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DIE FURCHE 23.03.2023

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DIE

DIE FURCHE · 11 16. März 2023 n seinem letztwöchigen Gastkommentar hat sich Paul Mychalewicz einen – ja: journalist im „Morgenjournal“. Hier alle relezende der Denkmalkommission, der Historiker fe, also um 2000 Zeichen mehr als der Radiokommt zudem mit O-Ton ausführlich der Vorsit- einen – „Morgenjournal“-Beitrag eines vanten Informationen unterzubringen, ist ein Dieter A. Binder von der Uni Graz, zu Wort. Redakteurs herausgegriffen, um zu behaupten, „mit tendenziösen Beiträgen“ einzelne Beitrag in der tagesaktuellen Bericht- ideologisch umkämpfter Begriff und dürfte kleines journalistisches Kunststück. Jeder „Der Ausdruck ,Austrofaschismus‘ ist ein drohe der ORF „das noch vorhandene Vertrauen zu verspielen“. Selbst wenn dieser eine Beilich die Ö1-Journale – muss übrigens nicht alle den“, lautet eine weitere Kritik von Mychaleerstattung – darunter fallen rundfunkrecht- daher nicht unkommentiert verwendet wertrag nicht objektiv gewesen wäre, berechtigte Aspekte abdecken, besonders wenn es ohnedies zum Thema an mehreren Tagen Berichte entscheidende Merkmale des Faschismus nicht wicz an Kappacher. „Da das autoritäre Regime er zu keiner Verallgemeinerung. Aber weshalb war er denn nicht objektiv? Es ging um einen gibt. Mit ein paar Rechercheklicks hätte Mychalewicz in der Medienberichterstattungsdate Österreich‘ bewusst für den Ausdruck ,Doll- beinhaltete, hat sich das ,Haus der Geschich- Bericht über die Umbenennung einer Bundesheer-Kaserne. In einer Kommission wurde der tenbank „APA defacto“ das prüfen können. Er fuß-Schuschnigg-Diktatur‘ entschieden“, behauptet Mychalewicz und ist damit zumindest Vorschlag kontrovers debattiert, eine bisher wäre auf zumindest einen weiteren Ö1-Bericht nach dem Kriegsverbrecher Alois Windisch benannte Kaserne künftig nach dem ersten Verten gestaltet und ebenfalls im „Morgenjour- in den Lexikon-Einträgen des „Digitalen Mu- zum Thema gestoßen, vom gleichen Journalis- recht unpräzise. Denn das HdGÖ verwendet teidigungsminister der Zweiten Republik, Ferdinand Graf, zu benennen. „Rasch wurde aber „Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur“, weiters „aunal“, bereits zwei Tage früher gesendet. seums“ sowohl „Austrofaschismus“ als auch klar, dass das Ziel in der Denunzierung Grafs toritäre Regierung Engelbert Dollfuß“ sowie als ungeeignet für die Namensgebung bestand“, unterstellt Mychalewicz. Er behaup- aber im Übrigen eine völlig verfehlte Kritik „Dollfuß-Regierung“, je nach Autor(in). Es ist tet: „Graf war ,Austrofaschist‘, sein ,Pluspunkt‘ an Kappachers „Morgenjournal“-Beitrag: Dort KZ-Aufenthalt wird ihm aber gestrichen wegen ist in der einleitenden Moderation einmal von der Gespräche, die er nach 1945 mit ehemaligen Nationalsozialisten führte.“ „austrofaschistischen Funktionär“ Ferdinand Von Fritz Hausjell „Dollfuß-Diktatur“ die Rede und einmal vom Graf. Zwei Tage vorher sprach Kappacher vom Vorenthaltene Informationen „Dollfuß-Regime“. Das war‘s auch schon. Da hört Das ist ein Vorwurf, der nicht hält. Es wurde nichts gestrichen, wie der Bericht von Stefan mus“, wo es nicht einmal ausgesprochen wurde. jemand das schreckliche Wort „Austrofaschis- Kappacher verdeutlicht. Dieser endet ohne Auslassungen im „Ö1-Morgenjournal“ vom 17. Februar dieses Jahres mit folgenden Sätzen: „Graf Wie schlecht recherchiert darf eigentlich Übles ORF-Bashing war als austrofaschistischer Funktionär von die Faktenbasis einer Kritik am Journalismus den Nazis im KZ Dachau interniert. Nach dem sein? Wie grob darf jemand austeilen, wenn jemand nichts als eine vorgefasste Meinung in Krieg war er Verbinder zu ehemaligen NSDAPlern, führte die Kameradschaftsverbände eng der Hand hat? „Manche ORF-Journalisten bemänteln ihre politische Schlagseite mit dem ans Heer heran und begrüßte den Kriegsverbrecher Windisch nach der Rückkehr aus jugoslawischer Haft an der Grenze. Ausgerechhängigkeit in der Berichterstattung. Das Re- Pochen auf ihre Weisungsfreiheit und Unabnet Graf, da könne man sich die Umbenennung Dieser zweite Beitrag hebelt übrigens folgende finale Kritik von Mychalewicz vollends Willkür in Sendungsbeiträgen sein.“ Ich haldaktionsstatut darf aber kein Freibrief für gleich sparen, habe der Tenor auf diesen Vorschlag gelautet. Nach drei Minuten sei die Diskussion vorbei gewesen, heißt es dazu aus der te Journalisten immer wieder in dieselbe Rich- Mit Journalismuskritik hat das nichts zu tun. aus: „Aber irgendwann fällt auf, dass bestimmte Sätze wie diese für eine grobe Verleumdung. Denkmalkommission.“ Einige dieser Fakten tung argumentieren und sich jeweils die Interviewpartner aussuchen, die ihnen ins Konzept dieser Zeit bereits zu viel. Da hat jemand entwe- Das ist übles ORF-Bashing. Davon haben wir in hat Mychalewicz allerdings seinerseits dem FURCHE-Publikum vorenthalten. Stattdessen passen.“ Ein harter Vorwurf, der auch auf den der überhaupt keine Ahnung von den zentralen hob er lobend hervor, dass Graf „gegen Ende der Historiker Florian Wenninger gemünzt ist. Allerdings war er nicht der einzige Gesprächs- Stützen – oder aber er will sie schwächen. Axiomen eines freien Journalismus und seinen Besatzungszeit diskret die B-Gendarmerie als Vorstufe für das neue Bundesheer aufbaute“. partner, im Beitrag werden auch Auskünfte seitens des Verteidigungsministeriums referiert. Der Autor ist Medienwissenschafter an der Dabei hatte der Kritiker in der FURCHE rund 5200 Zeichen Platz für seine Vorwür- Im ersten Beitrag zur Kasernen-Umbenennung Universität Wien. PORTRÄTIERT Xi Jinpings rechte Hand s ist ein Name, der bis zum vergangenen Oktober außerhalb Chinas weitgehend fremd war, heute jedoch eines der höchs- Ämter der chinesischen Politik ziert: Li Qiang wurde vom Eten chinesischen Volkskongress zum neuen Ministerpräsidenten ge- Li Qiang gilt als treuer Anhänger Xi Jingpings. Nun wurde er zum chinesischen Miniswählt. Der 63-Jährige folgt auf Li Keqiang, der nach zehn Jahren aus dem Amt scheidet. Vor allem für die Wirtschaft ist das Amt von großer Bedeutung. Denn während der Präsident in China für das große wählt. terpräsidenten ge- Ganze zuständig ist, obliegt die konkrete Wirtschaftsplanung traditionell eher dem Premier. Doch diese Aufteilung hat unter Xi Jinping stark gelitten. Er hat Li Keqiang deutlich weniger Spielraum gelassen und die Macht – wie auch in anderen Bereichen – bei sich konzentriert. Während der frühere Premier einem anderen politischen bruch im Frühjahr 2022 nicht in den Griff bekam, wurde die Stadt Lager angehörte, gilt Li Qiang als Vertrauter des Präsidenten. schließlich für zwei Monate in einen strengen Lockdown versetzt. Qiang blickt auf eine lange Karriere zurück, die er vor allem an Politisch hat Li Qiang das offenbar nicht geschadet. „Mehr als drei der wohlhabenden Ostküste Chinas verbrachte. Als Parteisekretär Jahre lang hat das chinesische Volk unter der starken Führung der in Shanghai setzte er sich für die Interessen der Wirtschaft ein und Kommunistischen Partei gemeinsam gegen Covid-19 gekämpft, und warb gleichzeitig um ausländische Investitionen. Während seiner jetzt haben wir einen großen und entscheidenden Sieg im Kampf gegen die Krankheit errungen“, sagte Li Qiang am Montag auf einer Amtszeit baute Tesla eine große Fabrik in der Stadt. „Er redet nicht so viel über Ideologie, sondern ein bisschen mehr darüber, wie man Pressekonferenz zum Abschluss der Jahrestagung des Pekinger Dinge macht“, sagte Nis Grünberg vom China-Institut Merics in Berlin. Unter der Aufsicht von Li Qiang ging Shanghai während der Co- vor allem der High-Tech-Industrie zuwenden. Eine große Herausfor- Volkskongresses. Als Ministerpräsident, so Experten, wird er sich rona-Pandemie zunächst weniger restriktiv mit dem Virus um als derung angesichts der strikten „Null-Covid“-Politik und dem angeschlagenen Verhältnis zu den USA. (Jana Reininger, viele andere Regionen Chinas. Da die Metropole jedoch einen Aus- APA) Von Brigitte Quint der Straße, in den Wartezimmern, im Supermarkt fast ausnahmslos in Schwarz, Grau oder Dunkel-Dunkel-Khaki gekleidet sind. Kurzum: Eine kollektive Allergie gegen Farben scheint umzugehen. Ganz besonders gegen Ende des Winters, wenn die Hoffnung auf Frühling langsam zu keimen beginnt. Diese Phase geht bei mir meist mit einer Verkühlung einher. Ich kleide mich luftiger und bunter, obwohl es noch zu kalt ist. Also für das luftig. Nicht für das bunt. Womit wir wieder bei Bruno Bötschi wären. Der stört sich ebenfalls an der trostlosen Bekleidung seines Umfeldes. Im Gegensatz zu mir grantelt er nicht in eine Kolumne hinein, sondern geht konstruktiv an die Sache heran. So interviewte er einen Farbforscher, der erklärte: Das Innere würde nach außen gekehrt; und in der kalten Jahreszeit wäre eine gewisse Gemütstristesse festzustellen. Eine Designerin sagte zu ihm, dass dunkle Langweilerfarben Pölsterchen verdeckten, die sich über den Winter angesammelt hätten. Der Stilexperte Jeroen van Rooijen schiebt die farblose Kleiderwahl auf die Faulheit des Trägers. Weil sich gedeckte Töne einfacher kombinieren ließen. Und weil es in der Kälte eben viel zu kombinieren gäbe, handle der modeunbewusste Normalbürger zielorientiert. Aber stillos. Ich trage heute ein rotes Shirt und einen pinken Blazer. Die Farben beißen sich. In der morgendlichen Hektik ist mir das nicht aufgefallen. Nun sitze ich da wie ein Paradiesvogel. Zielunorientiert; gewollt und nicht gekonnt; kunterbunt. Bruno Bötschi, falls es Sie interessiert: Mein Seeleninnenleben ist damit hinlänglich beschrieben. Gelernte Burgenländer erinnern sich an einen Altvorderen, Theodor Kery, der 1966 Landeshauptmann des jüngsten Bundeslandes wurde. Der Politiker festigte die Herrschaft seiner Partei im damaligen Armenhaus Österreichs, welche die SPÖ erst kurz zuvor errungen hatte. Kerys Name ist untrennbar mit einem unglaublichen Modernisierungsschub im Osten Österreichs verbunden: höhere Schulen vom Norden bis in den Süden, Kulturzentren (meist von einem Architekten designt), die heute zum Gutteil wieder abgerissen sind, eine Autobahn/Schnellstraße durchs Land und so weiter. Die Kehrseite der Ära Kery, die bis 1987 währte und mit einer Reihe von Skandalen endete, war eine Unterwerfung weiter Teile des Landes unter die Kuratel der lokalen Sozialdemokratie. Posten im öffentlichen Dienst und auch Mittelvergabe standen im Geruch der Parteibuchwirtschaft. Die SPÖ war auch nach Kerys Abgang vor 37 Jahren im Burgenland nie von den Futtertrögen der Macht abgeschnitten. Man sollte sich – gerade angesichts der aktuellen paternalistischen Landespolitik, die sich auch als Füllhorn-Ausschütterin ans Landesvolk geriert – an Theodor Kery erinnern. Gerade dann, wenn sein Nachnachnachnachfolger zum Marsch auf Wien geblasen hat. Otto Friedrich DIE FURCHE · 12 12 Forum 23. März 2023 DIE FURCHE EMPFIEHLT Medienalltag in der Ukraine MEDIENMAGAZIN „CONTINENT“ In der neuen Folge von „Continent“ spricht Golli Marboe mit Marc Stegherr. 2018 erschien sein Buch „Der neue Kalte Krieg der Medien: Die Medien Osteuropas und der neue Ost-West-Konflikt“. Nun erleben wir seit über einem Jahr den echten Krieg zwischen Russland und der vom Westen unterstützten Ukraine. Was bedeutet das für den Medienalltag in der Ukraine? Continent: Medien in der Ukraine Sa, 25.3., 17 Uhr & Mi, 29.3., 21 Uhr Radio Klassik Stephansdom www.radioklassik.at Angst und die Religionen FACHTAGUNG Wie ambivalent das Thema Angst in den Religionen ist, erläutern Expert(inn)en und Psychotherapeut(inn)en aus Judentum, Islam, Christentum und Buddhismus – u. a. Emmanuel Bauer, Theologe und Psychotherapeut, Moussa Al-Hassan Diaw, Verantwortlicher für Extremismusprävention im BM für Justiz, und Bischof Hermann Glettler, Innsbruck. Religionen und die Angst Bildungszentrum St. Virgil, Salzburg Mi, 29.3., 9 bis 18.30 Uhr www.virgil.at 34. Ybbsiade startet FESTIVAL Die 34. Auflage der Ybbsiade wird von 24. März bis 29. April 2023 einmal mehr ein bunt gemischtes Kabarettprogramm ins niederösterreichische Mostviertel bringen. Das Programm setzt auf junge Stars und große Namen. Neu ist die Ybbsiade-Winter-Edition, die Walter Kammerhofer mit einem Special zum Jahreswechsel am 29. Dezember 2023 bestreiten wird. 34. Ybbsiade Hauptbühne – Stadthalle Ybbs 24. März bis 29. April www.ybbsiade.at RELIGION IN KÜRZE IHRE MEINUNG Schreiben Sie uns unter leserbriefe@furche.at Das Steuer herumreißen Die rechten Visionen Von Doris Helmberger Nr. 11, Seite 1 Dem Kanzler gegenüber einen so wertvollen Klartext zu verfassen, ist ein der Ausrichtung der FURCHE zutiefst geschuldeter Dienst. Ich habe leider angesichts derartiger Zielverfehlung betreffend Klimaschutz in der Rede des Kanzlers zu wenig Aufschrei anderer Medien bemerkt. Das Ganze hat nicht gerade zum Ernstnehmen der ÖVP beigetragen. Vielmehr hat sie sich damit in meinen Augen als Führungskraft disqualifiziert. Die Aussage „Österreich ist ein Autoland“ und die Behauptung, die Klimakrise sei wissenschaftlich gar nicht bewiesen, zeigen deutlich, dass man noch nicht einmal begonnen hat, sich ernsthaft mit deren Bekämpfung zu beschäftigen. Als in der römisch-katholischen Kirche vor Jahrzehnten klar wurde, dass das Haus brennt, hat man sich damit begnügt, Bilderrahmen abzustauben. Ich habe den Eindruck, dass heute, wo längst wissenschaftlich erwiesen ist, dass bei einem Weiter-so die Existenz unserer Spezies auf dem Spiel steht, die verantwortlichen Politiker das drohende Zukunftsszenario ebenso nicht ernst nehmen. Muss man nicht das Steuer herumreißen, bevor es zu spät ist? Johann Nußbaumer 4870 Vöcklamarkt Rote Linie überschritten Journalismuskritik braucht Faktenbasis. Von Fritz Hausjell Nr. 11, Seite 15 Es ist bemerkenswert, mit welcher Sorglosigkeit ein Universitätsprofessor für Publizistik mit dem Ausdruck „grobe Verleumdung“ eine rote Linie überschreitet. Im Parlament handelt man sich jedenfalls dafür einen Ordnungsruf ein. Ich verwahre mich daher mit aller Deutlichkeit gegen diesen völlig unangemessenen Vorwurf. Keine Freiheit ist grenzenlos. Aus gutem Grund braucht es gesetzliche Regeln. ORF-Journalisten sind nicht sakrosankt. Auch sie müssen sich einem Diskurs stellen. Sie entscheiden nicht, welche Fakten vorgebracht werden dürfen und welche unerwünscht sind. Auch die redaktionelle Überschrift über der Replik enthält einen Spin, der nicht passieren sollte. Ein Journalistenpreis macht keinen Beitrag höherstehender als die Kritik daran. Die Unparteilichkeit eines öffentlich-rechtlichen Senders ist jedenfalls ein hohes Gut, das nicht leichtfertig verschleudert werden sollte. Gegen den Hintergrund der vielleicht nicht ideal gelaufenen Diskussion um Gary Lineker in England erscheint der Umgang mancher ORF-Journalisten mit Social Media höchst problematisch. Wer unter Ausnutzung seiner Bekanntheit als Redakteur ständig Meldungen mit sehr expliziter politischer Ausrichtung postet, dem glaubt man seine Objektivität in ORF-Beiträgen nicht mehr. So eine Person schadet damit ihrem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber. Daher erscheint mir eine Diskussion über Regeln zur Unparteilichkeit für in diesem Bereich Tätige nach dem Vorbild der BBC als demokratiepolitisch unabdingbar. Mag. Paul Mychalewicz via Mail I ■ Bischöfe: Kein Forcieren der „heißen Eisen“ der Kirchenreform Österreichs katholische Bischofskonferenz hielt letzte Woche die Frühjahrsvollversammlung ab. Wie ihr Vorsitzender, Salzburgs Erzbischof Franz Lackner, bei der Abschlusspressekonferenz in Wien berichtete, war vor allem der weltweite synodale Prozess Thema der Beratungen. Dabei wurde auch über den Pflichtzölibat für Priester geredet; allerdings ist nach den Worten Lackners eine Entscheidung Roms dazu ebenso wenig absehbar wie in der Frage des Frauendiakonats. Man müsse beim Pflichtzölibat die zugehörigen Fragen wie „Was sind die Motive, was geben wir auf, was wird Neues kommen“ klären und „einer Entscheidung zuführen, wenn es Zeit ist“, so Lackner. Die Kirche sei ein organisches Foto: Privat DIESSEITS VON GUT UND BÖSE Foto: APA / AFP / Greg Baker Diskurs Die harsche Kritik von Paul Mychalewicz in der letzten FURCHE am ORF und dem „Robert- Hochner-Preis“-Träger Stefan Kappacher ist unfundiertes Ressentiment. Eine Erwiderung. Journalismuskritik braucht Faktenbasis „ Da hat jemand entweder keine Ahnung von den Axiomen eines freien Journalismus – oder er will sie schwächen. “ ZUGESPITZT Reminiszenz QUINT- ESSENZ 15 Des Trägers Faulheit runo Bötschi. Er arbeitet für ein Schweizer Onlineportal – und hat mir Bviel Arbeit erspart. Ich wollte eben loswettern, dass die Leute in der U-Bahn, auf Nur vorgeblich objektiv Wie oben sowie ORF: Keine Agitation auf unsere Kosten! Von Paul Mychalewicz Nr. 10, Seite 15 Es war ein interessanter Beitrag von Paul Mychalewicz, wie heute – wo keine Zeitzeugen mehr leben – Menschen, die gegen den Nationalsozialismus gekämpft haben, in ihrem Ansehen kaputtgemacht werden. Auch wenn sie im KZ einsitzen mussten, so wie eben der Bauernbundfunktionär und spätere erste Verteidigungsminister der zweiten Republik, Ferdinand Graf. Seltsamerweise wird ihm aber vorgeworfen, dass er schon vor 1938 als politischer Funktionär am Widerstand des Ständestaats gegen die Nazis teilgenommen hat. Nur weil eben einige Historiker und Politiker diesen Staat als „austrofaschistisch“ bezeichnen. Auch darüber kann man sicher diskutieren. Bedenklich finde ich es aber, wenn diese Leute gleichzeitig auch den Nationalsozialismus Gebilde und müsse „hineinwachsen“. Der Papst, der den Pflichtzölibat kürzlich als revidierbar bezeichnet hatte, habe aber auch gesagt, dass er die Entscheidung wahrscheinlich nicht mehr erleben werde. Lackner: „Es ist niemand radikal dagegen, und es schreit niemand, es muss morgen kommen.“ Ähnlich abwartend äußerte sich der Erzbischof zur in Deutschland forcierten Homosexuellensegnung oder beim Diakonenamt für Frauen. Lackner verwies er auf die 2000-jährige Geschichte des Christentums und das Thema weltweite Einheit der Kirche. „Wir sind Verwalter von Teilwahrheiten. Und das geht nur so lange gut, solange sich jemand um das Ganze bemüht“, sagte Lackner. BILDUNG als „faschistisch“ bezeichnen. Denn hier besteht wohl die Absicht, den Widerstand Österreichs zu verleugnen und gleichzeitig den Nationalsozialismus zu verharmlosen. Darum geht es in dem Artikel von Paul Mychalewicz. Seine Kritik an der ORF-Berichterstattung fordert eigentlich nur, dass eben verschiedene Ansichten über kontroversielle Themen in einen vorgeblich objektiven Beitrag eingearbeitet werden sollen. Und Kritik am Journalismus ist auch Teil von Meinungs- und Pressefreiheit. Anders sieht das Fritz Hausjell. Mit dem Satz „Ich halte Sätze wie diese für eine grobe Verleumdung“ will er offenbar neben der auf uns zukommenden Zusatzsteuer auch noch eine strafrechtliche Absicherung des ORF-Monopoljournalismus einfordern! Mag. Walter Tancsits Ehem. Abg. zum Nationalrat (ÖVP) via Mail Vertrauen in ORF wie oben Schade, dass die Frage, wie man in einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk Qualität und Objektivität sicherstellt, an einem Redakteur und einem Beitrag abgehandelt wird. Denn natürlich kommt mit der medialen Macht auch Verantwortung, und klarerweise arbeiten Redakteurinnen und Redakteure im ORF in einem politischen Umfeld (dass „politisch“ nicht notwendigerweise „parteipolitisch“ bedeutet, sei nur am Rande unterstrichen), sie haben eigene politische Haltungen, und ihre Beiträge sind nicht sakrosankt. Interessant fände ich neben einer institutionalisierten Selbstreflexion – von der ich ausgehe, dass es sie gibt –, wenn sich der ORF regelmäßig einer peer review durch ausländische öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten unterzöge oder immer wieder einmal Expertinnen und Experten aus dem Ausland zu einer Analyse einlüde. Das würde mein durchaus vorhandenes Vertrauen in den öffentlichen Rundfunk stärken. Stefan Freytag via Mail Großartig und deprimierend Von der Hoffnung in die Hölle Von Victoria Schwendenwein Nr. 10, Seiten 12–13 Ich danke Victoria Schwendenwein und der FURCHE für diesen großartigen, wenn auch deprimierenden Artikel über Menschenhandel – ein Thema, das viel öfter, ja unablässig öffentlich thematisiert werden sollte. Johannes Zachhuber 3364 Neuhofen/Ybbs ■ Ausbau der FH-Studienplätze Der Fachhochschul-Entwicklungs- und -Finanzierungsplan sieht bis 2025/26 genau 2625 neue bundesfinanzierte Studienplätze vor. Damit wurde offenbar auf die Kritik der Fachhochschulen reagiert. Der ursprüngliche Entwurf hatte für Aufregung gesorgt, da dieser Ausbau nicht vorgesehen war. Neu sind auch zusätzliche 14 Millionen Euro pro Jahr für Kooperationen und Innovationen. An der geplanten Erhöhung der Fördersätze soll sich nichts ändern. Die FH-Konferenz übt dennoch Kritik. „Ein Plus von 4,5 Prozent erst im Oktober 2024 ist viel zu spät und zu wenig“, sagt Generalsekretär Kurt Koleznik, der das Lehr- und Forschungsumfeld in Gefahr sieht. Geschenkideen für alle ab 16 findet man in den Annahmestellen. Rubbelspaß mit Gewinngarantie Geburtstag, einfach Danke sagen oder vielleicht sogar schon an Ostern denken: Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft und wer noch eine Gewinngarantie drauflegen möchte, wird in den Annahmestellen fündig. Das „Glückspaket“, bereits praktisch verpackt in einem Geschenkset, besteht aus fünf Rubbellosen mit dem Aufdruck „Alles Gute“ und bietet um 10 Euro die Chance auf 10.000 Euro. Jedes Glückpaket enthält mindestens einen Gewinn, und bis zu vier der fünf beigepackten Lose können gewinnen. Für alle, die schon über Geschenke für Ostern nachdenken, könnte sich auch das Frühlingslos „Golden Ei“ als lohnende Variante erweisen. 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DIE FURCHE · 12 23. März 2023 Architektur 13 Das Architekturzentrum Wien zeigt die weltweit erste monografische Ausstellung der ersten Architektin Pakistans. Ihre katastrophenresistenten Häuser sind kostenschonend und retten Leben. „Yasmeen Lari. Architektur für die Zukunft“ ist die faszinierende Begegnung mit einer Frau, die alles neu denkt und tut. Von Isabella Marboe Ihre Körperhaltung ist aufrecht, der Blick rege. Dunkel gekleidet, einen farbigen Schal um die Schultern, sitzt Yasmeen Lari bei der Pressekonferenz im Architekturzentrum Wien. Dort wird ihre weltweit erste monografische Ausstellung gezeigt: „Yasmeen Lari. Architektur für die Zukunft“. Als sie geboren wurde, war Pakistan noch eine britische Kolonie. Ihre 82 Lebensjahre sieht man der Architektin nicht an. Lari ist sehr präsent, hört aufmerksam zu und hat viel zu sagen. Ihre Karriere kennt viele Stationen. Ihre wegweisende Arbeit an einer humanitären Architektur begann erst, nachdem sie ihr Büro bereits geschlossen hatte, und dauert bis heute an; ihre Architektur des „Zero Carbon, Zero Cost, Zero Waste“ ist eine stille Revolution. Sie ist komplett autonom und bedarf keiner Bauindustrie. Stattdessen ermöglicht sie von Naturkatastrophen geschädigten Menschen, die alles verloren haben, sich selbst ihre eigenen Häuser zu bauen. Lari wurde vielfach dafür ausgezeichnet und gibt ihr Wissen in einer Gastprofessur an der Universität Cambridge weiter. Regionale Ressourcen nützen Die Architektin ließ den drei Kuratorinnen Angelika Fitz, Elke Krasny und Marvi Mazhar vollkommen freie Hand. Sie hatten uneingeschränkt Zugang zu ihrem Archiv und konnten sie ausführlich interviewen. Von all dem profitiert die Ausstellung. Lari mischte sich nicht ein und ist zufrieden mit dem Resultat. Die Szenografin Alexandra Maringer gestaltete die Ausstellungsarchitektur ausschließlich aus recycelbaren, natürlich gewachsenen Materialien. Ein demontables Holzgerüst bildet eine organische, räumliche Struktur, die als zentrale Straße unter einem weißen Leinendach den Lebensweg symbolisiert. Von dort zweigen kleine Nischen für die einzelnen Kapitel ab, Fotos und Texte hängen an Bahnen aus Natur leinen, alles ist sehr luftig und ermöglicht viele Durchblicke. Insgesamt neun Stationen zeigen Themen ihres Lebens. Ihr ikonisches Haus, die sozialen Wohnbauten, die Entdeckung der Bautraditionen ihres Landes, ihr humanitäres Engagement. Die Exponate sind vielschichtig – Videos, private Dokumente, Bambusgerüste, Lehm- und Kalkziegel. Den Interviews mit Lari könnte man ewig zuhören. Sie hat viel zu sagen und tut es mit einnehmender Lebendigkeit. Auf Hockern und Plattformen kann man sich bequem Zeit dafür nehmen. Ausgebildet in England, eröffnete sie als erste pakistanische Frau 1964 in Karatschi ihr Architekturbüro. Das Haus, das sie 1971 für sich selbst plante und in dem sie immer noch arbeitet und wohnt, ist mit seinen weit vorstehenden Flachdächern ein betonbrutalistisches Gebäude von Weltrang. Außerdem war es ein wichtiger Treffpunkt für Intellektuelle. Ein Jahr später wurde sie Präsident Zulfikar Ali Bhutto vorgestellt. Die junge Architektin „ Es gibt einen roten Faden durch ihr Lebenswerk: Sie reagiert bestmöglich auf die Situationen, mit denen sie konfrontiert wird. “ überzeugte ihn davon, dass Lehm das Baumaterial der Zukunft sei, und konnte tatsächlich eine Militärbaracke für 60 Soldaten in Bahawalpur (1982) aus Lehm bauen. Lari entwarf Pakistans ersten sozialen Wohnbau in Lahore und dachte dabei immer Freiflächen wie Terrassen, Balkone und Flachdächer für Kinder, Frauen und deren Hühner mit. Ebenso plante ihr Architekturbüro „Lari Associates“ einige Prestigebauten wie das „Finance and Trade Centre“ (1982–1989), das „PSO House“, Headquarters von Pakistan State Oil (1984–1991), und die „ABN Amro Bank“ in Karatschi (1997) – ihr letztes Gebäude dieser Art. Die Ausstellung zeigt im Kapitel „Wahrzeichen eines Boulevard“, wie integrativ auch diese Bauten geplant waren: Ihre schattigen Terrassen bilden erholsame Freiräume, die von allen genutzt werden. Mit ihrem Mann Suhail Zaheer Lari beschäftigte sie sich stark mit der Geschichte, erforschte das kulturelle Erbe, die Bautraditionen ihres Landes, die zwei pakistanischen UNESCO-Weltkulturerbestätten in Makli und Lahore sowie vernakuläre und historische Architektur. „Le Corbusier war unser Gott“, sagt sie. „Nach 150 Jahren Kolonialismus dachten wir, unsere Kultur wäre nichts. Dabei haben Kalkziegel, die sehr kostengünstig sind, Jahrhunderte überdauert.“ Lari lernte aus der Vergangenheit für die Zukunft. Häuser, die Leben retten Es gibt einen roten Faden durch ihr Lebenswerk: Sie reagiert bestmöglich auf die Situationen, mit denen sie konfrontiert wird. Sie lernt dazu, schöpft aus dem Wissen der Vergangenheit und ihrer eigenen Erfahrung, fragt die Menschen, für die sie baut, nach dem, was sie brauchen, und entwickelt daraus etwas Neues. Pakistan ist eines der Länder, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind; regelmäßig kommt es zu Erdbeben und Überschwemmungen, 50 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Als sich dort 2005 das schwerste Erdbeben des letzten Jahrhunderts ereignete, musste Lari einfach tätig werden. „Zigtausende Menschen verloren ihr Fotos: Archiv Yasmeen Lari Ikonisch Wohnhaus in Karatschi,1973: Mit ihrem Architekturstil schuf Yasmeen Lari ikonische Bauten der Moderne. In den letzten Jahren entwickelte sie kostenschonende, sichere und ökologische Bauweisen. Yasmeen Lari (*1940): Als erste pakistanische Frau eröffnete sie 1964 ein Architekturbüro in Karatschi. Leben und ihre Häuser, das einzige Material, das es gab, war Lehm“, erzählt sie. Das Ausmaß der Zerstörung schien unbewältigbar, aber: „In so einer Situation ist man nicht allein. Ich hatte so viele freiwillige Helfer und Helferinnen, es war überwältigend.“ Zwei, drei Monate wollte sie ursprünglich bleiben. „Nun bin ich immer noch da.“ Damals wandte sie sich radikal einer genuin humanitären Architektur zu, die in erster Linie vom Vertrauen in die Fähigkeiten von Menschen und ihrem Sinn für Gemeinschaft getragen wird. „Ich lebte wie wir alle. Ich hatte keine Ahnung, was Armut ist. Sie lehrte mich vieles, ich lerne ununterbrochen.“ Lari war erschüttert, dass Frauen noch am offenen Feuer in der Mitte ihrer Häuser kochen, wo sich ihre Kinder leicht verbrennen und sie selbst lungenkrank werden. Sie war erschüttert zu bemerken, dass es keine Toiletten gibt. Also entwickelte sie vorgefertigte Lowtech-Elemente aus regionalen Materialien wie Bambus, Lehm und Kalk, die überall vorhanden sind und kaum etwas kosten. Als sie die Frauen zu einem Workshop einlud, dachte keiner, dass sie kämen. Doch die Architektin hatte ihnen geholfen, sie vertrauten ihr und gingen meilenweit, um da ran teilzunehmen. Wie man damit baut, kann jeder lernen, ausführen und weitergeben, die Anleitungen stehen als open source im Internet. „Es geht darum, welche Methode die kostenschonendste, sicherste und ökologischste ist, um sie dann massenhaft in Umsetzung zu bringen.“ Tausende Häuser konnten so errichtet werden, tausende Herde mit Plattformen für die Hühner, das Gemüse und die Kinder. Wie Skulpturen stehen sie nun im Freien inmitten der Dörfer als soziale Räume, die von den Frauen wunderschön verziert und gestaltet wurden. Architektur mit Zukunft Lari ist keine Einzelkämpferin, sie glaubt an das Wissen und die Fähigkeiten der Menschen und die Kraft der Gemeinschaft. Die Architektin entwickelt resiliente Bauweisen, verwendet regionale Materialien, die kaum Geld kosten, und nützt Konstruktionsmethoden, die von Menschen selbst erlernt, angewandt und weitergegeben werden können. Diese Form der Architektur hat Zukunft, weil sie die Zukunft der Welt verbessern kann. „Es ist nicht so, dass wir Gebäude retten, wir retten Menschen“, sagt Yasmeen Lari. Ein Monitor in der Ausstellung zeigt eines ihrer Häuser bei einem Erdbebentest auf dem Rütteltisch: Es wackelt, aber es fällt nicht. Es rettet Leben. Yasmeen Lari Architektur für die Zukunft Architekturzentrum Wien Bis 16. August 2023 www.azw.at

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