DIE FURCHE · 8 24 Ausstellung 22. Februar 2024 Von Ursula Philadelphy Sowohl die Landesgalerie Niederösterreich als auch das Forum Frohner widmen sich derzeit Herwig Zens. Unter dem Titel „Zens trifft Frohner. Und der Tod lacht mit“ liegt das Besondere dieser Präsentation „in der spannenden Gegenüberstellung von kleinformatigen Druckgrafiken und monumentalen Gemälden, die den recht wienerischen Blick von Zens und Frohner auf die Themen Tod und Lust widerspiegeln“, so Elisabeth Voggeneder, Kuratorin und künstlerische Leiterin des Forums Frohner. Die Fragen der menschlichen Existenz zwischen den beiden Polen von Eros und Thanatos wurden von beiden Künstlern stets thematisiert, wobei immer wieder Berührungspunkte entstanden, da sich beide der Natur des Menschen verpflichtet fühlten. Die Spannung in der Ausstellung entsteht durch den Kontrast, etwa beim Motiv „Der Tod und das Mädchen“, das ja bereits seit dem 16. Jahrhundert ein beliebtes Sujet in Musik, Literatur und bildender Kunst ist; bei Frohner abgehandelt unter anderem im monumentalen Gemälde „Der Tod und ein Mädchen“ (1988), das zudem noch dominant an der schmalen Front vis-à-vis der Eingangstüre des Ausstellungsraumes hängt. Der Tod, dargestellt als Skelett, trägt eine übergroße weibliche Figur, deren körperliche Präsenz alles dominiert. Wie häufig bei Frohner stehen das Körperliche und der Geschlechterkampf im Zentrum. Kosmos an Themen Herwig Zens (1943‒2019) behandelte viele Themen in seiner Kunst, einige davon immer wieder, darunter Schubert, 2011. Tod mit Augenzwinkern Zens hingegen setzt auf einen eher humoristischen Zugang. Bei „Der Tod und das Mädchen. Wer wird denn da so wasserscheu sein?“ (Radierung und Aquatinta, 2009) sitzt der Tod in einer Badewanne und versucht, ein Mädchen hineinzuziehen. Schon der Titel gibt dem Ganzen einen Kick. Der Künstler betrachtete den Tod sehr häufig mit einem Augenzwinkern. Bestes Beispiel dafür ist ein Holzsarg, der viele Jahre in seinem Arbeitsraum stand und an dem er, Erzählungen zufolge, seine Pinsel abwischte, wodurch der Sarg im Laufe der Zeit zu einer sehr farbenfrohen Skulptur mutierte, die aktuell in der Ausstellung in der Landesgalerie neben einem ebenfalls knallig bemalten Piano als Eyecatcher fungiert. Der Sarg, das Piano und die Tagebücher des Herwig Zens sind ausgesprochen markante Zeichen eines unangepassten künstlerischen Œuvres. Und dann noch die intensive Hinwendung zu Goya! Der spanische Maler, Radierer und Lithograf (1746–1828) hatte es Herwig Zens angetan. Es war eine fast obsessive Zuwendung, die sogar zu Paraphrasen zahlreicher „ Das druckgrafische Werk zeichnet sich ‚durch Strukturen aus, die jenen von Sternbildern gleichen‘ – Sternbilder, die eigentlich weit auseinanderliegen und doch miteinander verbunden werden können. “ Am österreichischen Künstler Herwig Zens kommt man in Krems derzeit nicht vorbei. Man sollte sich ausreichend Zeit nehmen, um angemessen in sein Œuvre eintauchen zu können. Zens, Goya und die anderen Foto: Herwig Zens / Landessammlungen NÖ Werke Goyas führte, wie etwa „Hexensabbat“ (Öl und Acryl auf Leinwand, 1984): Goyas formale Vorgabe „El aquelarre o El gran cabrón“ (Öl auf Mauerwerk, übertragen auf Leinwand, 1820–1823), die im Prado in Madrid hängt, zeigt sogar frappante farbliche Übereinstimmungen. Wunderbar aber auch die gleichnamige Serie von Radierungen, die Zens 2008 schuf und bei Von Ursula Philadelphy lesen Sie auch „Mit Humor, Witz und Selbstironie: Oberhuber versus Frohner“, erschienen am 23.8.2023 auf furche.at. der es sich lohnt, auf die Details zu achten. Interessant sind die eingestreuten Gegenüberstellungen mit druckgrafischen Werken von Ernst Skrička, Erich Steininger, Alfred Hrdlicka oder Lore Heuermann und Alfred Kubin, wodurch Einblicke in klassische Verfahren der Druckgrafik gegeben werden. Kupferplatten als Tagebuch Für Kurator Nikolaus Kratzer zeichnet sich das druckgrafische Werk von Herwig Zens „durch Strukturen aus, die jenen von Sternbildern gleichen“ – Sternbilder, die eigentlich weit auseinanderliegen und doch miteinander verbunden werden können, eben wie die Themenbereiche bei Zens. Die Figur des Todes wird zu der im Gesamtwerk des Künstlers am öftesten dargestellten; nach einem Besuch der Kapuzinergruft in Palermo bekommt „der Herr aus Palermo“ seinen fixen Platz, der Palermo-Zyklus wird zu einer Serie mit offenem Ende, die Zens bis in die 1990er Jahre beschäftigte. Aber auch der „Basler Totentanz“ (1990) oder der „Lübecker Totentanz“ von 2003 gehören zu den wichtigsten Arbeiten von Zens. Abgesehen natürlich von seinen radierten Tagebuchblättern. Sie geben einen miniaturisierten und manchmal schwer entzifferbaren Einblick in die Lebens- und Schaffensjahre des Künstlers, denn von 1977 bis kurz vor seinem Tod 2019 ritzte Zens täglich kurze Texte, Reflexionen, Ideen und Zeichnungen auf schmale Kupferplatten und druckte sie, chronologisch aneinandergereiht, auf lange Papierbahnen; eine vierzig Meter lange Version gilt als längste Druckgrafik der Welt. Zens trifft Frohner. Und der Tod lacht mit Forum Frohner Bis 1. April 2024 Gegen die Zeit Landesgalerie Niederösterreich Bis 14. April 2024 Dazu erschien ein Ausstellungskatalog. IN KÜRZE DIE FURCHE EMPFIEHLT KULTUR ■ Johanna v. Koczian (1933–2024) Mit dem Schlager „Das bisschen Haushalt“ wurde sie 1977 weithin bekannt, ihre Filmrolle als Großmutter in den Weihnachtsklassikern „Single Bells“ (1997) und „O Palmenbaum“ (2000) verlieh ihr Kultstatus. Über 60 Jahre lang war Johanna von Koczian als Schauspielerin, Sängerin, Autorin und Hörspielsprecherin tätig. Erste Bühnenerfahrungen sammelte sie Anfang der 1950er Jahre bei den Salzburger Festspielen. Weitere Theaterengagements in Österreich und Deutschland folgten, ebenso erste Auftritte in Film und Fernsehen. Vergangene Woche verstarb Johanna von Koczian im Alter von 90 Jahren in Berlin. KULTUR ■ Bernhard Purin (1963–2024) 1963 in Bregenz geboren, arbeitete er nach einem Studium der Empirischen Kulturwissenschaften und der Neuen Geschichte in Tübingen als Projektleiter am Aufbau des Jüdischen Museums Hohenems und veröffentlichte sein erstes Buch über die Geschichte der Hohenemser Nachbargemeinde Sulz. 1992–95 war er Kurator am neu gegründeten Jüdischen Museum Wien. 1995 wurde er Leiter des Jüdischen Museums Franken in Fürth, 2002 Gründungsdirektor des Jüdischen Museums München, das er 2007 eröffnen konnte und dessen Leitung er bis zuletzt innehatte. Nun ist Bernhard Purin im Alter von 60 Jahren unerwartet gestorben. WISSEN ■ Vorsicht vor „Deepfakes“ Das Telefon läutet, es meldet sich der vermeintliche Enkel. Er befinde sich in einer Notlage und brauche dringend Geld. Mit diesem „Enkeltrick“ werden vor allem ältere Menschen betrogen. Dahinter steht Künstliche Intelligenz, für den Anruf wird nun immer häufiger die Originalstimme verwendet, sagt Stefan Strauß vom Institut für Technikfolgen-Abschätzung an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW): Dass die Stimme wie der Fingerabdruck ein biometrisches Merkmal sei, werde zu wenig beachtet. Das Europäische Verbraucherzentrum weist darauf hin, dass Betrug mittels „Voice-Cloning“ zunimmt. Wir sind zerbrechlich Eröffnet wird mit Franz Grillparzers „Medea“, gefolgt von Sławomir Mrożeks „Schlachthof“. Aus der SEA CHANGE Collection werden „A Handbook for the Israeli Theatre Director in Europe“ von Théâtre Majâz (Frankreich/Israel) – in Koproduktion mit der wortwiege – sowie „The Anthology“ von Acco Theatre Center gezeigt. „fragil | fragile“: wortwiege Festival 21.2.–24.3.2024, Kasematten Wiener Neustadt. Infos: www.wortwiege.at
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