FPÖ reagierte wie auf Geheiß: Wegen des Stücks „Fotzenschleimpower gegen Raubtierkaputtalismus“ von Mateja Meded stellte man eine parlamentarische Anfrage an Minister Werner Kogler. So weit, so absehbar: Schließlich gehört das Anarchische, Widerständige, lustvoll Bedrohliche sui generis zur Kunst. „ Wie toxisch nicht nur alte weiße Männer, sondern auch junge Aktivisten sein können, lässt staunen. “ Und doch verstörte der diesjährige Festwochen-Auftakt noch ein wenig anders. Lag es am kurz davor geschehenen Attentat auf Robert Fico, dass Slogans wie „Ich töte euch alle“ plötzlich etwas anders klangen? Lag es an der Realexistenz eines verschwörungsaffinen „Anti-System-Volkskanzlers“, dass die Lust auf Entmachtung der „Hinterzimmer“ und „Gremien“ ihren radikalen Witz verlor? Tatsächlich revoltierte man auf dem Rathausplatz haarscharf am Abgrund. Der Eklat rund um ein Transparent, das als Sympathieerklärung für die terroristische Hamas gedeutet wurde, aber inmitten farblich ebenso einschlägiger „Freie Repu blik“- Flaggen fast unterging, offenbarte den schmalen Grat (vgl. „Federspiel“, Seite 18). Unendliche Affäre Schilling Wie schmal im Politaktivismus der Grat zwischen Ambition und Destruktion verläuft, zeigt sich indes an der Affäre rund um Lena Schilling, die nunmehr eine weitere Wendung nahm. Warf man der EU-Spitzenkandidatin der Grünen zunächst „nur“ Charakterschwäche vor, so geht es in den jüngsten, wiederum vom Standard publizierten Vorwürfen um unterstellte Wählertäuschung. In persönlichen Gesprächen wie auch in Chats soll Schilling davon gesprochen haben, nach der EU-Wahl von den Grünen zur Linksfraktion im EU-Parlament wechseln zu wollen. Auch habe sie ihr Leben lang „niemanden so sehr gehasst“ wie die Grünen, heißt es laut Standard in einem Chat von Ende Jänner dieses Jahres. Doch wenn sie erst einmal zur Spitzenkandidatin gewählt sei, könne die Partei „nichts mehr machen“. Es ist ein politischer wie medienethischer Fiebertraum, der hier seine Fortsetzung findet. Abermals dementiert Schilling die Vorwürfe – und die grüne Spitze steht weiter hinter ihr. Dennoch scheint das Vertrauen mehr und mehr verspielt. Die Verantwortung für dieses demokratiepolitische Desaster trägt einzig und allein die grüne Spitze: Sie hat die erst 23-jährige Klima aktivistin, die aus ihrer Kritik an der zwangsläufig pragmatisch gewordenen Partei nie ein Hehl gemacht hatte, aufs Schild gehoben – offensichtlich ohne ausreichende Überprüfung ihrer Eignung sowie ohne Bedachtnahme etwaiger Revanchefouls aus ihrem bisherigen „Freundeskreis“. Wie toxisch nicht nur alte weiße Männer, sondern offenbar auch junge Aktivistinnen und Aktivisten sein können, lässt staunen. Was vorerst bleibt, ist verbrannte Erde. Und das just in jenen entscheidenden Wochen, in denen das Ringen um politische Inhalte sowie das Auftreten gegen Demokratiefeinde wichtiger wären denn je. Sonst klingt die Ode auf die „Freie Republik“ am Ende in ganz Europa so wie jüngst auf dem Wiener Rathausplatz: wie ein schaler Abgesang. doris.helmberger@furche.at Vergängliche Schöpfung Zwei Zugänge zur Klimadebatte: Ulrich H. J. Körtner über christliche Umweltethik ohne theologische Substanz – und Sarah Kessler über Gründe der Polarisierung. Seiten 10–11 „Ich bin ein Opfer der Frauenquote!“ Die Theologie-Professorin Angelika Walser muss in unzähligen Kommissionen sitzen. Für ihre eigene wissenschaftliche Arbeit bleibt da wenig Zeit. Eine Polemik. Seite 12 Offene Frage nach Übernatürlichem Marienerscheinungen gehören zum katholischen Universum. Rom stellt deren Anerkennung nun auf – vernünftige – neue Beine, findet Otto Friedrich. Seite 15 Raubkunst auf Sommerfrische Motiviert durch das Kulturhauptstadtjahr wird im Salzkammergut wieder mehr über die Zeit des Nationalsozialismus diskutiert. Ein Besuch in zwei Museen. Seite 20 @diefurche @diefurche furche.at @diefurche Die Furche Österreichische Post AG, WZ 02Z034113W, Retouren an Postfach 555, 1008 Wien DIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 Wien Telefon: (01) 512 52 61-0

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