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DIE FURCHE 22.02.2024

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DIE FURCHE · 8 2 Das Thema der Woche Leben mit Krebs 22. Februar 2024 AUS DER REDAKTION Eine „Zeitenwende“ ist er gewesen – Russlands Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022. Vieles, in sicherheitspolitischer Hinsicht fast alles erschien plötzlich in einem anderen Licht. Der Russland-Experte Gerhard Mangott hat die Entwicklungen seither intensiv analysiert und kommentiert. Zum zweiten Jahrestag fasst er den (unerfreulichen) Status quo für DIE FURCHE zusammen. Und Energieexperte Walter Boltz skizziert im Interview ein Ausstiegsszenario von russischem Gas. Einer ganz anderen, individuell - existenziellen „Zeitenwende“ widmet sich unser Fokus „Leben mit Krebs“. Neben einem wichtigen Text über Prävention (und Männer als Vorsorgemuffel) lesen Sie hier zwei bewegende Porträts von Menschen, deren Perspektive auf das Leben sich durch die Krebsdiagnose dramatisch verändert hat. Dass die eigene Welt auch durch die eigene Sprache geprägt ist, zeigt der Essay von Manuela Tomic zum „Tag der Muttersprache“ im Kompass. Dort finden Sie auch Beiträge zur Kontroverse um die „Vorwissenschaftliche Arbeit“ und „Plagiatjäger“. Gregor Maria Hoff führt mit seinem Text über das jüdischkatholische Gespräch angesichts des Nahostkrieges wieder zum Thema „Zeitenwende“ zurück; und das Feuilleton treibt es noch weiter: mit Thomas Hettches Roman „Sinkende Sterne“ über das Wegbrechen aller Sicherheiten; und mit Oliver vom Hoves Essay über Erich Kästner. „Die Zeit ist kaputt!“, schrieb er 1943. Und: „Sie wollen herrschen. Ich will leben.“ (dh) Von Martin Tauss Ob Tennis oder Fußball, Billard oder Kegeln: Sich einmal in der Woche beim Sport zu treffen und sich danach ein kühles Getränk zu gönnen – so ein Ritual schweißt viele Männerrunden zusammen. Warum nicht auch einmal im Jahr gemeinsam zum Urologen gehen und das gleich zum Anlass nehmen, um danach in vertrauter Geselligkeit anzustoßen? Alles, was es braucht, ist jemand, der ähnlich wie beim Sport die Initiative ergreift. Das ist einer von vielen Vorschlägen aus dem neuen Podcast „Das Herrenzimmer“, den die Österreichische Krebshilfe im Februar gestartet hat. Die Idee dahinter: mehr Männer zur Krebsfrüherkennung zu bewegen. Denn das vermeintlich starke Geschlecht ist als Vorsorgemuffel bekannt. Stress, ein voller Terminkalender und vor allem der Irrglaube, es treffe ohnedies immer nur „die anderen“, führen dazu, dass sie wichtige Früherkennungsuntersuchungen nicht oder zu spät wahrnehmen. Mit fatalen Folgen: „Männer leben ungesünder, gehen weniger zum Arzt und sterben früher als Frauen“, bringt es Martina Löwe, Geschäftsführerin der Krebshilfe, auf den Punkt. Das gilt auch für die Todesfälle durch Krebs. Österreichische Krebshilfe Auf der Website gibt es zahlreiche Empfehlungen zur Prävention und Früherkennung sowie den neuen Podcast „Das Herrenzimmer“, siehe www. krebshilfe.net. Eine gute Nachricht: Bei Krebserkrankungen gibt es viel präventives Potenzial – sofern man auch „gefühlt gesund“ den Arzt aufsucht. Bitte das „Pickerl“ machen! „ Männer sind Vorsorgemuffel. Warum nicht gemeinsam zum Urologen gehen und das gleich zum Anlass nehmen, um danach in vertrauter Geselligkeit anzustoßen? “ So viele Ausreden „Ich habe schon so viele Ausreden gehört, warum es Männern nicht möglich ist, zum Arzt zu gehen“, sagt Löwe, die seit 2015 eine entsprechende Früherkennungsaktion betreut. „Frauen sind es gewohnt, schon als Jugendliche regelmäßig den Gynäkologen aufzusuchen. Bei Männern hingegen ist das schwer in den Kopf zu bekommen, dass sie ab 45 Jahren zur Krebsvorsorge gehen sollten.“ Während es beim Auto selbstverständlich ist, alljährlich das „Pickerl“ zu machen, wird der Gesundheitscheck gern gemieden. Nur knapp zwölf Prozent der österreichischen Männer haben laut ÖGK 2022 eine Vorsorgeuntersuchung in Anspruch genommen. Um die awareness vor allem bei noch zögerlichen Personengruppen zu stärken, braucht es auch spezifische Anreizsysteme für Männer und Frauen, so eine aktuelle Forderung aus der Wiener Ärztekammer. Prostatakrebs zum Beispiel verursacht lange Zeit keine Symptome. Wenn es Beschwerden gibt, ist die Erkrankung bereits im fortgeschrittenen Stadium und weitaus schwieriger zu behandeln. Wie bei so vielen Krebserkrankungen sei das exemplarisch dafür, dass es wichtig sei, „gefühlt gesund“ zum Arzt zu gehen, betont Löwe im Gespräch mit der FURCHE. Im Zeichen der Männergesundheit läuft eine Aktion der Krebshilfe, die auf prominente Vorbilder und eine locker gebundene Krawatte setzt: „Loose Tie“ soll Österreichs Männer daran erinnern, sich im Dickicht der beruflichen Verpflichtungen Zeit für einen wichtigen Termin zu nehmen: die Prostatavorsorge ab 45. „Jüngere Männer nehmen es schon lockerer mit unangenehmen Untersuchungen, aber die 50- bis 60-jährigen Männer sind für uns schwer zu erreichen“, berichtet die Krebshilfe-Geschäftsführerin. Der Grund: Sie haben oft noch ein traditionelleres Selbstbild und neigen dazu, ihre Schwächen zu verdrängen. „Aber steter Tropfen höhlt den Stein: Je mehr man darüber spricht, desto eher kommt es zu einem gesellschaftlichen Wandel“, so Löwe. „Das Bewusstsein sollte bereits in der Schule gefördert werden.“ Aktuelle Studien zeigen, dass sich die Häufigkeit bestimmter Krebsformen und ihrer Vorstufen verändern kann: So wird derzeit in vielen Ländern ein Anstieg von Darmkrebs bei jüngeren Menschen verzeichnet. Eine Forschungsgruppe aus Wien hat nun die Entwicklung in Österreich unter die Lupe genommen. Die Befunde stützen jedenfalls für Männer die Forderungen nach einem früheren Screening-Beginn, das Zur Vorsorge Um das Bewusstsein bei noch zögerlichen Personengruppen zu stärken, braucht es auch spezifische Anreizsysteme, so eine aktuelle Forderung aus der Wiener Ärztekammer. heißt die Empfehlung für eine regelmäßige Darmspiegelung (Koloskopie) bereits ab dem 40. Lebensjahr. Bei diesem Eingriff ist es möglich, Schleimhautvorwölbungen (Polypen), die vielleicht erst Jahre später als Krebs „entarten“ würden, gleich zu entfernen. „Ähnlich wie bei der Mammografie ist in Österreich ein flächendeckendes Screening-Programm zur Koloskopie auf dem Weg“, sagt Martina Löwe. Auch die Früherkennung bei Lungenkrebs sollte vorangetrieben werden, wie die Österreichische Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) kürzlich forderte. Erklärtes Ziel sei ein „wohldurchdachtes Programm, durch dessen Einsatz der Diagnosezeitpunkt von Lungenkrebs und anderen Lungenerkrankungen deutlich nach vorne verlagert werden kann“. Krebs kann auch durch genetische Vorbelastung entstehen; eine Erkrankung ist leider nie auszuschließen. Doch die Forschung zeigt, dass ein gesunder Lebensstil die Häufigkeit zumindest bei manchen Krebsarten reduzieren kann. Die Wissenschaft spricht von „Primär prävention“, die auf mehreren Säulen beruht: „Was die Bewegung betrifft, haben mittlerweile mehrere Studien eine Risikoreduktion etwa bei Darm-, Speiseröhre-, Bauchspeicheldrüse-, Niere- oder Brustkrebs belegt“, sagt Paul Sevelda, Präsident der Österreichischen Krebshilfe. Aber wie viel Bewegung wird da genau empfohlen? Mindestens dreimal pro Woche zumindest 30 Minuten: Gemeint ist durchaus entspannte, freudvolle Aktivität; zum Beispiel Foto: iStock/ onurdongel auch, wenn man mit dem Hund spazieren geht. „Umgekehrt ist etwa Adipositas, also starkes Übergewicht, mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko etwa bei Brust-, Darm- und Prostatakrebs verbunden“, so der Wiener Professor für Gynäkologie. „Bei der Ernährung wiederum geben uns die niedrigeren Erkrankungszahlen etwa aus den Mittelmeerländern oder Asien Aufschluss über den Zusammenhang.“ Empfehlenswert ist zum Beispiel mediterrane Kost, unter anderem geprägt durch viel Obst und Gemüse, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte und Olivenöl. Auch Impfprogramme wirken Einen guten Überblick über die Lebensstilfaktoren, mit denen sich das individuelle Krebsrisiko senken lässt, bietet der Europäische Kodex zur Krebsbekämpfung. Rauchen ist demnach noch immer die weltweit häufigste vermeidbare Ursache für (Krebs-) Krankheiten. Der Europäische Kodex listet auch die Vermeidung einer erhöhten Strahlenbelastung durch natürlich vorkommendes Radon unter den Top-zwölf-Möglichkeiten zur Krebsprävention. „Zudem können unter anderem Asbest, Feinstaub oder Schwermetalle krebserregend sein“, ergänzt Paul Sevelda. „Studien über die karzinogene Wirkung von Mikround Nanoplastikpartikeln laufen derzeit; für den Mobilfunk wurde bis dato keine krebserregende Wirkung nachgewiesen.“ Dass Eltern empfohlen wird, ihre Kinder an Impfprogrammen gegen Hepatitis B (für Neugeborene) und HPV (für Mädchen und Buben) teilnehmen zu lassen, sei bislang wenig bekannt, erzählt Martina Löwe: „Infektionen mit HP-Viren können Krebsvorstufen erzeugen, das betrifft nicht nur Gebärmutterhalskrebs bei Frauen, sondern auch Rachen-, Kehlkopf- und Analkarzinome bei beiden Geschlechtern. Man wünscht sich immer eine Impfung gegen Krebs, hier gibt es eine!“ Das präventive Potenzial ist insgesamt jedenfalls beachtlich: Schätzungen zufolge ließe sich fast die Hälfte aller Krebstodesfälle in Europa vermeiden, wenn die Empfehlungen des Vorsorgekodex allgemein befolgt würden. Mutmacher:innen Den Krebs mutig ins Auge fassen Von Mirjam Jessa und Sabine Hauswirth (Fotografie) Echomedia 2024 144 S., geb., € 25,95

DIE FURCHE · 8 22. Februar 2024 Das Thema der Woche Leben mit Krebs 3 Mit 33 Jahren erhielt Carina Traxler die Diagnose Brustkrebs. Ihre erste Chemotherapie bekam sie an ihrem 34. Geburtstag. Drei Jahre später ist sie gesund und reist allein durch Asien. Im Gepäck hat sie Medikamente, Ängste und eine unbändige Lust auf das Leben. Und wenn der Krebs wiederkommt? Von Magdalena Schwarz Carina ist im Paradies. Die Soloreisende mit dem blonden Pferdeschwanz und dem Nasenpiercing sitzt am Strand und lauscht dem Meer. Wenn sie lacht, und das tut sie oft und ungehemmt, dann zeigt sich ihre Brigitte-Bardot-Zahnlücke. Schon seit drei Wochen genießt die 37-Jährige indonesisches Curry und 28 Grad auf der Trauminsel Lombok. Vor dem heutigen Tag hatte sie allerdings Respekt: Ihre Diagnose jährt sich zum dritten Mal. Doch da ist weder Angst noch Wut. Sie ist einfach froh, dass sie leben darf. Im Dezember 2021 war Carina glücklich. Die diplomierte Krankenschwester studierte im zweiten Bildungsweg Sozialarbeit und genoss das Leben. Dann ertastete sie einen Knoten in ihrer Brust. Sie ging sofort zum Gynäkologen. Anfang Jänner kam die Diagnose: hormonabhängiger Brustkrebs. Es folgten unzählige Untersuchungen, 16 Chemotherapien – die erste bekam sie an ihrem 34. Geburtstag – und eine Operation, dazu schlaflose Nächte und eine überwältigende Ungewissheit. Mit „Überlebensmodus“ betitelt sie diese Monate heute. Die Behandlung verlief positiv, der Tumor hatte nicht gestreut. Nach dem Eingriff fühlte sie sich, zumindest körperlich, geheilt. „Aber das mit dem Gesundfühlen“, sagt sie heute, „ist so eine Sache. Es ist nicht jeder Tag gleich.“ Märchen enden, wenn das Ungeheuer beseitigt ist. Doch anders als beim bösen Wolf fehlt bei der Vernichtung des bösen Krebses die Garantie. „Rezidivangst“ bezeichnet die Furcht davor, dass die Krankheit zurückkehrt. Vor Kontrolluntersuchungen trete sie verstärkt auf, sagt die Psychoonkologin Julia Chiarello vom Universitätsklinikum AKH. „Es geht weniger um die objektiven Fakten als um die subjektiv erlebte Bedrohung“, erklärt sie. Werden die Sorgen zum ständigen Begleiter, dann empfiehlt sie, rasch professionelle Hilfe aufzusuchen. Das Ziel sei nicht, die Angst loszuwerden, sondern zu lernen, mit ihr zu leben. „Das Kapitel Krebs ist Teil der Lebensgeschichte geworden. Es lässt sich nicht einfach herausreißen,“ sagt Chiarello. Auch Carina wandte sich, als sie die Diagnose bekam, an eine Psychoonkologin. „Wenn du von heute auf morgen nicht weißt, wie lange du noch zu leben hast, das macht etwas mit dir.“ Gerade die Zeit nach der ersten Behandlungsphase sei für sie schwierig gewesen. „Du denkst dir ‚Juhu, Operation geschafft, Chemo beendet, jetzt geht es bergauf‘, und dann fragst du dich plötzlich: ‚Was, wenn nicht alles entfernt worden ist?‘ Solche Gedanken machen dich verrückt.“ Anfangs, so Carina, war sie „unter Strom“. Einmal ertastete sie wieder etwas in ihrer operierten Brust und ließ sich sofort untersuchen. Zum Glück war es nur eine Falte ihres Implantats. „Mittlerweile ist die Angst ein Hintergrundrauschen. Ich höre auf meinen Körper und meine Bedürfnisse. Mehr kann ich nicht tun.“ Carina ist ein abenteuerlustiger Mensch, der gerne die Zügel in der Hand hat. Auf Oberösterreichisch würde man sie liebevoll eine Düsn nennen: gescheit, willensstark, auch mal frech. Sie hat gelernt, dass ihre Sturheit ein Vorteil sein kann. Seit ihrer Diagnose wollte sie verstehen, was mit ihr passierte, suchte Gespräche mit Ärzten und las sich ein. „Krebs ist ein sehr komplexes Thema, und Googlen ist nie gut. Da kommt man zu Statistiken, die kein Mensch sehen will. Wie fortgeschritten ist der Krebs? Kann ich gesund werden? Diese unendlichen Fragen haben mich fast irre gemacht“, erzählt sie. Zuverlässige In- Foto: Apollonio formationen wie jene der Österreichischen Krebshilfe gaben zwar keine finalen Antworten. Aber das Lernen über die Krankheit half ihr trotzdem gegen das überwältigende Gefühl der Ungewissheit. Mittlerweile ist Carina in Thailand gelandet, nach zwei Monaten Erkundungstour durch Indonesien und Malaysia. Sie ist stolz, dass sie sich diesen Traum endlich erfüllt hat. „Das wollte ich schon seit 16 Jahren. Ich freue mich, dass mein Körper alles gut schafft.“ Nur manchmal fühlt sie sich plötzlich kraftlos. Als Folge der Krankheit leidet sie unter dem Erschöpfungssyndrom Fatigue. Das klangvolle französische Wort täuscht über die Intensität einer Abgeschlagenheit hinweg, die laut Carina „wirklich keiner haben will“. „Lächle oder stirb“ Neben der Unterstützung von Familie und Freunden tat Carina der Austausch mit Betroffenen auf ihrem Instagram-Kanal „Brustkrebsreise“ gut. „So kann ich aus dieser schlimmen Erfahrung etwas Positives machen“, beginnt sie, korrigiert sich aber sofort: „Nein, etwas Positives wird es nie. Aber ich kann einen guten Abschluss finden.“ Zwischen Krebs und positivem Denken besteht eine ambivalente Beziehung, die die Journalistin und Brustkrebspatientin Barbara Ehrenreich schon 2009 in ihrem Buch „Smile or Die“ analysierte. Der Neoliberalismus wälze strukturelle Verantwortung auf das Individuum und dessen Mindset ab. Dieser falschen Logik zufolge bringe Optimismus Gesundheit und Erfolg, während Krankheit und Misserfolg die Konsequenzen einer schlechten Einstellung seien. Die Psychologin Chiarello unterstreicht: „Patientinnen füttern nicht mit negativen Gedanken den Krebs.“ Um das Risiko zu verringern, dass Carinas hormonabhängiger Brustkrebs zurückkehrt, durchläuft sie für insgesamt zehn Jahre eine Antihormontherapie. Sie wird also in den künstlichen Wechsel geschickt. Das bedeutet tägliche Medikamente und monatliche Injektionen. Auf ihrer Reise verabreicht sie sich die Spritzen selbst. „Die Hitzewallungen sind ganz schön anstrengend“, erzählt sie. Wegen der Therapien leidet sie auch unter einer Vorstufe der Osteoporose. Deshalb lässt sie, zusätzlich zu den halbjährlichen Nachsorgeuntersuchungen, auch ihre Knochendichte alle zwei Jahre messen. Zu den Kontrollen geht sie immer allein. „Ich möchte niemanden, der mich liebhat und den ich liebhabe, so angespannt sehen“, sagt sie. Sie hat bereits einige hilfreiche Tipps gesammelt, um die Angst im Zaum zu halten. „Eine Stunde vor dem Nachsorgetermin rufe ich im Krankenhaus an und erfahre oft, dass mein Termin sich verschiebt. Jede Minute, die man nicht im Warteraum sitzt, ist gut!“ Es gibt verschiedenste Arten von bösartigen Tumoren im Brustgewebe, weshalb Foto: Privat Lesen Sie hierzu auch den Text „Über Krebs spricht man nicht“ von Alexander Greiner (1.2.2023) auf furche.at. „ Du denkst dir ‚Juhu, Operation geschafft, Chemo beendet, jetzt geht es bergauf‘, und dann fragst du dich plötzlich: ‚Was, wenn nicht alles entfernt worden ist?‘ Das macht dich verrückt. “ Trotz Erschöpfung und Wechselbeschwerden: Carina Traxler macht eine Soloreise durch Indonesien, Malaysia und Thailand. Hintergrundrauschen Anfangs hat die Angst, dass der Krebs zurückkehren könnte, Carina völlig verrückt gemacht. Mittlerweile sind die Sorgen in den Hintergrund gerückt. die Hormonersatztherapie nicht bei allen sinnvoll ist. So eine Behandlung kann aber gerade in der schwierigen Zeit nach der Akuttherapie Halt geben. „Überspitzt gesagt beneiden manche Frauen die, die eine Antihormontherapie machen, trotz der Nebenwirkungen, weil es ein Gefühl von Sicherheit gibt“, sagt Carina. „Ich wiederum bin dankbar für die Behandlung, aber würde auch gerne darauf verzichten.“ Überhaupt rät sie davon ab, sich mit anderen zu vergleichen. Wie schon vor der Diagnose lebt sie gesund, trotzdem isst sie auch mal einen Burger oder trinkt ab und zu Alkohol. „Ich kann jeden Tag nur Rohkost essen, Wasser trinken und auf alle Genussmittel verzichten. Aber das ist keine Garantie dafür, dass ich nicht wieder erkranke. Dieser Perfektionismus, der oft unter Überlebenden herrscht, ist nachvollziehbar, aber kontraproduktiv.“ Lebensfreude und Akzeptanz sind wichtig, auch was das Körpergefühl betrifft. „Ich hatte eine einseitige Mastektomie mit Aufbau, bin in den Wechseljahren. Aber ich bin absolut fein mit mir“, erzählt sie. „Wenn ich meine Narben im Spiegel sehe, merke ich, wie stark ich bin. Mein Körper erzählt eine Geschichte.“ Operationen und Therapien können sich auch unterschiedlich auf die Fruchtbarkeit auswirken. Der Deutschen Krebshilfe zufolge kann in manchen Fällen zum Beispiel das rechtzeitige Einfrieren von Eizellen eine Möglichkeit sein, doch noch schwanger zu werden. Carina musste ihren Kinderwunsch aufgeben, und das schmerzt: „Aber ich suche mir neue Träume.“ Anderen Betroffenen möchte sie Mut zusprechen. „Wir Menschen sind viel stärker, als wir uns das vorstellen können.“ Dieser Tage bereist Carina Thailand, schwimmt im türkisen Ozean und lässt sich Pad Thai und süße Mangos schmecken. „Die Konfrontation mit dem Sterben verändert viel. Ich konnte nicht weitermachen wie davor“, sagt sie. Ihr Leben nach dem Krebs ist anders als geplant, aber sehr schön. REDEN HILFT Psychologische Unterstützung Österreichische Krebshilfe: www.krebshilfe.net Österreichische Gesellschaft für Psychoonkologie: www.oegpo.at Verein für ambulante Psychotherapie: www.vap.or.at Wiener Gesellschaft für psychotherapeutische Versorgung: www.wgpv.at Clearingstelle Niederösterreich: www.psychotherapieinfo.at FEM und FEM SÜD: fem-men.at

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