DIE FURCHE · 8 8 International 22. Februar 2024 Die Macht der Musik Die 34-jährige Taylor Swift ist nicht nur musikalisch, sondern auch politisch ein Machtfaktor geworden. Seit ihrer Kritik an Donald Trump mag dieser ihre Musik „um 25 Prozent weniger“. Collage: Getty Images Javier/ Future Publishing / Eyepix Group / Vicencio bzw APA / AFP / Christian Monterrosa Von Michael Krassnitzer Sie ist eine der erfolgreichsten Popmusikerinnen unserer Zeit: Taylor Swift hat weltweit über 300 Millionen Tonträger verkauft und wird von Abermillionen Fans verehrt. Allein auf Instagram hat der Superstar 280 Millionen Follower. In ihrer Heimat USA allerdings ist Swift ins Fadenkreuz republikanischer Politiker und den Republikanern nahestehender Medien geraten. Weil diese befürchten, Swift könnte sich in Zusammenhang mit den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen für den demokratischen Amtsinhaber Joe Biden einsetzen, schießen sie sich nun auf Swift ein. Der rechtskonservative Sender Fox News verbreitete sogar die Behauptung, dass die Country-Pop-Musikerin eine Agentin des US-Verteidigungsministeriums sei. Auch die gefälschten pornografischen Bilder mit Swift, die kürzlich die Plattform X (vormals Twitter) millionenfach überschwemmten, werden von manchen als Teil der rechten Kampagne gegen Swift gesehen. Der Slogan „MAGA versus Swifties“, also Anhänger von Donald Trumps Motto „Make America Great Again“ gegen die Fans von Swift, machte die Runde. Am Puls des ländlichen Amerikas Dabei ist es in den USA heute durchaus üblich, dass Leute aus der Unterhaltungsbranche öffentlich kundtun, welche Partei bzw. welchen Präsidentschaftskandidaten sie unterstützen. Taylor Swift hatte sich bei den letzten Präsidentschaftswahlen hinter den Demokraten Joe Biden gestellt und fordert ihre Fans auch regelmäßig dazu auf, wählen zu gehen, was in den USA als Unterstützung der Demokraten gewertet wird. Das macht die Republikaner und Donald- Trump-Fans nervös. Denn Swift erreicht mit ihrer Country-nahen Pop musik auch Millionen von Menschen im länd lichen Amerika, wo die Kernwähler der Republikaner zu Hause sind. Country pauschal als rechtslastige Musik zu verunglimpfen, wäre freilich falsch. Immer wieder haben sich in der Vergangenheit einzelne Country-Stars zur demokratischen Partei bekannt, etwa Kris Kristofferson, Willie Nelson oder Billy Ray Cyrus. Diesen Größen der Branche hat das abweichende politische Bekenntnis nicht geschadet. Für weniger bekannte Country-Musiker hingegen können missliebige politische Äußerungen fatale Auswirkungen haben: Im Jahr 2003 zog sich Lesen Sie dazu auf furche.at auch den Text „Mitski: Country und der Duft der Prärie“ (29.11.2023) von Bruno Jaschke. Die Frage des Einflusses von US-Celebritys auf die Präsidentschaftswahlen hat durch Taylor Swift neue Brisanz erhalten. Ein Überblick – bis zurück zu Elvis und Bob Marley. Stars, Stripes und Politik die Band Dixie Chicks den Zorn der Konservativen zu, nachdem die Sängerin bei einem Konzert Präsident George W. Bush kritisiert hatte. In Hollywood verhält es sich genau umgekehrt zur Country-Szene: Hier fliegen die politischen Sympathien mehrheitlich den Demokraten zu. Nur wenige Schauspieler oder Filmleute bekennen sich öffentlich zu den Republikanern. In der Prä-Trump-Ära waren dies zum Beispiel Clint Eastwood, Arnold Schwarzenegger oder Sylvester Stallone. Für weniger bekannte Schauspieler und Filmleute allerdings gilt in Hollywood die Regel: Ein Bekenntnis zu den Republikanern oder gar zu Donald Trump sollte man tunlichst unterlassen, wenn man es zu etwas bringen möchte. Bei den Präsidentschaftswahlen 2020 fanden sich daher nur wenige Schauspieler, die ihre politischen Sympathien für Trump bekundeten, darunter Jon Voight und Chuck Norris. „ Elvis Presley diente sich einst Richard Nixon an. Dabei ging es dem – selbst schwer tablettenabhängigen – Superstar aber um den Kampf gegen illegale Drogen und nicht um Parteipolitik. “ Dass eine missliebige politische Position in Hollywood zu massiven Konsequenzen führen kann, zeigt der Fall Gina Carano. Die Schauspielerin, die eine Hauptrolle in den ersten beiden Staffeln der von Disney produzierten „Star Wars“-Serie „The Mandalorian“ innehatte, hängt unter anderem der Verschwörungstheorie an, wonach Trump in Wahrheit die letzten Präsidentschaftswahlen gewonnen habe. Als sie 2021 die Situation der Anhänger der Republikaner mit jener der Juden zur Zeit der Schoa verglich, kündigte Disney den Vertrag mit ihr auf und strich ihre Figur aus der Serie. Deswegen hat Carano nun vor einem US-Gericht Klage wegen Diskriminierung eingereicht. Ihr Anwälte argumentieren: Andere „Star Wars“-Darsteller – namentlich Mark Hamill und Pedro Pascal – hätten Donald Trump und dessen Anhänger mit Adolf Hitler und den Nazis verglichen, seien aber damit ungeschoren davongekommen. Auch diese Angelegenheit führt vor Augen, wie tief die politischen Gräben in den USA geworden sind. Elvis: Mit Nixon gegen Drogen Dass sich US-Celebritys zu politischen Parteien oder bestimmten Kandidaten bekennen, war freilich nicht immer so. Der Country-Musiker Johnny Cash etwa setzte sich zwar schon in den 1960er Jahren für eine Strafrechts reform und für die Rechte der Native Ameri cans ein – also eher linke Anliegen –, ohne allerdings parteipolitisch Position zu beziehen. In der „Woodstock“-Ära begannen die Texte der Rockmusik durchaus politisch zu werden – allerdings im Sinne von Gesellschafts- und nicht von Parteipolitik. Eine bizarre Randnotiz: 1970 diente sich Elvis Presley dem damaligen (republikanischen) Präsidenten Richard Nixon an. Dabei ging es dem – selbst schwer tablettenabhängigen – Superstar allerdings um den Kampf gegen illegale Drogen und nicht etwa um Parteipolitik. Auch Bob Marley distanzierte sich ausdrücklich von jeder Parteipolitik; dennoch kostete ihn im Jahr 1976 sein politisches Engagement für Frieden und gegen Gewalt beinahe das Leben. Kurz vor einem Auftritt auf einem von der sozialdemokratischen Partei Jamaikas veranstalteten Konzert wurde der Reggae-Musiker Opfer eines Attentats. Was darauf folgte, ist in der gerade in den Kinos angelaufenen Filmbiografie „One Love“ zu sehen. Politische Bekehrung durch Influencer? Jedenfalls dürfte der Drang, sich parteipolitisch zu positionieren, bei US-Musikern und -Schauspielern erst in den darauffolgenden Jahrzehnten attraktiv geworden sein. Bleibt die Frage, wie groß der Einfluss von Prominenten auf das Wahlverhalten tatsächlich ist. Kein eingefleischter redneck wird Joe Biden wählen, weil ein Country-Musiker sich für den derzeitigen Präsidenten ausspricht. Es ist auch auszuschließen, dass eine linksliberale Cineastin ihre Stimme Donald Trump gibt, weil sich eine Schauspielerin für ihn erwärmt. Im Fall von Taylor Swift sehen US- Politik- und -Medienwissenschafter aber sehr wohl einen möglichen Einfluss auf die kommenden Präsidentschaftswahlen. Jugendliche Fans neigen nun einmal dazu, angehimmelten Stars bedingungslos zu folgen – egal ob es sich dabei um Kleidungsstil, Ernährung oder Wahlverhalten handelt. Zusätzlich könnten die unschönen Angriffe auf Swift dazu führen, dass sich junge Leute abgestoßen fühlen und in der Folge mit den Republikanern nichts zu tun haben wollen. In einer deutschen Umfrage aus dem Jahr 2021 gaben immerhin fünf Prozent der Befragten an, dass sie sich bei ihren Wahlentscheidungen durchaus an der Meinung von Prominenten orientieren. Angenommen, diese Zahlen ließen sich auf die USA umlegen, dann könnten diese fünf Prozent allemal wahlentscheidend sein. Was die Wählerstimmen angeht, so pflegen US-Präsidentschaftswahlen für gewöhnlich sehr knapp auszugehen. Das Alles-oder-nichts-Prinzip des US-Wahlsystems sorgt dafür, dass ein Unterschied von nur einem oder zwei Prozentpunkten in einzelnen Bundesstaaten entscheidende Auswirkungen auf das Gesamt ergebnis hat. Auf diese Weise könnten bei der Wahl im November tatsächlich die „Swifties“ den Ausschlag geben – sofern es den Hasskampagnen der Trump-Anhänger nicht gelingt, Taylor Swift bei ihren Fans zu desavouieren.
DIE FURCHE · 8 22. Februar 2024 Gesellschaft 9 FURCHE-Redakteurin Manuela Tomic ist Jugoslawin. Zum Tag der Muttersprache am 21. Februar macht sie sich Gedanken über tote Wörter, poetische Grenzgänger und stumme Mütter. Von Manuela Tomic Meine Muttersprache Serbokroatisch gibt es nicht mehr. Dennoch fließt sie auch heute noch ins Deutsche ein, wenn ich etwa grammatikalische Fehler mache, die so manche als „lyrisch“ empfinden. Doch am Ende sind es nur Fehler. Die Strafe dafür, dass ich nicht Herrin meiner Muttersprache bin. Wenn man diese nicht perfekt beherrscht, fühlt es sich blass an. Meine Sprache wurde im Jugoslawienkrieg zerbombt. Übriggeblieben sind kroatische, bosnische und serbische Fetzen, die nach dem Krieg mühevoll im Hass künstlich zusammengesetzt wurden. Die Kroaten liehen sich neue alte Wörter von den Burgenlandkroaten, die noch das Kroatisch des 16. Jahrhunderts sprechen. Die Bosniaken suchten Zuflucht in den Turzismen, die das Jugoslawische schon immer prägten und jetzt inflationär verwendet werden. Und die Serben hatten es ohnehin leichter, war doch ihre Schriftsprache, das Kyrillische, schon so anders. Die Montenegriner wiederum hingen, um sich vom Serbischen abzugrenzen, an zwei Buchstaben – wie an zwei dünnen Seilen. „Erst kommt Österreich“ Anfang 2008 beauftragte die Regierung von Montenegro eine dreizehnköpfige Kommission mit der Standardisierung des Montenegrinischen. Im Ergebnis stellte die Kommission im Juli 2009 eine Rechtschreibung des Montene gri nischen vor, die die zwei zusätzlichen Buchstaben ś („weiches s“) und ź („weiches z“) enthält. Dieses ś und ź sind der Nationalstolz, die berechtigte politische Abspaltung vom Serbischen. Manchmal braucht es dazu nur zwei Buchstaben, manchmal ein ganzes Buch. Vor Kurzem hörte ich die Stimme des jüdisch-österreichischen Kabarettisten Hermann Leopoldi im Radio. Die Aufnahme stammt aus den beginnenden 1930er Jahren, und Leopoldi singt ein Lied: „Erst kommt Österreich und dann kommt lang nix / Für mich ist Österreich das Schönste auf der Welt / Ich bleib fest dabei und uns macht bang nix / Wir brauchen nur a schönes Wetter und a Geld / Gehn S’ Herr Nachbar / Lassen S’ mich in Ruah / Ich hör Ihnen gar net zua / Denn erst kommt Österreich und dann kommt lang nix / Und jetzt is Schluss weil ich mich sonst noch ärgern muss (…)“. Illustration: Canva Ich spreche, also bin ich Die Erstsprache beeinflusst unser ganzes Denken, sie kreiert eine Realität, die in einer anderen Sprache in einem ganz neuen Licht erscheint. „Wo der Gaumen ein Mundhimmel ist“ Sofort kamen mir die Tränen. Diese fröhliche Stimme, dieser so wichtige Wienerlieder-Komponist wurde 1938 ins Konzentrationslager Dachau verschleppt, dann nach Buchenwald. Seine Frau konnte ihn freikaufen. Er emigrierte in die USA. Doch 1947 kam Leopoldi zurück nach Österreich und machte einfach dort weiter, wo er 1938 unterbrochen wurde. Er sang wieder seine Wienerlieder in Bars, Varietés und Clubs. Das Wienerische und das Wienerlied waren wieder sein. Und was gibt es da noch über die Muttersprache zu sagen? Sie bringt einen fast um, und man kehrt zu ihr zurück. So stark kann sie wirken und arbeiten in einem. Eine halbe Revolution „Die Muttersprache ist momentan und bedingungslos da wie die eigene Haut. Und genauso verletzbar wie diese, wenn sie von anderen geringgeschätzt, missachtet oder gar verboten wird.“ Das schreibt die rumäniendeutsche Schriftstellerin Herta Müller in einem Artikel für das Goethe-Institut (2001). Herta Müller gehörte zur deutschen Minderheit in Rumänien. Sie wurde als Banater Schwäbin geboren und wuchs mit einer Sprache auf, die heute kaum noch jemand beherrscht. Im 17. Jahrhundert siedelten sich Schwaben, Franken, Böhmen und Pfälzer im heutigen Slowenien, Rumänien und Kroatien an. Sie tauschten Dialekte aus und berührten auch das Serbische, das Kroatische oder Rumänische. 2009 wurde die Schriftstellerin mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet – für ihre Sprache und ihre literarische Bearbeitung der kommunistischen Diktatur in Rumänien zur Zeit des Regimes von Nicolae Ceaușescu. „Im Rumänischen heißt der Gaumen ‚Mundhimmel‘, cerul gurii. Im Rumänischen klingt das nicht pathetisch“, schreibt Müller. „Auf Rumänisch kann man mit immer neuen, unerwarteten Wendungen in langen Verwünschungen fluchen. Das Deutsche ist in dieser Hinsicht regelrecht zugeknöpft. Oft habe ich mir gedacht, wo der Gaumen ein ‚Mundhimmel‘ ist, gibt es viel Platz, Flüche werden poetisch-böse Tiraden der Verbitterung. Ein gelungener rumänischer Fluch ist eine halbe Revolution am Gaumen, sagte ich damals zu rumänischen Freunden. Darum mucken die Leute in dieser Diktatur nicht auf, das Fluchen erledigt ihren Zorn.“ In einem Radiointerview wurde Müller einmal von der Interviewerin gefragt, wie sie diese „schöne Sprache“ aufs Papier bringe. „Meine Sprache ist nicht schön“, schrie die Schriftstellerin auf. Es gehe ihr nicht um einen „schönen“ Stil, sondern lediglich darum, die richtigen Worte für das Schrecken zu finden. „ Die Muttersprache bringt einen fast um, und man kehrt zu ihr zurück. So stark kann sie wirken und arbeiten in einem. “ Manchmal gibt es keine richtigen Worte, wie etwa in Josef Winklers Erzählung „Muttersprache“. Der Bauernbub beginnt zu schreiben, weil die Mutter stumm ist. Aber wie erlernt man eine Sprache, seine Sprache, wenn die Mutter diese einem wie die Milch verwehrt? „Durch die Sprache und nur durch sie arbeite ich gegen den Tod, und wahrscheinlich werde ich mein ganzes Leben Lesen Sie dazu auch „mozaik“, die Kolumne von Manuela Tomic über Identität und Fremde, unter furche.at. über den Tod schreiben müssen, um leben zu können.“ Winkler findet eine existenzielle Antwort. In der stummen Stube verzehrt sich der Bub nach jedem Wort. Verständlich. In meiner Sprache gibt es Wörter im Überfluss. Vor wenigen Tagen schrieb mir meine Schwester auf Whatsapp: „Kennst du das Wort Abzuenze?“ „Noch nie gehört“, antwortete ich. Unsere Mutter hatte unseren Vater angeschrien, er solle sein neues Brillenetui endlich weglegen, es sei ja keine Abzuenze. Ich googelte das Wort. Es bedeutet Weihwasser oder Wunderwasser. Jedenfalls ist es etwas Heiliges. Und im Jugoslawischen, in dieser toten Sprache, sagt man, wenn man genervt ist von jemandem, der einem Gegenstand zu viel Aufmerksamkeit schenkt: „Was tust du so lange damit herum, es ist schließlich keine Abzuenze.“ Mutter sagte, sie wusste nicht, was das Wort bedeutet, sie wusste nur, dass man es in diesem Sprichwort eben genau so anwendet. Vater hatte verstanden, er legte das Etui weg. Meine Eltern sind seit 45 Jahren verheiratet. Für mich klingt das Wort wie aus einem Märchen. Ich blicke aus dem Fenster. Draußen strahlt der Mundhimmel.
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