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DIE FURCHE 21.12.2023

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DIE FURCHE · 51/522 Das

DIE FURCHE · 51/522 Das Thema der Woche In aufgewühlter Zeit21. Dezember 2023AUS DERREDAKTIONVor Weihnachten aufgewühlt zu sein, ist nichts Besonderes. Doch heuerreicht die Aufwühlung in Mark und Bein: Wie kann man froh sein, wie anRettung glauben angesichts der Katastrophen rundherum? Der aktuelle Fokus„In aufgewühlter Zeit“ beleuchtet diese Herausforderung, vor der auchChristinnen und Christen stehen. Umso mehr mahnt FriedenspreisträgerinAleida Assmann im FURCHE-Gespräch ein, die aktuellen Krisen und ihreGeschichte „in einem breiteren Licht zu sehen“. Wie viel Licht und Zuversichtes braucht, machen auch die weiteren Beiträge dieser umfangreichenWeihnachts-Doppel-FURCHE deutlich: sei es zum Thema Flucht, das TobiasMüller in einer beklemmenden Reportage aus Calais beleuchtet, sei es zumNahost-Krieg oder zum Erstarken von Autokraten. Hoffnung schenkt nebenindividuellem Glauben auch die Kunst – etwa das neue Album von Peter Gabriel,ein „poetisches Evangelium“. Neben diesem Stück finden Sie in dieserAusgabe auch eine Paraphrase auf Charles Dickens’ „Geistergeschichte zumChristfest“, einen berührenden Text über Weihnachten und Trauer, einenKommentar von Bundestheaterholding-Chef Christian Kircher über Bach,Beiträge über forschende Frauen und Wildnis sowie einen Essay über dieStunde als Taktschlag des Lebens. Frohe Weihnachten – trotz allem. (dh)Von Gregor Maria HoffEigentlich ist Weihnachtsbeschaulichkeitangesagt.Aber der Advent2023 stand unter ganzanderen Vorzeichen.Während sich die Christenheit aufdie Ankunft dessen vorbereitensollte, an den immer weniger glauben,werfen die Bilder aus Israelund dem Gazastreifen ihr eigenesLicht auf den Glauben an eineMenschwerdung Gottes. Ermordete,sterbende Kinder gehören indie Krippenszenen dieses Weihnachtsfestes.Dieses Weihnachtenist in apokalyptische Zeit verwickelt– nur was offenbart sie?Die genozidale Terrorattackeder Hamas auf Israel stellt einezeitgeschichtliche Zäsur dar.10/7 ist nur vergleichbar mit denSchockwellen der zerstörten TwinTowers. Der Ground Zero, der ansie erinnert, spiegelt sich im Entsetzen,das der ausweglos-notwendigeMilitäreinsatz Israelsgegen die Hamas auslöste. Die islamistischenMörder verstecktensich unter Krankenhäusern undnehmen weiterhin die Schutzlosestenin Kollektivhaft, was für Israelbedeutet, dass man dem Drehbuchdes Terrors folgen muss, umSchutz für die eigene Bevölkerungzu garantieren. Zu den Folgengehört die nachlassende Solidaritätmit Israel, aber auch dieschier ungehemmt zunehmendeEskalation eines Antisemitismus,der sich nicht auf Verbalentgleisungenwie denen des türkischenPräsidenten oder auf Pro-Palästina-Demonstrationenbeschränkt,sondern in direkte Gewalt auch inEuropa, in den USA und vielen anderenLändern umschlägt.Antisemitismus auch in KirchenDabei erweist sich eine Konsequenzmöglicherweise als dauerhaftdurchschlagender und ihrerseitstödlich: dass sich Jüdinnenund Juden aus Angst vor Übergriffenaus dem öffentlichen Lebenin den vermeintlich offenendemokratischen Gesellschaftendes Westens zurückziehen. Siewerden unsichtbar, um zu überleben.Jüdische Eltern schicken ihreKinder nicht zur Schule. Intellektuellevermeiden Auftritte. Veranstaltungenunter jüdischer Trägerschaftbrauchen verstärktenSchutz, der nicht allein von der Polizeigeleistet werden kann. Dashat Folgen nicht zuletzt für laufendeDialogprogramme: Wer kannbezahlen, was solider PersonenundInstitutionenschutz kosten?Und wer kann die Angst vor demnehmen, was sich an speiendemHass in Internetforen auskotzt?Gesellschaftliche Verabredungenstehen auf dem Spiel. Die semantischenGrenzen von Israelkritikund Antisemitismus werdenregelmäßig überschritten, sei esim Zeichen postkolonialer Theorien,sei es bei „Friday for Futures“oder in linken Netzwerken. Aberauch in der katholischen KircheFotos: KULTUM / J. RauchenbergerZur EKD-Studielesen Sie auch„Unaufhaltsam:Der Niedergangder Religion“von FranzWinter am29.11.2023,siehe furche.at.Von den Verwerfungen des Krieges im Nahen Osten biszum Abbruch der zivilisatorischen Prägekraft der Kirchen:Dieser Advent markiert eine apokalyptische Zeitenwende.FroheWeihnachten?gibt es Stimmen, die danach fragenlassen, was das theologischeBekenntnis zur Bedeutung des Judentumspraktisch bedeutet.Wenn etwa der AntwerpenerBischof Johan Bonny, ein klugerTheologe, am Jahrestag der Novemberpogromeden Terror derHamas als „ideales Alibi“ für denEinmarsch israelischer Truppenin Gaza bezeichnet und vor diesemHintergrund das SelbstverteidigungsrechtIsraels in einemAtemzug mit dem der Palästinensererwähnt. In der Folgenumkehrungvon 10/7 und in einer Zuschreibungvon Verantwortung,die das Massaker durch die Hamasmit der völkerrechtswidrigenSiedlerpolitik Israels zusammenschließt,zeigt sich mehr alsnur politische Verwirrung. Einkatholischer Bischof muss wissen,welche historischen Zusammenhängeer als Theologe aufruft,„ Was hält uns in Krisenzeitenzusammen? Was orientiert unsereWertvorstellungen angesichtshumanitärer Belastungsproben?Was gibt ihnen einen institutionellverlässlichen Rahmen? “wenn er sich an Pius XII. und seinSchweigen angesichts der Schoaerinnert fühlt, um damit seineStellungnahme zu begründen.Das ist nicht nur perfide.Das ist Ausdruck theologischbekundeter, aber nicht belastbarerSolidarität auch mit den Jüdinnenund Juden, die in Europa denPreis für die Eskalation der Gewaltzahlen – auch für solche Stellungnahmen.Sie sind nicht neutral gegenüberder Übertragsrechnung,die keinen Unterschied zwischender Regierung des Staates Israelund belgischen, österreichischen,deutschen Juden kennt.Kirchensterben bleibt evidentDas lenkt den Blick auf ein anderesEreignis rund um den Advent2023: die Kirchenmitgliedschaftsstudieder Evangelischen Kirchein Deutschland (EKD). Was unvergleichbarin Anlass und Ausmaßist, bildet dennoch einen Zusammenhangmit den Ereignissen inNahost und ihren Auswirkungenin Europa. Denn der Verlust anKirchenmitgliedern, der auch fürdie katholische Kirche ermitteltwurde, hat einen Nennwert weitüber Deutschland hinaus: Massive,rapide zunehmende Mitgliederverlustesind die Vorzeicheneines kirchlichen Advents der eigenenArt . Das christentumsgeschichtlicheKirchensterben hinterlässtnämlich auch die Frage,worauf man hoffen soll und kann.In globalen Krisenzeiten – vonder Pandemie über die Kriege inder Ukraine wie im Nahen Ostenund die Klimakatastrophe – stelltdies einen gesellschaftlichenStresstest ersten Ranges dar. Washält uns in Krisenzeiten zusammen?Was orientiert unsere Wertvorstellungenangesichts humanitärerBelastungsproben? Wasgibt ihnen einen institutionellverlässlichen Rahmen?Die politisch-theologische Aufladungdieser Fragen zeigt sich inder mitlaufenden Auflösung vonSchutzversprechen für jüdischesLeben. Wer sieht, was dies für diejüdischen Gemeinden von Wienbis Berlin bedeutet, wenn antisemitischeSchmierereien und Parolenwieder wie selbstverständlichzum Stadtbild der Metropolengehören? In diesem Jahr habendie „Stiftung Neue Synagoge Berlin“und das dort ansässige „CentrumJudaicum“ als Symbol fürdie jüdische Identität der Stadt wieals offener Dialograum für weltoffenePluralität die Buber-Rosenzweig-Medailledes DeutschenKoordinierungsrat der Gesellschaftenfür Christlich-JüdischeZusammenarbeit für Verdiensteum eine Verständigung zwischenChristen und Juden erhalten. Werdurch die Gebäude und die Ausstellungender Neuen Synagogeflaniert, wer die Stimmen der zeitgeschichtlichenZeuginnen hört,fühlt die Gegenwart einer Zerstörungjüdischen Lebens, die ungeahntauch an diesen Ort wieder heranrückt.Die Gefahr wird sich indem Maße dramatisieren, in demsich nachwachsende Generationennicht mehr auf jene Erfahrungbeziehen können, die aus der Bibelmehr als das Rätselbuch einer abgestorbenenVergangenheit macht.Wer das Beten verlernt hat, wiedie EKD-Studie mit hohen Zahlenwertenbelegt, muss die Zukunftmit finaler Entschlossenheit indie eigenen Hände nehmen – gerneauch in der apokalyptischen Gewissheitder „Last Generation“. Mitreligiös entwurzeltem oder auchschlechthin vergessenem Wissenlösen sich aber auch die Begründungsreservenfür eine Hoffnungauf, die Sinn nicht bloß auf die eigeneZukunftsfähigkeit setzt, sondernauch die einschließt, für dieman erinnernd-betend hofft: dieToten, die Opfer der Geschichte.Zukunftsfähigkeit ist in GefahrDie Beschränkung der kulturellenSensibilität wird zur Form.Begrenzte Ressourcen für Hoffnunglassen wenig Raum für dieEinschließung auch derer, dienicht ins Kalkül der eigenen eschatologischenPolitiken passen.Kein Zufall, dass Greta Thunbergihren Blick aus entschiedenerEinseitigkeit auf die Palästinenserlenkt, ohne den Ausgangsterrorzu benennen. Messianischintonierte Weihnachtshoffnungstellt demgegenüber einen Friedender Gerechtigkeit für alleMenschen in den Raum. DieseHoffnung besitzt regulativeMacht: Die gesichtslosen Anderen,die verloren Gegebenen verlangeneinen Ort, der mit der messianischenGebetsrichtung nichtaus dem Blick geraten darf.Genau diese Hoffnung löst sichreligionskulturell auf. UnsereGesellschaften verlieren damitMöglichkeiten, anders auf die zuschauen, die tot sind; die Opfer derGeschichte wurden. Sie büßt auchein, was angesichts von SchuldHoffnung auf Vergebung erlaubt.Das hat Folgen nicht zuletzt für jeneErinnerungskultur, die an derSchoa haftet und zur Gründungund völkerrechtlichen Anerkennungdes Staates Israel führte.Im Advent des nächsten Zivilisationsbruchsgegenüber Juden,aber auch der sich abzeichnendenAuflösung der zivilisatorischenPrägekraft der christlichenKirchen steht auch die Zukunftsfähigkeitunserer Gesellschaftauf dem Spiel.Der Autor ist Prof. für Fundamentaltheologiean der Uni Salzburg.

DIE FURCHE · 51/5221. Dezember 2023Das Thema der Woche In aufgewühlter Zeit3Nicht nur Feste wie Weihnachten, auch kollektive Traumata wie der 7. Oktober prägen das kulturelle Gedächtnis. Die KulturwissenschafterinAleida Assmann über Erinnern, Vergessen – und die Notwendigkeit, immer auch die andere Seite der Geschichte zu sehen.„In einem breiteren Licht“Das Gespräch führten Otto Friedrichund Doris HelmbergerAleida Assmann ist eine derbedeutendsten Kulturwissenschafterinnendes deutschenSprachraums. Für ihre Forschungenzum kulturellen Gedächtniserhielt sie 2018, gemeinsam mitihrem Mann Jan Assmann, den Friedenspreisdes Deutschen Buchhandels. Inwelchen Erinnerungsrahmen sieht sieuns zu Weihnachten 2023 gestellt? DIEFURCHE hat mit ihr gesprochen.DIE FURCHE: Wir leben in einer Zeit multiplerKrisen. Einige Beobachter sprechenvon einer apokalyptischen Zeitenwende.Würden Sie diesen Befund teilen?Aleida Assmann: Ich höre das auch ständig,und es spricht vieles dafür. Vor allem,wenn wir die Überlagerung von einerKrise durch die nächste erleben und davonüberfordert sind. Das führt dann dazu,dass man zu solchen Bildern greift undvon Apokalypse spricht. Aber das ist auchnicht unproblematisch. Denn wir modellierenja das Klima, in dem wir leben, auchdurch unsere Sprache. Wir können uns dadurchin erhöhte Erregung versetzen; wirkönnen aber auch versuchen, das wiederherunterzunehmen und das Nachdenkenwieder einzuschalten.DIE FURCHE: Apokalypse gibt es normalerweisenur eine. Das bedeutet Unvergleichbarkeit.Aber stimmt es, dass wir jetzt ineiner unvergleichlichen Situation leben?Assmann: Menschen können nicht anders,als zu vergleichen: Sie erleben alles vordem Hintergrund dessen, was sie schon erlebthaben. Ich nenne das Resonanz. Das istzunächst einmal das, was wir schon in unstragen und worauf wir reagieren, wennwir etwas erleben. Wenn es ein Traumaist, dann wird es dieses Trauma sein, daswieder auflebt und uns daran hindert, dieDinge in einem breiteren Licht zu sehen.Aber die Tatsache, dass wir vor dem Hintergrundunserer Erfahrungensprechen, heißtnatürlich auch, dass wirRessourcen haben, aufdie wir uns beziehenkönnen, dass wir derGegenwart nicht völligausgeliefert sind. Deswegenist Vergleicheneine wichtige Ressource,um die Situation besserzu verstehen.DIE FURCHE: Sie habenviel über das kulturelleGedächtnis geforscht.Wie würden Sie dieseserklären – im Unterschiedzur persönlichenErinnerung?Assmann: Das kulturelle Gedächtnis istder Rahmen, in dem wir gemeinsam lebenund in dem wir auch unsere eigenen Erinnerungenund Erfahrungen einbringen.Erinnern ist ein Prozess, der sehr viel mitdem Austausch mit anderen Menschen zutun hat. Viele meiner Erinnerungen kenneich nur, weil man mit mir darüber gesprochenhat. Wir tauschen uns ständigaus, wir bewerten unsere Erinnerungen.All das sind eminent soziale Prozesse. Einin völliger Einsamkeit lebender Menschwürde gar keine Erinnerung ausbilden.Aber es kommt das kulturelle Gedächtnishinzu, das durch Institutionen gefestigtist: Wir haben Museen, Jahrestage, Bibliotheken,Archive, Feste wie Weihnachten –Foto: Jussi PuikkonenAleida Assmann, geb. 1947, istAnglistin, Ägyptologin und Kulturwissenschafterinin Konstanz.viele Dinge, die nichts anderes tun, als dieErinnerung einer Gruppe zu stabilisieren.Das ist sehr wichtig, weil die Frage ist: Aufwelche Informationen können wir uns beziehen,um ein Verständnis der gegenwärtigenLage zu gewinnen?DIE FURCHE: Wir habenalle den 7. Oktober vorAugen – und den darauffolgenden Krieg(vgl. auch S. 8–9): Wiespielt hier das kulturelleGedächtnis hinein?Assmann: Der 7. Oktoberist ein Schlüsselereignis,es ist „noch inder Mache“, weil wir allegerade darüber reden.Auf alle Fälle ist es eineRetraumatisierung:Mit diesem Ereignis istvieles angesprochen,was in der Vergangenheitpassiert ist undnun infrage steht. Damitmeine ich die Utopie der Gründung desStaates Israel, die darauf ausgerichtet war,dass dieses Land ein sicherer Hafen fürdie Holocaustüberlebenden werden sollte.Da ist jetzt eine Brandmauer zerbrochen.Letztlich wurde der 7. Oktober als ein zweiterHolocaust erfahren, als eine Wiederkehrdes Bösen, das durch eine lange Phaseder Politik überwunden geglaubt war.DIE FURCHE: Traumatisierung und kulturellesGedächtnis gibt es aber auch auf deranderen Seite dieses Konflikts. Wie stehtdas zueinander?Assmann: Ich finde diese Frage sehr wichtig,weil sie uns hilft, dieses Ereignis zuöffnen, das heißt, mehr Raum zu schaffenund zu verstehen. Wir leben in Deutschlandund auch in Österreich wie in der EUin einer Post-Holocaust-Welt. Damit meineich, dass wir vom Schlüsselereignis Holocaustgeprägt sind. In dieser Welt spieltDeutschland eine besondere Rolle, und essteht für die historische Verantwortungan diesem ultimativen Verbrechen. Ist dasaber die einzige Erinnerung? Ich meine,es gibt auch andere Perspektiven, über diewir in Deutschland sprechen sollten, aberpraktisch nichts wissen. Damit meine ichdie Post-Nakba-Welt …„ Erst 1998 haben israelischeHistoriker gesagt: Wir müssendie ,Nakba‘ zum Teil desnationalen Narrativs machen.“DIE FURCHE: … das bezieht sich auf dieFlucht von 700.000 Palästinensern bei derGründung des Staates Israel.Assmann: Das Wort „Nakba“ kennt kaumjemand, dabei heißt es nichts anderes als„Katastrophe“. Wenn man fragt, was heißt„Schoa“, würde man schon sehr viel mehrMenschen finden, die vielleicht wissen,dass es auch „Katastrophe“ heißt. Schoabezieht sich auf den Holocaust und Nakbaauf die Reaktion der Verlierer des israelischenUnabhängigkeitskrieges, nämlichdie Palästinenser, die das Land verlassenmussten – und von ihren Häusern nurnoch ihre Schlüssel mitnehmen konnten.Die Schlüssel sind zu symbolischenSchlüsseln der Erinnerung geworden. DieErinnerung an so eine Gewaltgeschichtelöst sich nicht von allein auf. So eine Erinnerungsetzt sich fest; und wenn sie überGenerationen tradiert wird, kann sie sehrLesen Sie auffurche.at unter„Kulturelles Gedächtnis,humaneGesellschaft“(11.10.18) BrigitteSchwens-HarrantsWürdigung vonAleida Assmannzum Erhalt desFriedenspreisesdes DeutschenBuchhandels.explosiv werden und wieder Gewalt erzeugen.Da sehe ich eigentlich nur einen Weg,und der ist ganz einfach: den Austauschder verschiedenen Geschichten.DIE FURCHE: Die Wahrnehmung im Diskursist aber eine andere, nämlich totale Polarisierung.Gerade in Deutschland gibt esdie Diskussion über das „Ja, aber …“ nachdem Motto „Ja, aber Israel hat auch Unrechtan den Palästinensern begangen“ –was als Relativierung des Hamas-Terrorsgebrandmarkt wird.Assmann: Zunächst einmal muss man anerkennen,was am 7. Oktober passiert ist,und dieser Erfahrung emotionalen Raumlassen. Das ist wie bei einer jüdischenSchiwa, der siebentägigen Trauer nach einemBegräbnis: Da sitzen die Trauerndeneine Woche lang zusammen. Man begleitetden Todesfall und gibt durch seine PräsenzZuversicht und Trost mit. Es geht hier auchum Anerkennung, wie tief der Schmerzund die Erschütterung gehen. Der 7. Oktoberist ein kollektives Trauma, und diesesmitzuvollziehen, ist absolut wichtig.DIE FURCHE: Sie betonen, dass man die andereSeite dennoch im Blick haben müsse ...Assmann: Ja. Gerade in Gewaltsituationenoder im Krieg sind wir immer wieder in dieLage versetzt, nur die eine Hälfte der Sachezu sehen. Krieg kann gar nicht anders. Erst50 Jahre nach der Nakba, 1998, hat eineneue Generation von israelischen Historikerngesagt: Es fehlt uns in unserem nationalenNarrativ die Perspektive der Unterlegenen,wir müssen auch die Nakba zumTeil dieses Narrativs machen. Was die jetzigeKriegssituation betrifft, so denke ichan die Worte von Yuval Noah Harari, dieer in einem Zeit-Interview an uns DeutscheFORTSETZUNG AUF DER NÄCHSTEN SEITE

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