DIE FURCHE · 12 20 Ausstellung 23. März 2023 Von Theresa Steininger ist diesmal als Toorop verkleidet gekommen.“ Was sich „Klimt wie eine lustige Anekdote aus der Faschingszeit anhört, ist in Wahrheit eine Äußerung von Maler und Kunstkritiker Adalbert Seligmann über Gustav Klimts „Beethovenfries“, die einen spannenden Punkt anspricht: Gerade jener Künstler, den viele als genuin-innovativen Schöpfer ansehen, hat sich zeitlebens Anregungen aus den Arbeiten internationaler Kolleginnen und Kollegen geholt. Findet man im „Beethovenfries“ etwa Jan Toorop und Margaret Macdonald Mackintosh mit ihren entrückten Figuren und ornamentalen Körpern als Inspirationsquelle, so brachte die Auseinandersetzung Klimts mit Werken von Monet und Van Gogh einerseits neoimpressionistische Lichtstimmungen, andererseits starke Konturen und pastosen Farbauftrag in die Werke des Secessions-Mitbegründers ein. Auf Basis einer langjährigen Recherche des Belvedere und Van Gogh Museum Amsterdam zeigt das Untere Belvedere nun die Ausstellung „Klimt. Inspired by Van Gogh, Rodin, Matisse ...“, die detailreich Aufschluss darüber gibt, wer für Klimt richtungsweisend war. Märchenhaft Nach Jahrzehnten erstmals wieder in Wien präsentiert: Gustav Klimt, „Wasserschlangen II“, 1904/1906–07. Welche Einflüsse einst auf Gustav Klimt wirkten und damit den Nimbus des einsamen Genies konterkarieren, zeigt eine aktuelle Schau im Unteren Belvedere. Van Gogh und Monet als Vorbilder für Klimt Das beginnt bei Lawrence Alma-Tadema, dessen klassische Schlichtheit für Klimts Anfangswerke Vorbild war. Nicht von ungefähr kämpfte Klimt durch seine Abspaltung vom Wiener Künstlerhaus um mehr internationalen Austausch, aus dem er sein Werk auch speiste: Er war hochinteressiert an dem, was an Strömungen aus dem Ausland kam. Reisen waren es einerseits, die ihn „ Was sicher ist: Klimt war immer offen für Neues und schöpfte keinesfalls nur aus sich selbst. “ Werke von Kollegen kennenlernen ließen. Andererseits war es stets das Bestreben der Secessionisten, Arbeiten von jenen, deren Innovationsgeist sie sich verbunden fühlten, in ihre Ausstellungen nach Wien zu holen. „Schon seine Zeitgenossen erkannten, wie offensichtlich sein Werk von den modernsten Künstlern und Künstlerinnen seiner Zeit geprägt war, die er in den Ausstellungen der Secession, der Galerie Miethke und anderswo kennenlernte. Wir zeigen in prägnanten Vergleichen, wie Klimt mit treffsicherem Instinkt die künstlerischen Errungenschaften seiner Foto: Privatsammlung, courtesy of HomeArt Zeit für seine eigene Entwicklung nutzte“, hält Belvedere-Kurator Markus Fellinger fest. Tatsächlich sind die Gegenüberstellungen sehr aufschlussreich: Da hängt Franz von Stucks „Die Sünde“ neben Klimts „Judith“ – und man sieht, wie die suggestive Sinnlichkeit beider sich ähnelt. Dort zeigt man Giovanni Segantini als Vorbild bei der Verwendung von Goldpulver. In einem eigenen Raum strahlen dem Besucher die entrückten Figuren von Margaret Macdonald Mackintosh und Jan Toorop entgegen. In den „Engelsgleichen“ der Britin lösen sich Körper in Formen und Ornamente auf – wie es Klimt dann auch, wohl nach dem Studium der Werke Macdonald Mackintoshs, in seinem „Beethovenfries“ machte. Märchenhaft entrückt wirken auch die „Wasserschlangen II“, deren Präsenz in der Ausstellung als Sensation gefeiert wird, wurde das Gemälde doch seit Jahrzehnten nicht in Wien präsentiert. Die speziellen Farbkompositionen eines James Abbott McNeill Whistler dürften Klimt ebenso beeindruckt haben, was er etwa im Porträt von Sonja Knips umsetzte. Auch sehr bekannte Namen werden Klimt als Inspirationsquellen nachgewiesen: Lichtstimmung und Farbpalette von „Ein Morgen am Teiche“ lassen an Monet denken, dessen „Arm der Seine bei Giverny im Nebel“ hier neben Klimts Werken hängt. Starke Kontraste und Konturen dürften Klimt wiederum an Van Goghs Arbeiten fasziniert haben, Parallelen zu „Allee zum Schloss Kammer“ werden nahegelegt. Kurze Pinselstriche wie Georges Seurat verwendet er in „Blühender Mohn“. Für den emotionalen Ausdruck werden Rodins Werke, für die Flächen- und Linienkunst Toulouse-Lautrec und Bonnard als Quellen geltend gemacht. Für die intensive Farbigkeit des „Bildnis Mäda Primavesi“ dürfte Klimt Anleihen bei den Fauves und Matisse genommen haben. Kunst als Echo von Einflüssen Was sicher ist: Klimt war immer offen für Neues und schöpfte keinesfalls nur aus sich selbst. Man sehe anhand der Gegenüberstellungen „Klimt mit neuen Augen“, sagt Belvedere-Direktorin Stella Rollig: „Als einen innovationsfreudigen Künstler, der andere Kunst studiert, aus seinen Quellen nie ein Geheimnis machte, neuen Strömungen stets neugierig gegenüberstand und deren Anregungen in seine Arbeit einfließen ließ.“ Faszinierend, wie durch die Gegenüberstellungen im Unteren Belvedere nun Inspirationsquellen zu neuen Ehren kommen und ein anderes Bild eines Künstlers entsteht, dessen Nimbus des einsamen Genies gebrochen wird. Klimt. Inspired by Van Gogh, Rodin, Matisse ... Unteres Belvedere Bis 29. Mai 2023, täglich 10‒18 Uhr www.belvedere.at IN KÜRZE MUSIK ■ Heidelberger Musikpreis LITERATUR ■ Jorge Edwards (1931‒2023) WISSEN ■ Warnung des Weltklimarats MEDIEN ■ „Wiener Zeitung Stammbuch“ Der Salzburger Percussionist Martin Grubinger erhält den diesjährigen Heidelberger Frühling Musikpreis, der am 5. April verliehen wird und mit 10.000 Euro dotiert ist. Mit dieser Auszeichnung würdigt das Musikfestival Grubingers Verdienste für die Vermittlung von klassischer Musik und ehrt seine Bemühungen, ein breites Publikum, insbesondere eine junge Generation, an Musik heranzuführen. Der Schlagzeugvirtuose gilt als einer der Besten in seinem Fach und ist bekannt für seine Performances auf zahlreichen Schlaginstrumenten. Im heurigen Sommer will der 39-Jährige seine Bühnenkarriere beenden. Politik und Literatur nahmen in seinem Leben und Schaffen einen bedeutenden Stellenwert ein. In seiner Funktion als Diplomat vertrat Jorge Edwards Chile unter anderem in Brüssel, Havanna, Lima und Paris. Seine Erlebnisse in Havanna verarbeitete er in seinem Werk „Persona non grata“ (Wagenbach 2006). 1994 erhielt er den Nationalen Literaturpreis Chiles, 1999 den wichtigsten Literaturpreis der spanischsprachigen Welt, den Cervantes-Preis. Nach dem Militärputsch 1973 in Chile ging Edwards ins Exil nach Spanien. Der chilenische Diplomat und Schriftsteller verstarb am 17. März 91-jährig in Madrid. Nach sechs Teilberichten seit 2018 hat der Weltklimarat (IPCC) nun den „Synthesebericht“ veröffentlicht. „Er unterstreicht die Dringlichkeit ehrgeizigerer Maßnahmen“, sagte IPCC-Vorsitzender Hoesung Lee. Die Treibhausgasemissionen würden weiter steigen, und die aktuellen Pläne seien unzureichend, um den Klimawandel zu bekämpfen, warnte der IPCC. In Zukunft könnte die Klimakrise eskalieren. Der Klimawandel habe bereits die Ernährungssicherheit verringert, die Wasserversorgung beeinträchtigt und behindere die Bemühungen, die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) zu erreichen, so der Bericht. Als Protest gegen die drohende Einstellung der Printausgabe der Wiener Zeitung legt die IG Autorinnen und Autoren ein „Wiener Zeitung Stammbuch“ auf. Dieses versammelt Beiträge, die sich mit dem 320-jährigen Bestehen der ältesten Zeitung der Welt sowie mit den Plänen der Regierung zur Abschaffung der Wiener Zeitung beschäftigen. Zu Wort kommen prominente Fürsprecher, u. a. Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, Robert Menasse. Eine erste Rohfassung wurde Medienministerin Susanne Raab (VP), Mediensprecherin Eva Blimlinger (Grüne), Bundeskanzler Karl Nehammer (VP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) überreicht.
Laden...
Laden...
Ihr Zugang zu neuen Perspektiven und
mehreren Jahrzehnten Zeitgeschichte.
© 2023 DIE FURCHE