DIE FURCHE · 51/5224 Diskurs21. Dezember 2023ZEITBILDAn Wolken gekratzt –und gefallenFoto: iStock/LeoPatriziIHREMEINUNGSchreiben Sie uns unterleserbriefe@furche.atVon der doppelten Verhältnismäßigkeit.Von Ralph JanikNr. 49, Seite 8Wir nähern uns dem Fest desFriedens: Weihnachten. In der Kirchesingen wir Lieder vom Friedensfürstund beten um den Frieden in unsererZeit. Zugleich stimmt die VertretungÖsterreichs in der UNO-Vollversammlunggegen einen Waffenstillstandin Gaza. Über 18.000 Menschen,überwiegend Frauen und Kinder, sinddort laut Meldungen bereits getötetworden. Wir unterstützen damit dieKriegsführung Israels – die mit Rückendeckungder USA möglich wird.Wir stehen so – global gesehen – imEck. 153 Länder der Welt habeneinen sofortigen Waffenstillstandgefordert, 23 Länder sich wenigstensder Stimme enthalten. Acht Länder,darunter Österreich, haben gemeinsammit Israel und den USA dieKriegsführung bejaht. Wo stehen wir?Wie ist dieses Abstimmungsverhaltenmöglich, frage ich mich. Ist das diePosition der Bundesregierung? Ichkann mir das nicht vorstellen!Dr. Meinrad Schneckenleithner4040 Lichtenberg„Der COP-Tanker ist zu langsam“Interview mit Helga Kromp-KolbNr. 49, Seiten 22–23Die 75 Jahre junge KlimaforscherinHelga Kromp-Kolb ist seit ihrem Studium,das mit den Erkenntnissen derGrenzen des Wachstums des Club ofRome vor 50 Jahren zusammenfiel,sowie während ihrer langen LehrundForschungstätigkeit die wohlbekannteste österreichische Zeitzeugindes Klimawandels. Erfreulichauch, dass sie sich trotz zahlreicherAnfeindungen von Klimaleugnern ausdem Bereich von Politik, Lobbyismusder fossilen Energiewirtschaft undMedien nie scheute, vor den Gefahrender Klimakrise zu warnen undWege aufzuzeigen, wie wir das Ärgstegerade noch verhindern können.Dabei hat es die Wissenschafterinleichter als die grüne Umweltministerin,die als ehemalige Global-2000-Chefin beide Seiten kennt:sowohl den mühseligen Kampf derAktivisten als auch jetzt die Erfahrungals Ministerin, wie man zwarunermüdlich Konzepte vorlegt, abervom Regierungspartner ausge-Der Coup gelang im Geheimen: Versteckt vor den Augen der Konkurrenzließ Architekt William Van Alen 1930 mitten in Manhattandie 56 Meter hohe Spitze des „Chrysler Building“ fertigen – einPrunkstück des Art déco. Erst ganz am Schluss hievte man den 30 Tonnenschweren Vortex (lat. Wirbel, Drehung) an die Spitze. Er machte den Wolkenkratzernicht nur höhenmäßig, sondern auch ästhetisch zum Maß allerDinge. Wie geschaffen also für das Portfolio jenes Mannes, der halbÖsterreich zu blenden verstand: René Benko. 2019 erwarb die Signa-Holdingdes Tiroler Immobilienentwicklers die Hälfte des Prachtbaus – nebstanderer Insignien wie Privatjets und Beteiligungen an Kronen Zeitungund Kurier. Umso tiefer nun der Fall: Im November musste Benkos SignaInsolvenz anmelden (die Überschuldung beträgt fünf Milliarden Euro),43 Gläubiger haben vorerst ihre Forderungen angemeldet: in Summerund 1,13 Milliarden Euro. Benko selbst hat vorerst nur Zuschüssevon drei Millionen Euro zugesagt. Wie konnte so etwas geschehen – unterMithilfe türkiser, roter und blauer (Ex-)Spitzenpolitik? SanierungsverwalterChristof Stapf stellt den Aufsichtsräten ein vernichtendes Zeugnisaus und ortet einen „Mangel an Managementkapazitäten mit übergreifendemWissen“: Alfred Gusenbauer, Aufsichtsratschef einiger Signa-Gesellschaften,zieht sich prompt auch als Aufsichtsratschef der Strabag (vonSigna-Investor Hans Peter Haselsteiner) zurück – „Reputation“ und „Gesundheit“heißt es. Und das „Chrysler Building“? Jener schillernde Bau,der nur deshalb so rasch errichtet werden konnte, weil in der Weltwirtschaftskrisedie Macht der Gewerkschaften gebrochen und die Löhne amBoden waren, steht wieder zum Verkauf. (Doris Helmberger)bremst wird. Ein Spiel, das sich aufEU-Ebene wiederholt und auch imweltweiten Rahmen in Dubai wiederzu schwachen Kompromissen führte.Dass man auf diesem Weltforum eineVerdreifachung der erneuerbarenEnergien und eine Verdoppelungder Effizienzsteigerung festschrieb,können Leonore Gewessler wie HelgaKromp-Kolb zufrieden verbuchen,nicht jedoch eine bloße Reduzierungdes Treibhausgasausstoßes statteines Ausstiegs aus den Fossil-Energien.Wenn man Kinder und Enkel hat,muss man mit Bangen hoffen, dassdie Naturgesetze mithelfen, bisheruneinsichtigen Politikern, Managernund Besserwissern am Wirtshaustischdie Augen zu öffnen und zueinem baldigen Umdenken zu bringen.Denn klar ist, dass die Naturgesetzenicht verhandelbar sind und die Natur,will sie der Mensch weiterhin reizen,gewaltig zurückschlagen wird.Karl Semmler, Bad BlumauNoten und Matura abschaffen?„Lass uns streiten“ von BrigitteQuint und Manuela TomicNr. 47, Seite 10Ich unterrichte seit mittlerweilevielen Jahren, die Diskussion überdie Abschaffung der Noten wurdeim Laufe der Jahre immer wiedergeführt, letztendlich blieb man beider Notengebung. Als langjährigerPraktiker sehe ich ihre Vor- undNachteile – sie scheint mir letztlichwie ein Korsett zu sein: Sie engt ein,stützt aber zugleich auch. Einengendist sie, weil man viele Dinge nicht ineine Beurteilung einfließen lassenkann, stützend ist sie, weil man klareAnhaltspunkte hat und Noten einfacheine kurze, allgemein verständlicheund gut vergleichbare Form derBeurteilung sind. Die Beurteilungist aber natürlich auch oft subjektiv,zwei Lehrkräfte kommen oft zu völligunterschiedlichen Bewertungen.Hinsichtlich der Matura fällt mir einePositionierung leichter: Hier bin ichgegen ihre Abschaffung. Für mich istdie Matura bis heute eine Grundlage,auf der man aufbaut, egal, ob es sichhier um Studium oder Beruf handelt.Ich denke sogar, dass die Matura hinsichtlichder Allgemeinbildung einegute Grundlage für das ganze weitereLeben ist. Noch nie in meinem Lebenhabe ich es bereut, maturiert zuhaben. Ich möchte sie keinesfallsmissen.Peter Weichselbaumer, via MailIn dieser Ausgabe derFURCHE finden Sie bezahlteZahlscheinbeilagen von plan:g.In den WinterRubbellosenstecken Gewinnebis 75.000 Euro.FeiertagsglückzumRubbelnRubbellose im winterlichenund weihnachtlichen Gewandhaben Tradition und erfreuensich Jahr für Jahr großer Beliebtheit,nicht zuletzt auch deshalb,da sie von Erwachsenen gerneals Gastgeschenk für Erwachsenemitgebracht werden:1 Jahr Weihnachten5.000 Euro monatlich – für dieDauer eines ganzen Jahres:Beim Rubbellos „1 Jahr Weihnachten“gibt es diese „schöneBescherung“ gleich für zweiGlückspilze. Mit dem Bonusspielwartet außerdem eine zweiteGewinnchance. Der Lospreisbeträgt 3 Euro.Christmas CashBesonders elegant durchdie Vorweihnachtszeit kommtman mit dem Rubbellos„Christmas Cash“. Edel istnicht nur das Outfit, sondernauch die Chance auf bis zu75.000 Euro Gewinn. Pro Loskann man hier sogar bis zudreimal gewinnen. Das Losist um 5 Euro erhältlich.Winter CashBei diesem coolen Los wartenherzerwärmende 30.000 Euroals Hauptgewinn, und auchhier gibt es ein Bonusspielals zweite Gewinnchance.Das Los kostet 3 Euro.Mit Rubbellosen Freude bereitenFoto: Österreichische LotterienIN KÜRZERELIGIONRELIGIONWISSENFILM■ Anglikanische Segnungen■ Jüdische Kooperation■ Gehaltsverzicht für Vertrauen■ Wolfgang Glück (1929 -2023)Erstmals in ihrer Geschichte hat die Churchof England gleichgeschlechtliche Paare gesegnet.Als eine der Ersten erhielten CatherineBond und Jane Pearce am Sonntag imostenglischen Felixstowe den Segen für ihre„Liebe und Freundschaft“ sowie ihre gegenseitigenVerpflichtungen. Das zuständigeGremium – das sogenannte House of Bishops –hatte den Schritt erst vor wenigen Tagen erlaubt.Die grundsätzliche Entscheidung,gleichgeschlechtliche Paare zu segnen, warbereits im Februar gefallen. Dem waren langwierigeDebatten vorausgegangen. Kritikerngeht die Entscheidung nicht weit genug. Anderengehen die Segnungen zu weit.Die jüdischen Dachverbände in Deutschland,Österreich und der Schweiz haben einenKooperationsvertrag beim vom Zentralratder Juden veranstalteten Gemeindetagin Berlin unterzeichnet Der Vertrag wurdezwischen dem Zentralrat der Juden inDeutschland, der Israelitischen ReligionsgesellschaftÖsterreich sowie dem SchweizerischenIsraelitischen Gemeindebund geschlossen.Deren Präsidenten teilten mit:„Gerade in diesen Zeiten, in denen jüdischesLeben auch in Europa bedroht wird, ist diesesZeichen des Zusammenhalts und der Zusammenarbeitzwischen unseren Organisationenbesonders wichtig.“ Wenn Top-Manager auf Teile ihres Gehaltsverzichten, kann sich das positiv auf dieganze Belegschaft auswirken. Das zeigt eineStudie der Wirtschaftsuniversität Wien(WU). Voraussetzung dafür ist allerdingsder Verzicht aus freien Stücken und dassdas Geld der Belegschaft oder einem gutenZweck dient. Die Studienautoren ChristophFeichter und Martin Wiernsperger führtendazu eine Reihe an Experimenten durch undstützen ihre Erkenntnis dabei auf die Reziprozitätstheoriein den Sozialwissenschaften,die besagt: Menschen bauen durch denAustausch von Gesten und Geschenken gegenseitigesVertrauen auf – auch zum CEO. Mehr als 100 Theaterinszenierungen, rund80 Filme und über 400 Fernseharbeiten realisierteder vielfach ausgezeichnete RegisseurWolfgang Glück. International gilt „DerSchüler Gerber“ als sein Durchbruch. Dasser sein Fach auch auf der Bühne verstand,betonte 1965 in der FURCHE Rudolf E. Kellermayeranlässlich Glücks erster Opernregie:„Was dabei herauskam, ist wohl dasBezauberndste, was seit vielen Jahren aufdem Gebiet der Spieloper hier zu sehen war“,attestierte der Kritiker dem „Meisterstück“.Glück starb 94-Jährig in Wien. Trauerfeierund Urnenbeisetzung finden am 12. Februar2024 am Wiener Zentralfriedhof statt.
DIE FURCHE · 51/5221. Dezember 2023Literatur25BrigitteSchwens-Harrant über„Virginia Woolfs‚Mrs. Dalloway‘:‚Da halten wir inne, da stehen wir‘“,24.8.2022, furche.at.Von Ingeborg WaldingerBald ertönt wieder derGlockenschlag derPummerin, um dieerste Stunde einesneuen Jahres einzuläuten.Die wichtigste Bezugsgrößeunserer ge- und bemessenenZeit ist und bleibt die Stunde. Sietaktet unser Leben. Doch „Stunde“ist ein elastischer Begriff. Selbstals chronometrische Größe kannsie von unterschiedlicher Dauersein. So zählt eine Arzt- oder Unterrichtsstundenur 45 Minuten.Die Unterteilung der Stunde in 60Minuten geht auf das Zählsystemder Babylonier zurück.Frankreich unternahm 1793den Versuch, die Zeitrechnung aufdas Dezimalsystem umzustellen,und ersetzte das gregorianischeKalendersystem durch den RepublikanischenKalender. Der teilteden Tag in zehn Stunden zu je hundertMinuten. Die Produktion neuerZeitmesser erwies sich als technischschwierig, der Widerstandvon Wirtschaft und Gesellschaftals standhaft. Das Experimentwährte zwei Jahre, 1795 wurde dasEnde der heure révolutionnaire, derRevolutionsstunde, besiegelt.Die Zählung der Stunden setzteim Lauf der Geschichte zu unterschiedlichenTageszeiten ein, etwazu Sonnenaufgang, zu Mittagbzw. zu Sonnenuntergang. Odereben, wie heute, zu Mitternacht.Schlag zwölf. Der Glockenschlagmarkiert die Stunde akustisch.Zunächst, um die Mönche an ihreGebetsstunden zu erinnern. Diesesogenannten Horen wurdenauch in „Stundenbüchern“ festgehalten.Manch kostbare Ausgabediente nicht nur als Mediumder Andacht, sondern auch als Objektder Repräsentation.Mythologische BedeutungDer Begriff Horen hat zudemeine mythologische Bedeutung.Er bezeichnet die griechischenGöttinnen der Jahreszeiten. Esgab auch zwölf Stundengöttinnen.Sie verkörperten die zwölfTageszeiten, und ihre Namen bezogensich auf angemessene Aktivitätenzur jeweiligen Stunde.Die Säkularisierung der Zeitordnungbrachte den Uhrturm in dieHerzen der Städte. Die Zeitangabewar ab nun öffentlich und dankminiaturisierter Uhren bald auchim privaten Rahmen ablesbar.Doch die „Stunde“ ist nicht nureine physikalisch-objektive Zeiteinheit,sondern auch eine Metapherfür bestimmte Zeitpunkteoder Augenblicke. Das eine Malmeint sie den Moment schicksalhafterWendung oder großer Entscheidung,das andere Mal einenAugenblick flirrender Sinnlichkeitoder tiefer Erkenntnis. Das Spektrumspiegelt sich in diversen Redensartenwider. So gilt es etwa,dem Gebot der Stunde zu folgen,die Gunst der Stunde zu nützenoder in der Stunde der Wahrheitzu bestehen. Ein Schäferstündchensteht im Zeichen Amors, eineschwache Stunde im Unsternnachlassender Willensstärke –und die Mittagsstunde im Bannedes bocksfüßigen Pan. Die Stundenull wiederum markiert den Neubeginnnach einer Katastrophe;und wer von Anfang an ein epochalesUnterfangen begleitet, gilt alsMann oder Frau der ersten Stunde.Diese metaphorischen „Stunden“durchziehen auch die Weltliteratur.In der Bibel verweisensie etwa auf das Letzte Gerichtoder auf die messianische Erlösung.Wem die Stunde schlägt, derist aufgerufen, sich einer großen –oder letzten – Herausforderungzu stellen, auch in Ernest Hemingwaysgleichnamigem Roman.„ Das eine Malmeint sie denMoment schicksalhafterWendung,das andere Maleinen AugenblickflirrenderSinnlichkeit.“Schön wäre es, manche Stundeanhalten zu können. Doch Stromund flüchtige Stunden / stehenim Lauf nie still, heißt es schonin Ovids „Metamorphosen“. Goethevariiert das Thema der entfliehendenZeit in einem elegischerenTon: Hielte diesen frühenSegen / Ach, nur eine Stunde fest!(Gedicht „Dauer im Wechsel“). Illusionbleibt jegliche Art von Aufschubder Endlichkeit: Die aufWiderruf gestundete Zeit / wirdsichtbar am Horizont, heißt es ineinem berühmten Gedicht IngeborgBachmanns.Um ein mystisch inspiriertesSchöpfertum des Künstlers gehtes in Rilkes „Buch vom mönchischenLeben“, einem Teil des „Stundenbuchs“.Als Sprachrohr desPoeten fungiert ein Ikonenmaler:Ich liebe meines Wesens Dunkelstunden/ in welchen meine Sinnesich vertiefen.Wie in persönlichen oder nächtlichenDunkelstunden scheinensich Denken und Fühlen auch inder Dämmerung zu intensivieren.Ganz besonders in der BlauenStunde. Dabei handelt es sichum eine physikalische Erscheinung,„man schwimmt in der FarbeBlau: Das Licht selbst ist blau,und im Verlauf einer Stunde vertieftsich dieses Blau […], schließlichgleicht es dem Blau eines Glasesin Chartres an einem klarenTag“: Joan Didion eröffnet ihr Buch„Blaue Stunden“ mit einem Bild vontranszendentaler Leuchtkraft, dassich allerdings sogleich eintrübt:„Blaue Stunden sind das Gegenteilsterbenden Glanzes, aber siesind auch seine Vorboten.“ Anlassfür Didions berührende ReflexionDie Stunde ist mehr als nur eine physikalischobjektiveZeiteinheit. Als Metapher durchzieht sie dieWeltliteratur, denn sie schlägt allen.Taktschlagdes LebensFoto: iStock / Vladislav Zolotovüber die Vergänglichkeit warenKrankheit und Tod ihrer Tochter.Die Blaue Stunde besingen unteranderem auch Ingeborg Bachmannund Gottfried Benn in ihrengleichnamigen, melancholischenGedichten über die Liebe. Bennthematisiert eine Dreiecksgeschichte,wobei der Blauton bereitseinen nächtlichen Ton annimmt:In einer blauen, dunkelblauenStunde / und wenn sie ging, weißkeiner, ob sie war. Peter StammsRoman „In einer dunkelblauenStunde“ bezieht sich nicht nur imTitel auf diese Benn’schen Verse.Eine Protagonistin zitiert den Gedichtabschnitt,um ebenfalls einDreiecksverhältnis anzudeuten.Angst vor EndlichkeitKeine Farbe, sondern ein Klanguntermalt das Stundenmaß imRoman „Mrs. Dalloway“ von VirginiaWoolf. Ursprünglicher Titel:„The Hours“. In den 24 Stunden einesJuni tags des Jahres 1923 offenbarensich Leben und Weseneiner Dame aus Londons High Society.Clarissa Dalloway ist eineso frenetische wie brillante Gastgeberin.Doch sie kennt den wahrenGrund ihrer Lebensgier, es istdie panische Angst vor der Endlichkeit.Und sie weiß um die Hohlheitihrer gesellschaftlichen Triumphe.Unterdessen schlägt BigBen die Stunde, „mit bezwingenderKlarheit und Würde“, warnend,unwiderruflich. Auf Woolfs Romanaufbauend, verdichtet MichaelCunningham in „Die Stunden“das Leben dreier Frauen zu einemeinzigen Tag und macht VirginiaWoolf darin zur literarischen Figur.„Vierundzwanzig Stunden imLeben einer Frau“ schildert auchStefan Zweig. Diesmal bedeutensie einen fatalen Einschnitt. Eineverwitwete Lady weilt in MonteCarlo, aus Langeweile und Leere.Im Casino trifft sie auf einenSpielsüchtigen, der ihr zum Verhängniswird. SchicksalsträchtigeStunden sind ein wiederkehrendesMotiv in Stefan ZweigsWerk. Manchmal funkeln sie besondershell, als „Sternstundender Menschheit“. Dazu erklärt derAutor im Vorwort, er habe jeneWeltstunden so genannt, „weil sieleuchtend und unwandelbar wieSterne die Nacht der Vergänglichkeitüberglänzen“.Das letzte Wort sei Joseph Rothüberlassen, der das Ei des Kolumbusgegen „Die Tyrannei der Stunde“(„Der Neue Tag“, 5. Oktober1919) gefunden haben will: „Ich begriff,dass die Stunde hohl ist […].Und ich stopfte die Sekunden vollmit dem Glück meiner Liebe […],goss Ewigkeit in die Stunden. Sekunden,Minuten, Stunden sprangen,barsten, liefen über. Glockenschlägeertranken rettungslos imMeer meiner Liebe. Die Uhr wardmachtlos. Ich hatte sie bezwungen.Man kann eine Stunde nicht‚gewinnen‘ oder ‚verlieren‘, Mankann ihr Sklave sein oder ihr Herr.Man bezwingt sie, indem man sieausnützt d.h. erfüllt.“
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