12 · 23. März 2023 DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 79. Jg. · € 4,– „Über die See“: Meerfahrt mit Kapitänin Marietta Navarros faszinierender Debütroman erzählt von Mut und Bewährung, Verantwortung und Versagensangst. · Seite 15 Dschungelmetropole aus der Retorte ChatGPT in der Schule: Salz in alten Wunden Häuser, die Leben retten Bevölkerungsexplosion und Umweltverschmutzung führen dazu, dass in Indonesien der Regierungssitz verlegt wird. Nun wird gerodet. · Seite 7 Chatbots zeigen die Lücken im Schulsystem auf. Wie das Lernen für eine digital geprägte Welt dennoch gelingen kann. · Seite 9 Das Architekturzentrum Wien präsentiert die Werke der ersten Architektin Pakistans: Yasmeen Lari. Sie plant für die Zukunft. · Seite 13 Das Thema der Woche Seiten 2–4 Vorwürfe gegen Papst Wojtyła Illustration: Rainer Messerklinger Die Babyboomer gehen in Pension, viele Junge fühlen sich erschöpft. Kann das gutgehen? Über Utopien einer neuen, gerechteren Arbeitswelt. In Polen ist eine Debatte darüber entbrannt, wie Papst Johannes Paul II. in seiner Zeit als Erzbischof von Krakau mit pädophilen Priestern umging. Neue Recherchen rücken ihn in ein schlechtes Licht – aber kein schwarz-weißes, wie es Gegner und Verteidiger zeichnen. Seite 8 Die Geschichte sollte lehren, was mit bürgerlichen Parteien geschehen kann, wenn sie sich mit Rechts-außen-Kräften ins Bett legen. Anmerkungen zur ÖVP-FPÖ-Koalition in Niederösterreich. Frage der Demokratie Von Otto Friedrich Am 23. März des Jahres 1933 beschloss der Deutsche Reichstag das sogenannte Ermächtigungsgesetz, mit dem in Deutschland die Demokratie abgeschafft und den Nationalsozialisten der Freibrief ausgestellt wurde, mit dem sie weit mehr als ihr Land ins Unglück stürzten und den Völkermord an den Juden beginnen konnten. Dem Ermächtigungsgesetz stimmten auch die Vorgängerparteien der heutigen CDU und der CSU zu. 90 Jahre später ist zwar keine Rede davon, dass ähnliche Verhältnisse wie 1933 herrschen; aber der Staatsterror, der sich damals – vom Parlament abgesegnet – den Weg bahnte, hat eine Vorgeschichte, die auch aktuell alle Alarmglocken läuten lässt. Der Historiker Christian Jostmann wies bereits im Präsidentschaftswahlkampf 2016, als ein gewisser Norbert Hofer im bürgerlichen Lager auf Stimmenfang ging, in der FURCHE darauf hin, dass die Anhänger einer „Konservativen Revolution“ seinerzeit den rasanten Aufstieg der Nationalsozialisten mitermöglicht haben. Jostmann zeigte das „zwiespältige Paradox“ auf, wie eben jene Konservativen zum Steigbügelhalter der Diktatur wurden, dass sie also „ganz „ Der Glaube, mit rechtsextremen Antidemokraten eine tragfähige Alli anz eingehen zu können, ist ein Irrglaube. “ anderen Kräften den Boden bereiten, die sich ihrer nach getaner Arbeit entledigen“. Die Geschichte lehrt: Der Glaube, dass Konservative mit den rechtsextremen Antidemokraten eine tragfähige Allianz eingehen können, ist ein Irrglaube. Die bürgerlichen Parteien, die am Ermächtigungsgesetz 1933 mitgewirkt hatten, wurden von den Nazis im Nu entsorgt – prominente Bürgerliche fanden sich auch in den KZs wieder. Othmar Karas als Don Quijote der ÖVP Wenn sich nun in Niederösterreich die bürgerliche Partei mit der Rechts-außen- Fraktion ins Bett legt, bedeutet das natürlich nicht, dass das Dritte Reich vor der Tür steht. Aber 1933 war der Endpunkt jener fundamentalen Fehleinschätzung der Konservativen, die glaubten, man könne mit Anti demokraten Staat machen. Die lokale FP unter Udo Landbauer ist für die demokratische Mitte des Landes nicht satisfaktionsfähig. Das sollte nach den Tönen, derer sich die rechten Protagonisten im Wahlkampf befleißigten, eigentlich klar sein. Dementgegen wird nun gar deren Corona-Obskurantismus salonfähig gemacht. Auch das ist extrem besorgniserregend: Denjenigen Bürger(inne)n, die sich an die Geset- ze gehalten und die Corona-Maßnahmen solidarisch mitgetragen haben, wird von diesbezüglich Gesetzlosen der Vogel gezeigt (vgl. S. 11 & 15). Auf diese Weise wird das Fundament des Gemeinwesens untergraben. Man erinnert sich auch, dass Landbauer gegen die ohnehin nicht üppige Katastrophenhilfe für die Erdbebenopfer in der Türkei und in Syrien gehetzt hat. Stimmt schon, Schlechtigkeit ist kein Grund für den Ausschluss aus der Politik. Aber es gab und gibt andere Optionen, als derartiger Haltung zu politischer Macht zu verhelfen. Bittere Erkenntnis aus den niederösterreichischen Vorgängen ist, dass in der ÖVP kein Widerstand gegen diesen Niedergang auch der eigenen Bewegung sichtbar wird. EU-Parlamentarier Othmar Karas scheint da nur mehr als eine Art Don Quijote herzuhalten, der gegen die Windmühlen des aktuellen Parteigeistes anreitet. Und Altvordere wie Ex-EU-Kommissar Franz Fischler sind längst im Ausgedinge dieser Partei. Bleibt noch eine Stimme wie jene der Aschbacher Ex-VP-Vizebürgermeisterin Cornelia Wagner-Sturm, die ihren Parteiaustritt damit erklärte, dass das Koalitionsabkommen „jeder Zukunftsperspektive, christlicher Wertehaltung und wissenschaftlichen Erkenntnissen“ entbehre. Aber solch hellsichtige Stimme ist in der ÖVP nicht relevant. Es stimmt, dass die FPÖ von einem Viertel gewählt wurde. Eine offene Gesellschaft muss das aushalten. Aber wie kann man als Demokrat(in) auf die Idee kommen, mit dieser FPÖ ins Koalitionsbett zu steigen? otto.friedrich@furche.at @ofri_ofriedrich INTRO Die hiesige Politik macht es Optimistinnen und Visionären nicht leicht. Dennoch gibt es zur Hoffnung auf eine Renaissance politischer Vernunft keine Alternative. Nicht nur Klima und Corona, auch die Arbeit von morgen harrt neuer Lösungen. Welche Lehren aus Arbeitskräftemangel und Erschöpfung zu ziehen wären, beschreibt Manuela Tomic im Fokus „Heute geschlossen!“. Wie es in der SPÖ sowie auf EU-Ebene weitergehen soll, erklärt indes Andreas Schieder im Interview. Jan Opielka berichtet über den polnischen Kulturkampf um Johannes Paul II., und Victoria Schwendenwein hat sich den Folgen Künstlicher Intelligenz auf die Matura gewidmet. Im Feuilleton erwartet Sie ein Porträt der pakistanischen Architektin Yasmeen Lari, deren Bauten nicht nur schön sind, sondern auch katastrophenresistent – sowie eine Geschichte über Rekonstruktion durch „digitale Zwillinge“. Ein Original ist und bleibt unser ehemaliger Herausgeber Wilfried Stadler, der ab sofort alle vier Wochen „Klartext“ schreibt – und mit den Verwerfungen um die Credit Suisse beginnt. Bereits letzte Woche hatte die Politologin Julia Mourão Permoser mit einem kräftigen Impuls zum Thema Care- Arbeit Premiere. Sie folgt Barbara Inmann vom „Impact Hub Vienna“, für deren visionäre Beiträge zum neuen Arbeiten wir uns herzlich bedanken. (dh) furche.at Österreichische Post AG, WZ 02Z034113W, Retouren an Postfach 555, 1008 Wien DIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 Wien Telefon: (01) 512 52 61-0
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