Aufrufe
vor 4 Monaten

DIE FURCHE 22.08.2024

DIE FURCHE

34 · 22. August 2024 DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 80. Jg. · € 6,– Ein Kandidat fürs Hospital? Der christliche Mystiker Jakob Lorber bezeichnete sich als „Schreibknecht Gottes“. Ein Porträt zum 160. Todestag. · Seite 20 Der letzte Deeskalationsversuch der USA 40 Grad im Gemeindebau Natur als Erbe, Auftrag – und Bild Die Israelis warten seit Wochen auf den Vergeltungsschlag des Iran. Ein Deal könnte den Angriff abwenden. Wie reagiert Netanjahu? · Seite 7 In der Klimaoase finden armutsbetroffene Menschen Schutz vor der Hitze, dem Hunger und der Einsamkeit. · Seiten 8 – 9 Neu und anders schauen: Das Open-Air-Festival La Gacilly-Baden Photo präsentiert internationale Fotografien in Parks und Stadt. · Seite 13 Das Thema der Woche Seiten 2–4 Wie klingt Vielstimmigkeit, Glockenklänge und die Tonart der Religionen. Ein Fokus aus Anlass des 200. Geburtstages von Anton Bruckner. Bild: iStock/Jobalou (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger) Gott? In Serbien soll die größte Lithiummine Europas errichtet werden. Präsident Aleksandar Vučić ist gut beraten, die Proteststimmen seiner Bürger ernst zu nehmen – trotz des Geldsegens aus Brüssel. Giftiger Patriotismus AUS DEM INHALT Unmenschliche Untiefen Der Politologe Vedran Džihić über die Salonfähigkeit eines xenophoben, rassistischen sowie rechtsextremen Diskurses und der Autokratisierung von Gesellschaften.Seite 6 Von Manuela Tomic Zehntausende Menschen demonstrieren in Belgrad seit Wochen gegen den geplanten Abbau von Lithium in ihrem Land. Denn im westserbischen Jadar-Tal liegt Europas größtes Lithium-Vorkommen. Der Rohstoff ist wichtig für die Herstellung von Elektro-Autos. Die Autoindustrie der EU braucht ihn also dringend und würde sich mit dem Werk in Serbien von China unabhängiger machen. Denn derzeit kontrolliert China einen großen Teil des Abbaus und der Verarbeitung von Lithium weltweit. Die Entscheidung über das Bergwerk hat natürlich nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine politische Dimension. Serbien ist offiziell EU-Beitrittskandidat. Zugleich pflegt Serbiens Präsident Aleksandar Vučić enge Beziehungen zu Russland aber auch zu China (siehe Seite 6). Da ist es wenig verwunderlich, dass Serbien jenes Balkanland mit den meisten chinesischen Investitionen ist – seit 2010 belaufen sich diese auf mehr als acht Milliarden Euro. Dass das Lithium-Bergwerk nun mit EU-Investitionen abgewickelt werden soll, sehen Olaf Scholz und Co auch als einen Erfolg, Serbien auf EU-Kurs zu bringen. Dafür ist der deutsche Bundeskanzler persönlich „ Ein Referendum über das Lithium-Werk wäre richtig und wichtig und sollte auch im Interesse der EU sein. “ angereist: Am 19. Juli hatte Vučić im Beisein von Scholz und EU-Kommissionsvize Maroš Šefčovič in Belgrad eine Absichtserklärung unterschrieben, die eine umweltverträgliche Förderung des weltweit extrem begehrten Leichtmetalls im Jadar-Tal ermöglichen soll. „Umweltverträglichkeit“ ist hier das Stichwort. Aber ist es überhaupt möglich, ein Leichtmetall umweltfreundlich abzubauen? Druck von Seiten der Umweltschützer „Theoretisch ja“, sagen Experten. Doch es wird einmal mehr darauf ankommen, welche Auflagen die Unternehmen erhalten, ob die Regeln eingehalten werden, wer sie kontrolliert und welche Konsequenzen es bei Verstößen gibt. Viele Langzeitfolgen über die Zerstörung eines Ökosystems durch den Abbau von Lithium sind heute ohnehin noch nicht abzusehen (siehe Seite 11). Umweltschützer kritisieren unter anderem, dass Lithium-Bergbau das Grundwasser mit Schwermetallen verunreinige und daher eine Gefahr für die Trinkwasserversorgung der Anrainer darstelle. Dies ist in der Region rund um das Jadar-Tal besonders bitter, da es sich um eine Agrarregion mit sehr fruchtbaren Böden handelt. Für Vučić bedeutet das Werk vor allem eines: viel Geld. Das Rohstoff-Abkommen würde mehrere Milliarden Euro einbringen und wäre die größte ausländische Direktinvestition in der Geschichte Serbiens. Vor zwei Jahren hatte die Regierung die Lithium-Förderung auf Druck von Umweltschützern vorläufig gestoppt. Im Juli dieses Jahres gab es dann grünes Licht. „Ist es Patriotismus, einem multinationalen Unternehmen zu helfen, oder ist wahrer Patriotismus der Kampf für saubere Luft, sauberes Land und Wasser, der uns alle in Serbien ernährt?“, fragte die Schauspielerin Jelena Stupljanin bei der Protestkundgebung vergangene Woche in Belgrad. Interessiert an dem Projekt ist seit Jahren der australische Bergbaugigant Rio Tinto. Die Proteste dürften Vučić jedoch langsam politisch gefährlich werden. Er verurteilte die Demonstrationen, signalisierte aber Gesprächsbereitschaft sowie ein mögliches Referendum über das Lithium-Projekt. Er sollte die Sorgen seiner Bürger ausnahmsweise ernst nehmen. Die EU ringt indes um Einfluss in der Region, den sie durch die Investitionen aus China verliert. Doch ein umweltschädigendes Bergwerk gegen den Willen der Menschen zu platzieren, um den eigenen Lithium-Bedarf zu decken, ist nicht das, was man als Integration in die EU bezeichnen kann. Viel eher sollte man die Demokratie am Balkanland stärken. Ein Referendum über das Werk wäre wichtig und richtig und sollte auch im Sinne der EU sein. Der Autokrat Vučić sollte das wissen. manuela.tomic@furche.at Kleine Gesten entscheiden Der islamische Theologe Mouhanad Khorchide berichtet über seine Erfahrungen bei der Deradikalisierung von jugendlichen Islamisten. Seite 12 Ein teuflischer Plan In seinem Roman „Brennende Felder“ setzt Reinhard Kaiser-Mühlecker seine Familiensaga mit mehrdeutigen Figuren und viel Spannung gekonnt fort. Seite 14 Sie könnten bessere Erzähler sein Gelingen und Misslingen bei den Salzburger Festspielen: Umjubelt Prokofjews „Der Spieler“, verfehlt hingegen Offenbachs „Les Contes d’Hoffmann“. Seite 15 „Wir machen es uns zu einfach“ Die Journalistin Patricia McAllister-Käfer erklärt in ihrem Buch „Nur Helden werden uns nicht retten“ wie Medien in Krisenzeiten kommunizieren sollen. Seite 16 @diefurche @diefurche furche.at @diefurche Die Furche Österreichische Post AG, WZ 02Z034113W, Retouren an Postfach 555, 1008 Wien DIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 Wien Telefon: (01) 512 52 61-0

DIE FURCHE 2024

DIE FURCHE 2023