Aufrufe
vor 2 Monaten

DIE FURCHE 21.11.2024 + booklet

DIE

DIE FURCHE · 47 20 Wissen 21. November 2024 Von Martin Tauss HUMAN SPIRITS Meditation und Kritik Wie viele andere Europäer hat Jacob Schmidt die Achtsamkeitsmeditation in der buddhistischen Tradition kennengelernt. In Israel besuchte er ein intensives Meditationsretreat. Das Programm dauerte von fünf Uhr früh bis neun Uhr abends. Sitz- und Gehmeditation wechselten im Stundenrhythmus; zu Mittag gab es die letzte Mahlzeit. „Größtenteils war es eine Qual“, erinnert sich Schmidt. „Doch irgendwann kamen sie: Momente mir bislang unbekannter Ruhe, Leichtigkeit und Wachhheit. Momente der Brillanz, in denen ich meinen Körper, die Blätter und Blüten so lebendig und farbenfroh erlebte, als ob 50 Jahre Fernsehgeschichte plötzlich übersprungen und ein Röhren- durch einen 4K-Fernseher ersetzt worden wäre.“ Das Thema Achtsamkeit hat ihn seither „ Soziologe Jacob Schmidt erklärt fundiert, warum ,Achtsamkeit‘ zum Megatrend in unserer hektischen Gesellschaft werden konnte. “ nicht mehr losgelassen. Doch als Soziologe kam er nicht herum, auch einen kritischen Blick auf das Phänomen zu werfen, das in unserer hektischen Gesellschaft Hochkonjunktur hat und mittlerweile auch im Dienst der beruflichen Selbstoptimierung steht. Aus dieser Spannung ist sein Buch „Viel Lärm um Achtsamkeit“ entstanden, das eine fundierte Auseinandersetzung mit diesem vielschichtigen Trend bietet. So kann Schmidt gut erklären, warum die Popularisierung der Achtsamkeit seit den 1970er Jahren so erfolgreich verlaufen konnte: Pioniere wie der US-Forscher Jon Kabat Zinn übersetzten die Meditation zunächst für therapeutische Anwendungen und schafften es dabei, gleich mehrere Vorbehalte zu überwinden: (1.) Achtsamkeitsmeditation steht nicht im Widerspruch zum wissenschaftlichen Weltbild, (2.) sie ist weltzugewandt und funktioniert im Alltag, sowie (3.) sie bietet zudem ein umfassendes Sinnangebot und kann zur Wiederverzauberung der Welt beitragen. Dass dieser oft überfrachtete Begriff jedoch nicht zur Verbesserung der gesellschaftlichen Umstände taugt, sofern er nicht mit konkreten politischen Forderungen verbunden wird, macht Schmidt ebenfalls deutlich: „Und so mag die abendliche Dosis Achtsamkeit (…) unsere Sehnsucht nach Stille ein wenig erfüllen und ein intensives Retreat womöglich ein wenig mehr. Gegen den Lärm der Welt aber müssen wir kollektiv Zeiten erstreiten, in denen die Welt zur Ruhe kommt.“ Perspektiven: „Achtsamkeit“ Am 4.12. spricht Martin Tauss auf Radio Klassik Stephansdom über das Thema (17.30 Uhr) Viel Lärm um Achtsamkeit Oder warum es so schwer ist, in unserer Gesellschaft ein gutes Leben zu führen. Von Jacob Schmidt Kösel 2024 223 S., geb., € 20,95 Von Andrea Krieger „So ein Pech!“, denkt man beim ersten Mal, „nicht schon wieder!“ beim zweiten. Passiert es zum dritten Mal, heißt es: „Wer glaubt mir das denn noch?“ und „Das darf ja wirklich nicht wahr sein!“ Doch, darf es! Das wiederholte Erkranken im Urlaub oder am Wochenende passiert so häufig, dass es gleich mehrere Namen dafür gibt: Freizeitkrankheit (Leisure sickness), Wochenendsyndrom (Weekend syndrom), Urlaubskrankheit (Holiday disease) oder salopp „Freizeititis“. Wer die Begriffe erstmals hört, mag sie noch dazu, welch Ironie, mit „Krankfeiern“ assoziieren. Aber jeder und jede kennt wohl eine Person, die öfter nach getaner Arbeit kränkelt. Als Entdecker der Freizeitkrankheit gelten der holländische Psychologe Ad Vingerhoets und seine Kollegin Maaike van Huijgevoort von der Universität Tilburg. Einer Befragung unter 1900 Menschen zufolge kannten 2002 rund drei Prozent dieses Phänomen aus eigener, oft schon zehnjähriger Erfahrung. Hoher Adrenalinspiegel Die Tendenz steigt gewaltig. 2017 initiierte die Internationale Hochschule im deutschen Erfurt eine weitere repräsentative Umfrage und das Ergebnis war eine stolze Versiebenfachung auf 22 Prozent. Die Zahlen sind allerdings nur bedingt vergleichbar. Neuerdings beforscht die Privatuniversität Umit Tirol das Thema: Eine Dissertation am Institut für Sport, Alpinmedizin und Gesundheitstourismus ist gerade im Entstehen. Sie „ Das wachsende Problem betrifft nicht nur die Erkrankten selbst, die um ihre Erholung kommen. Es geht auch die Arbeitgeberseite und den Tourismus an. “ soll die Grundlage für neue Erhebungen liefern. Denn das wachsende Problem betrifft nicht nur die Erkrankten selbst, die um ihre Erholung kommen. Freizeitkrankheit geht auch die Arbeitgeberseite und den Tourismus an. Allerdings handelt es sich um keine klassische Krankheit mit bestimmten Symptomen und einer Nummer im Diagnosekatalog ICD. Vielmehr tauchen unterschiedliche Beschwerden auf, nämlich Schnupfen, Kopfweh, Erschöpfung bzw. Müdigkeit, Muskel-, Bauch- und Gelenkschmerzen, Durchfall oder Übelkeit. Früher zählte man auch noch Migräne dazu. Dass diese besonders in der Freizeit auftritt, ist aber mittlerweile widerlegt. Dafür ist man an der Umit Tirol gerade auf ein anderes Symptom gestoßen: „Auffällig war, dass auch Symptome im Ohr öfters genannt wurden, ein Brummen, Schmerzen oder Schwindelgefühle“, berichtet Leisure- Sickness-Doktorandin Dorothea Schmelzer der FURCHE über ihre qualitative Untersuchung. Typischerweise tauchen mindestens zwei der genannten Symptome auf. „Immerhin ist das Leiden in der Regel nicht so schlimm, dass der Urlaub abgesagt wird“, sagt Schmelzer. „Auf einer Skala von eins bis zehn beurteilten es die Betroffenen in meiner Studie mit zwei bis vier, also moderat. Und nach drei Tagen ist es meistens auch schon wieder vorbei.“ Es irritiert dennoch, warum das Ungemach ausgerechnet im Urlaub bzw. in der freien Zeit kommt, ohne dass man sich einen Virus eingefangen hätte. Der niederländische Psychologe und Studienautor Ad Vingerhoets nennt allen voran zwei Ursachen: „Die erste ist die Ablenkung: Die Betroffenen arbeiten so hart, dass sie gar nicht bemerken, dass sie etwas ausbrüten. Der zweite Grund ist, dass man so viel Adrenalin produziert, um die Deadlines zu schaffen, dass der Hormonspiegel auch nach getaner Arbeit hoch bleibt.“ Mit der Folge, dass der Körper und das Immunsystem außer Balance geraten und krankheitsanfälliger werden. In letzterem Fall kommt die Entspannung schlicht zu spät: Beschwerden in der Freizeit als Nachwehen beruflichen Drucks also. Generell hat die Arbeitsbelastung aufgrund von Unterbesetzung zugenommen. Heißt es vor dem Urlaub gar noch vorarbeiten, bedeutet das extra Stress. Das Packen in letzter Minute und das Hetzen zum Flieger, zur Bahn oder das Im- Stau-Stehen tun das Übrige. Man weiß mittlerweile aber auch, dass ein hohes Arbeitspensum alleine das Leisure-Sickness-Risiko nicht automatisch erhöht. Schließlich hängt der Grad der Belastung auch von der Persönlichkeit ab. Sich abzugrenzen, „Stopp“ zu sagen, gelingt den Menschen unterschiedlich Heruntergebremst Der Stress im Beruf ist soeben vorbei, ein schöner Urlaub steht vor der Tür – und ausgerechnet jetzt beginnen die Kräfte nachzulassen. gut, ebenso abzuschalten. Manche nehmen durch regelmäßige Pausen Druck heraus, andere gönnen sich kaum eine Mittagspause. Menschen, die sich unabkömmlich fühlen oder sich in erster Linie über ihren Beruf definieren, haben ebenfalls ein höheres Risiko für die Freizeitkrankheit. Veränderung bedeutet Stress Nicht zuletzt entsteht Stress nicht immer nur dort, wo wir ihn vermuten. „So wichtig Auszeiten sind: Der Organismus reagiert auf jede Veränderung mit Stress“, sagt der steirische Hormonexperte und Stressforscher Sepp Porta. „Und Urlaub und Freizeit stellen ja unter Umständen große Veränderungen dar. Speziell, wenn ein sehr aktiver Mensch sich plötzlich an den Strand legt.“ Von hundert auf null zu schalten ist daher ebenso wenig ratsam wie umgekehrt. Vingerhoets bringt einen weiteren Aspekt ein, der nach Simulieren klingt, aber keines ist. Wer die anstehenden Urlaubs- oder Wochenendaktivitäten mit der Familie wenig reizvoll findet oder große Schuldgefühle hat, nicht zu arbeiten, kann dadurch tatsächlich körperliche Beschwerden entwickeln. Die „Zipperlein“ sind dann auch eine Möglichkeit, etwaigen Freizeitverpflichtungen zu entkommen und gleichzeitig umsorgt zu werden. Welche Rolle aber spielt das Freizeitverhalten? Überraschend: Menschen, die an und für sich jede Menge Energie für Freizeitaktivitäten hätten, können trotzdem hoch gefährdet sein. Und zwar dann, wenn sie sich aus Mangel an Struktur und Verbindlichkeiten einfach treiben lassen. Ebenfalls stark gefährdet sind Menschen, die zu erschöpft für außerberufliche Tätigkeiten sind. Deren Freizeitverhalten unterscheidet sich oft wenig vom Job; Weiterbildung und Netzwerken werden großgeschrieben. Es empfiehlt sich jedenfalls, den Urlaub ausgeruht zu beginnen. Und wer durch regelmäßige Arbeitspausen und Bewegung mehr Regeneration in den Alltag einbaut, übt das Loslassen – und tut sich dann auch im Urlaub leichter damit. Foto: iStock / Elena Noviello Wie Bewegung auch das Immunsystem in Schwung bringt, beschreibt der Alternsforscher Georg Wick in „Warum Laufen so wichtig für uns ist“ (10.9.2024), auf furche.at Im Urlaub oder am Wochenende neigen manche zur „Freizeitkrankheit“: Warum der Körper just dann streikt, wenn die Batterien wieder aufgeladen werden könnten. Ankommen und ausfallen

DIE FURCHE · 47 21. November 2024 Wissen/Gesellschaft 21 Die Gesellschaft muss akzeptieren, dass Kinder weinen, laufen oder laut sind. Dann wären Eltern weniger unter Druck, sie mit Handys ruhigzustellen, sagt Kinderliga-Chefin Caroline Culen. Auch das „absurde“ Ausmaß an Föderalismus behindere die Jugendgesundheit. „Schulärzte haben kaum Zeit“ Das Gespräch führte Magdalena Schwarz Für Handys und soziale Medien braucht es klare Umgangsformen, ähnlich wie mit Alkohol. Das sagt Caroline Culen von der Österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit (kurz „Kinderliga“). Die vergangene Regierung hat für das Wohlbefinden und die Sicherheit von Kindern und Jugendlichen erste Schritte gesetzt, doch es gäbe noch viel Luft nach oben. Denn psychische Probleme und Gewalt würden dort passieren, wo sich junge Menschen alleingelassen fühlen. DIE FURCHE: Diverse Medien berichten über Gewalt durch Schülerinnen und Schüler. Bildungsminister Martin Polaschek stellte dieses Schuljahr unter das Motto „Hinschauen statt wegschauen“. Wie schätzen Sie die Lage ein? Caroline Culen: Unter dem Schlagwort „Gewalt“ wird vieles zusammengefasst. Reißerisch darüber zu berichten, hilft keinem. Aber der Ressourcenmangel an den Schulen ist sicher ein Faktor. Schulärztinnen haben mir berichtet, dass sie teilweise alle zwei Wochen an einem Standort sind. Sie machen die wichtigsten Screening- Untersuchungen, für komplexere Anliegen ist kaum Zeit. Generation „Krise“? Seit der Covid- 19-Pandemie haben Depressionen oder Angstzustände bei Kindern und Jugendlichen stark zugenommen. DIE FURCHE: Welche Maßnahmen schlagen Sie vor? Culen: Schulen bräuchten Gesundheitsteams, die Sozialarbeit, Psychologie, Pflege und Medizin vereinen. Die vielen Kulturen und Sprachen sind natürlich auch eine Herausforderung. Es geht darum, Jugendliche in ihrer Sozialisierung zu begleiten und früh mit dem Leben in der Schulgemeinschaft, unterschiedlichen Pflichten und Rechten vertraut zu machen. DIE FURCHE: Manche behaupten, wir hatten diese Probleme früher nicht. Culen: Früher waren 56 Kinder in einer Klasse, die wurden mit dem Rohrstock bestraft. Es wurde weniger Leistung gefordert, das Ziel war soziale Anpassung. Heute erwarten wir von jungen Menschen, dass sie ihre Individualität und persönlichen Stärken entfalten, andererseits lassen wir sie in ihrer Sozialisierung oft allein. DIE FURCHE: Gibt es in der Gewaltprävention eine Vorzeigeinitiative? Culen: Das Problem ist, dass bewährte Best- Practice-Modelle nicht flächendeckend umgesetzt werden. Es gibt immer wieder tolle Pilotprojekte, aber dann läuft die Finanzierung aus. Die Kompetenzen im Bildungs- und Gesundheitsbereich sind aufgeteilt. Jede Regierung, jedes Bundesland, jede Gemeinde will ihre eigenen Initiativen. Ich muss Österreich auch in Schutz nehmen, das Ausrollen von Maßnahmen ist auch in anderen Ländern schwierig und Arbeitsteilung macht grundsätzlich Sinn. Aber das Ausmaß an Föderalismus ist auch absurd, weil unser ganzes Land so groß ist wie in anderen Staaten ein Bundesland. DIE FURCHE: Dennoch gab es Fortschritte in der Kinder- und Jugendgesundheit. Was sind die wichtigsten aus der vergangenen Legislaturperiode? Foto: Jana Madzigon Foto: iStock / Juan Algar Die Psychologin Caroline Culen ist Geschäftsführerin der Österreichischen Liga für Kinder und Jugendgesundheit. Culen: Das Thema psychische Gesundheit ist in den Fokus geraten. Bestehende Versorgungseinrichtungen haben finanzielle Mittel erhalten – leider viel zu wenig, aber ein Fortschritt ist es doch. Außerdem wurden Krisenprojekte ins Leben gerufen, wie die Förderung „Gesund aus der Krise“ für die niederschwellige Vermittlung von Beratungs- und Behandlungsplätzen für Kinder und Jugendliche mit psychischen Belastungen. Aber das Projekt versorgt zu wenige Kinder, es gibt nur 15 kostenfreie Einheiten pro Person. Außerdem ist es durch EU- Gelder, also bis jetzt zumindest nur temporär finanziert. DIE FURCHE: Sie sehen auch Verbesserungen im Kinderschutz. Culen: Neben einer staatlichen Kinderschutz- und Kinderrechtekampagne zur Sensibilisierung gibt es jetzt auch Unterstützung für Organisationen. Sie können mittlerweile um öffentliche Förderungen für die Entwicklung von Kinderschutzkonzepten ansuchen und es gibt die gesetzlichen Grundlagen für Kinderschutzkonzepte an Bundesschulen. Wir hoffen, dass die nächste Regierung mit noch mehr Schwung weitermacht. DIE FURCHE: Was fordern Sie von einer kommenden Regierung? Culen: Armut und Gesundheit sind sehr eng verbunden. Von Armut betroffene Kinder haben ein vielfach erhöhtes Risiko, psychisch oder körperlich krank zu werden. Strategien wie der nationale Aktionsplan „Programm Kinderchancen“ zur Bekämpfung von Kinderarmut sollten in das Regierungsübereinkommen übernommen werden. Die Maßnahmen sind umsetzbar, wie etwa eine gesunde Mahlzeit pro Tag oder wöchentliche Bewegungseinheiten in Schulen. Wir haben aber Sorge, dass eine nächste Regierung diesen Fokus aus den Augen verliert. DIE FURCHE: Sie meinten, dass es auch bei der psychischen Versorgung Luft nach oben gibt? Culen: Wir möchten die psychosoziale Versorgung von Kindern und Jugendlichen kostenfrei und niederschwellig sicherstellen. Zwar ist der Vertrag zwischen klinischen Psychologen und Psychologinnen nun im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz verankert, aber es ist unklar, wie viele Leistungen bei jungen Menschen ankommen. Gerade junge Menschen können schnell aus Krisen herauskommen, wenn man sie auffängt. Wenn wir sie aber nicht fachgerecht versorgen, können sich Probleme bis ins Erwachsenenalter ziehen und verfestigen. „ Wer ein Kind im Kinderwagen mit einer Bierflasche in der Hand sieht, würde eingreifen. Mit Smartphones oder iPads sehen wir sie aber ständig. “ DIE FURCHE: Soziale Medien verstärken emotionale und mentale Belastungen. Die australische Regierung will Jugendlichen sogar den Zugang zu sozialen Medien bis 16 Jahre verbieten. Culen: Uns ist bewusst, dass Handys und Bildschirme nicht mehr verschwinden werden. Sie haben Vorteile für die Kommunikation, den Zugang zu Informationen, und können die Kreativität fördern. Gleich- Lesen Sie auch diese Reportage über die Initiative „Mental Health Days“ (6.9.24) von Magdalena Schwarz auf furche.at. zeitig war schon vor zehn Jahren klar, dass Jugendliche mit höherer Bildschirmzeit vermehrt unter depressive Verstimmungen, Ängstlichkeit, Stress und Schlafstörungen angeben. Wir brauchen neue Umgangsformen mit den Technologien. Wer ein Kind im Kinderwagen mit einer Bierflasche in der Hand sieht, würde wahrscheinlich sofort eingreifen. Gleichzeitig sehen wir im öffentlichen Verkehr permanent Kleinkinder mit Handys oder iPad. DIE FURCHE: Gegen Verbote regt sich aber auch Widerstand. Culen: Denken Sie daran, wie lange wir dafür gekämpft haben, dass in Lokalen nicht mehr geraucht wird. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass Schülerinnen und Schüler in ein paar Jahren ohne Handy in die Schule gehen. Sie brauchen Schutzräume, in denen sie vor den Belastungen von Bildschirmen für Augen und die Körperhaltung, aber auch vor inadäquaten Inhalten sicher sind. Als Gesellschaft ist es wichtig zu akzeptieren, dass Kinder weinen, laufen, quengeln oder laut lachen, damit auch Eltern nicht unter Druck sind, sie ruhigzustellen. Eine gute Balance zwischen digitaler Nutzung und Pausen vom Screen ist wichtig. DIE FURCHE: Es stimmt, Eltern und Familien stehen zunehmend unter Druck. Welche Angebote gibt es für sie? Culen: Ein schönes Beispiel sind die „Frühen Hilfen“, also Netzwerke, die Fachkräfte wie Familienhebammen an werdende Eltern und Familien mit Kindern von null bis drei Jahren vermitteln. Sie begleiten schon in der Schwangerschaft und reagieren auf soziale, psychische oder medizinische Risiken. Viele Menschen waren auf allen Ebenen aktiv, um aus einem Pilotprojekt ein österreichweites zu machen. Nun könnte man diese Initiative bis ins Volksschulalter ausdehnen.

DIE FURCHE 2024

DIE FURCHE 2023